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Januar 2009


Vor vielen Jahren wurde ich einmal verdächtigt, ein Autoradio gestohlen zu haben, weil ich zur ungefähr falschen Zeit am sehr ungefähr falschen Ort war. Ein Streifenpolizist hatte mich höflich gefragt, ob ich ihm zeigen würde, was sich in meinem Rucksack befände. Auf meine Nachfrage hin, warum ich das wohl tun solle, hatte er mir erklärt, daß eben in der Gegend kurz zuvor ein Auto aufgebrochen worden war, und weil ich ihm seinen Job und mir das Leben nicht unnötig schwer machen wollte, zeigte ich ihm meine Fußballschuhe und die Flasche Wasser, die ich bei mir hatte. Ich erklärte ihm betont, daß ich das freilwillig machte, und er bedankte sich bei mir.
Kurz darauf kam eine Vorladung zur Vernehmung beim zuständigen Kommissariat, der ich nachkam. Dort begnete ich einem Möchtegern-Columbo in Range eines Oberkommissars, der sofort wußte, daß er in mir den Täter vor sich hatte. Er machte bereitwillig Angaben zur Täterbeschreibung und zum Tatort, was mir die Gelegenheit gab, in beinahe allen Punkten nachzuweisen, daß ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht der Täter sein konnte. Ich hatte keine langen Haare, besaß keinen Army-Rucksack und konnte zur Tatzeit nicht am Tatort gewesen sein. Ich konnte ihm sogar auf dem Stadtplan zeigen, daß meine Route nicht am Tatort entlang führte. Vielleicht habe ich seinen Ehrgeiz auch dadurch geweckt, daß ich ihn nicht recht für voll nahm und aus der Vernehmung ein wenig Kabarett machte.
Meine damalige Frau wurde von ihm danach ebenfalls zur Vernehmung eingeladen. Sie bestätigte, daß ich zur Tatzeit noch zu Hause gewesen war, was ihn immer noch nicht überzeugte. Erst, als sie Angaben zu unseren Einkommensverhältnissen machte, gab er sich geschlagen: Wer arbeitet, klaut keine Radios, das hat er sofort messerscharf erkannt. Ein akademischer Grad hatte ihn übrigens noch nicht davon abgehalten, mir auf die Nerven zu gehen. “Haben Sie ja wohl nicht?” war seine Frage gewesen, auf die ich geantwortet hatte: “Meinen Sie mich oder Ihren Kollegen?”

Wo der Spaß aufhört

Das kann alles ganz lustig sein, wenn es um Bagatellen geht und man ohne Blessuren aus einer solchen Sache herauskommt. Überhaupt nicht lustig fand ich schon damals die Mischung aus Dummheit und Arroganz, mit der dieser Staatsvertreter versucht hat, mich einzuschüchtern. Eine demokratische Gesinnung sieht anders aus.
Es geht in diesen Zeiten aber um viel mehr, um vermeintliche Gefahren für Volk und Vaterland, und damit verbunden ist eine Mentalität bei den “Eliten” in Wirtschaft und Politik, die sich von der der StaSi nicht unterscheidet. Konzerne überwachen illegal Mitarbeiter in der Zahl einer Großstadt. Diese wissen nichts davon. Eine beinahe unaufhaltbare Regierungsmacht bricht und ändert die Verfassung am laufenden Band und läßt sich auch vom hundertsten Jubiläumsveto des Bundesverfassungsgerichts nicht von ihrem Weg abbringen. Die “Argumente” dafür werden immer idiotischer. Schiffe, die einen Hafen in die Luft jagen, getötete Kinder, gesprengte U-Bahnen, der Nachbartaliban im Bombengürtel, all diese Schreckgespenster werden aufgefahren, um den Rechtsstaat zu seiner eigenen Sicherheit abzuschaffen. Daß einem intellektuellen Blindgänger wie Sigfried Kauder der Schwachsinn auf die Zunge gleitet und ihn sagen läßt:
Wer Sicherheit in Deutschland liebt, muss diesem Gesetz zustimmen“, ist traurig genug, aber von den Paranoikern der Schäubletruppe erwartet man schon nichts anderes mehr. Daß bei den Brandt-Erben imzwischen das Motto modifiziert wurde, im Sinne von “Wir wollen mehr Demokratie zerstören”, ist allerdings noch erschreckender:
Wenn die erste U-Bahn in Deutschland hochgehe, würde auch die Opposition als erstes auf die Koalitionslinie einschwenken, meinte Joachim Stünker von der SPD-Fraktion, und ermahnte gleichzeitig die Kritiker für ihre Wortwahl, mit der sie “die Schmerzgrenze überschritten” hätten.
Wohlgemerkt: Dieser Hanswurst verbittet sich eine deutliche Antwort auf die demagogischen Auswürfe, die er und seine autoritätssüchtigen Stationsgenossen sich leisten, um den Generalverdacht zur Staatsräson zu erheben.

