In den Modellen von Demokratie oder anderen freiheitlichen Gesellschaftsformen wird oft vernachlässigt, dass sie einem eingeschliffenen Bedürfnis zuwiderlaufen, nämlich dem nach Autorität. Es ist andererseits nicht ungefährlich, als Linker ein solches anzusprechen, weil gern geleugnet wird, was nicht ins Ideal passt. Ohne hier eine tiefergehende Genese dieses Bedürfnisses darzulegen, erlaube ich mir die Erfahrungen zur Kenntnis zu nehmen, die man in verschiedensten sozialen Strukturen macht. Es muss nicht entschieden werden, ob da ein Atavismus am Werk ist, ob es in der Natur der Psyche liegt und einem Aufwachsen als hilfloses Anhängsel vermeintlich allmächtiger Eltern oder ob gar Hierarchien etwas Natürliches an sich haben, weil sie allen Orientierung geben.
Bei SpOn findet sich ein interessanter Artikel zu Obama, der das zumindest implizit bespricht. Das Auftreten, die Bewegungen, Gesten, Mimik, Tonfall – das alles kann entscheidend sein und jegliche Inhalte in den Hintergrund rücken. Eine der häufigsten Aussageformen, die mir in bezug auf “Politik” bei normalverbildeten Zeitgenossen begegnet, ist “Ich finde xy gut/nicht gut.” Neben eingebläuten Stereotypen scheint der persönliche Bezug zur medialen Person einen sehr hohen Rang einzunehmen. In einer Stellvertretergesellschaft kommt dies umso stärker zum Zuge, weil mit den Kompetenzen im Einzelfall sogar narzisstische Triebregungen auf die Autorität übertragen werden. Der Vorgang lässt sich einfacher so beschreiben: Der Wähler verliebt sich förmlich in seinen politischen Führer.
Der charismatische Führer
Wohlgemerkt: Das ist kein Vorgang, der sich auf hysterische Massen in einer Diktatur beschränkt, sondern Alltag in allen Gesellschaftsformen. Wer politisch wirksam sein will, kommt also nicht umhin, dies zu berücksichtigen. Es mag gelingen, Inhalte so zu präsentieren und derart selbsttragend zu entwickeln, dass sie so weit wie möglich ohne Personenkult auskommen. Wo das auf seine Grenzen stößt, bedarf es charismatischer Figuren, um sie durchzusetzen.
Dies allein könnte aus Sicht einer liberalen und linken Haltung ein guter Grund sein, die parlamentarische Mediendemokratie abzulehnen, da in einer solchen das Autoritätsproblem wie unter der Lupe erscheint. Dabei ist allerdings ausgerechnet die deutsche Version so etwas wie ein Gegenargument. Man muss sich ja nur die traurigen Figuren anschauen, die hier zur Wahl stehen. Das wäre wiederum kurzsichtig. Nicht nur, dass ja bei geringer Konkurrenz auch weniger charismatische Personen gute Chancen haben. Gerade die Schizophrenie der Haltung deutscher Wähler zeigt, dass das Problem dennoch besteht. Wie sonst lässt sich erklären, dass 2/3 mit der Kanzlerin zufrieden sind, 2/3 aber auch mit der Regierung unzufrieden? Man kann hier einen Stock aufstellen und einen Hut drauf hängen, der würde auch gewählt, wenn es nur ein mächtiger Hut ist.
Pakt mit dem Teufel
Zudem zeigen Beispiele wie Schmidt, Schröder und Fischer, dass ‘Typen’, die ankommen, ihre Parteien völlig in der Hand haben und die Programme zur Not auch mal eben ins Gegenteil verkehren können. Irgenwann kann auch mal einer daherkommen, der schon weit rechts außen anfängt, um dann noch einen entscheidenden Schritt weiter zu gehen. Man stelle sich vor, jemand mit einem netten Gesicht und rhetorischem Talent hätte Sarrazins Thesen vertreten. Wir hätten dann ein größeres Problem.
Wer emanzipatorische Ansichten vertritt, wird also ggf. einen Deal mit dem Teufel machen müssen, vor allem aber darauf vorbereitet sein. Es kann entscheidend sein, wer eine Idee vorstellt, weil es darauf ankommt, wie man sie vorstellt. Da helfen aber auch Rhetorikseminare nicht viel weiter, denn es gibt einfach Menschen, die als Star authentisch wirken und solche, denen man das nicht wird beibringen können. Umso wichtiger ist es daher auch, die schon im Zusammenhang mit Korruptionsvermeidung geforderte zeitliche Begrenzung von Macht einzufordern. Je länger und bedeutender eine Autorität wird, desto stärker ist ihre Wirkung als Person – positiv wie negativ. Inhalte finden so irgendwann gar nicht mehr statt. Es ist nebenbei bemerkt eine grandiose Leistung der Grünen, von der “Rotation” und der Trennung von Amt und Mandat zur Fischerpartei mutiert zu sein. Die Lücke am Platz des Führers hat zwar noch niemand geschlossen, die reaktionäre Ausrichtung aber ist geblieben.
November 12th, 2012 at 17:41
Gottseidank sind Sarrazin, Henkel, Trittin und wie sie sonst noch alle heißen mögen solche uncharismatischen Gesichtslöcher andernfalls wäre es, genauso wie Du sagst, ein noch viel größeres Problem.
MfG
November 12th, 2012 at 18:04
Wär schon mal interessant, was es mit dem Bedürfnis nach Autorität auf sich hat. Noch wichtiger: warum läuft das dem demokratischen Ideal überhaupt zuwider (Focault hätte das bestritten)? Was ist das überhaupt für ein merkwürdiges Ideal, das den Pakt mit dem Teufel gleich mit einpreist?
Kannst Du mal ein paar Namen oder Texte vorschlagen, wo ich was zum eingeschliffenen Bedürfnis nach Autorität lesen kann?
