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Juli 2007


koffer
…soll nie wieder ein Koffer explodieren.
Wie der Oeffinger berichet, darf man sich in Deutschland jetzt nicht mehr weiter als zwei Meter von seinem Koffer entfernen.
Schäubles Angst vor Terrorismus beruht übrigens nicht auf einer posttraumatischen Belastungsstörung wegen des Attentats auf ihn, wie er selbst betont. Vielmehr sorgt er sich um die Koffer. Es könnte ja Geld für die Partei drin sein.

Die ZEIT kommentiert das Bestreben der Wirtschaft, selbst quasi-akademische Titel zu verleihen. Ärgerlich, daß wieder einmal ohne Angabe der Quelle “die Wirtschaft” zitiert wird, aber das Thema ist dennoch interessant.
Den “Professional Bachelor” möchte “die Wirtschaft” gern vergeben. Das soll sie nicht, meint Martin Spiewak. Warum eigentlich nicht? Spiewak meint u.a., die Universitäten drohten “ohne das exklusive Promotionsrecht ihr wichtigstes Personal zu verlieren: hochkarätige Professoren und vielversprechende Nachwuchsforscher“. Wo ist da die Logik? Die inkarnierten Pensionsansprüche werden schon nicht scharenweise von den Unis fliehen, um sich den Streß anzutun, für ein paar Dollar mehr die Schnösel der Altmanager durch den privaten Kindergarten zu ziehen. Putzig, diese Denke: Als könnten überhaupt nur Professoren und ihre promovotierten Handlanger den Nachwuchs ausbilden! Wer je eine Uni von innen gesehen hat, weiß, daß das Gegenteil zumeist der Fall ist. In der Tat müßte sich diese verkrustete Bildungsparodie vor der Konkurrenz der Konzerne fürchten. Ausgebildet, in dem Sinne, daß junge Talente etwas fürs Leben lernen, wird eh längst da draußen, im richtigen Leben.
Aber das Thema ist ja völlig verfehlt: Sollte es wirklich diese Bestrebung geben, selbst Titel ausloben zu dürfen, dann geht es dabei überhaupt nicht um systematische Ausbildung. Die ist viel zu teuer und bleibt deshalb auch in staatlicher Hand. Nein, es geht um ein Jodeldiplom, daß der Vetter seinem Neffen zuschanzen darf. Der gedruckte Stallgeruch, geprägt und auf Hochglanz. Warum sollte so etwas verhindert werden? Es wäre doch recht nützlich, wenn man die Idioten, die es trotz allen Eifers an der Uni zu nichts gebracht haben und trotzdem Karriere machen, an einem ganz eigenen Titel erkennt.

Die Doktrin der amerikanischen Nahost-Politik bringt Samer Shehata von der Georgetown University, Washington D.C.,
in der FAZ zum Ausdruck:
Das sind großartige Geschäftsaussichten für die Vereinigten Staaten, und es geht um eine Menge Geld, das amerikanischen Unternehmen zugutekommen wird“. Die großartige Idee: Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuweit, Qatar, Bahrein und Oman werden mit neuen Waffensystemen ausgestattet, als Gegengewicht zum Iran. Ob die Potentaten dieser beflaggten Ölbohrinseln auch schon schriftlich darum gebeten haben, daß demnächst ihre Länder bombardiert werden, ist nicht überliefert. Der letzte hochgerüstete Hurensohn, Saddam Hussein, sollte ihnen doch eigentlich Beispiel und Warnung sein. Er wurde explizit als Gegner der Ayatollahs gepäppelt und verhätschelt, bis Wolfowitz und Konsorten etwas anderes in den Sinn kam.
Nun sind es also die Sultane und Prinzen, mit denen man kann. Was aber, wenn in dem einen oder anderen Land sich plötzlich eine Demokratie entwickelte? Was, wenn sie eine streng islamische wäre? So weit wird es sicher nicht kommen, zumindest nicht, bis sich der Deal für die korrupte Truppe im Weißen Haus amortisiert hat. Und wenn doch, dann kann man immer noch hinfliegen und die falsche Demokratie in die Steinzeit bomben.
Der Unfug, mit dem das alles begründet wird – eine militärische “Stabilisierung” der Region – ist schon zum Haareraufen. Schlimmer noch ist aber die erneute provokative Bevorzugung sunnitischer Despoten. Diese fördert nicht nur das Gegenteil von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, sie fördert auch unmittelbar den schiitischen Terrorismus. Aber vielleicht verstehen die USA darunter ja auch eine Stabilisierung: Als Ausgleich zum sunnitischen Al-Qaida-Gespenst motiviert man die schiitischen Kämpfer, ihrerseits nicht müde zu werden.
Als Verkaufsveranstaltung für Sicherheitstechnik, Waffen und Notstandsgesetze eignet sich diese Politik in ganz vorzüglicher Weise. Ein Demokrat, wem übel dabei wird!

