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2012


 
Als ich zuletzt schrub, Aneignung stehe “in keinem logischen Zusammenhang mit Arbeit”, war das sehr wörtlich zu nehmen. Grundsätzlich steht zunächst nur Lohnarbeit im Zusammenhang mit dem Gegenteil, nämlich Enteignung. Dies zu betonen, ist keine akademische Übung, sondern ein fundamentaler Widerspruch zu dem, was gemeinhin von “Arbeit” – die zumeist (nicht immer!) Lohnarbeit meint, behauptet wird. Falsche Zuschreibungen sind u.a.:

- Wer arbeitet, bekommt eine Gegenleistung
- Wer mehr arbeitet, bekommt mehr
- Wer fleißig ist, kommt zu Wohlstand
- Wer faul ist, kommt nicht zu Wohlstand
- Wer nicht zu Wohlstand kommt, ist faul.

Letztere ist eine radikale These, die nicht von jedem vertreten wird, sich aber abscheulicher Beliebtheit erfreut und illustriert, wie ideologisch aufgeladen die Konnotationen zu “Arbeit” sind.

Arbeit war über eine kurze Periode für viele Menschen eine Möglichkeit, zu bescheidenem Wohlstand zu kommen. Es war hier zwischen den 50ern und 80ern möglich, als durchschnittlicher Werktätiger eine Familie zu ernähren, ein wenig zur Seite zu legen und im Alter eine auskömmliche Rente zu beziehen. Diese Zeiten sind passé, und es ist wieder wie in den Jahrzehnten zuvor so, dass das Gros der Beschäftigten gerade über die Runden kommt und im Alter von Armut bedroht ist. Minijobs, Leiharbeit, Zeiten von Arbeitslosigkeit, Niedriglöhne werden inzwischen als regulär akzeptiert. Davon kann man aber nicht leben.

Wem gehört der Fortschritt?

Die Entwicklung kann man aus unterschiedlichen Perspektiven beschreiben; hier soll die Enteignung der Werktätigen durch die Abkoppelung von der Produktivität betrachtet werden. Wer’s gern graphisch hat, möge z.B. hier, hier und hier schauen.

Nehmen wir an, es gäbe faire Löhne und diese seien einmal bezahlt worden. Dann wäre zu fragen, was hätte geschehen müssen, als die technische Entwicklung Arbeit effizienter gemacht hat. Wenn also ein Auto statt in 100 Stunden in 10 Stunden gebaut werden kann, wer hat dann etwas von der Verzehnfachung der Arbeitsleistung? Wer es für richtig hält, dass “Unternehmer” für Verbesserungen (wie z.B. das Anschaffen von Robotern) belohnt werden müssten, gesteht diesen also nicht nur zu, ihre Kosten für die neuen Maschinen zu amortisieren, sondern auch einen Anteil an der höheren Produktivität. Das muss man schon nicht so sehen, aber selbst dann müsste man fairerweise den Arbeitern zugestehen, einen Anteil auch ihren Löhnen zukommen zu lassen. Vielleicht einen weiteren für das höhere Risiko von Arbeitslosigkeit, weil weniger von ihnen gebraucht werden.

Dem ist aber nicht so, und dementsprechend wird der Kuchen bekanntlich aufgeteilt. Diese Zahlen sind das Manifest einer permanenten Enteignung. Dabei bilden sie aber einige der übelsten Details gar nicht ab. Schauen wir uns die “technische Entwicklung” an: Neuerungen in Produktionsanlagen und Abläufen, Erfindungen, Produktideen, Verbesserungen – werden die durch “Unternehmer” geleistet? Nein. Die Sphären sind im Kapitalismus geteilt zwischen Geldgebern und Produzierenden. Letztere bekommen wie gezeigt immer zu wenig vom Kuchen, wenn auch in unterschiedlicher Höhe. Für besonders Pfiffige, so wird behauptet, gäbe es aber den Weg in die “Selbständigkeit” oder “Unternehmensgründung”. Sie könnten auf diesem Wege reich werden.