November 12th, 2012 at 18:10
Zeitlich begrenzte Macht ? Nehmen wir jetzt mal den charismatischen Chavez als Beispiel. Er hat viel erreicht (einiges vermurkst), dadurch, daß er mal flugs die Statuten geändert hat und so zu weiteren Amtszeiten gekommen ist. Immerhin gewählt. Ob ich das gut finde ? Nöö. Denn wer kann nach ihm kommen ? Wasserträger und Brownnoses, oder herangeführte Enkel. Wenn der Führer futsch ist, geht das Chaos los. Muß doch anders gehen, oder ?
November 12th, 2012 at 18:12
@memoon: Mir fiele spontan zum Hintergrund nur der psychologische Krams ein; Freud und Le Bon z.B.. Aber ich beziehe mich auch weniger auf Literatur als auf Erfahrung.
November 12th, 2012 at 18:19
“49 Millionen Menschen in den USA, unter ihnen 16 bis 17 Millionen Kinder, haben nicht ausreichend zu essen. Sie leben in Haushalten mit »Lebensmittelunsicherheit«. So der im November 2011 veröffentlichte Bericht der US‐Behörde für Landwirtschaft (United States Department of Agriculture/USDA). Von gesundem, ökologisch wertvollem Essen ist da ohnehin nicht die Rede. Der im Repräsentantenhaus eingebrachte Haushaltsentwurf für 2012 sieht deutliche Einsparungen bei den staatlichen
Lebensmittelprogrammen vor.
Unter Barack Obama, Präsident seit Januar 2009, ist der Hunger weiter gestiegen. Demokraten und Republikaner streiten über die Höhe der Kürzungen der
Lebensmittelprogramme. Der mehrheitliche demokratische Senat stimmte im Juni 2012
dafür, das Lebensmittelmarkenprogramm (Supplemental Nutrition Assistance Program/SNAP) um 5,4 Milliarden US‐Dollar zu kürzen, die Republikaner verlangten
noch größere Einschnitte.”
Mattussek hat das zwar nicht beschrieben, sondern Jutta Ditfurth. Es beweist aber faktenreich, wie ein glamouröses Charisma von politischen Schweinereien ablenkt.
https://www.jutta-ditfurth.de/allgemein/Ditfurth-USA-Obama-20121109.pdf
November 12th, 2012 at 18:22
memoon2: Hatte damit gerechnet, dass flatter Dir Adornos “Studien über den autoritären Charakter” empfiehlt. Scheint aber als Studie über die Genese des Vorurteils nicht so richtig zu Deiner Frage zu passen.
November 12th, 2012 at 19:15
Grundklischee, – jedes guten Films. Vorne dran der Primärheld, sich in seinem Lichte sonnend, – die Sekundärhelden mit ihren Sekundärscharmützeln, und dahinter der Pöbel, der als Statist das quantitative Schlachtgemetzel besetzt. – Bis dann der Showdown der “charismatischen” Primärhelden, – alles entscheidet. Viel weiter, – sind wir nicht gekommen.
November 12th, 2012 at 19:22
Interessantes und sehr komplexes Thema. Sag ich später noch was zu.
Aber beim Anklicken des SpOn-Artikels erscheint “Not Found”. Nur bei mir?
November 12th, 2012 at 19:27
Am Rande: Der Bilderberger Trittin wird von der FR zur “Führungsfigur des linken Flügels” erklärt. Voll linksradikal, diese Grünen!
November 12th, 2012 at 19:29
@Frau Lehmann: Fixed it.
November 12th, 2012 at 19:38
Gefunden:
einen Hut drauf hängen
[Und, öhm, #4…]
November 12th, 2012 at 19:42
Wir Schwarzen halt, hahahaha.
November 12th, 2012 at 20:07
bei mir funktioniert der link zu SPON
November 12th, 2012 at 20:11
Jan Hoet war 1992 ein charismatischer documenta-Leiter. Noch 15 Jahre später gab es eine Menge älterer Damen, die seinen Ärmel berühren wollten. Was er inhaltlich so sagte, war eher konfus.
Die documenta 13, 2012, fanden viele toll. Inhaltlich haben sie das nicht begründet. Tolle Atmosphäre.
November 12th, 2012 at 20:32
Danke, @flatter.
Was in dem Artikel bei mir ankommt ist sowas wie Neid auf Obama. Ja, der Mann hat Stil und keiner der deutschen Politiker kann da mithalten. Ob es bei ihm mehr um Inhalte geht ist dennoch fraglich, meiner Meinung nach.
Irgendwie wirken unsere Politiker immer so angestrengt, da hat keiner ein unverwechselbares Profil. Als bemühten sie sich, einem Bild zu entsprechen, dass Medien und Wahlvolk sehen möchten. Warum ein Fischer so beliebt war, angeblich ein glänzender Redner – also ich konnte ihn weder sehen noch hören.
Kann es sein, dass das Unterwürfige auch was mit der gesellschaftlichen Geschichte zu tun hat? Hat ja Heine schon ohne Ende ironisiert.
Kaum scheint jemand mächtig, wird er hofiert, springen alle beflissen um ihn rum – Beamtenmentalität? Gibts ähnliches auch in den USA oder in einem anderen Land?
Ganz allgemein ist Autorität sicher ein menschliches Bedürfnis und auch notwendig, zumindest bis mensch sich eine eigene Meinung bilden kann.
Die Kombination von Autorität (Hierarchien welcher Art auch immer wirds in Gesellschaften immer geben) und Machtfülle machts kompliziert, und das liegt nicht nur an den Mächtigen, sondern auch an denen, die ein Stück davonb abhaben wollen oder sich auch nur darin sonnen wollen. Mir fällt in dem Zusammenhang immer Schatrows Drama “Diktatur des Gewissens” ein, das ich in den 80er Jahren in der DDR gesehen habe, und mich wunderte, wieso die Aufführung überhaupt erlaubt war. Übrigens, in der ehemaligen SU hätte eine Mehrzahl gerne einen der damals kritischen Schrifsteller wählen wollen, wenn jemand zur Wahl gestanden hätte.
