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Juni 2013


 
Nicht ganz zu Unrecht echauffiert sich die geschätzte Kollegin Vera Bunse über die Ignoranz der Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die sich für “Konsequenzen für Deutschland aus der internationalen Internetüberwachung” offenbar nicht die Bohne interessieren. Nicht ganz zu Unrecht, denn ihre Kritik geht ein wenig am Gebaren der überbezahlten Adabeis und Container für Drittmittel vorbei.

Die sogenannten “Abgeordneten” nämlich sind Abgeordnete ihrer Fraktionsvorsitzenden, nicht etwa ihrer Wähler. Sie werden also von Spitzenfunktionären mit klarem Auftrag in den Plenarsaal geschickt. Dort haben sie an der Stelle die Hand zu heben, wo die Nomenklatura das vorsieht. Diese wiederum stellt zu diesem Zwecke – und da machen alle mit, einschließlich der sog. “Linken” – sicher, dass niemand zu viele Hanseln abordnet, sondern nur einen zuvor vereinbarten Teil, damit niemand die Veranstaltung für eine echte Debatte missbraucht und sich so einen unlauteren Wettbewerbsvorteil verschafft.

Ein Klo, ein Puff, ein Hinterhof

Der hier neulich schon als sympathischer Abmahner erwähnte politische Allzweckdödel Volker Beck brachte das heute auf den Punkt: “Früher in Bonn hätten wir tatsächlich bis halb neun getagt, da ging es oft mal bis in die Morgenstunden. In Berlin herrschen ein wenig andere Sitten, weil es auch mehr Alternativen zum Plenarsaal gibt“, plauderte er fröhlich aus. Nun, was stellt sich der Wähler dieser abgehobenen Snobs aus konzentriertem Parlamentarierersatzstoff vor unter “Alternativen zum Plenarsaal”? Ein Klo, ein Puff, ein Hinterhof? Völlig richtig! Verabredet wird also das Abstimmungsergebnis, das dann für die Idioten an den Fernsehschirmen so umgesetzt wird. “Reden” werden schriftlich eingereicht und gelten dann als gehalten, zu den Akten, zur Rundablage und ab zur Sonne zur Freiheit. Endlich Ferien!

Spulen wir kurz ein wenig zurück in die Zeit, als Artikel wie dieser hier noch nicht komplett überflüssig waren (ich sage dies, obwohl er vermutlich mehr Leser haben wird als die ungehaltenen Reden). Nein, nicht vor dem Krieg, auch nicht in der Nachkriegszeit, sagen wir so vor 20-30 Jahren nur. Da konnte noch jeder, der ab und an die Tagesschau geguckt hatte, zumindest mit ein wenig Mühe glauben, es gebe im Bundestag Abgeordnete (z.b. ihres Wahlkreises), die ihrem Gewissen verpflichtet Debatten folgen, um an deren Ende ihre Zustimmung oder Ablehnung kundzutun. Sie konnten das, weil sie anwesend waren. Weil sie abgestimmt haben. Nach Abschaffung der Anwesenheit wurde inzwischen aber auch die Abstimmung abgeschafft – für die meisten jedenfalls. Der Trick, wie ein abwesender Abgeordneter seinem Gewissen folgt, lässt sich sicher irgendwie erklären. Bedauerlicherweise fragt aber niemand danach.

Ersatzgewissen aus Gewissensersatz

Die Gewissensentscheidung von – sagen wir – Dr. Anton Hofreiter aus Oberhaching wird also von Cem Özdemir getroffen, bei Whisky und Zigarre mit seinen Freunden von Atlantikplanschverein, bei einer Line auf dem Bahnhofsklo oder einer Mörderlatte bei Macchiato im Café Einstein. Abstimmen darf dann einer, der gerade die Dienstschicht übernimmt. Was daran demokratisch sein soll, ist eine Frage, die es gar nicht erst in den Hals schafft, in dem sie stecken bleiben möchte. Sie ist bereits in die Keramik entfleucht. Überhaupt wird es seit Jahren zunehmend schwieriger, die demokratischen Elemente in den parlamentarischen Strukturen zu finden, selbst unter Zuhilfenahme eines Rastertunnelmikroskops. Das reicht aber noch nicht, um die Verachtung der Nomenklatura gegenüber den Resten einer Volksbeteiligung an ihrer Herrschaft hinreichend zum Ausdruck zu bringen.