Es ist die Zeit des Sommerlochs, aber die Überwacher schlafen nie. So hat Schäuble auf die Provokation von Zypries hin sehr deutlich gemacht, daß sein schönes neues Gesetz nur mit der ganzen Wahnsinnspackung über den Kabinettstisch geht, also einschließlich “Online-Überwachung”, sprich: Nur mit der Abschaffung der Privatsphäre.
Merkel, die sich schon zuletzt auf die Seite der Grundrechtsgegner gestellt hatte, läßt das absegnen, indem sie ihren Regierungssprecher vorschickt und Schäubles Version bestätigen läßt. Der Bosbach tritt nach und behauptet, die SPD hätte bislang ja gar nichts dagegen gehabt. Mit solchen Kindergartenargumenten und Sandkastentaktiken versucht die CDU also, einen Meilenstein der Bürgerrechtsbeschädigung durchs Sommerloch zu schieben. Vielleicht verpaßt die Öffentlichkeit ja, was da gemauschelt wird.
Ein großer taktischer Fehler oder das sichere Wissen um die Unfähigkeit der SPD? Nicht nur für Brigitte Zypries ist diese Situation eine nachgerade ausweglose Chance, sich zu profilieren, sondern für die ganze SPD. Wenn sie jetzt dagegen halten, können sie endlich einmal zeigen, wo der Unterschied zwischen einer großen Koalition und einer CDU-Alleinherrschaft liegt. Wenn sie jetzt versagen, sind sie auf dem besten Wege zur Splitterpartei. Bei aller genüßlicher Häme gegen die Sozialdemokraten: Diesmal brauchen wir sie.

Die Artikel der FTD sind oft ungleich raffinierter als die bei SpOn, aber mitunter herrscht dort dieselbe Anschmiegsamkeit an populären Nonsens. So findet Olaf Gersemann es “gut, wenn die “Reichen immer reicher” werden.
Die Argumente sind im einzelnen gar nicht so verkehrt, wenngleich immer, alte Ökonomenkrankheit, nur innerhalb des Systems gedacht. An einer Stelle aber wird es unfreiwillig komisch:
Denn hohe Zuwächse im obersten Einkommensfünftel reflektieren im Wesentlichen steigende Bildungsprämien.” Das oberste Einkommensfünftel ist für Normalsterbliche nicht erreichbar, selbst, wenn man nur “Angestellte”, in diesem Fall also Manager, in die Wertung nimmt. Zwar ist eine gute Ausbildung dafür erforderlich, aber wer behauptet, die reiche aus, hat keine Ahnung oder lügt. Nicht nur, daß es hochqualifizierte und motivierte Leute in diversen Branchen gibt, die miserabel “verdienen”, es ist auch fast unmöglich, in die erlesenen Zirkel der Topmanager vorszustoßen, wenn man den berühmten “Stallgeruch” nicht mitbringt. Entweder ist das weltfremd, was Herr Gersemann da schreibt, oder es ist Propaganda.
Es hat ganz nebenbei wenig mit der von ihm eingangs zumindest erwähnten Idee zu tun, Topgehälter auf eine Maximalhöhe zu begrenzen. Dies würde für alle Beteiligten Sinn machen und wäre nur anständig.
Schließlich: Die stille Gleichsetzung von “Reichen” mit “Topverdienern” ist ebenfalls entweder schlampig oder unverschämt. Denn heute sind es die Erben und diejenigen, die nicht einmal dafür arbeiten, ihren eigenen Reichtum zu verwalten, die an dem einen Ende stehen. Am anderen Ende stehen die, die buckeln wie gestört und kaum über die Runden kommen.