Ich finde, in Deutschland wird kranpfhaft versucht, Amerika nachzuäffen, aber es bleibt beim Äffen.
November 12th, 2012 at 20:36
@flatter
Der Name Le Bon ist ja ein guter Einstieg in ganz spannende Fragen (Massenpsychologie). Ich hab mir auch mal den von @altautonomer ins Spiel gebrachten “Autoritären Charakter” in Erinnerung gerufen, der soziologisch, psychologisch und massenpsychologisch ganz verschieden analysiert und erklärt wird.
Vielleicht hast Du mit dem Wort “eingeschliffen” dem Ganzen versucht, aus dem Weg zu gehen (dann ist das Wort gut gewählt). Aber ich finde die Frage wichtig, was dieses Bedürfnis eigentlich ausmacht und ob die bestimmenden Einflüsse auf seine Herausbildung objektiver oder subjektiver Art sind. Denn die Antwort darauf beeinflusst nicht zuletzt politische (Strategie-)Fragen.
Ist das Bedürfnis nach Autorität eine so entscheidende negative Einflussgröße, dass die Gesellschaft sich an ihr ausrichten sollte, also allerlei “Schutzmechanismen” einrichten sollte? Wenn das Bedürfnis nach Autorität objektiven Gegebenheiten entspringt, wäre das doch eine Sisyphusarbeit. Dasselbe Problem besteht, wenn das Bedürfnis subjektiv bestimmt ist. Dann scheint der Ansatz “wehrhafte Demokratie” unbefriedigend, weil die gewählte Gesellschaftsform sich demnach im immerwährenden Wiederspruch (Abwehrverhalten) zu seinem ideellen Souverän befindet.
Wie steht es mit der Alternative, das Autoritätsbedürfnis, wie alle anderen vorhandenen und potentiellen Bedürfnisse zu akzeptieren? Der Autorität also die negative Konnotation zu nehmen und ihr den Platz einzuräumen, den man ihr zubilligen will. Das würde der subjektiven Herleitung Rechnung tragen, undzwar losgelöst, von der Frage der objektiven Verhältnisse. Ich finde das plausibler, weil so beide Seiten erst gesehen werden können.
Und nochmal die Frage, wie “ideal” die Demokratie ist, wenn sie in ihrer ideellen Variante mit dem Bedürfnis nach Autorität kollidiert und in ihrer bürgerlichen Variante mit ihm so sehr harmoniert, dass sie immerfort in Faschismus abzudriften droht?
November 12th, 2012 at 20:53
Zunächst sehe ich keinen Vorteil in der Unterscheidung subjektiv/objektiv. Außerdem bedingen sich in Systemen grundsätzlich die subjektiven und objektiven Einflüsse. M.E. ist es die Ausnahme in Systemen und deutet auf eine systemische Dysfunktion hin, wenn Phänomene nur auf einer Seite zu verorten sind.
Ich bin davon übrerzeugt, dass das Bedürfnis nach Autorität nicht auszuschalten ist, daher ist diese akademische Frage auch nicht maßgebend.
Daher halte ich beide Strategien für wichtig, was ich ja bereits skizziert habe: Wenn man sich dieses Bedürfnisses bewusst ist, muss man damit rechnen und dessen schlimmste Auswüchse verhindern – z.B. durch Machtbegrenzung.
Wenn Menschen grundsätzlich zu jemandem aufschauen möchten, ist das ein Problem. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass das Motiv der Bewunderung für viele eine große Rolle spielt. Es wäre m.E. falsch, alle diese Menschen nicht erreichen zu wollen. Man muss ihnen also Personen bieten, die gewissen Schemata entsprechen, wenn man bestimmte Inhalte vermitteln will. In dem Fall sind die Inhalte austauschbar, das Schema aber nicht.
Die Alternative ist halt, auf den Transport der Inhalte zu verzichten.
November 12th, 2012 at 21:18
Es ist doch aber nicht immer das gleiche Schema, was “gewünscht” ist, oder? Wer was (an der Spitze) verändern will, muss sich dann also an den “Trend” anpassen? Schauspieler gibts doch wahrlich genug.
“Die Alternative ist halt, auf den Transport der Inhalte zu verzichten.”
Alternative wozu, für wen? Versteh ich nicht. Sorry.
November 12th, 2012 at 21:24
@flatter
Zunächst sehe ich keinen Vorteil in der Unterscheidung subjektiv/objektiv.
Dies wäre ein echter Traum. Es eine Vision zu benennen, – wäre Banane, denn die Banane, war es überhaupt erst zu trennen, – und über diese Polarisierung Vorteile zu erlangen. Ich verstehe die Argumentation mit Systemen in dem Zusammenhang nicht mehr. Denn mit diesem Satz, redest du von Lebenswelten und Menschen. Und sie zu versuchen, zu verstehen. Es ist ein Unterschied, ob man systemische, – oder menschliche Inhalte vermittelt.
November 12th, 2012 at 21:27
Nö, es ist eine Frage der Perspaktive. Die Unterteilung Subjekt/Objekt ist ein System. Lebenswelten sind Systeme etcetra. Dort sind Wirkweisen am Werke, die sich egegnseitig beeinflussen und sich benennen lassen. “Menschliche Inhalte” sagt mir hingegen nichts.
November 12th, 2012 at 21:27
@Frau Lehmann; Ich verstehe die Frage nicht.
November 12th, 2012 at 21:30
“Menschliche Inhalte” sagt mir hingegen nichts.”
Ja, ich weiß. Das sehe ich als generelles Problem bei allen.
November 12th, 2012 at 21:31
Ich bin jetzt zu müde, selber zu denken, deshalb der verweis auf adornos ZU SUBJEKT UND OBJEKT
https://germany.platypus1917.org/wp-content/uploads/2012/04/Adorno-Zu-Subjekt-und-Objekt.pdf
November 12th, 2012 at 21:31
eb(22): Es ist schlicht ein sprachliches Problem. Wenn es jemandem nichts sagt (zumal wenn es niemandem etwas sagt), ist es offenbar nicht die adäquate Formulierung für den zu beschreibenden Inhalt.