Bürger, duck dich!

Sie machen sich nicht den leisesten Gedanken, welch verheerende Wirkung ihr Treiben hat. Es ist ihnen egal, wie man mit den selbstproduzierten Verdächtigen verfahren wird. Sie nehmen es in kauf, daß die Menschen sich nur noch ducken werden, weil irgendwann jeder einmal von einem gehört haben wird, den es erwischt hat. Daß sie bis ins Mark demokratiefeindlich sind, wäre nur ein Argument. Daß es sie selbst erwischen wird, werden sie erst merken, wenn es wieder einmal zu spät ist. Diese Dummheit ist das eigentliche Fanal. Diese “Volksparteien”, die sich gemein machen mit jenen, denen jedes Mittel zum Machterhalt recht ist, schmieden heute die Waffen zur Aufstandsbekämpfung gegen ihre Wähler, die es sich aus Gründen einmal anders überlegen könnten.
Zuerst erwischt es die SPD, die so überflüssig ist wie ein drittes Kreuz auf dem Wahlzettel. Wenn sie endgültig von der geliebten Macht abgeschnitten sein wird, geht es um die “Union”. Es wird spannend, wenn diese letzte Volkspartei, deren Wurzeln in ebenso in die NSDAP hineinreichen wie in die SED-Blockparteien, vom Wahlvolk ebenso bestraft wird. Wenn es sich herumspricht, daß die Staatssicherheit rechts steht, sind die Optionen rar. Entweder verschwindet der Spuk, oder er gönnt sich die offene Diktatur. Laßt ein oder zwei U-Bahnen brennen, dann sind die Sicherheitsgesetze dafür schon zur Hand.
Ironischerweise wird die Macht der unterbelichteten Dilettanten, denen diese Zukunft droht, ihnen durch die Verfassung erhalten bleiben, konkret durch das Bundesverfassungsgericht, das diesen Alptraum verhindern wird.
Das Volk wird von alledem nichts merken und weiter brav und morbider sein Kreuz zur Urne tragen.

Ich bearbeite ja nun seit vielen Tagen mein WordPress-Theme, will heißen das Layout meines Blogs. Inzwischen ist erkennbar, wohin das gehen soll: Drei Spalten, Beibehaltung des Grunddesigns, alles ein bißchen breiter. Ich habe im Prinzip keine Ahnung von PHP, kann aber gut copy&paste, finde mich inzwischen halbwegs in die vorhandene css-Struktur ein und expiremntiere experimentiere fröhlich. Das Theme hier ist sehr komplex, und ich werde es vermutlich nie ganz durchschauen – wie auch, selbst ein html-Code, den man nicht selbst angelegt hat, führt gern zu Haarausfall.
Ich könnte ein völlig neues Theme laden und es bearbeiten, was aber ebensoviel Arbeit wäre, denke ich. Ich hoffe, es nervt nicht zu sehr, daß es hier täglich ein wenig anders aussieht, aber ich bin guter Hoffnung, in einigen Wochen damit fertig zu sein ;-) . Jetzt ist die Zeit reif für Anregungen und Geschmacksabfragen. Ist es wichtig, welche Teile der Navigation rechts oder Links stehen? Welche Funktionen sind wichtig, welche überflüssig, lädt die Startseite in akzeptablem Tempo? (Hier müßte ich evtl. auch mit meinem Provider reden, denn ich habe den Eindruck, das wird inzwischen wieder langsamer.)
Und bei dieser Gelegenheit noch eine Anmerkung zu den Kollegen, die sich scheinbar gar keine Gedanken über dergleichen machen: Es gibt ein halbes Dutzend Blogs, deren Texte mir gefallen, die ich aber nicht verlinke, weil sie für mich schlicht unlesbar sind. (Noch immer sehe ich den Sinn der Blogroll auch allem darin, diese selbst zu nutzen).
Wohlan, macht mein Gestümper nieder!