Juristische Enteignung

Nun, es gibt Beispiele für solche Karrieren. Grundbedingungen dafür: Eine gute Idee, wenig Konkurrenz und das Glück, nicht von großen Rechteinhabern wahrgenommen zu werden, bis man selbst eine schlagkräftige juristische Abteilung beschäftigen kann. Das ist die traurige Rolle des Staates im höher entwickelten Kapitalismus: Dass er per Gesetz immer mehr Eigentumsansprüche schützt, vor allem gegen aufstrebende Konkurrenz, die sich gerichtliche Auseinandersetzungen schlicht nicht leisten kann. Wer “Glück” hat, wird aufgekauft. Auch darin besteht aber eine Enteignung übelster Sorte, denn fortan werden wieder jene kassieren, deren einzige Leistung darin besteht, schon viel Eigentum angehäuft zu haben.

Insofern sind Aneignung und Arbeit inzwischen beinahe Antagonismen. Sie sind es nicht grundsätzlich, wie die Nachkriegsjahre gezeigt haben. Auch seltene Einzelkarrieren und eine immer schmaler werdende Mittelschicht lassen Ausnahmen zu. Letztere ist wichtig, um noch Innovationen zu ermöglichen, aber gerade in solchen Prozessen ist neben dem wenigen, das sich Kreative und höhere Angestellte aneignen, die Enteignung in solchen Jobs oft am größten. Die Löhne, die hier gezahlt werden, sind oft ein Witz im Vergleich zu dem Zugewinnen, die solche Kreative schaffen.

Eine Ideologie, die entgegen diesen Fakten weiterhin mit der Behauptung, Fleiß und Arbeit seien der Weg zu Wohlstand, hantiert, ist im Kern faul. Die Neoliberalen behaupten aber tagein tagaus nichts anderes, was den Irrsinn auch aus dieser Perspektive offenlegt. Allerdings müssen auch deren Gegner, sofern sie einer “Marktwirtschaft” das Wort reden, erklären, wie derartige Entwicklungen wirksam verhindert werden könnten. Neben rein ökonomischen Fragen wäre da auch noch zu besprechen, wie ein Staat, der sich dem Schutz des Eigentums verpflichtet, den beschriebenen Prozess nicht geradezu provoziert – oder ob es eine Marktwirtschaft ohne solchen Eigentumsschutz werden soll.

 
nsuschredStolz verkündete Innenminister Friedrich heute die Einrichtung eines gemeinsamen Aktenschredders für alle Dienste, die mit sogenanntem “Terror” befasst sind. Das neue Terrorabschirmzentrum werde erhebliche personelle Ressourcen einsparen und zudem den Terror deutlich effizienter vor schädlichen Einflüssen außerbehördlicher Extremisten schützen.

Die bereits angekündigte “Extremistendatei” wird an das ebenfalls künftig zentral gesteuerte Extremistennetz “Thule2″ angebunden. Lediglich Ischlamischtischeterrorischte und die linksradikale Bedrohung der ausländerfreiheitlichen Ordnung werden weiterhin von allen Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern separat und erbarmungslos verfolgt. Zu Fahndungszwecken wird gleichwohl auch dazu auf Thule2 zugegriffen, in dem seit Jahrzehnten sachdienliche Hinweise von Volksgenossen aus der Bevölkerung gesammelt werden.

 
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Foto: Matt Stoller

Beginnen wir daheim und rückblickend: Eine der größten Leistungen der Frankfurter Rundschau war die Aufklärung im Fall der gemobbten Steuerfahnder in Hessen. Unter dem Triumvirat Koch-Bouffier-Weimar war versucht worden, die erfolgreichen Beamten zu psychiatrisieren. Sie wurden durch ein falsches Gutachten für verrückt erklärt, weil sie in Deutschlands Bankenhauptstadt Steuerhinterzieher verfolgten. Nun, inzwischen wissen wir, dass es anderswo noch schlimmer kommen kann, da wird man schon mal für die Wahrheit jahrelang in die Geschlossene gesperrt.

Der damals zuständige und als “brutalst möglicher Aufklärer” in die Geschichte der Satire eingegangene Ministerpräsident Koch ließ die Affäre Schmenger/Wehrheim von seinen Vasallen, unter ihnen Nachfolger Bouffier, abwehren. Koch selbst klärt inzwischen als Chef von Bilfinger Berger auf, wie unschuldig die Landesregierungen vor ihm schon waren, als seine heutige Firma mutmaßlich Bestechungsgelder an seine damalige zahlte. In Hessen geht also alles mit rechten Dingen zu.