November 12th, 2012 at 21:36
Es gibt Menschen, die können gar nicht sprechen. Einige davon verstehen Adorno, – andere nicht. Wer will diesen Menschen, – Inhalt absprechen?
November 12th, 2012 at 22:27
Ich finde die Verallgemeinerung eines “Bedürfnisses nach Autorität” sehr problematisch, ganz besonders, wenn daraus Schlüsse für die Strategie und Taktik emanzipatorischer Politik gezogen werden sollen.
In der Gruppe, in der ich aktiv bin, gibt es keinen “Anführer” und es gibt auch keinen “Charismatiker”, wenngleich manche Menschen mehr reden als andere. Wer glaubt, er müsse den Weg in die “Herzen und Köpfe” über die scheinbare Abkürzung einer personalisierten Politik nehmen, der landet ganz schnell bei der “Partei” und dem “demokratischen Zentralismus”.
November 12th, 2012 at 23:05
“In der Gruppe, in der ich aktiv bin, gibt es keinen “Anführer” ”
Herzlichen Glückwunsch, in anderen ‘Gruppen’ ist es halt anders. Allein die Bereitschaft, Konpetenzen abzutreten, sich “vertreten” zu lassen, geht schon in diese Richtung. Es geht auch nicht darum, ob jemand etwas meint oder ob man Personalisiserung für gut oder schlecht hält. Personalisierung geschieht und kommt vielen Menschen sprichwörtlich entgegen. Ich mag das nicht und hätte es gern anders, muss mich aber mit den Gegebenheiten abfinden.
Daher bleibt also die Frage offen, wie man damit umgeht, wenn man es nicht abstellen kann.
November 12th, 2012 at 23:09
@eb: Und es gibt Fahrräder, die nicht hupen können.
November 12th, 2012 at 23:13
…. wenn man es nicht abstellen kann.
Nanü, – was ist das? Flatter packt der Fatalismus? Pragmatismus gar? Aufgabe gar? Komm Junge, -nicht von dir. Nachher, -wird du mir glatt zum Realpolitiker. So, – sind sie nämlich alle geendet. Du… solltest das wissen.
November 12th, 2012 at 23:44
Oh my… das hat eben nix mit “Realpolitik” zu tun (was ja nichts anderes heißt als die Scheiße “Schokolade” zu nennen). Nein, ihr mögt mir ja entweder widersprechen und sagen, das Problem gibt es gar nicht, oder ihr sagt eben, es ist euch egal und ihr sucht Mehrheiten, die nicht ‘übertragen’. Ich fürchte aber, die werdet ihr nicht kriegen. Es geht mir nicht um die Veränderung von Inhalten, sondern um eine Verpackung. Das fängt übrigens schon da an, wo Leute Überzeugungen vertreten müssten, die sich nicht haben. Das geht nicht, so etwas wirkt aufgesetzt.
Wenn ich persönlich zum Beispiel bestimmte Fortschritte erzielen möchte bei einem Mitdiskutanten, dann ist es häufig sinnvoll, wenn ich die Fresse halte und das jemandem überlasse, der weniger genervt wirkt und vielleicht charmanter ist. Was ist daran verwerflich?
November 12th, 2012 at 23:47
logischerweise müsste man von einem fahrrad ohne räder reden. keine räder, kein sieg.
November 12th, 2012 at 23:49
@flatter #27
“Daher bleibt also die Frage offen, wie man damit umgeht, wenn man es nicht abstellen kann.”
Jedenfalls nicht, indem mensch versucht, den autoritären Charakter zu instrumentalisieren, um ihn abzuschaffen. Das ist schon häufig genug nach hinten losgegangen.
November 12th, 2012 at 23:54
Nicht jeder Charakter, der auf Autoritäten reagiert, ist ein autoritärer Charakter. Ganz und gar nicht. Die Übertragung, das quasi Kind-Werden im angesicht einer verehrten oder respektierten Person ist eine Option unter anderen; eine, die oft unbewusst zur Anwendung kommt. Wenn man nun aktiv so kommuniziert, dass man solche Charaltere gezielt anspricht, finde ich das auch heikel. Ich würde eher damit spielen und es sich brechen lassen.
Die andere Seite der Medaille ist aber noch wichtiger: Mit einer bestimmten Repräsentation hast du verloren, sobald du den Mund aufmachst. Das sollte man tunlichst vermeiden. Und wie gehe ich damit um, dass der politische Gegner schamlos von Charismatikern Gebrauch machen kann? Dem muss ich etwas entgegensetzen. Das muss ja nicht dasselbe in rot sein.
November 12th, 2012 at 23:55
Naja, – gut, das klingt jetzt wieder eher nach einem Menschen, den ich ob des geschriebenen Wortes als flatter mochte. Diesmal zwar merkwürdig wirrer als mein Zeugs, – aber irgendwie absolut sympathisch, – und herrlich unrealpolitisch. Nöö, – daran ist überhaupt nix verwerflich. Vielleicht könnten wir in Zukunft, – die humane Komponente, mit in die Diskussion werfen? Die fehlt nämlich gnadenlos. Ich würde dies als echten menschlichen Fortschritt empfinden.
November 12th, 2012 at 23:58
@ flatter 27:
Personalisierung geschieht und kommt vielen Menschen sprichwörtlich entgegen.
Hm. Das wirkt auf mich irgendwie elitär. Kommt die nicht eigentlich allen sprichwörtlich entgegen? Will sagen, ist nicht letztendlich jeder Mensch, der in einer Gesellschaft lebt, darauf angewiesen? (Uh, wenn die Wat das liest *g*) Oder versteh ich nur mal wieder das Wort anders als du?
November 13th, 2012 at 00:35
@Amike(35): Hat se gelesen :-P Macht aber nüscht, haben Diskussionen so an sich, daß sie sterbenslangweilig und damit auch keine Diskussionen mehr wären, hätten alle von vornherein die gleiche Auffassung.