Nun hat es das Bundessozialgericht der Agenda2010 mit allem Nachdruck in die Stirn gemeißelt: HartzIV ist ungerecht. Verfassungwidrig ungerecht. Heribert Prantl fährt mit dem Gesetz Schlitten, das er eine “gesetzgeberische Katastrophe” nennt. Es ist unfaßbar kompliziert und in vielen Bereichen seiner Formulierung und Anwendung offenbar rechtswidrig. Als Jurist weiß Prantl, daß an einem solchen Paragraphenwerk nichts zu retten ist, und er fordert daher, diesen Gordischen Knoten duchzuschlagen.
Dies ist aber nur die Spitze des sozialen Eisbergs, für den HartzIV steht. Eine Gesetzgebung, die Kinder in schamloser Weise vernachlässigt und zum fatalen Bildungshemmnis der Unterschicht gerät, ein Fanal der Chancenungleichheit, ein Stigma für die Armen. Das Ganze ist eingebettet in eine Atmosphäre, die von denselben geschaffen wurde, die diese Gesetz gewordene Diskriminierung zu verantworten haben. Es ist überschrieben mit dem Schuldvorwurf der “Eigenverantwortung“, als hätten nicht inkompetente Zyniker in der Legislative miserable Arbeit geleistet, sondern als wären diejenigen, die darunter zu leiden haben, mit Wirkung des Gesetzes faul und ergo selber schuld. Exemplarisch für die menschen-und vor allem kinderfeindliche Einstellung der Agenda-Propagandisten sei an den Finanzminister erinnert, der schon geringe Erhöhungen der Leistungen für Kinder ablehnt, weil er weiß, das solche nur in Zigarretten oder “Pils” investiert würden.
kinderarmut
Warum dann aber nicht eine Erhöhung, die ganz sicher für mehr reicht und auch den Armen zugute kommt (Das Kindergeld wird ja von den Leistungen in HartzIV abgezogen) ? Alle sind sich einig, daß Kindern der Unterschicht zu wenig Bildung und Kultur zukommt. Alle wissen, daß HartzIV nichts anderes zuläßt. Dennoch läßt man das Potential von Millionen brach liegen, denen aufgrund ihrer finanziellen Lage keine Bildung und Ausbildung möglich sein wird, mit der sie je eine angemessene Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erreichen werden. Diese sind dieselben, von denen dann “Eigenverantwortung” erwartet wird. Man hat ihnen zwar keinerlei Rüstzeug mitgegeben, auf den Berg schickt man sie dennoch allein. Wer ängstlich unten hocken bleibt, ist halt ein fauler Versager.
Der Gipfel dieses zynischen Spiels ist die Behauptung, man fördere diese Faulheit, wenn man die Regelsätze soweit erhöhte, daß ein würdiges Leben und Zugang zu Kultur und Bildung möglich wären. Den Chancenlosen soll keine Chance gewährt werden, weil sie diese ohnehin nicht nützen würden.
Dieselben Herrenmenschen, die so über das “Prekariat” urteilen, werfen Bankern und Industriellen die Milliarden nur so hinterher, wenn diese sich verzockt oder die Entwicklung attraktiver Produkte verschlafen haben. Man nennt die so Alimentierten gar ernsthaft “Leistungträger”, die “Verantwortung” trügen. Wer es perverser kann, melde sich dringend bei der INSM, die können davon gar nicht genug kriegen.
Wenn deutsche Richter, die nicht für ausufernden Linksradikalismus bekannt sind, heute den Neoliberalen ihre Gesetzgebung um die Ohren hauen, ist das fürwahr eine “schallende Ohrfeige”. Sie wird überall im Land vernommen werden. Allein die Abgewatschen selbst werden den Knall wieder einmal nicht hören.