Der Investor, ein Fluchttier

Es kann daher nur völlig astrein sein, wenn Überweisungen von Verdächtigen an den Chef der hessischen Finanzbehörden getätigt wurden. Schließlich waren die seinerzeit noch nicht verdächtig und hatten sicher ganz unausweichliche Geschäftsbeziehungen mit Herrn Clemm. Da kann man keinesfalls Absichten oder Strukturen unterstellen, denn das hieße ja, in Hessen regierte eine Mafia.

Das Signal kommt jedenfalls an: Hier werden Investoren geschützt. Das ist auch bitter nötig, denn sonst flieht der scheue Tyrannosaurus ins Ausland. Im wahrsten Wortsinne feudal ist die Praxis, das Schützen des Kapitals von einem Institut besorgen zu lassen, welches eigentlich dessen ärgster Feind ist: dem Staat. Wie wir seit dreißig Jahren täglich zu hören bekommen, nährt dieser sich in verwerflichster Weise von Steuern, die jedes Wachstum zerstören. Aus dieser Not heraus überlässt der Privateigentümer das Zahlen dem gewöhnlichen Volk. Dieses zahlt von dem, was es gar nicht mehr hat, schließlich für seine eigene Unterdrückung. Wer sich von der Polizei aus der eigenen Wohnung verjagen lassen will, weil des Investors Profit gefährdet ist, muss dafür auch noch Überstunden machen. “Soziale Marktwirtschaft” wird das genannt.

Dieser Prozedur entziehen sich die Leibeigenen zunehmend durch Entleibung; der Sprung aus dem Fenster als sprichwörtlich letzter Ausweg ist ihr politisches Testament. Wenn ich einen Schritt zurücktrete und die Gesamtlage betrachte, sind sie die Falschen. Springen sollten die am anderen Ende der Verwertungskette. Eine Frage der Ehre, wie ich meine. Die aber ist vor langer Zeit aus den Marmorburgen ausgezogen und gibt keinen Grund zu der Hoffnung, dass sie sich dort je wieder blicken lässt.

Die Frankfurter Rundschau ist pleite. Ich finde das extrem bedauerlich, denn sie war eine der besten Zeitungen in Deutschland, eine, die noch wirklich kritisch berichtete und einige der besten deutschen Journalisten beschäftigte. Gerüchten zufolge steht die FTD ebenfalls am Abgrund, ein weiterer Hinweis darauf, dass journalistische Qualität offenbar nicht mehr erkannt wird im Einheitsbrei des sogenannten “Qualitätsjournalismus”. Sicher hat auch die Rundschau respektive der Verlag (DuMont Schauberg) Fehler gemacht. Es zeigt sich, dass eine Politik der Kostensenkung durch Zusammenlegung von Redaktionen, Entlassungen und Kürzungen nicht funktioniert. Innovationen und Investitionen wären wohl besser gewesen, um sich gegen eine Konkurrenz zu behaupten, die stets mehr Qualität behauptet als sie jemals wirklich liefert.

Aber das ist auch nur Spekulation. Die Käufer werden auf breiter Fläche weniger, online sind die Einnahmen bei weitem nicht ausreichend. Ein Trend, der mit Zeitungen und ihren Angeboten nur sehr am Rande zu tun hat, mag das größte Problem darstellen: Dass immer weniger Menschen lesen, vor allem sich lesend informieren. Dem widersprechen auch nicht die ansehnlichen Umsätze auf dem Büchermarkt. Wenn wenige mehr lesen, kaufen sie vielleicht mehr Bücher. Sie abonnieren deshalb aber nicht mehrere Tageszeitungen.

Monopoly am Boulevard

Die Grundfrage, die sich stellt, ist die: Warum soll noch jemand für eine Zeitung bezahlen wollen? Was bietet sie ihm und was ist er bereit dafür zu geben? Ich habe diese Frage der Frankfurter Rundschau einmal per Mail gestellt, u.a. gefragt, ob es nicht sinnvoll sei, eine Möglichkeit wie flattr einzurichten, mit der Leser freiwillig einen Beitrag leisten könnten. Ich habe auf diese Mail nicht einmal eine Antwort bekommen. So geht online ganz sicher nicht. Die Mentalität aber, zahlenden Kunden ein Stück Papier liefern zu lassen, das Netz ein paar Freaks zu überlassen und zu glauben, das würde schon reichen, ist ersichtlich fatal.