Nein, der Parlamentarismus, den sie zur Bühne der Farce einer kapitalistischen Demokratiesimulation gemacht haben, ist nicht einmal mehr parlamentarisch. Nicht einmal annähernd. Es gibt für nichts eine Alternative, alle Entscheidungen liegen streng auf der Linie eines Sachzwangs, den das Kapital seinen Abgeordneten diktieren darf. Aber zum Plenarsaal, da gibt es gleich “viele Alternativen” für die Parlamentarier.
Wer sich da noch an Wahlen beteiligt, hat eigentlich kein Recht mehr, sich über die Zustände zu beschweren. So rum wird ein Schuh draus.

 
encryptJa in der Tat, wer jetzt nicht verschlüsselt, verschlüsselt nimmermehr. Ich werde gleich einige Anmerkungen machen, wozu verschlüsseln, wann verschlüsseln und wie verschlüsseln. Max postet ein Tutorial, wie man E-Mails verschlüsseln kann, ich hatte hier auch noch eins gefunden.

Vorab: Wer schon mit einer einfachen Programminstallation überfordert ist, sich keine Mühe machen möchte, keine Zeit dafür aufwenden oder stets beim ersten Fehlversuch in den Sack haut, muss nicht weiterlesen. Es kann im Optimalfall und bei entsprechendem Talent in wenigen Minuten gehen, man sollte sich aber aber eine bis zwei Stunden Zeit nehmen, damit man nicht ziemlich frustriert werden wird und ggf. einen zweiten Versuch einplanen, für den man sich Tips holt bzw. wen fragt, der sich damit auskennt.

Zunächst aber zum Wozu: Wir wissen alle, dass alles gespeichert wird, was wir kommunizieren. Alles! Allein darum ist übrigens der Quatsch, verschlüsselte Mails würden aber ganz sicher gespeichert, schon für die Tonne. Klar werden sie; die anderen aber auch. Jedenfalls solange wir dieser autokratischen Kaste von Kapitalisten und ihren Helfershelfern die Möglichkeit dazu geben. Wann immer ihr also etwas zu sagen habt, dass unter euch bleiben soll, auch wenn ihr einmal in den Fokus der Stasi geratet, sendet das verschlüsselt! Darüber hinaus sendet so viel belangloses Zeugs verschlüsselt, wie es euch und den Adressaten Spaß macht. Das ist nämlich eine der besten Strategien: Eine Datenflut erzeugen, die Auswertung unmöglich machen. Womit auch die Frage “wann verschlüsseln” beantwortet wäre.

Nehmt euch Zeit, fragt nach

Wie verschlüsseln, das beantworten die Tutorials. Ich habe mir dabei mehrere angeguckt. Der eine kommt mit Text besser zurande, der andere mit Bildern. Wenn man sich erst in Ruhe mehrere Tutorials anschaut, beantworten sich vielleicht Fragen, die bei hektischem Ausprobieren evtl. zum Scheitern führen, von selbst. Wie immer bei etwas komplizierteren Operationen, kann es aber hier und da haken, weil es viele Systeme gibt und unterschiedliche Vorgehensweisen. Mit Foren mache ich derweil inzwischen fast nur noch schlechte Erfahrungen. Die Leute, die in so etwas reinpinnen, reden oft Blödsinn, sprechen von veralteten Versionen oder schauen sich nicht einmal die (nämlich falschen) Dateinamen und Pfade an. Vergesst das!

Also seid mutig, probiert’s aus und nutzt die hiesige Kommentarspalte als aktuelles Forum. Vorab bereits zwei Details aus meiner frischen (gestern/heute) Erfahrung mit Installationen:
- bei der Installation unter Windows – ich hatte GnuPG in einer selbst gewählten Partition installiert, hat Thunderbird GnuPG nicht gefunden. Wenn das passiert, muss man unter dem Menüpunkt OpenPGP – Einstellungen – Allgemein einen Haken bei “anderer Pfad” machen und dann mit “Suchen” (der Button oben rechts) den Pfad zum Programm (z.B. “G:\GnuPG\GnuPG2.exe”) angeben. Ich rate überdies, wenn man mehrere Email-Adressen hat, das erst mal nur für eine einzurichten. Alles andere macht die Sache komplizierter.

Unter einer Debian-Distribution (Linux; Kanotix) hatte ich das Problem, dass Thunderbird/Icedove dort in der Version 10 vorliegt und man sich bei Enigmail die passende Version dazu suchen muss. Die per Add-on Manager gesaugte war nämlich die falsche. Kann vielleicht auch unter Win passieren. Wie gesagt; probiert, fragt, probiert noch mal und gebt uns dann Tiernamen!

 
Es ist die Zeit der Preisverleihungen, da lasse ich mich nicht lumpen und haue noch einen raus; diesmal einen für den, der sich am tiefsten bückt, um am weitesten ins Dunkel einzutauchen, sich gemein zu machen mit allem, was ihm groß und mächtig erscheint, kurzum: Der Traumboy jeder Diktatur. Diesmal ist es Ludwig Greven, der sich in der “Zeit” derart zum Rektaltampon des Überwachungsstaats macht, dass ich eine Tasse Adrenalin zum Frühstück hatte.