Es erscheint wie ein unwichtiges Detail am Rande, aber was da im Rahmen der Verhandlungen über die KFZ-Steuer stattgefunden hat, war ein weiterer skandalöser Versuch, die Großen zu subventionieren und die Kleinen dafür zur Kasse zu bitten. Und das ging so:
Ein Teil der Steuer wird sich nach Hubraum berechnen, ursprünglich waren zehn Euro pro hundert Kubikzentimeter geplant. Allerdings sollte die Höhe der Steuer auf 300 Euro maximal festgelegt werden. Das hieße dann, eine vier-Liter-Kutsche würde mit einhundert Euro subventioniert und die echten Wahnsinnskisten, die sich nur Graf Rotz leisten kann und die etwa drei Bäume auf hundert Kilometer verbrauchen, gar mit einigen hundert Euro. Nachdem wohl vor allem der Bundesumweltminister opponiert hat, wurde dieser Plan geändert. Um satte fünf Prozent, auf 9,50 Euro, soll die Steuer sinken, da die Spritsäufer ja nun angemessen taxiert werden. Gut fünf Prozent sollte also jeder Autofahrer als Notopfer für die Großmotorisierten zahlen. Die Union findet das ganz normal und offenbar richtig. Bei der SPD hat auch niemand wirklich Zeter und Mordio geschrien, aber immerhin hat Gabriel aufgepaßt und diese Umverteilung verhindert. Seine Fraktion begründet ihren Widerstand übrigens mit umweltpolitischen Argumenten. Das ist zwar nicht falsch, aber eben nur ein Aspekt an der Sache. Daß es sich um einen Akt sozialer Subvention handelt, fällt ihnen schon gar nicht mehr auf, im Gegensatz übrigens zu den “Ökos”, den Grünen.
Die Große Koalition wurschtelt sich weiter durch, solide auf dem Rücken der weniger Betuchten, mit sporadischen Lichtblicken, die halbgar begründet werden. Man mache sich nur nichts vor, was die glorreiche Aussicht auf “Schwarzgelb” anbetrifft! Die CDU/CSU darf in puncto “Umverteilung” als Waisenkind gelten im Vergleich zum besseverdienend neoliberalen Original. Ich möchte gar nicht wissen, was denen alles einfiele, um Kleinverdienern das Geld aus der Tasche zu ziehen, mit dem dann ganz sozial “Arbeit geschafft” würde. Sicher so eine Art Merz-Spezial-Steuer, alle zahlen das Gleiche, Motto: “Freie Fahrt statt Sozialismus”.
Man kann es nicht oft genug sagen: Das Volk muß der Politik aufs Maul schauen. Wenn da demnächst wieder jemand von “Umverteilung” schwadroniert, muß einem das Ohr klingeln. Es wird immer etwas verteilt. Die Frage ist nur, ob das mit gerechten Dingen zugeht. “Umverteilung” bedeutet dann nur, daß etwas von einem Haufen auf einen anderen wandert. Wandert es von dem kleinen Haufen auf den großen, ist in der Regel etwas faul. Bei der KFZ-Steuer ist es diesmal, zufällig quasi, anders gekommen.

tatu
Es gibt Tage, da fließen die Tränen reichlich und solche, wo der Schnupfen tobt. Auf beides wäre ich vorbereitet. Schlimm sind aber die trockenen Tage, an denen nichts fließt, der Körper und der Kopf voller Blei sind. Ich ahne schon heute, daß ich mich am Dienstag krankschreiben lassen werde. Peter Hahne wird das gern hören und mit dem Finger auf mich zeigen. Was bin ich doch für ein perfider fauler Sack! Sicher so eine Maßnahme, um die lange dunkle Zeit ohne Feiertage zu versüßen, zwischen Neujahr und Ostern. Da hat er mich aber erwischt!
Nein, morgen ist nur eine Kollegin in der Einrichtung, ich kann sie nicht allein arbeiten lassen. Ab Dienstag sieht das besser aus. Vielleicht wird aber auch alles gut und ich kann schon morgen voller Elan über die Felder hüpfen. Dann kann der Hahne immer noch sagen, ich sei ein Faulpelz im Geiste. Gut, das er so gut auf uns aufpaßt.