Das Angebot von Abos könnte auch online funktionieren, mit entsprechenden Features. Multimedia-Dateien zum Download, Informationen über die Arbeit der Redaktion, die nicht jeder einsehen kann, ein Archiv mit übersichtlicher Menüführung vielleicht. Ich hätte schon für die Bemühung um Ideen und Leser gern etwas bezahlt, wenn man mir die Möglichkeit gegeben hätte. Vielleicht hätte auch das nicht zum Überleben gereicht und wir gehen auf eine Landschaft zu, wo bald noch drei große Verlage uns täglich mit Titten und Hitler versorgen. Aber wenn man mit dem Rücken zur Wand steht, hilft es nicht, sich auch noch zu ducken. Dann muss man losrennen und einen Ausweg suchen.

In den Modellen von Demokratie oder anderen freiheitlichen Gesellschaftsformen wird oft vernachlässigt, dass sie einem eingeschliffenen Bedürfnis zuwiderlaufen, nämlich dem nach Autorität. Es ist andererseits nicht ungefährlich, als Linker ein solches anzusprechen, weil gern geleugnet wird, was nicht ins Ideal passt. Ohne hier eine tiefergehende Genese dieses Bedürfnisses darzulegen, erlaube ich mir die Erfahrungen zur Kenntnis zu nehmen, die man in verschiedensten sozialen Strukturen macht. Es muss nicht entschieden werden, ob da ein Atavismus am Werk ist, ob es in der Natur der Psyche liegt und einem Aufwachsen als hilfloses Anhängsel vermeintlich allmächtiger Eltern oder ob gar Hierarchien etwas Natürliches an sich haben, weil sie allen Orientierung geben.

Bei SpOn findet sich ein interessanter Artikel zu Obama, der das zumindest implizit bespricht. Das Auftreten, die Bewegungen, Gesten, Mimik, Tonfall – das alles kann entscheidend sein und jegliche Inhalte in den Hintergrund rücken. Eine der häufigsten Aussageformen, die mir in bezug auf “Politik” bei normalverbildeten Zeitgenossen begegnet, ist “Ich finde xy gut/nicht gut.” Neben eingebläuten Stereotypen scheint der persönliche Bezug zur medialen Person einen sehr hohen Rang einzunehmen. In einer Stellvertretergesellschaft kommt dies umso stärker zum Zuge, weil mit den Kompetenzen im Einzelfall sogar narzisstische Triebregungen auf die Autorität übertragen werden. Der Vorgang lässt sich einfacher so beschreiben: Der Wähler verliebt sich förmlich in seinen politischen Führer.

Der charismatische Führer

Wohlgemerkt: Das ist kein Vorgang, der sich auf hysterische Massen in einer Diktatur beschränkt, sondern Alltag in allen Gesellschaftsformen. Wer politisch wirksam sein will, kommt also nicht umhin, dies zu berücksichtigen. Es mag gelingen, Inhalte so zu präsentieren und derart selbsttragend zu entwickeln, dass sie so weit wie möglich ohne Personenkult auskommen. Wo das auf seine Grenzen stößt, bedarf es charismatischer Figuren, um sie durchzusetzen.

Dies allein könnte aus Sicht einer liberalen und linken Haltung ein guter Grund sein, die parlamentarische Mediendemokratie abzulehnen, da in einer solchen das Autoritätsproblem wie unter der Lupe erscheint. Dabei ist allerdings ausgerechnet die deutsche Version so etwas wie ein Gegenargument. Man muss sich ja nur die traurigen Figuren anschauen, die hier zur Wahl stehen. Das wäre wiederum kurzsichtig. Nicht nur, dass ja bei geringer Konkurrenz auch weniger charismatische Personen gute Chancen haben. Gerade die Schizophrenie der Haltung deutscher Wähler zeigt, dass das Problem dennoch besteht. Wie sonst lässt sich erklären, dass 2/3 mit der Kanzlerin zufrieden sind, 2/3 aber auch mit der Regierung unzufrieden? Man kann hier einen Stock aufstellen und einen Hut drauf hängen, der würde auch gewählt, wenn es nur ein mächtiger Hut ist.