Sprich nicht so laut,
denn er hat seine Ohren überall.
Registriert alles.
Er kennt sogar dein Muttermal.

Duck dich, sonst hat er dich geseh’n.
Duck dich, der schwarze Mann.
Oh weh, oh weh.

Die Schamlosigkeit des Eiferers schafft es bis in die Überschrift: “Wer nicht belauscht werden will, sollte nicht überall reden“. Wow. Das musst du bringen. Exakt die Haltung, die zu verhindern die zahlreichen Urteile des BVerfG ausdrücklich beabsichtigen, wird hier zur Selbstverständlichkeit erklärt. Greven und seine Spießgesellen von der Garde des bedingungslosen Machterhalts betrachten es als ihre Aufgabe, den Souverän wieder zum Untertan zu machen und sprechen den Bürgerinnen dreist das Recht ab, von ihrem Staat unbehelligt kommunizieren zu dürfen.

Die Frechheit dabei ist, dass er wortwörtlich das Gegenteil behauptet, ohne dass irgendeine Ironie zu erkennen wäre, um es dann auf das Recht zu reduzieren, “seine Daten für sich zu behalten“. “Sie haben das Recht zu schweigen”, das ist für ihn freie Kommunikation. Sogar verschlüsselte Kommunikation ist für ihn ganz selbstverständlich falsch, denn die werde “grundsätzlich gespeichert“. Die Konklusion ist nicht etwa eine Unterstützung der Gegner diktatorischer Maßnahmen, sondern der Aufruf zum Buckeln:

Trommelschläger gegen Whistleblower

Wer private Dinge privat halten will, sollte sie daher nur selten oder gar nicht preisgeben und gegebenenfalls auf Internet oder Telefon verzichten. Datensparsamkeit ist immer noch eines der besten Mittel des Datenschutzes – was nicht da ist, kann nicht gespeichert und durchsucht werden.
Allein über den schwachsinnigen Begriff “Datensparsamkeit” könnte man einen eigenen Artikel schreiben.

Greven ist die Spitzenkraft im Orchestergraben, in dem ähnliche Geistesgrößen mit Wonne ihre publizistischen Violinen zersägen. Roberto weist auf die Kollaboration durch das Morgenmagazin hin, dessen Macher mit ‘Fang den Verräter’ ein spannendes Gesellschaftsspiel aufgelegt haben. Die FAZ betont, der “Geheimnisverräter” habe die “falschen Freunde“, weil er durch böse Länder reist und womöglich mit deren bösen Regierungen spricht.

Deutsche Journalisten reimen sich wieder auf etwas. Es überrascht mich nicht, dass sie es tun, aber es erschreckt mich, mit welcher Gründlichkeit sie die Grundrechte intellektuell bereits entsorgt haben und jetzt denen beispringen, die darauf nur hoffen konnten. Ich hoffe die Naivität hat sich endgültig gelegt, Journalisten seiendas öffentliche Kontrollorgan von Regierung und Behörden“.

Dass deutsche Journalisten “regelmäßig Politiker und Manager angreifen” halte ich bereits für ein Gerücht – es sei denn die einen abstrakt und die anderen, wenn es “Linke” sind. Dass den meisten von ihnen aber jede Form von Selbstkritik fremd ist, pfeifen schon die Spatzen von den Dächern. So kommt eines zum anderen und wir lassen uns von solchen Trommelschlägern die Welt erklären.

 
udoalframAuf den allgemeinen Wunsch einer Einzelperson, die durchaus einmal in Vorleistung getreten war und einen allgemeinen Einzelpersonenwunsch meinerseits berücksichtigend einen Eingriff in ihr übrigens preisgekröntes Blog vornahm – auf diesen Wunsch hin bin ich bereit, denselben hier gebührend und lobend zu erwähnen, ihm aber nicht nachzukommen. Es handelt sich dabei um die Anregung, doch die Kandidaten zu erwähnen, die hier vorgeschlagen wurden, um den Opi mit Herz aka “Underdog” auszuführen. Ich will das auch an dieser Stelle begründen:
 

Der Underdog ist so in etwa das Gegenteil eines Publikumspreises. Die Jury ist bekannt, die Kriterien der Auswahl weniger – obwohl angesichts der Preisträger/in (Pluralkonstruktion mit eingebettetem femininen Singular, versucht das nicht zuhause!) leidlich nachvollziehbar. Unabhängig ist die Jury allemal, bestochen hat mich noch niemand. Wieso eigentlich nicht? Also: Hier darf jeder vorschlagen, was er will, da bin ich offen wie der Petitionsausschuss (nach neuer Rechtschreibung mit zwomal “ss”), allerdings ebenso flexibel; ich habe doch nur diesen “abgelehnt”-Stempel, da kann ich nichts machen. Vor allem aber könnte die Erwähnung aller Erwähnten dazu anregen, hier welche zu erwähnen, die ich um nichts in der Welt verlinken möchte. So welche sind diesmal sogar dabei und darum nö. Es sind aber durchaus auch Kandidaten dabei, die ich im Auge behalten werde.
 

