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Oktober 2007


In der FAZ wird der Vorstandsvorsitzende der RWE, Jürgen Großmann, zitiert, der sich der Öffentlichkeit mit ganz großer Geste andient und eine PR-Kampagne als “Energiepakt” verkauft. Ich war bis zuletzt selbst RWE-Kunde und bekam mit der Post die Gründe zugeschickt, aus denen noch mehr Geld aus mir herausgequetscht werden sollte. Die “Beschaffungspreise” und die hohen Kosten durch erneuerbare Energien seien Schuld. Wie gesagt haben andere das Problem offenbar nicht, und ich habe gewechselt.
Nun ist plötzlich alles ganz anders:
RWE werde in den kommenden Jahren Milliarden in die erneuerbaren Energien investieren“,
Ich stelle mir zum Beispiel für RWE konkret vor, dass wir unsere Ausgaben für Forschung und Entwicklung in fünf Jahren mindestens vervierfachen“,
Zudem solle die Energiewirtschaft nach außen erkennbar ihre Wettbewerbshaltung ändern. Das Stichwort müsse Kundenorientierung statt Abnehmerbetreuung lauten.
Das alles will Großmann “an einem symbolträchtigen Ort [zu] diskutieren. Zum Beispiel auf einer Nordseeinsel wie Borkum“.
Feine Idee, und der Stromkunde zahlt die Veranstaltung. Noch symbolträchtiger wären sicher die Seychellen. Und damit es auch richtig menschelt beim Energiepakt, lädt man ein paar energiegeladene Damen vom Fach ein: Blasen ohne Wind, Schwitzen ohne Sonne. Ich frage mich, was es da zu diskutieren gibt und warum irgendwelche Pakte geschlossen werden müssen. Wenn ihr das vorhabt, dann macht das doch einfach!
Das Problem dürfte kognitiver Natur sein, und Großmann kommt der Lösung sogar recht nahe:
Wir brauchen intelligente Netze“, stellt er fest. Völlig richtig, und am besten fängt man mit einer intelligenten Leitung an bei RWE.

Was ist ein “Kommunikationsexperte“? Manchmal frage ich mich, ob die Gazetten einen so hintergründigen Humor haben, daß selbst der geübte Leser den kunstvoll zelebrierten Witz nicht immer erkennt. Wenn von “Experten” die Rede ist, so scheint es, werden Menschen präsentiert, die sich zu weit aus dem Fenster lehnen und derart unfreiwillig komisch wirken. Heute führt die Sueddeutsche Ullrich Sollman vor. Getarnt als Inteview zwecks Bashing gegen die Vetreter der GdL, bespaßelt die SZ ihre Leser mit einer Art “Affe im Kittel”. Sollman darf da Sätze sagen wie:

Außerdem hat sie aus der Gender-Rolle heraus den Vorteil des Frauseins…

Da hat einer aus der Expertenrolle heraus den Vorteil des Fachmanns genutzt. Sollman jetzt weinen oder lachen?

Report Mainz berichtete heute von einer Gewerkschaftsgründung der dritten Art (leider kein aktueller Link zum Inhalt des Beitrags). Nachdem schon berichtet worden war, wie die Springerpresse Meinung macht, um ihren Postversand “PIN” vor lästigen Mindestlöhnen zu schützen, legt PIN/Springer jetzt nach und gründet die erste von Arbeitgebern gesteuerte Gewerkschaft. Was Anfang Oktober noch eine Drohung war, die ausgerechnet Florian Gerster, Präsident des Arbeitgeberverbandes, verkündete, wird jetzt in die Tat umgesetzt. “GNBZ” soll die “Gerwerkschaft” heißen, die unter Regie einer PR-Firma erst einmal eine Demo gegen höhere Löhne organisierte. Zwar hat sie noch keine Mitglieder, aber offenbar schon Geldmittel. Woher die kommen, wird nicht verraten.
Noch einmal im Schnelldurchlauf: Springer unterhält einen Briefträgerdienst. Nach Wegfall des Briefmonopols der Post startet Springer eine Kampagne gegen Mindestlöhne bei Briefzustellern. Eine PR-Firma organisiert eine Demo, zu der PIN-Mitarbeiter geschickt werden – gegen Bezahlung. Sie müssen sich dazu in Listen eintragen, die der Arbeitgeber einsehen kann. Wer nicht draufsteht, kann sich ausrechnen, wie das “oben” ankommt. Als nächstes gründet sich eine “Gewerkschaft”, die Unternehmerinteressen vertritt. PIN-Mitarbeiter werden gedrängt, dort einzusteigen. Andere Dumpinglohnempfänger werden sicher auch bald dazu genötigt. Wer es sich nicht leisten kann, solche Jobs abzulehnen, wird mit Zuckerbrot und Peitsche sicher leicht zum Eintritt bewegt werden können. Am Ende handelt der Arbeitgeber mit sich selbst die Hungerlöhne aus, die das Gesetz unterlaufen sollen.
Allmählich gehen selbst mir die Worte aus. Was Springer da veranstaltet, ist nahe am Staatsstreich. Daß jemand wie Gerster sich vor diesen Karren spannen läßt, der als Chef der Bundesagentur gegen Arbeitslose schon den nützlichen Deppen gespielt hat, nimmt nicht wunder, macht die Sache aber nicht appetitlicher. Ich gehe davon aus, daß der Gesetzgeber sich diesen Putsch nicht gefallen lassen wird und den Damen und Herren kräftig auf die Finger haut. Allein schon aus Selbstschutz, denn diese Sauerei ließen sich nicht einmal die schmerzresistenten deutschen Arbeitnehmer gefallen.
Daß aber eine Arbeitgebermischpoke zu einem derart ekelhaften Anschlag auf den Anstand imstande ist, bestätigt die rüdesten Kritiker des Neoliberalismus’. Solche gewissenlosen Hanswurste anzuspucken, wäre noch zu viel der Ehre.