Pakt mit dem Teufel

Zudem zeigen Beispiele wie Schmidt, Schröder und Fischer, dass ‘Typen’, die ankommen, ihre Parteien völlig in der Hand haben und die Programme zur Not auch mal eben ins Gegenteil verkehren können. Irgenwann kann auch mal einer daherkommen, der schon weit rechts außen anfängt, um dann noch einen entscheidenden Schritt weiter zu gehen. Man stelle sich vor, jemand mit einem netten Gesicht und rhetorischem Talent hätte Sarrazins Thesen vertreten. Wir hätten dann ein größeres Problem.

Wer emanzipatorische Ansichten vertritt, wird also ggf. einen Deal mit dem Teufel machen müssen, vor allem aber darauf vorbereitet sein. Es kann entscheidend sein, wer eine Idee vorstellt, weil es darauf ankommt, wie man sie vorstellt. Da helfen aber auch Rhetorikseminare nicht viel weiter, denn es gibt einfach Menschen, die als Star authentisch wirken und solche, denen man das nicht wird beibringen können. Umso wichtiger ist es daher auch, die schon im Zusammenhang mit Korruptionsvermeidung geforderte zeitliche Begrenzung von Macht einzufordern. Je länger und bedeutender eine Autorität wird, desto stärker ist ihre Wirkung als Person – positiv wie negativ. Inhalte finden so irgendwann gar nicht mehr statt. Es ist nebenbei bemerkt eine grandiose Leistung der Grünen, von der “Rotation” und der Trennung von Amt und Mandat zur Fischerpartei mutiert zu sein. Die Lücke am Platz des Führers hat zwar noch niemand geschlossen, die reaktionäre Ausrichtung aber ist geblieben.

 

Ich bin, wie einige andere GRÜNE, Mitglied des Vereins Atlantik-Brücke. Die Atlantik-Brücke ist ein Verein, der – wie in seiner Satzung festgeschrieben – der Förderung der Völkerverständigung dient. Es handelt sich um einen eingetragenen Verein, der auf der Grundlage des Vereinsrechtes arbeitet (damit genauso demokratisch ist wie ein Sportverein o. ä.) und Konferenzen und Hintergrundgespräche zu außenpolitischen Themen, insbesondere den transatlantischen Beziehungen, anbietet. Das sind Themen, die für uns GRÜNE wichtig sind und zu denen wir mit JournalistInnen, Leuten aus der Wirtschaft und politischen MitbewerberInnen im Gespräch bleiben sollten, in diesem oder in anderem Rahmen. Es macht jedenfalls keinen Sinn, dies einseitig einem bestimmten politischen „Lager“ zu überlassen. Wer sich selbst ein Bild machen möchte, kann sich, statt nur auf Wikipedia zu vertrauen, ganz einfach den Jahresbericht auf der Homepage der Atlantik-Brücke herunterladen.

Katrin Göring-Eckardt

 
coloss

Ist es womöglich so, dass die Verschmelzung der Machteliten aus allen Chargen – Politik, Medien, Bürokratie unter der Führung des Kapitals, dieses imperiale Schauspiel, einhergeht mit einer weiteren Kopie antiker Strukturen – nämlich dem Verschmelzen von ‘Information’ und Unterhaltung? Das antike Drama hatte die Funktionen, das Volk zu unterhalten und zu ‘bilden’, wobei jene Bildung streng innerhalb der gegebenen Ordnung blieb. Die Tragödie war das Terrain der gekrönten Häupter, die großen Schicksalsfragen, Tugenden und Heldentaten der Herrschaft vorbehalten, die ihre höhere Würde aus diesen Erzählungen bezog. Über ihnen standen einzig die Götter.

Antike Ansichten

Die Komödie hingegen war das Spiel für den Plebs, über den reichlich gelacht werden durfte, der in seiner Lächerlichkeit keine höheren Ziele und Motive zu verfolgen hatte. Die Untertanen der Ordnung erschütterte kein göttliches Schicksal, sondern nur die Tücke eines festgelegten Alltags. So erfüllte das Theater seine politische Funktion. Es teilte den Zuschauern mit, wie die Welt sei und stets zu sein habe.