udoalarmObendrein kommt es ja noch dicker, wurde doch schon wieder einer ausgewählt, den keiner nicht vorgeschlagen hatte. Die Verwirrung wäre nicht auszumalen gewesen. Wer malt auch schon eine Verwirrung aus? Seht ihr: Es geht schon los.
Kommen wir aber nunmehr zu etwas völlig anderem, dem diesjährigen Preisträger nämlich. “Ei fein”, dachte ich mir, in die Händchen klatschend vor Freude, “da habe ich mich wieder selber überrascht” und mich in meiner sehr endlichen Güte und Weisheit für ein Blog entschieden, das so ein bisschen vor sich hin dümpelt, gerade in diesen Tagen aber zeigt, dass wir es brauchen. Bis es bald vom LSR gefressen werden wird; schade eigentlich. Es pflegt die Kunst der großen Schnauze bei gediegenem Ausdruck und verfügt auch über ein Layout an der Schmerzgrenze. Herzlichen Glückwunsch, Alarmknopf! Sie dürfen das Internet jetzt abschalten.

 
Was hat Jan Ullrich mit dem autoritären Staat zu tun? Nun, einiges; das beginnt damit, dass beide zu derselben Welt gehören und endet in dem entsprechenden Zusammenhängen. Ich mache periodisch darauf aufmerksam, dass politisch vordergründig irrelevante Bereiche wie Sport helfen können, Dinge zu erkennen, die sehr wohl auch mit Politik zu tun haben. Zumal wenn man beides als Medieninhalte wahrnimmt und darauf überprüft, in welchem Verhältnis zur Wahrheit diese stehen.

Jan Ullrich, so stellt die FAZ sieben Jahre zu spät fest, hat Eigenblutdoping betrieben. Er gibt das jetzt nämlich zu und fügt an, er habe niemanden betrogen, sondern “Chancengleichheit” hergestellt. Dass er dies schon 2006 genau so meinte, als er sagte, er habe “niemanden betrogen”, hat auch jeder gewusst, der es wissen wollte. Aber auch nach Jahrzehnten, in denen die ‘Einzelfälle’ dreistellig geworden sind, will der Journalismus noch immer nichts wissen. Ernsthaft redet Volker Stumpe für die FAZ von “Aufarbeitung der schwarzen Ära im Radsport“, als sei das nur eine Phase gewesen.

Die schwarze Ära, das ist der Radsport selbst. Didi Thurau, der Ende der 70er als Tour-Held gefeiert wurde, hat es deutlich gesagt: “Wir waren alle gedopt”. Das gilt seitdem und auch für alle Zukunft, Punkt. Wer das Aufarbeiten will, muss aufhören so einen Stuss zu reden wie “Dopingsünder”, “Geständnis” und “sauberer Sport”. Das ist ein Millionengeschäft, knallharte Konkurrenz, da besteht niemand ohne pharmazeutische Hilfe. Alles andere ist Lüge.

Hunderte Einzelfälle

Kurz umgeschaltet nach Obama-Town, Cameron-City, den Tatorten des kalten Putsches autoritärer Staatsführungen gegen ihre Nominaldemokratien. Es werden Whistleblower nicht etwa geschützt, wie es einige rührende Verbände seit Jahren fordern, sondern sie werden verfolgt. Nichts soll nach außen dringen; nicht nur werden die Whistleblower verfolgt und angeklagt wie Mörder, es werden jetzt alle unter Druck gesetzt, die auch nur eventuell etwas wissen und weitergeben könnten. McCarthy lässt grüßen. Angesichts der britischen Praktiken muss sich übrigens niemand mehr wundern, warum sie Julian Assange so gern via Schweden an seine Häscher ausliefern würden.

Was steht jetzt zum Beispiel von Insider Threat in deutschen Zeitungen oder auf ihren Online-Auftritten? Warum wussten sie nichts davon? Wieso wird von Seiten der Medien, nicht von den Verantwortlichen im Staat wohlgemerkt, inzwischen geleugnet, bis die Wahrheit einfach nicht mehr zu vertuschen ist? Wieso müssen Whistleblower ihr Leben riskieren und klären die Öffentlichkeit immer häufiger durch spektakuläre Berichte auf, die früher Sache eines investigativen Journalismus’ waren? Wieso stehen die Medien inzwischen regelmäßig auf Seiten der Regierungen anstatt die Quellen zu schützen, die Machenschaften aufdecken, welche diktatorischen Regimes gut zu Gesicht stünden?