Ich hab grad noch gar keine… besser gesagt, ich versuch immer noch rauszukriegen, wohin hier ‘der Hase tatsächlich laufen soll’.
Btw. Ich mußte Dank netter Kollegen nicht durch die Nacht laufen und bin deshalb nach der Schicht schon hier.
November 13th, 2012 at 00:45
Nur mal so eingeworfen…
Personalisierung – ist das nicht mehr eine Frage von Vertrauen und Selbstvertrauen?
November 13th, 2012 at 00:59
Amike, Wat: Personalisierung bedeutet in diesem Zusammenhang, Poltitik als Handeln einzelner Politiker zu verkaufen. Wenn die sympathisch wirken, gilt sie als gut und umgekehrt. “Vertrauen” ist da eine Währung, eine gefälschte. “Der macht das schon” ist die Quintessenz. Was der dann macht, spielt dann keine Rolle mehr. Ein kreuzgefährlicher Effekt.
November 13th, 2012 at 01:03
Ja, das hatte ich also in den ‘richtigen Hals’ bekommen @flatter und setze deshalb noch einmal nach, ob das nicht auch etwas mit fehlendem Selbstvertrauen zu tun haben könnte, wenn sich jemand anscheinend/scheinbar so gern an andere anhängt.
Ich mein, gibts denn hier strukturell eine andere Variante – erst einmal: nein.
Bestimmt dann nicht die Struktur, wie Menschen sich einordnen, bevor sie möglicherweise eines Tages mit dieser nicht mehr klar kommen (können und deshalb wollen).
November 13th, 2012 at 01:05
@eb(34): Ich komme aber nicht umhin zu abstrahieren. Wenn ich eine Diskussion voranbringen will, kann ich nicht durchgängig als Person kommunizieren. Da gibt es Aspekte, die wichtig sind, obwohl sie mir zuwider sind oder solche, die irrelevant sind, obwohl sie mir am Herzen liegen. Wir sind da mitten in dem Dilemma, um das es mir im Posting geht. Ich selbst gehe regelmäßig so vor, dass es mir wumpe ist, ob ich gemocht werde oder nicht. Ich fahre Leuten auch oft übers Maul – teils, weil ich das der Bedenken zum Trotz für richtig halte, teils, weil ich oller Stinkstiefel das nicht besser kann.
Geschenkt, dass ich mir beizeiten mehr Mühe geben könnte.
November 13th, 2012 at 01:09
@flatter, wenn mir irgendwer erzählen will, daß (unbekannte, neue) Inhalte sich allein über den Inhalt verkaufen (lassen), den halte ich für (sorry) bescheuert. Mag vielleicht daran liegen, daß ich mir einbilde, daß es auch was mit meiner Person zu tun hat, ob mir überhaupt zugehört wird.
… Laß mir diese Einbildung, austauschbar bleib ich ja trotzdem ;-)
November 13th, 2012 at 01:11
@Wat.(39): Das kann mehr oder weniger sein als eine Frage des Selbstbewssustseins. Das kann eine ‘Ich-Schwäche’ sein, dagegen ist kein Kraut gewachsen. Das kann aber auch ein schlichter menschlicher Zug sein, den nur sehr wenige (freaky creatures) Menschen gar nicht haben: Das Bedürfnis nach dem schützenden Vater, dem rettenden Helden, schlicht wohlige Sicherheit zum Beispiel. Das kannst du auch haben, wenn du nicht an dir zweifelst.
November 13th, 2012 at 01:14
@Wat 41: Wer das gar nicht versucht, reduziert aber wiederum komplexe Probleme auf die Frage, wer nachher schuld sein soll oder wer recht hat. Unter diesem Phänomen leide ich beinahe physisch.
November 13th, 2012 at 01:16
@ Wat: Ich warte ja insgeheim darauf, dass ich eines Tages beim Diskutieren mit dir eine Erleuchtung erlange und auf den Grund stoße, warum es Themen gibt, bei denen wir so grundverschieden denken. Selbst wenn am Ende keine die andere überzeugt, haben wir im besten Fall was gelernt. Außerdem ist es ja auch ziemlich interessant mit jemandem zu diskutieren der total anders sozialisiert wurde (wovon ich bei uns mal ausgehe).
@ flatter: Na, ich hab da mehr Grundlegendes aus deinem Kommentar rausgelesen. Dass du dich nicht nur auf Politik und ihre mediale Darstellung beziehst, sondern das schon früher siehst, bei “der Bereitschaft Kompetenzen abzugeben” – und da frage ich eben, ob diese Bereitschaft nicht grundlegend ist für gesellschaftliches Zusammenleben. Und habe dabei genauso wie @Wat an Vertrauen und Selbstvertrauen gedacht. Wobei ich nun nicht davon ausgehen würde, dass das Vertrauen, jemandem Kompetenzen abzutreten damit zu tun haben muss, dass es einem am nötigen Selbstvertrauen mangelt, eigentlich eher vom Gegenteil (z.B. dass ich mir zutraue, beurteilen zu könne, wem ich vertraue).
November 13th, 2012 at 01:17
@flatter: Gut das Augenrollen bei mir siehste ja grad nicht… wegen der “Ich-Schwäche” und der nicht gesagten “Ich-Stärke”. Mir fehlen die Semester (‘Ver`-)Bildung um nicht jedem Menschen beides zu zu gestehen. Ja, ich denke tatsächlich, jeder hat davon beides, je nach Situation.
Ich hab schon Menschen über sich hinauswachsen sehen, davon war diesen selbst ganz schwindelig ;-)
November 13th, 2012 at 01:22
@flatter(43): Ich denke, wir sind uns einig, daß es mir tatsächlich dann um den Inhalt nicht um meine Person geht, aber ich mache die Tür auf, sonst kommt der Inhalt auch nicht ins Zimmer, odda so.
… die Tür ist aber zu keinem Zeitpunkt nur mir vorbehalten, vielleicht macht das den Unterschied?