Echte Demokraten wissen, wie sie mit der Linken umzugehen haben: diffarmieren, isolieren, dämonisieren. Einen neuen Höhepunkt findet das in Münteferings neuester Sprachentgleisung:
Die Linkspartei vertritt auf Bundesebene eine nationale soziale Politik.” Diese inhaltsleere Floskel ist die pure Assoziation – die Linke soll als “nationalsozial(istisch)” betrachtet werden. Wer nichts zu sagen hat und für seine Lügen keine Argumente mehr findet, der bedient sich tendenziöser Assoziationen. Dies ist exakt das Spiel der Demagogen.
Flankiert wird diese Dreistigkeit aktuell durch einen Artikel in der “Zeit”, in dem Brigitte Fehrle einmal mehr darlegen kann, daß sie zwar keine Ahnung von der Sache hat, aber Oskar Lafontaine nicht leiden kann. Mit diesen Qualitäten ist sie früher schon aufgefallen. Fehrle bedauert, daß die Einbindung der Linken in politische Verantwortung und ihre Beteiligung an Regierungsverhandlungen nicht dazu führt, daß sie verschwindet. Die Autorin bietet alle ihre Möglichkeiten auf zu erklären, woran das liegen könnte und kommt zu keiner befriedigenden Antwort. Nich einmal “Protest”, so erkennt sie immerhin, kann das ausschlaggebende Moment sein, warum die Leute “Links” wählen.
Bedauerlicherweise liegt eine inhaltliche Betrachtung der Politik der Linken und ihrer Gegner jenseits des Spektrums der Möglichkeiten, die Frau Fehrle in den Sinn kommen. Das nimmt nicht wunder, denn sobald sie selbst “sachlich” wird, offenbart sie grobe Unkenntnis – sofern man sie nicht der Lüge bezichtigen will. Was sie vom Selbstverständnis der Parteien und ihrem Bezug zur je eigenen Geschichte weiß, ist offenbar nahezu nichts. So macht sie ihren Lesern weis:

Seit die Linke im Westen mithilfe der enttäuschten Sozialdemokraten und Oskar Lafontaine ihre Vergangenheit als Staats- und Stasipartei erfolgreich versteckt, könnte das Gesetz des unabhängigen Wachstums auch hier gelten. [...]
Denn der Wortbruch und das Scheitern einer Regierungsbildung danach waren auch eine Folge falscher Emotionen. Auf allen Seiten. Bei Andrea Ypsilanti, weil sie aus überzogenem Machtwillen und Eitelkeit blind war für die Bedenken in ihrer Fraktion. Bei Dagmar Metzger, weil sie ihr Nein zu einer rot-roten Kooperation mit (fast) nichts anderem als den Argumenten von 1990, mit Mauer und Stacheldraht, zu begründen wusste. Bei der Linken im Westen, weil sie sich ignorant weigert, für ebendiese Vergangenheit Verantwortung zu übernehmen
.”

Wer die Diskussionen und Programme der PDS, der Linkspartei und der Linken kennt, weiß, daß sie sich sehr intensiv mit ihrer DDR-Geschichte auseinandergesetzt hat. Ob einem das Resultat als ausreichend erscheint, kann man diskutieren, das ändert aber nichts an der Tatsache des offenen Umgangs damit. Würde man dieselbe Meßlatte etwa bei der CDU ansetzen, müßte man diese als Partei von sturen Nazis und Blockflöten betrachten. Daß Fehrle von ehemaligen SPDlern, die den Sockel der “Linken” im Westen bilden, verlangt, sie sollten Verantwortung für “Mauer und Stacheldraht” übernehmen, grenzt an Schwachsinn.
Der Sinn dieser würdelosen Veranstaltungen, die immer skurrilere Züge annehmen, ist der verzweifelte Versuch, eine Politik zu verhindern, die einfach bessere Argumente hat. Bessere als die all derjenigen, die immer noch “Demokratie” sagen, wo sie “Marktwirtschaft” meinen, und zwar diejenige, die den Reichen gibt und den Armen nimmt. In Zeiten, da dieser Mummenschanz nicht mehr nur lächerlich wirkt, sondern die westliche Zivilisation gefährdet, geraten die vermeintlich Staatstragenden zu Sargträgern der Demokratie. Brigitte Fehrle bemüht sich redlich, stets als erste in der Leichenhalle zu stehen.
Wer sich übrigens Argumente anhören will, mag sich mit den Reden von Oskar Lafontaine oder Ulrich Maurer beschäftigen.