troja
Es ist eine merkwürdige Folklore, was in den Massenmedien unter der Rubrik “Wirtschaft” verkauft wird. Zum Beispiel Aktien: Kein Mensch weiß, wie der Wert einer Aktie zustande kommt. Dennoch wird jeden Abend in der Tagesschau der aktuelle Dax durchs Dorf getrieben. Gern mit vorheriger Bespaßelung durch einen “Experten”, der uns den neuesten Klatsch aus Frankfurt und New York auftischt. Was soll das? Wer sich wirklich dafür interessiert, findet keinerlei Information in diesem Gequatsche. Wenn ich wissen will, wie es meinen Aktien geht und wie es ihnen vermutlich morgen gehen wird, bleibe ich up-to-date. Informationen bietet das Internet wirklich aktuell, und für die Hintergründe gibt es die Redaktionen der Fachzeitschriften.
Zwischen den Stühlen gibt es die Wirtschaftsredaktionen der großen Zeitungen und Zeitschriften, so etwa den “Spiegel”, bzw. SpOn. Ein Werk dieses ehemaligen Nachrichtenmagazins gab es auch gestern zu lesen.
Thema: Das Ansehen deutscher Manager bei “Finanzinvestoren”.
Der Artikel ist so eine Art Trojanisches Pferd. Er kommt im Gewande der Hintergrundinformation daher und ist doch pure Propaganda. Ich gehöre bekanntermaßen nicht zu den talentiertesten Verschwörungstheoretikern, weswegen ich nicht behaupte, das Sabine Dembkowski von sinistren Logen gesteuert wird, um für Großkapitalisten die Trommel zu rühren. Nein, es ist das System, dem sich sogenannte “Journalisten” anpassen. Was man so hört, was als Common Sense gilt, was in der Redaktion so geschrieben wird. Früher wurde das auch “verdinglichtes Bewußtsein” genannt.
Sie setzt sogar scheinbar kritisch an, es geht um die schlechte Arbeit deutscher Manager. Wer sagt, daß sie schlecht sind? “Finanzinvestoren”, “Beteiligungsunternehmen”. Die Quelle:“20 [!] qualitative Interviews unter institutionellen Anlegern und Private-Equity-Gesellschaften an den Finanzplätzen London und Frankfurt”. Ein qualitatives Interview ist nichts anderes als eben ein Interview. Man nennt es “qualitativ”, wenn man keine Zahlen hat oder keine erheben will. Das kann durchaus sein Recht haben, aber gerade dann kommt es gewaltig auf die Auswertung an, und 20 Interviews sind eine verdammt magere Grundlage. Es klingt wissenschaftlich, ist es aber nicht.
Was man dennoch alles herauslesen kann, ist erstaunlich:
Die Befragung ergab aber auch, dass die meisten Manager ihren Job in den Augen der Investoren eher schlecht als recht machen.
Die 20 Jungs müssen ja verdammt was auf der Pfanne haben, wenn sie “die meisten Manager” kennen.
Es folgen diverse Kriterien, die “für die Investoren” “entscheidend ist sind“, was ““Die Investoren (vor allem) kritisieren” etcetera etcetera. Die Quelle dieser Weisheiten wird nicht genau benannt, sicher aus gutem Grund. Aber das ist letztendlich auch egal, denn entscheidend ist die Rhetorik: Obwohl völlig klar ist, daß die Quelle derart präzise Aussagen mit dieser Tragweite und in dieser Breite gar nicht zulassen, wird dem Leser suggeriert, er bekäme hier einen tiefen Einblick in die Finanzwelt. Und erklärt wird ihm auch, ganz einfach und verständlich, was das alles bedeutet:
Wenn ein Investor bei einem Deal 120 Prozent Nettokapitalrendite erwirtschaftet hat, steht ein anderes Unternehmen mit 30 Prozent eher mickrig da. Zum anderen stehen auch die Mitarbeiter innerhalb einer Gesellschaft unter Druck, die besten Renditen zu erwirtschaften.
Klingt auch toll, “Nettokapitalrendite” – hier schreibt die Frau vom Fach. Sie heißt Lieschen Müller und prügelt den Dummbatzen, die ihren Aufsatz lesen, ins Hirn: Die Zahlen sind groß und werden immer größer. Nur, wer noch mehr rausquetscht, bleibt dabei. Die anderen sind “mickrig”. Diese naive Darstellung von Wirtschaften entspricht genau der hirnlosen Gier moderner Planwirschaftler, vulgo “Heuschrecken”, die sich keinerlei Gedanken um die Folgen ihres manischen Wettberwerbs machen.
Von gutem Journalismus erwarte ich, daß er Fragen stellt und sich bemüht, diese zu beantworten. Wieder einmal antwortet SpOn, ohne daß sich dort irgendwer irgendetwas gefragt hätte.

Überwachungstechnik kann so sexy sein! Kai Raven berichtet über Fingervenenscanner und andere Verfahren, um menschliche Körperteile zu identifizieren. Was vordergründig so aussieht, als diene es dem nüchternen Zweck der Erkennung, ist bekanntermaßen ja längst Obsession einer Klasse von Freaks, die gar nicht genug sinnfreie Apparate auffahren können, um irdische Kohlenstoffeinheiten damit zu vermessen. Wer nun glaubt, das diene der Staatsräson, ist auf dem Holzweg. Solche Leidenschaft bei der Suche nach Geräten, in die man etwas hineinstecken, auf die man etwas drauflegen kann und die einen angucken – das ist purer Sex. Ein bißchen nekrophil vielleicht, aber im Ganzen Erotik.