November 13th, 2012 at 01:26
@Amike: Jein. In persönlichen Beziehungen findet das statt, kann ebenfalls Probleme erzeugen, tariert sich aber aus oder man trennt sich eben auf diese oder jene Weise. Wüst wird es aber, wenn man das auf Entscheidungsträger überträgt, die dann unkontrolliert handeln können.
November 13th, 2012 at 01:29
@Amike: Ich hab eben immer so komische Ansichten, hab ich aber auch bei Menschen, die identisch sozialisiert zu sein scheinen – wir haben unterschiedliche Erfahrungen. Jeder verarbeitet seine außerdem anders, weil doch nicht alle Erfahrungen immer gleich sind, werden sie dann auch anders ‘ausgewertet’. Edit: Wir sind ja keine Klone und führen niemals das genaue Leben eines anderen.
Mich ereilen hoffentlich noch ne Menge Erleuchtungen ;-)
November 13th, 2012 at 01:36
@Wat.(45): ‘Ich-Schwäche’ kannst du pathologisch deuten oder wörtlich nehmen, im Endeffekt findet da jemand nicht mehr statt. Es geht mir dabei nicht darum, jemanden abzuqualifizieren, sondern um das Phänomen, dass jemand jede Kontrolle über seine eigenen Ressourcen verliert. Besonders traurig, wenn er sie ‘freiwillig’ abgibt. “Ich-Stärke” gibt es in dem Zusammenhang nicht wirklich. Eine pathologische “Ich-Stärke” wäre dasselbe wie “Ich-Schwäche”, aber das ist Psychologie für verbildete. ;-)
@Wat (46): Es ist schon in persönlicher Kommunikation schwierig, das wirklich auseinander zu halten. In politischen Kontexten ist das Problem, dass die Vertreter keine Tür offen haben. Die Demagogen tun allerdings so, als gäbe es da eine, und die entusiastische Masse fällt drauf rein.
p.s.: Ich muss mal runterkommen (zu viel auf einmal zu später Stunde).
Sleep well!
November 13th, 2012 at 01:40
Tut sie das tatsächlich…
… tut sie es nur nicht, weil grad kein charismatischer Führer da ist…
Sleep well, too @flatter
November 13th, 2012 at 01:41
@ flatter: Äh, ich glaub, ich war schon wieder wo anders. Also in der Utopie, in der Entscheidungsträger eben nicht unkontrolliert handeln können. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr faktisch vorhandene Personalisierungen fallen mir ein, die mich aber nicht per se stören würden. Als Beispiel der Arzt, dem ich in gewissem Maße Handlungsoptionen lassen muss/vertrauen muss, einfach weil er mehr Fachkompetenzen hat. Läuft, solange das Verhältnis, wie du sagst, austariert wird, läuft blöd, sobald der Arzt das in ihn gesetzte Vertrauen ausnutzt. Also sehe ich das Problem nicht in der Personalisierung an sich, sondern darin, dass die sehr schnell schief gehen kann. Blöderweise bin ich gerade zu müde, das weiter auszuführen. Schade, ich hatte mich schon gefreut, ausnahmsweise mal anderer Meinung zu sein, hab mich ja fast schon gelangweilt hier.
Wie auch immer, gute Nacht und schlaft schön, ihr zwei :)
November 13th, 2012 at 01:45
Gut’s Nächtle @Amike
November 13th, 2012 at 07:39
Die Bereitschaft, Autoritäten (aufgrund von Kraft/Intelligenz oder gemeinsamem Entschluss) anzuerkennen und ihnen zu folgen ist seit Urzeiten – und nicht nur beim Menschen – eine der Grundvoraussetzungen einer erfolgreichen (!) Gemeinschaft. Damit ist diese Bereitschaft aus gutem Grund dem Wesen des Menschen immanent. Neu beim Menschen und zunehmend verbreitet ist allerdings, dass die Autoritäten die Folgen ihrer Fehl-Entscheidungen nicht mehr zu tragen bereit sind, und wir die Übernahme der Verantwortung, selbst wenn sie uns unmittelbar betrifft, nicht mehr durchsetzen (können).
P.S.: Klaus Baum hat dazu heute morgen ein paar Sätze die auch in diese Thematik passen.
November 13th, 2012 at 07:43
ARTE hatte bis grad eben noch eine schöne doku zu dem thema in der mediathek: “So kommst Du ins Weiße Haus!”
anleitung und analyse ‘was ist möglich’ und ‘was ist nötig’ zu dieser speziellen zielerreichung – natürlich explizit auf die usa zugeschnitten und somit nicht gänzlich auf teutonien übertragbar, aber einiges des vom hausherren hier angesprochenen findet sich gut verständlich aufbereitet.
der zugriff auf die mediathek von arte ist jetzt ausgelaufen, aber auf youtube findet sich die doku unter dem obig genannten namen.
November 13th, 2012 at 08:08
flatter 40: “Ich selbst gehe regelmäßig so vor, dass es mir wumpe ist, ob ich gemocht werde oder nicht. Ich fahre Leuten auch oft übers Maul –”
Das ist mir sehr vertraut und deshalb sage ich mir immer, besser für das gehasst werden, was ich bin, als für das geliebt werden, was ich nicht bin. So entsteht auch nur ein minimaler Identitätsverlust.
Amike 51: Die Übertragung von Kompetenz an eine “Autorität” (sogen. Fachautorität)unter Beibehaltung des Selbstvertrauens; also die ausgeprägte Personalisierung kannst Du bei den vielen narzistischen Sesselpupsern und Bürohengsten beobachten, die alljährlich in Massen den Mount Everest besteigen wollen und sich für bis zu 65.000 Dollar in die Obhut professioneller/kommerzieller Reiseanbieter mit Bergführerteams begeben. Fällst Du dabei in die Hände geldgieriger, scheinautortärer Dilletanten und Egomanen, hast Du für Deinen Tod teuer bezahlt. Wenn Du also Autoritäten mit Expertentum gleichsetzt, so wie es der deutsche Michel mit den Politikern tut, kann das sehr verhängnisvoll sein. Ich sehe das Problem wie Du auch bei der Konsultation von Ärzten. Da gibt es bei mir ohne vorherige gründliche Information grundsätzlich keinen Vertrauensvorschuss.