Im Tarifkonflikt der Deutsche(n) Bahn sieht deren Arbeitgebervertreter “kaum Verhandlungsspielraum”. Das hat er ja schnell gelernt, der Norbet Hansen. Letztes Jahr noch hat er im Gewand des Gewerkschaftschefs auf der anderen Seite “verhandelt”. Damals wie heute gegen die Interessen der Mitarbeiter, heute allerdings nicht auf deren Lohnliste. Das muß man sich mal in Erinnerung rufen, daß der feine Herr sich noch von den Leuten hat bezahlen lassen, die er im Dienst der Gegenseite verkasperte. Danach besann er sich allerdings eines besseren – und ließ sich für noch mehr Geld ganz offiziell von Mehdorn kaufen.

Bei Zeit.de fordert Alexandra Endres die Verstaatlichung von Banken. Ja, weiß sie denn nicht, daß der Staat der schlechteste Banker ist? Das hieße doch Milliardenverluste für den Steuerzahler! Da wäre es doch besser, eine “Bad Bank” einzurichten. Das hieße zwar dasselbe, aber es gingen dem Markt wenigstens keine Gewinne flöten, wenn der Laden wieder läuft. [edit:] weißgarnix stellt in aller Kürze eine weitergehende Idee dar.

kipoter

Die TAZ schließlich übt sich in “Super Symbolfotos”, was mir eine Inspiration war.

Man kann nicht soviel fressen, wie man vor lachen kotzen muß. Während die vier Antistalinisten der SPD für ihre Rettung des Landes Hessen vor Ypsilanti quasi bundesverdienstbekreuzigt wurden, hatte die Öffentlichkeit leider nicht die Möglichkeit, die Regierung Koch noch vor der Wahl angemessen zu würdigen. Erst jetzt darf im Lichte betrachtet werden, welch eine Mafia da am Werk ist. Der saubere Herr Minister Hoff und seine Selbstaufsicht über Gelder, die ihm ganz zufällig in die eigenen Taschen geflossen sind, sind jetzt endlich ein Thema. Wer zu spät kommt, den belohnt der politisch-publizistische Komplex.

Noch besser und reif für den Bundes-Comedy-Award ist das Engagement des Pipelineprinzen Schröder für das Managermonopoly und dessen Betitelung in der FTD. Der Erfinder der Armani 2010 glänzt im Gegenlicht des verruchten Linksrucks als… lest es selbst:
Am Donnerstagabend habe sich Contis Führung mit Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder zum Informationsaustausch getroffen, erfuhr die FTD. Der Sozialdemokrat ist Garant für die zwischen Schaeffler und Conti bei der Übernahme geschlossene Investorenvereinbarung. Er soll vor allem als moralische Instanz über ihre Einhaltung wachen.
Ich habe in letzter Zeit viele Tränen der Trauer geweint, aber so naß gemacht wie im Angesicht dieser Zeilen habe ich mich nicht. Mir fehlt wohl das angemessene Feingefühl.

Die TAZ liefert ein paar Zahlen zur Einkommensverteilung in diesem unseren und meint: “Die Mittelschicht ist angeschmiert“. Ich fände es recht angenehm, solche Zahlen mit etwas mehr Meinung anzureichern, obwohl sie beinahe für sich sprechen. Daß die Mittelschicht abgesackt ist, birgt ein Riesenproblem, man versteht das allerdings nur, wenn man es in die Zusammenhänge setzt. Eine deutlichere Betonung der Lage darunter und der Hinweis darauf, daß der Mittelschicht daraus kein politisches Bewußtsein erwächst, tun hier not. Wer wählt denn Schwarzgelb?!

Michael Schlieben keilt für Zeit.de auch noch nach gegen Ypsilanti, die Stalinorgel von Hessen. Der Titel “Arbeitslos wegen Ypsilanti” und der darunter gefaßte Artikel lassen jede Ironie vermissen, obwohl es pure Realsatire ist. Der Abgeordnete, der nicht Ypsilanti, sondern den vier Demaskierten die Verantwortung zuweist, kommt erst in den letzten Zeilen zu Wort. Immerhin konterkariert diese Meinung die dümmliche Überschrift, was dem Journalisten offenbar nicht den Gedanken wert ist, diese zu ändern.