Paradigmenwechsel

Es hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Bedient wird das Narrativ, die Wahrheit, die sein soll. Dem entsprechen die Techniken der Verlage: Sie recherchieren nicht, sie widersprechen nicht, sie klären nicht selbst auf. Ihre höheren Angestellten treffen sich in Hinterzimmern mit Politikern, wo sie sich das Gefühl des Mitwissens verschaffen. Sie bieten Schweigen gegen Dabeisein und das rechte Licht gegen Vorabinformationen, von denen wir ja längst wissen, dass sie diese oft für sich behalten.

Was dabei herauskommt, ist eine groteske Verzerrung der Wirklichkeit, eine Art Infoporno, bei dem die Professionellen der Kundschaft ein gutes Gefühl verkaufen. Dazu wird eine komplette Scheinwelt erschaffen, in der nur Leistung zählt, die Guten Erfolg haben, die Betrüger bestraft werden und die Bestraften automatisch die Bösen sind. Es gibt Freunde und Feinde der Ordnung, alle jeweils an ihrem Platz und das große Ganze, das gut ist und alternativlos. In diesen Rahmen werden sie allesamt einsortiert, die Einzelfälle, die Ausnahmen und die Regeln.

Was das Wissen anders organisiert, ist Verschwörungstheorie oder Extremismus. Paradox: Die das Narrativ so geschäftig besorgen, sind im Grunde recht einsam. Ihnen glaubt niemand so recht. Sie wissen aber, dass niemand gegen die Lüge aufbegehrt, denn die Wahrheit ist gleichbedeutend mit einem schrecklichen Erwachen. Dann lieber schnell vergessen, dieselbe Story wieder hören und wieder vergessen, bis man den Text auswendig kennt, ohne jemals den Inhalt zu verarbeiten. Guten Abend, das Wetter.

Jetzt könnt ihr mal zeigen, was ihr für harte Hunde seid. Den Gesetzgeber zu einem selten dämlichen Entwurf genötigt, jetzt fragt Google, ob ihr das auch wollt, was ihr da bestellt habt. Wetten, ihr macht einen Rückzieher und liefert uns eine hirnschmelzend tumbe Begründung dafür?

Oh, und wer noch zweifelt, dass Urheberrecht Arschlochrecht ist, bitte hier entlang!

 
Ich war in Schweiß gebadet. Das Internet verfolgte mich, bedrohte meine Familie und schickte sich an, das ganze Land zu zerstören. Es schwebte durch die Straßen und entließ Terror, Gewalt, Pornographie. Jeder Mann, der die Ausschweifungen sah, machte unverzüglich Jagd auf Frauen und Kinder. Jugendliche, die verdorben wurden, fielen über alte Menschen her oder schlossen sich zu fanatischen Sekten zusammen. Wir mussten handeln. Alle Gesetze wurden auf den Prüfstand gestellt und wir beschlossen unbarmherzige Maßnahmen, um dieser Seuche Herr zu werden.

So in etwa? Das Internet als Bedrohung darzustellen ist ein Anliegen der Rechtskonservativen, weil es in ihr Narrativ für ungebildete Rentner passt, ihre größte Wählergruppe. Die paranoiden “Bürger” – das kommt von “Burg” – die sich abends im Haus einschließen, weil sie Angst vor allem haben, was nicht zum Interieur gehört. Dass selbst die, weil es billiger ist, ihre Zierteller im Netz bestellen – geschenkt. Da aber das Grauen auch in ihrem Vorgarten wartet, kann es sich natürlich umso besser im Internet zusammenbrauen.

Spuk, Horror, Terror

engelfrankKennt jemand Ursula von der Leyen? Ja: Die einen als “Zensursula”, die anderen als Kämpferin gegen den Schmutz in Internet. Sie war es, die im Sinne der für die CDU essentiellen Spukgeschichten den Zombie erfand, der nach dem Konsum von “Kinderpornographie” sich “umschaut nach Kindern auf unseren Straßen.” Das ist immerhin mehr als vier Jahre her, dass sie das Horrorfilmkonzept der Union auf diese Formel gebracht hat.

Kommen wir aber zum wichtigeren Satz der Kanzlerin, dem nach dem Quatsch mit dem “Neuland”:
Es ermöglicht auch Feinden und Gegnern unserer demokratischen Grundordnung natürlich mit völlig neuen Möglichkeiten und völlig neuen Herangehensweisen unsere Art zu leben in Gefahr zu bringen.
Wie heißt es noch beim neoliberalen Partner SPD: “Auf das Wir kommt es an!”. Merkel spricht von der Art zu leben, der Art jener, die sie wirklich vertritt. Die sieht sie bedroht.

