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22. Nov 2013 12:07
Das schwarze Nashorn war das dümmste Säugetier auf der Erde. Es war mit allen Waffen ausgestattet, passiv wie aktiv – einem ganz ordentlichen Panzer für ein Tier des Känozoikum, prächtigen Hörnern, die ihm seinen Namen gaben, und einem wuchtigen Unterbau, der sich bei Bedarf sogar beachtlich beschleunigen ließ. Es wurde als Pflanzenfresser ausgelegt, um nicht unnötig durch bewegliche Nahrung provoziert zu werden. Es war unangefochten.
Dennoch war es aggressiv wie Flußsäure, hemmungslos wie eine Hafenhure und von der Gnade eines ausgehungerten Leoparden. Trotz erbarmungswürdigen Ungeschicks und anderer Handicaps wie völligem Fehlen eines Motivs konnte das Nashorn in seiner Lebenszeit stapelweise Todesopfer generieren. Es war daher über 50 Millionen Jahre ein wichtiger, nein der wichtigste Indikator für diese Form der Dummheit.
Als die Mäuse die Erde betrieben, verpassten sie das Resultat ihres eigentlichen Experiments um einige hundert Millionen Jahre. Es wurde durch eine zufällige Zeitreise noch einmal hervorgebracht, aber mutmaßlich wiederum ignoriert. Wie dem auch sei, die Geduld der Mäuse war nicht einmal gering; dennoch begannen sie das Experiment zu manipulieren. Im Endeffekt beraubten sie sich dabei – im Rahmen einer noch zu handhabenden Wahrscheinlichkeit – jeder Möglichkeit, das Experiment noch erfolgreich zu Ende zu bringen. Tatsächlich schafften sie genau damit aber eine Unwahrscheinlichkeit, die exakt dem Grade entsprach, der nötig war, um die Frage aller Fragen doch noch zu beantworten. Wie bereits bemerkt, notierten sie dies aber nicht.
Nicht zu stoppen
Mit den Jahrtausenden, vor allem dem Erscheinen der Menschen auf dem Planeten, vertieften sie sich derart in ihre Manipulationen, dass sie ihre Schwänze nicht mehr bemerkten, wenn jemand darauf trat. Immer wildere Phantasien lebten sie aus, um zu testen, was mit dieser Spezies noch ging, und sie wurden wirklich niemals enttäuscht. Dieser Phase verdanken wir unter anderem die Erfindung des Popcorns, doch das ist eine andere Geschichte.
Es kam dann zu einer Zäsur, die der Chronist hier festhalten möchte, falls den pelzigen Ingenieuren auch dieser Zusammenhang entgangen ist oder er ihrer sprichwörtlich schlampigen Dokumentation zum Opfer fallen sollte. In einem genialen Werk soziopathologischer Testverfahren injizierten die Mäuse einem hochentwickelten Menschenhabitat einen zweistufigen Wirkstoff, der die Grenzen ihrer Fähigkeit zu dissoziativer Anpassung ausloten sollte, den menschlichen Leid/Nonsens-Faktor®. Wieviel Schmerz waren diese Wesen bereit auszuhalten, ohne dass sie irgend einen Sinn darin erkannten, wieviel andererseits dazu fähig, anderen Leid zuzufügen, ohne Sinn und Zweck, freiwillig und ohne Gegenwehr?
Nachdem bereits einige hundert Jahre erstaunliche Ergebnisse mit einem System erzielt wurden, in dem Menschen ihre Interessen und Erkenntnisse vollständig einem papiernen Fetisch untergeordnet hatten, wollten die Mäuse endlich wissen, wann dieses System kollabieren würde. Sie erhöhten sämtliche Werte, begünstigten alle Faktoren, die den Menschen inmitten eines Paradieses voller Ressourcen die Hölle auf Erden bereiteten. Dabei waren sie überzeugt, binnen Monaten zum Ende zu kommen. Sie erfanden die Reaganomics.
Dreißig Jahre später kapitulierte das schwarze Nashorn, gratulierte dem uneinholbaren Sieger und verließ endgültig die Erde.