(Lit.: “Der Berg des Verbrechens – Die Everest-Mafia und ihre dreckigen Geschäfte” Michael Kodas )
November 13th, 2012 at 09:36
“Wenn ich mich vor der Autorität von Spezialisten beuge und bereit bin, ihren Angaben und selbst ihrer Leitung in gewissem Grade und, solange es mir notwendig erscheint, zu folgen, tue ich das, weil diese Autorität mir von niemand aufgezwungen ist, nicht von den Menschen und nicht von Gott. (…)
Ich neige mich vor der Autorität von Spezialisten, weil sie mir von meiner eigenen Vernunft auferlegt wird. Ich bin mir bewußt, daß ich nur einen sehr kleinen Teil der menschlichen Wissenschaft in allen Einzelheiten und positiven Entwicklungen umfassen kann. Die größte Intelligenz genügt nicht, alles zu umfassen.
Daraus folgt für die Wissenschaft wie für die Industrie die Notwendigkeit der Arbeitsteilung und Vereinigung. Ich empfange und ich gebe, so ist das menschliche Leben. Jeder ist abwechselnd leitende Autorität oder Geleiteter. Es gibt also keine stetige und feststehende Autorität, sondern einen beständigen Wechsel von gegenseitiger Autorität und Unterordnung, die vorübergehend und vor allem freiwillig ist.“
Bakunin, “Gott und der Staat” S. 58
Mit dieser Art “Autorität” kann ich auch leben, denn sie ist das Ergebnis in der materiellen Welt vorhandener Wissensunterschiede, ganz im Gegensatz zu den altbekannten Königen, Herrschern oder “Führern”, deren Leitungsposition gegenüber anderen Menschen nicht aus einer freien Vereinbarung, sondern aus Zwang und Ideologie fließt. Selbstverständlich muss auch in solchen Fällen ständig ein wachsames Auge auf alle Abläufe geworfen werden, damit sich die zeitweilige Leitung nicht bürokratisiert oder gleich ganz zur Herrschaft aufschwingt.
November 13th, 2012 at 09:55
@SalvadorArachnor: So richtig wirklich frei ist auch die andere ‘Unterordnung’ nicht, ergibt sie sich doch aus den ‘Abläufen’.
Wachsam sein – meinetwegen – besser finde ich, ‘Wissensgefälle’ abzubauen…
November 13th, 2012 at 10:55
@Wat #57 Klar sollte das Wissensgefälle abgebaut werden, aber das ist nur bis zu einer bestimmten Grenze möglich, die sich durch die Menge des verfügbaren und für die Ausübung bestimmter Tätigkeiten notwendigen Wissens ergibt. Du wirst Schwierigkeiten kriegen, wenn Du gleichzeitig den modernsten Stand der Mikroelektronik und Veterinärmedizin beherrschen willst.
November 13th, 2012 at 10:59
Dieses Relikt unserer tierischen Abkunft geistert zweifellos in allen möglichen Varianten umher, bei den einen mehr und die besetzen es dann mit Naturhaftigkeit, bei den anderen weniger, dann wird es vielleicht pragmatisch anerkannt.
Interessant ist das Relikt ja besonders in seinem Vollzug im Linken Spektrum der Politik. Man gebiert zwar alternative Vorstellungen von der Gesellschaft, aber der Modus der Implementierung ist dann doch wieder einer, der mit Hierarchien operiert und diese zu installieren trachtet.
Dieses Relikt der tierischen Abkunft nistet sich erstaunlicherweise auch noch dort ein, wo es um das scheinbar Menschlichste geht: das Wissen. So dreht es uns immer wieder in hierarchische, geführte Räume des Wissens, in denen Wissen gleich wieder aufgesplittet wird in superiores und inferiores mitsamt den biopsychosozialen Materialisierungen desselben.
Der Mitvollzug dieses Hierarchieschematas erzeugt uns immer wieder die Illusion, es reichte doch auch eine gute Führung, z.B. eine Linke. Dann rückte das gute Leben schon näher. Das kann man so wollen, nur soll man sich dann auch eingestehen, dass man nicht frei, sondern eben gut geführt werden will.
Eine emanzipative Stoßrichtung ist für mich nur dann der Wörter wert, die sie da verwendet, wenn sie sich mit diesem Schemata auseinander setzt und von sich aus die Vermeidung solcher psychosozialer Arrangements anvisiert. Das ist in der Regel nicht der Fall, da unterscheidet sich links von rechts nicht viel. In gewisser Weise kann man die menschliche Geschichte politischer Organisation auch aus der Hierarchieperspektive sehen. Und da hüpfen wir seit langem auf dem Stand und wechseln in erstaunlich viele Kleider. Anscheinend sitzen diese Dispositionen einer tierischen Abkunft tief in uns und reaktualisieren modular sich immer wieder und wandeln sich hinter unserem Rücken zu neuen Formen der Reintegration in Hierarchien.
Natürlich ist die soziale Organisation mit der Infragestellung der Hierarchie von Grund auf zur Disposition gestellt. Die heutige Welt im enthierarchisierten Design wird es nicht geben können. Es gäbe dann auch keine Möglichkeit mehr, psychische Energie auf Stars und Führer und allfällige andere Dinge auszulagern, denen man sich dann unterordnen kann. Wir greifen da sehr ins Leere, was freilich Angst evoziert. Das wäre alles ein mühsamer Arbeitsprozess, der in alle Lebensbereiche eingreifen würde und nicht bloß textuell von statten geht.