Wieder einmal, da hat sich an der Inkompetenz der Ignoranten nichts geändert, verwechselt hier jemand das Medium mit denen, die es nutzen. Allein: Im Internet wird es sichtbar, wird dokumentiert, dass die Menschen immer noch Meinungen haben, die sich nicht lenken lassen. Da kann jeder sagen, was ihm einfällt, und das lässt sich bislang nicht unterdrücken. Kein “Gatekeeper” passt da auf, dass nur die richtigen Ansichten durchkommen und die falschen nur in einer journalistischen Sandbox. Das kann gefährlich werden.

Die Art zu leben

In Zeiten, da die Menschen zunehmend isoliert sind – auch hier ist das Netz vielleicht ein Katalysator, aber keinesfalls Ursache – tauschen sie sich vermehrt online aus, diskutieren, verabreden sich, organisieren sich. Während Gewerkschaften, Parteien und Vereine erodieren, ist diese Verlagerung eine logische Konsequenz. Die Aufstände in Nordafrika, aber auch die Revolten in Stuttgart, Rio oder Istanbul, wurden daher von erhöhter Aktivität im Netz begleitet. Das ist ihr suspekt, das ist die Bedrohung für die Herrschaften, ihre „Art zu leben“ und die „Grundordnung“ einer darauf zugeschnittenen, eben marktkonformen „Demokratie“.

Diese Gefahr aber kommt nicht aus dem Netz, dem Telefon oder dem Briefkasten. Sie kommt von den Menschen, die Merkel nur mehr als Manövriermasse, Arbeitspflichtroboter und lästiges Pack von Nörglern kennt, das den Zoll ihrer “Globalisierung” nicht schweigend entrichten will. Die sind die Gefahr, nicht etwa der rassistische Popanz eines Islamismus, der in Jahrzehnten des Alarms niemanden bedrohte, während Nazis unbehelligt ihre Blutspur durchs Land zogen.

Dass die Hofschreiber dies anders sehen, versteht sich. Ein Johannes Kuhn etwa ölt sich ein und legt sich das “Neuland” so zurecht, dass jede aktuelle Entwicklung in jedem Bereich Neuland wäre. Als sei das so gemeint gewesen. Wenn man dann einmal ein so dummes Argument gefunden hat, das in keinem originären Zusammenhang zum Thema steht, wirft man am besten gleich dem Gegner die eigene Haltung vor. Spießer wie Kuhn haben das von den Fleischhauers gelernt: Sie projizieren und nennen ihre Gegner “Spießer”. Diese Strategien, Projektion und bezugslose Verallgemeinerung, definieren geradezu das Verhalten derer, die wir “Trolle” nennen. Auch da nichts Neues im Neuland.

 
udowhoSo, es ist heiß, da kann man nix schreiben, sonst kocht das Hirn. Erinnern kann man wohl, zum Beispiel daran, dass noch ein Underdog gesucht wird und dies der letzte Aufruf ist, einen vorzustellen. Die Jury ist noch sehr unentschlossen. Erinnern kann man auch an einen Godwin von Helmut Schmidt, der heute als Ersatz für Peer Sparbrück zum Kanzlerkandidaten gekürt werden wird. Das ist wie der Titel natürlich nur ein Scherz. Von was sollte Steinbrück zurücktreten? Der wurde doch noch nie zu etwas gewählt. Aus Anlass des Untergangs der Spezialdemokratie Neues von gestern:

Meine real existierende Freundin mag Hunde. “Seltsam”, dachte ich heute, “genau wie Hitler!”.
Lafontaine hat einen französischen Vornamen, genau wie Le Pen. Goebbels, Gorbatschow und Gysi fangen mit “G” an. Das kann doch alles kein Zufall sein!

Wir alle sind übrigens “charismatische Redner”. Also meine Frau und ich und die anderen da oben. Bei Le Pen würde ich allerdings Abstriche machen, sein Deutsch ist miserabel und seine Reden plump und inhaltslos, aber mei, was soll’s, irgendwas wird schon dran sein, denn der Herr Schmidt hat einmal gesagt:”„Adolf Nazi“ ist ein charismatischer Redner gewesen; Oskar Lafontaine ist es auch.” Der Herr Schmidt konnte seine eigene Partei kaum je überzeugen. Als er noch in Amt und Würden war, musste ein gewisser “Seeheimer Kreis” ständig verlautbaren, was er doch für ein Toller sei, und auf der anderen Seite disziplinierte ein Ex-Kommunist seine Fraktion mit härtesten Bandagen – immer im Sinne der Demokratie, versteht sich. Leider hat Peer Sparbrück keinen Kommunisten, der Multimillionär Arme hat nur Idioten, und natürlich die Seeheimer.