Immerhin hatte das Niveau und Struktur. Eine Struktur, die zumindest im Drama Jahrhunderte überdauerte. Tröstlich ist die Sicherheit, dass der denkbar dümmliche Aufguss solcher Zurichtung, wie wir sie in diesen Zeiten erleben, niemals eine Renaissance erleben wird. Es taugt nicht einmal zur Komödie. Dass Figuren wie Markus Lanz Veranstaltungen leiten, die als “politische Information” durchgehen, sagt eigentlich alles. Ganz folgerichtig verdiente der Herr sich durch seine streng nichtssagende Vertextung einer Spießerwelt, die Reinheit der Attitüde in rustikal hölzernen Posen, die Meriten eine große Spielshow leiten zu dürfen. Wohlgemerkt: Wer lange genug Politquatsch macht, darf auch Unterhaltung.

Last Exit Spielshow

Die konsequente Antwort darauf ist die Attacke seines Kollegen Raab, dem Superstar des Pöbels. Raab macht Unterhaltung einfach besser, konsequenter, populärer. Er macht sie deutscher, weil ohne Hemmung oder Gnade. Raab destilliert die Essenz der Verwertbarkeit aus allem, was ein Publikum hat. Es ist nur logisch, wenn er sich jetzt das sogenannte “Politische” vorknöpft. Es würde mich nicht wundern, wenn der Mann eines Tages erfolgreich einen Bundeskanzler castete. Nur zum Spaß natürlich, vielleicht wird auch ein Diktator draus, wenn das mehr Fun bringt.

Wenn sich das durchsetzt, werden wir sehr viel Freude haben mit bunten Shows, in denen Langeweiler keine Chance mehr haben. Auch die INSM wird umdenken müssen und statt eines Giftzwergs wie Bahring oder Lallbacken à la von Dohnanyi und Henkel wenigstens einen wie Dieter Nuhr schicken, besser noch Mario Barth. Wir werden lustige Formate zu sehen bekommen wie “F, D oder P” mit Michael Schanze, “Der große Preis”, bei dem die beste Rede mit 25000 Euro dotiert wird und natürlich “Peer wird Millionär”, die ultimative Dokusoap. Zum runden Abschluss des Abends kommt dann “Tutti Bunga” mit viel nacktem Fleisch von Prominenten aus Politik und Versicherungswirtschaft.
Ha, das war natürlich nur ein Scherz!

Auch Frau Kiyak stellt die entscheidende Frage nicht bzw. die Forderung, deren Erfüllung zielführend wäre. Die “Rechtsextremismusdatei” könnte durchaus eine Lösung sein. Sie müsste allerdings die Namen der Mitarbeiter unserer “Sicherheitsdienste” enthalten. Dann können die Sackgesichter sich gegenseitig verhaften und Ruhe ist.

Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. Nach dem furchtbaren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch als Folge einer verbrecherischen Machtpolitik kann nur eine Neuordnung von Grund aus erfolgen.

Meine allerersten Erfahrungen mit “Politik” waren geprägt von der Verehrung für Willy Brandt. Ich erinnere mich dunkel an das konstruktive Misstrauensvotum und dass Rainer Barzel ein böser Mann gewesen sein muss. Grundsätzlich war meine Kindheit also – wie die gesamte Zeit der 70er Jahre – sozialdemokratisch geprägt. Ich hatte Verwandte in der DDR, die ich im Alter von 13 Jahren besuchte. Sozialismus fand ich schlimm, weil viele Leute sich nicht trauten, laut ihre Meinung zu sagen, weil sie weinten, wenn eine Flasche Ketchup für ein paar Pfennige zu Bruch ging und man dort alle möglichen Waren nicht bekam.

Ich lebte hingegen in der “sozialen Marktwirtschaft”, dem damaligen Original. Selbst CDU-Anhänger hätten jemanden für verrückt erklärt, der gesagt hätte, man könne sich den Sozialstaat nicht leisten. Dennoch begann schon bald das Ende dieser Phase.