Im Stil eines Boulevardblattes schwafelt SpOn über Nashörner und weiße Unterhosen in einem Artikel über die neuerliche Verhaftung eines Putin-Gegners. Der Mann heißt Alexander Donskoi und hatte die Stirn, für das Amt des Präsidenten kandidieren zu wollen. Wir erfahren in dem Aufsätzchen von Simone Schlindwein allerlei Ulkiges über den Mann, der “sich als Opfer einer Verschwörung” sehe. Nun ist er ja ein komischer Kauz, daher wird er sich das sicher nur einbilden, zumal ihm Korruption vorgeworfen wird.
Anstatt diesen Skandal als das zu behandeln, was er ist und die richtigen Fragen zu stellen, wird die Meldung mit Nipppes und Tand garniert, als ginge es um den letzten Klatsch vom Feuerwehrfest. Danke, SpOn!
Was man nicht fragen muß: Wie weit Putins braune Truppe geht, um an der Macht zu bleiben. Was man allerdings fragen muß: Was tut der gekaufte Lakai eines Ex-Bundeskanzlers für das Terrornetzwerk des Vladimir Putin? Welchen Einfluß hat der Mafiakonzern Gazprom in Deutschland? Und was sagt die aktuelle Kanzlerdarstellerin dazu?

Harry stirbt. Dumbledore lebt. In einem heldenhaften Kampf geht der größte Zauber aller Zeiten zu Ende und entläßt die Fangemeinde mit stummem Erstaunen. Was Johanna K. Rohling ihren sie liebenden Lesern hinterläßt, ist ein Feuerwerk der Spannung, Phantasie, Genialität und literarischer Kunst. Nobelpreiswürdig fürwahr und eine Sternstunde des Buchdrucks in Zeiten der Beliebigkeit multimedialer Unterhaltung.
Kurzfassung:
Der Turbanträger du-weißt-schon-wer bedroht die Welt mit einer furchtbaren Waffe. Er will nicht nur den Retter der freien Welt vernichten , sondern die ganze freie Welt. Nur einer hat den Mut, sich ihm den Weg zu stellen, obwohl er, von einem Attentat gezeichnet, fast kraftlos erscheint. Doch die Bedrohung durch die bösen Mächte verleiht ihm ungeahnte Kräfte. Durch seinen sinnlosen Tod ermöglicht er noch ein letztes Mal dem Guten (Autorin Johanna B. Rohling) eine weitere wohlverdiente Milliarde. Die spontan gegründete Terrozelle der Weasleys wird zunächst in Grund und Boden geklagt und dann interniert. Durch geschickte Verträge mit den Regierungen der Freien Welt© gelingt es Harry K. Pottings, für die Dauer der Halbwertszeit der in Sellafield eingelagerten Exemplare der Originalfassung die Urheberrechte zu regeln: Wer immer ihren dummen Stuß veralbert, nachmacht oder nachgemachte oder veralberte Inhalte sich beschafft und in Umlauf bringt, wird neben der Originalfassung interniert.
Weitere Nebenwirkungen: “Sozialneid” wird zum Akt der “Verschwörung” erklärt, ebenso wie “Raubkopieren”, “Lohnforderung” und “Konsumverweigerung”.
So. Liebe Leser drittklassiger Schacherschmöker, dies ist ein Blog. Herzlich willkommen!

merkddr
Wie das Politbarometer behauptet, seien 85% der Deutschen mit der Arbeit von Frau Merkel zufrieden! Wie weit wollen die PR-Hanseln dieser Regierung eigentlich noch in den Darm kriechen, bis der Letzte merkt, daß hier gelogen wird wie ehedem in der Zone? Daß Merkels Hofpostille diesen Blödsinn unkritisch weiterverzapft, kann ja niemanden überraschen, aber daß selbst die Sueddeutsche solche Zahlen verbreitet, ohne (schwarz-)rot zu werden, ist entmutigend.
69% seien überdies mit der Politik der großen Koalition zufrieden. Lebe ich in einer Parallelwelt? Beinahe 100% der Menschen, die ich kenne, lassen kein gutes Haar an diesen Stümpern und brechen in Tränen aus, wenn man “ihren” Namen nennt.
Ich muß meine Finger arg im Zaum halten, um hier nicht vulgärste Flüche auszustoßen. Fünfundachtzig Prozent! Die Frage, ob man uns verarschen will, muß da immerhin nicht mehr gestellt werden. Eher noch die: Hallo, merkt da draußen noch irgendwer irgend etwas?
Nun gut, dann wissen wir jetzt bescheid. Und wenn die CDU bei der nächtsen Wahl dann um die 70% holt, wird sich auch keiner mehr aufregen. Zahlen können schließlich nicht lügen.

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