Kniefall geht gar nicht

Verstanden hat das damals trotz aller Nachhilfe nicht einmal die SPD, danach kamen deshalb 16 Jahre Kohl. Den haben die Leute besser verstanden.
Noch besser haben die Leute allerdings den Herrn Schröder verstanden. Vor allem die Leute von der Wirtschaft und den Medien. Der hat zwar viel versprochen und einige höchst publikumswirksame Versprecher gemacht, vor allem vor Bundestagswahlen. Das war allerdings kein Populismus, denn er wollte ja nicht dem “Populus”, dem Volk, gefallen, sondern seinen vielen wichtigen Freunden. Es ging ihm nicht darum, beliebt zu sein, sondern das Richtige zu tun. Da hat er sich vom Volk nix erzählen lassen, genau wie der Herr Schmidt dunnemals vor ihm. Populistisch war hingegen der Herr Brandt gewesen. Der konnte nicht nur reden, der ist sogar auf die Knie gefallen. Ein Bundeskanzler auf den Knien, das geht gar nicht. Auf den Knien, das ist für Koksnutten in Ordnung, aber nicht für einen Bundeskanzler.

An solchen Vergleichen sollte sich eine gute Politik unbedingt orientieren und vor allem natürlich der Wähler. Darum erklärt man ihm ja auch den Lafontaine. Dem sollte man tunlichst nicht zu zuhören, sonst reagiert das Charisma mit dem Populismus und vernichtet Arbeitsplätze.
Die Entwicklung der meisten Parteien in Deutschland ist von daher sehr positiv zu beurteilen. Charisma und Redetalent, die dunklen Künste, sind dort absolut tabu. Die wahren Antifaschisten erkennt man an sinnlosem Genuschel, ödem Geschwafel und einer Rhetorik, die einem Versicherungsvertreter die Schamesröte ins Gesicht triebe. Wir haben aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und wollen der Nachwelt einen Schwur leisten:
Von deutschem Boden soll nie wieder eine überzeugende politische Rede ausgehen!

 
schneesperr

Obama kommt nach Deutschland. Ist das ein Ereignis? Merkwürdigerweise ist das Extreme das am wenigsten Empörende. Ein krasserer Heuchler und Lügner als Obama dürfte selten in hoher Position fürs Entertainment gesorgt haben. Was bleibt, ist “Enttäuschung”, teilnahmsloses Kopfschütteln. Komisch nachgerade die Bemerkung Hans-Christian Ströbeles: “Was bleibt, ist ein Fünkchen Hoffnung, dass er zurückfindet zu dem Obama, der uns 2008 mit seiner Rede an der Siegessäule so begeisterte“. Please fool me twice, Mr. President!

Es scheint ausgerechnet bei denen, die nicht ganz so plump-reaktionär das Bestehende gegen jede Vernunft verteidigen, eine Vorstellung von Geschichte zu geben, in der sich die schönsten Episoden quasi einfrieren lassen. So wie Keynesianer und ‘linke’ Sozialdemokraten gern die 70er Jahre wiederhaben möchten, möchte Herr Ströbele jetzt den Heuchler in dem Stadium gefriertocknen, in dem man seine Lügen noch glauben konnte? Kopf. Schmerzen.

Wenn das der Führer wüsste

Soll irgendwer glauben, Obama hätte nicht gewusst, was er selbst tun würde? Glaubt irgendwer, der Typ, der wie Messias aus dem Ei den Frieden versprach und seit Jahren wie ein fetter Despot den Daumen senkt, auf dass die tödlichen Drohnen abheben, sei eigentlich nur in einem skurrilen Irrtum, den ihm nur wer erklären müsse? Getreu dem Motto: “Wenn das der Führer wüsste …”? Dass Obama die Kriege in Afghanistan, Libyen, Syrien eigentlich gar nicht wollte?

Glaubt irgendwer, die Schonung der Reichen, die Kollaboration mit rechtsradikalen ‘Republikanern’, die Verfilzung mit der Bankenlobby, der aggressive Aufbau eines Überwachungsstaates, das seien alles bedauernswerte Pannen, die der Präsident nur noch nicht beheben konnte? Natürlich glauben wir das. Wir glauben ja auch an “Pannenserien”, wenn die Geheimdienste erst hunderte Nazis für ihre Verbrechen bezahlen und dann aus Versehen alle Akten schreddern, derer sie habhaft werden.