Was ich damals noch nicht wusste: Alle Parteien waren sich im Grunde einig gewesen, dass es keinen Kapitalismus mehr geben sollte, das stand jedenfalls in den Programmen, so auch im Ahlener Programm der CDU, aus dem das Zitat am Eingang stammt. Die Lösung schien also die besagte zu sein. Der Begriff “Kapitalismus” kam nicht vor in den öffentlichen Debatten, übrigens auch nicht der des “Profits”. Die Wirklichkeit schien das zu bestätigen. Es gab sogar Lehrmittelfreiheit. Jedes Jahr neue Bücher gratis, die man nachher wegwarf, manchmal fast ungelesen. Später galt das als “Verschwendung”. Seitdem müssen die Eltern diese Praxis finanzieren. Es gab Sozialhilfe und ihre Empfänger, die man bedauerte. Es gab auch Arbeitslose, für die es es eine Vorsorge gab. Niemand machte sich darüber schlimme Sorgen. Selbst die “Ölkrise” zwang das Land nicht in die Knie.

Die Wende

1982 zerbrach die sozialliberale Koalition. Das hatte diverse Gründe, u.a. den Kalten Krieg und den NATO-Doppelbeschluss. Aber auch die Tendenz in der FDP, höhere Profite zu ermöglichen. Damals dachte ich noch nicht daran, eine Krise des Kapitalismus zu erkennen. Wieso auch, es war ja nur eine “Marktwirtschaft”. Das Lambsdorff-Papier habe ich damals auch nicht gelesen. Ich erinnere mich aber sehr wohl, dass mit der “geistig-moralischen Wende” eine große Erzählung Einzug hielt, die uns glauben machen sollte, wir könnten uns den “überbordenden Sozialstaat nicht mehr leisten”. Was sehr merkwürdig war: Ausgerechnet, als der gebraucht wurde, denn es gab eine stabile Arbeitslosigkeit von mehr als einer Million Menschen.

Es begann eine Phase jahrzehntelanger Propaganda in diesem Sinne. Die ersten Regierungen unter Kohl haben dabei nur sehr vorsichtig in den Sozialstaat eingegriffen, allerdings wurde der Ton immer rauher. Sozialdemokraten, vor allem Oskar Lafontaine, verteidigten leidenschaftlich die Armen und Arbeitslosen gegen den sozialen Abstieg. Gleichzeitig kam mit den Grünen eine Partei auf, in der sich viele Kommunisten und Sozialisten tummelten. Seltsam fand ich die Reaktion der SPD, die diese Partei härter bekämpfte als die “Bürgerlichen”. Sie ließ sich von dem Vorwurf des “rot-grünen Chaos” zu immer absurderen Abgrenzungen gegen die Grünen treiben und driftete dabei inhaltlich deutlich nach rechts. Bis 1989 kam nur eine rotgrüne Koalition zustande. Erst als mit der PDS im Osten eine linke Konkurrenz auf den Plan trat, wurde Rotgrün salonfähig.

In dieser Phase wurden die Grünen durch die “Realos” unter Fischer und seiner Frankfurter Seilschaft von den als “Fundamentalisten” diffamierten Linken befreit. Am Ende des Prozesses zogen die “Pazifisten” in zwei Kriege, sitzt einer ihrer Oberen im Verein Atlantikbrücke, ist die “Basisdemokratie” zur Führerpartei avanciert und der Kommunismus bei Hartz IV gelandet. Von Sozialismus ist lange keine Rede mehr. Im Gegenteil wird die Linke vom vereinten Rotgrün exakt so gemobbt wie zu Anfang die Grünen von der SPD. Inhaltlich ist vor allem die SPD auf einem Niveau des Mobbings gegen Arbeitslose und Minderheiten angekommen, das sie vor 1989 mit schäumender Empörung quittiert hätte. Mit Maschmeyer, Hartz und Konsorten ließ sich Rotgrün von den übelsten Profitgeiern und Halbgöttern des Kapitals die Entscheidungen vorgeben. Damit stand die Einheitsfront, denn Schwarz und Gelb mussten nicht lange davon überzeugt werden, dass es dem Kapital stets gut gehen sollte.

Rechts ab, Vollgas

So weit der “Linksrutsch” im Lande. Ich selbst habe das mit wachsender Verwunderung begleitet und lange gegrübelt, warum eigentlich der Weg der friedlichen und halbwegs solidarischen Marktwirtschaft verlassen worden war. Zwar war mir Marxens Kritik des Kapitalismus weitgehend bekannt, aber der hatte sich ja nie mit einer sozialen Marktwirtschaft befasst. Bei ihm las sich das so, als müsse das Kapital grundsätzlich die Ausbeutung ins Extrem treiben. Wir hatten aber den Beweis des Gegenteils.