Ein Soziologe sprach bezüglich dieser Dispositionen u.a. zur Hierarchie von der Notwendigkeit eines sportlichen Trainings, um ihre Wirkkraft abzuschwächen. Wenn man das für einen Moment mal akzeptiert, dann muß man sich eingestehen, dass wir uns im Ausdauertraining befinden, aber das verkehrte trainieren. Es bedürfte der Entwicklung einer neuen Form der Aufklärungsarbeit.
November 13th, 2012 at 11:23
flavo: Im Gegensatz zur Bewegungslinken verhält sich die parlamentarische LINKE antiemanzipatorisch, weil sie den Staat “erobern” möchte, um Veränderungen von “oben” durchzusetzen.
November 13th, 2012 at 11:27
Das ganze atmet aus dem Phänomen “Entfremdung”, dass in sogenannten “Demokratien”, wo alle ach wie individuell zu sein streben und endlich grausam einheitlich dahinvegetieren, ausgeprägter ist, als in sog. Diktaturen, wo “befremdliche” Alphatierchen Ihrer angemassten Verantwortung mit der Zeit zwangsläufig, das ist der Vorteil, weder semantisch noch pragmatisch zu entkommen vermögen, während unsere zynisch ohnMächtigen nach 2 Legislaturen verbrannt im Versorgungsnirvana veschwinden.
Das war z.B. im Osten wirklich anders. Die Realität war weniger ästhetisch, aufgrund äusserlicher Konstanz allerdings umso weniger verwirrend.
Heute ist manchmal selbst der Unsinn (der wie mitunter sogar die Sinnlosigkeit als explizit “sinntragend” bezeichnet werden kann) subtil, da es alltägliche Konstellationen gibt, in denen man gewissermassen lügen muss, um eine Wahrheit wenigstens zur Disposition stellen oder vielleicht sogar vermitteln zu können.
Für wirkliche “Autorität” bedarf es auch gesellschaftlich anerkannter, wertvoller Traditionen. Mediensumpf und Bildungsplankton wissen das im vermeintlichen Multikulti-Beliebigkeitswahn gegenwärtig fast gänzlich zu verhindern. Kultur jedoch hat meiner Meinung nach genuin stets etwas mit bewusst wahrgenommenem Kult zu tun . . .
November 13th, 2012 at 11:31
Es hat schon was, dass man das mit der größten Machtfülle ausgestattete Amt im deutschen politischen System beliebig oft inne haben kann, während das Amt des “Staatsoberhaupts”, der Grüßaugust, auf zwei Amtszeiten/Person begrenzt ist.
Zudem ist historisch betrachtet die Kluft zwischen Merkel-und Regierungsakzeptanz insbesondere in Deutschland nichts Neues:
“Wenn das der Führer wüsste!”
November 13th, 2012 at 12:00
Eigentlich leben wir systemunabhängig ja auch eher in einer Bürokratie als in einer Demokratur.
Wo das Prinzip:”Verantwortlich sind irgendwie Alle aber die Verantwortung mag niemand tragen” allgegenwärtige Realität ist, braucht man sich über die realexistierend timokratische (Platon “Der Staat”)Wirklichkeitsferne, in welcher Vorsicht, Rücksicht, Umsicht und Einsicht durch ABSICHT (und zwar die, sich mehr oder weniger unmittelbar den Hintern auf Kosten Anderer zu wärmen) apostrophiert werden, nicht zu wundern.
November 13th, 2012 at 12:54
@SalvadorArachnor(58)
“@Wat #57 Klar sollte das Wissensgefälle abgebaut werden, aber das ist nur bis zu einer bestimmten Grenze möglich, die sich durch die Menge des verfügbaren und für die Ausübung bestimmter Tätigkeiten notwendigen Wissens ergibt. Du wirst Schwierigkeiten kriegen, wenn Du gleichzeitig den modernsten Stand der Mikroelektronik und Veterinärmedizin beherrschen willst.”
Es würde schon ‘reichen’, wenn diese ‘Beherrscher’ die vielen ‘repitativen’ Teilarbeiten beherrschen würden, die ihre Tätigkeit zur Voraussetzung hat, diese ausüben zu können…^^
Und die kann ‘man’ lernen, wenn ‘man’ will.
November 13th, 2012 at 19:58
@ altautonomer 55:
Wie genau verstehst du eigentlich den Begriff “Selbstvertrauen”, wenn du mir dazu dieses Beispiel vorhältst? Und wo genau habe ich geschrieben, dass ich Expertentum und Autoritäten gleichsetze?
Versteh mich nicht falsch, ich diskutiere mit dir gern darüber, allerdings dann bitte so, dass du dich auch auf Aussagen beziehst, die ich tatsächlich hier hinschreibe und nicht, dass du mir irgendwas unterschiebst. Ich war müde, als ich das geschrieben hab und bin für mich selbst auch noch dabei, meine Gedanken zum Thema zu sortieren. Ich bin da also durchaus angreifbar, also nur zu, das kannst du besser!
November 14th, 2012 at 12:11
»Der Wähler verliebt sich förmlich in seinen politischen Führer.«
Spielart des Stockholmsyndroms. Zwei Jahrtausend harte Schulung durch die Pfaffen den Christentums. Nietzsches Antichrist beschreibt das mit klarem Auge, obwohl es sich fast wie eine Kampfschrift liest. (Trifft ja die Richtigen.)
Reaktionen aus dem Bekanntenkreis zu Obamas erstem Wahlsieg liessen mich an religiöse Irre denken.
November 14th, 2012 at 18:00
“Männer” wie Sarrazin und Buschkowsky haben in Deutschland (leider) durchschlagenden Erfolg. Dass es (noch) nicht reicht liegt nicht an deren mangelndem Profil. Alle Diktatoren waren groteske, verquere Männchen mit denen sich das Volk besonders gut identifizieren konnte. Dass solche Figuren letztlich nicht den durchaus möglichen Wiederhall im Volk finden liegt eher an einer gut funktionierenden Suppe aus Kapital, dem Kapital zugewandten Politikern und Medien, die die Hanseln allenfalls zur Radikalisierung der Gesellschaft vorführen und dann rechtzeitig abwürgen.