Wie sinnlos der ‘Krieg gegen den Terror’ ist, kann man sich derweil anhand eines einfachen Gedankens deutlich machen. Man stelle sich vor, ein Attentat auf diese Charaktermaske würde verübt und raffte ihn dahin. Was würde das ändern? Weniger als jede Drohne, die auf seinen Befehl hin Unsichtbare tötet.

p.s.: Das Neueste vom Schutz der Öffentlichkeit vor Öffentlichkeit

 
milipfaf

Der Stand der Dekadenz, des Niedergangs der Demokratie, ist der Vorabend. Es dämmert, aber wer vermag zu sagen, was in der Nacht geschehen wird und was am Morgen? Die Fassaden sind so marode, dass man schon anhand des Windes, der durch sie hindurchpfeift, die Lüge hört. Die Löcher werden nicht mehr geflickt, stattdessen stellen sie Schilder auf, “schauen Sie nicht hierher” und “schauen Sie hierher”. Selbst die Propaganda ist müde. Nichts Neues im Westen, der sich noch immer als Herrscher der Menschheit betrachtet. Na klar horchen die USA alles und jeden ab, na klar belügen sie alle Welt darüber. Es ist längst alles raus, da wird immer noch geleugnet und verdreht. Es ist längst klar, wer die Verbrecher sind, da werden immer noch die anderen gejagt.

Natürlich nehmen sie sich das Recht, Kriege zu führen. Natürlich gibt es dafür keinen Grund, keine Legitimation, keine Rechtsgrundlage. Recht? Na und? Die Argumente aus der Geschichte vom Wolf und dem Lamm müssen reichen, die kann man immer wieder erzählen. Jetzt weiß man ganz sicher: Syrien hat Giftgas eingesetzt. Massenvernichtungswaffen. Na klar. Gibt es irgendwen, dem dazu noch brauchbare Fortsetzungen einfallen? Nehmen wir einfach Schauspieler, diesmal prominente, keine Laien wie vor Kuwait. Dann fällt das unter ‘soziales Engagement’. Schauspieler sind noch unschuldig, denen glaubt man so etwas.

Wir sind die Macht

Der Überwachungsstaat kann nicht weit genug gehen. Kaum weiß jeder, der es wissen will, dass die Geheimdienste in Deutschland von Nazis und deren Helfershelfern durchsetzt sind, gibt man ihnen mehr Kompetenzen, um das zu tun, was in den USA just als Unrecht aufgeflogen ist. Je absurder desto besser, wir sind die Mächtigen! Ihr erinnert euch? Vor kurzem, einem Wimpernschlag der Geschichte, gab es eine ähnliche Situation. “Wir sind das Volk” haben da viele gerufen. Dann haben sie diesen Staat gewählt, diese ‘Vertreter’. Wer soll jetzt dagegen aufbegehren?

Die Millionäre in den Gremien und ihre Konkurrenten aus demselben ideologischen Loch haben nichts, aber auch gar nichts mehr am Zettel mit Demokratie oder Rechtsstaat. Sie, die die Gesetze machen, haben völlig verinnerlicht, dass Recht etwas für den ist, der es bekommt und dass es bekommt, wer es sich leisten kann. Ganz selbstverständlich zertrampeln sie dabei die lästige Freiheit der Meinungsäußerung. Politiker mahnen Leserbriefschreiber ab. Es schreit zum Himmel. Einige haben der CSU immer schon demokratiefeindliche Tendenzen unterstellt, aber die widerliche Bande, die sich für auserwählt hält, nimmt sich da nichts von CSU bis Grün.

Die alte Jauche

Die Möchtegern-Bürgerrechtler, Heuchler galaktischen Ausmaßes, mahnen lupenrein demokratisch ab, was eine andere Meinung hat, so zuletzt die Junge Union und Alexander Dobrindt von der CSU. Dabei reden wir nicht von grünen Hinterbänklern, die dergleichen für eine politische Auseinandersetzung halten, sondern von Promis wie Volker Beck und Steffi Lemke. Was ist das für eine Haltung? Wer wählt solche Antidemokraten, solche fanatischen Feinde der Freiheit, in die Parlamente?

Aber nicht allein die politische Kaste ist auf dem Marsch in die übelste Restauration einer Gesellschaft von Befehlshabern und Untertanen. Für mich die Meldung der Woche ist die Übertragung des Hausrechts in Kirchen an die Feldjäger der Bundeswehr. Was sich hier zusammenbraut, ist dieselbe Jauche, aus der dieser Staat hervorgegangen ist. Am Rande sei auf die Verfilzung der politischen Funktionärskaste – insbesondere der Grünen – mit den Kirchen hingewiesen. Die neoliberalen Herrenmenschen mögen es wieder religiös, militärisch und autoritär. So etwas kann man nicht mehr argumentativ vertreten, darum nennen sie es einfach “demokratisch” und lassen es kraft ihrer Macht so verbreiten. Das ist der Stand der Dinge.

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