“Opferschutz vor Täterschutz” ist die knallrechte Parole, mit der die NRW-CDU die geplante Videoüberwachung von Schulen begründet. Neu daran ist nur das Spiel, das die schwarzgelbe Traumkonstellation damit treibt. Auf solchen Nebelschauplätzen wird eifrig “Politik” gespielt, während stickum die Fenster geschlossen werden, um den alten neoliberalen Mief zu pflegen.

Das Weiße Haus hat eine neue Hompage mit neuem Konzept, die Sueddeutsche erklärt was dazu. Zumindest an der Oberfläche weht der storm of change.
Mal sehen, wie die Bösen auf Obama reagieren, es wird schwierig für sie werden ohne seine “Unparalleled Competence and Intelligence“.

Da Artikel über Blogger ungemein resonanzwirksam sind, muß ich mich natürlich über Don Alphonso in der “FAZ” äußern. Überdies darf man sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, einem Bloggerkollegen “Verrat” vorzuwerfen, wenn dieser sich mit der Journaille einläßt. Zumal dann nicht, wenn es jemand ist, der anderen gern Hurerei vorwirft.
Ich mochte ihn ja noch nie. Ich fand ihn schon immer zu bourgeois. Nach der ersten Schrecksekunde, als ich sein Blog bei faz.net fand, dachte ich schon: Das kann passen. Don Alphonso ist gefühlt ebenso unsympathisch wie die FAZ, beide gehören bei mir zur Standardlektüre beim nächtlichen Überfliegen der Textöffentlichkeit. Beide lese ich deshalb, weil ich dort publizistische Qualität finden kann, die ich woanders nicht in dieser Form finde. So viel zu den Ähnlichkeiten.
Die Blogbar und der Rebellmarkt bereiten mir ungleich mehr Freude als die FAZ, über Don habe ich mich bislang nicht wirklich geärgert, während die FAZ aus Tradition noch immer gern reaktionär daherkommt. Die FAZ ist mir unsympathisch, weil sie sich von einer elitären Linie des Klassenkampfes nie gelöst hat, obwohl sie immerhin mit offenem Visier von oben herab auf die Welt blickt. Don ist nicht mir nicht persönlich unsympathisch, er gibt sich nur so, und das funktioniert hervorragend. Ich finde das recht angenehm, denn ich will nicht umschmeichelt werden, wenn ich lese. Ich will Meinung und Inhalt.
Zuletzt fiel mir Don Alphonsos tendenziell großbürgerliche Attitüde auf, als er von Büchern schrieb, die man in einem gewissen Umfang zu besitzen hätte, und ich war drauf und dran, ihn über Menschen zu belehren, die sich das nicht leisten können und daher Büchereien aufsuchen. “Was soll’s” dachte ich dann, man wird sich vermutlich einigen, daß es so nicht gemeint war, und es wird seine Sicht nicht ändern. Ein wenig erinnert mich der Rebellmarkt oft an Adornos “Minima Moralia” und wie dieser dort über Zugwaggons und Autotüren räsoniert, als hinge von der Etikette das Überleben der Kultur ab. Dies ist kein “Adornovergleich”, mich macht nur der Bruch schmunzeln, der in solchen Texten steckt: Der Versuch, das Richtige gegens Falsche in Stellung zu bringen, scheint bei manchen dazu zu führen, sich in den Widerspruch zwischen der Vision und dem “Guten” der Herkunft zu verwickeln. Solange es beim Symptom des Hätschelns der Symbole des eigentlich verachteten Status bleibt, sei’s geschenkt.
Nun also die FAZ. Die ersten Artikel erscheinen mir zahnlos, mal sehen, wie sich das entwickeln wird. Selbst einen gebremsten Don Alphonso erwarte ich mit Spannung, womöglich wird er noch charmant. Ungleich unterhaltsamer kann freilich ein deutlicher Don bei der noblen FAZ werden.
Generell freut mich das Experiment, das nicht das letzte seiner Art sein wird. Hier sind zwei zusammengekommen, die etwas versuchen wollen. Das wird Schule machen: Größere Medien und Blogger, sie sich beschnuppern, sich kennenlernen und ein Experiment wagen. Wie sonst sollte es gehen?
Wer weiß, vielleicht wird der Don sogar davon Abstand nehmen, das von mir so gehegte und gepflegte “ß” brutal zu meucheln und ihm wenigstens nach langen Vokalen und Diphthongen eine neue Chance geben.

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