Das ist die Krux, die viele sicher vor dem persönlichen Linksrutsch bewahrt: Dass sie die Marktwirtschaft nicht als das erkennen, was sie am Ende doch ist: Kapitalismus und sonst nichts. Die schöne Phase, in der sich das Ganze wirklich anfühlte wie etwas “Soziales”, als es Aufstiegschancen en masse gab und selbst die Verlierer in Frieden gelassen wurden, war ein Glücksfall, der von Anfang an ein Haltbarkeitsdatum hatte. Die Klügeren unter den Dienern des Kapitals haben das frühzeitig erkannt und schon Anfang der 80er jene Propaganda gestartet, mit der sie inzwischen eine ‘Krise’ nach derselben begleiten und die Reaktionen darauf als schmerzhaft, aber notwendig® verklären.

Dazu gehört ebenfalls die Illusion, es werde schon wieder besser werden. Daran klammern sich all jene verzweifelt, die sich nicht zu Staatsfeinden und Anhängern einer Diktatur stempeln lassen wollen. Die den einen Schritt nicht wagen zu erkennen, dass es nie mehr besser wird mit der “Marktwirtschaft”. Dass der Kapitalismus die Welt immer wieder auffressen und ausspucken wird, wenn man ihm nichts entgegensetzt. Zum Beispiel einen neuen Sozialismus.

 
An Weihnachten gibt es Geschenke. Viele kennen das: Man weiß nicht, was man wem schenken soll, vor allem, wenn sie schon alles haben. Da gibt es natürlich eine Lösung, die immer geht: Geld. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung ist das keineswegs unangemessen, sondern wird gern genommen. Es ist auch durchaus nicht falsch, wenn jemand mit sehr bescheidenem Einkommen jemandem, der sehr viel reicher ist, Geldgeschenke macht. Im Gegenteil wird der in der Regel dabei sogar besser abschneiden und sich freuen, denn Reiche schenken eher pädagogisch, also denen, die wenig haben auch niemals zu viel.

Damit kennt sich kaum einer so gut aus wie der geborene Weihnachtsmann Peer. Der sympathische gutaussehende herzliche begabte Redner ist ein wenig tüdelig und vergisst manches, aber nur das Unwichtige. So vergisst er schon einmal, dass er bezahlt wurde, aber nicht von wem. Er hört manchmal schlecht, aber das Wichtigste hört er. Zum Beispiel wieviel er bekommt, aber nicht wofür. Da muss man schon lauter mit ihm reden, sonst kommt der Anwalt.

Home is, where the money is

“Wirtschaftsnah” heißt immer da zu sein, wo das Geld ist und bei denen, die dazugehören. Diener des Guten, Wahren und Schönen will er sein und nur solche um sich scharen. Ein subalterner Minister aus einer 18,5%-Fraktion ist dabei und ein waschechter Lobbyist. Das ist sozial, das schafft Profit. Nicht dabei ist hingegen ein gewisser Chefredakteur einer gewissen Zeitung, der gegen eine gewisse Genossin und Gattin eines gewissen Obergenossen kandidierte. Das geht ja auch nicht, da zeigt die Partei sofort ihr Gewissen. Auf dem hat sie jetzt Uwe Knüpfer. Selber schuld.

Dass der schrottreife Kutter einer sozialen demokratischen ‘sozialdemokratischen’ Partei überhaupt noch gebucht wird, liegt an den Alternativlosen mit der anderen Lackierung. Was die sich an Geschenken zuwerfen, ist ganz großer Kindergeburtstag. Die FTD stellt derweil eine richtig gute Frage, versteht sie aber dummerweise selber nicht. “Wie soll das funktionieren?“, lese ich da und denke: “Schau an, da denkt wer volkswirtschaftlich.” – Pustekuchen. “Wie soll das funktionieren, wenn niemand sich verschuldet?” wäre der Treffer gewesen.

Da sollte auch der Peer mal drüber nachdenken, wenn seine Millionen nicht dahin schmelzen sollen. Sonst kommt vielleicht schon bald der Pfleger und ruft: “Onkel Peer, es geht nach Mexiko!” “Mexiko? Was soll ich denn in Mexiko?”, fragt der Peer ängstlich, und sein Pfleger antwortet ganz ehrlich und kostenbewusst: “Steer-benn!”

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