spdvor

Ein Gespenst geht um in Deutschland. Es ist verrückt, und zwar nach links, und es treibt den Glaubenskrieg, der Ende der 90er Jahre begonnen hat und bis heute andauert, auf die Spitze – vielleicht in die letzte Schlacht. Der rechte Glaube ist der an niedrige Kosten als allein seligmachende Therapie für einen “Markt” der am Staat krankt. Schon die eingeschliffene Mär, der Staat oder öffentliche Leistungen seien etwas Schädliches, spricht Bände. Der Markt ist gut, der Staat ist schlecht? Bislang konnte durfte man das kaum anders sehen.
Seit 25 Jahren werden tendenziell immer mehr Sozialleistungen gekürzt, sinken die Steuern für Unternehmen und gleichzeitig die Reallöhne. Diese Spanne ist lang genug, um zumindest den Verdacht zu erhärten, der sträflich vernachlässigte Binnenmarkt, die mangelnde Kaufkraft, tue der Konjunktur nicht gut. Wie anders ließe sich erklären, daß die Wirtschaft des ewigen Exportweltmeisters noch immer langsamer wächst als der europäische Durchschnitt?
Das Lamento der neoliberal inspirierten Kostensenker ist immer das gleiche: Wächst die Wirtschaft schneller, lag es an Kostensenkungen. Wächst sie zu langsam, sind die Kosten noch zu hoch. Und selbst in vergleichbar guten Jahren heißt es: Bloß die Kosten im Auge behalten!
Das einzige, das funktioniert an dieser Strategie, ist die Maximierung der Gewinne solcher Betriebe und Gesellschaften, die bereits guten Absatz haben. Sie können ihre Märkte weiter beliefern und erwirtschaften bei gleichen Verkaufspreisen mehr Gewinn. Allerdings geht das fast immer zu Lasten der Qualität. Auf längere Sicht gehen so mehr Kunden verloren, als zuvor gewonnen wurden. Das Kapital kann dann rechtzeitig abwandern und im nächsten Betrieb die Kosten senken.
Sozialabgaben sind für die Kostensenker noch schlimmer als höhere Löhne: Sie bringen ja gar nichts ein. Was der Staat ausgibt, muß er den Bürgern ja wegnehmen. Also ist jeder Euro in staatlicher Hand ein Euro zuviel.
Daß auch das Blödsinn ist, zeigt sich derzeit auf fatale Weise in diesem Land: Bildung und Ausbildung sind in vielen Bereichen so miserabel, daß überall Fachkräfte fehlen. [An dieser Stelle bitte eine Kunstpause einlegen] Der Wirtschaftsweise, der dies liest, erregt sich an dieser Stelle: “Alles Unfug!” sagt er. Der Fachkräftemangel ist demographisch bedingt, es werden keine Kinder mehr geboren.
Aha. Und woran liegt das? Von den Leuten wird verlangt, daß sie mit 207 Euro monatlich ein Kind durchfüttern, wenn es schiefgeht mit dem Job. Sie sollen jederzeit von München nach Hamburg ziehen können, wenn es der Beruf verlangt. Die Begriffe “Armut” und “Kinder” gehören in diesen Zeiten zusammen wie “Wasser” und “naß”. All das aber wurde unter den Tisch gekehrt. Die Kosten waren ja schuld. An allem.
Nun geht die zurecht viel geschmähte SPD hin und rückt ein wenig. Was sie inhaltlich beschlossen hat auf ihrem Parteitag, ist ein laues Lüftchen, das nicht viel bewirken wird. Aber was sie gesagt hat, das wirkt! Die Sozialdemokraten, vor allem die “an der Basis”, haben die Schnauze voll von den Taschenspielertricks der Armanifraktion. Sie sprechen wieder von “Teilhabe”, “Gerechtigkeit” und gar “Sozialismus”. Damit gibt es endlich wieder eine Mehrheit im Parteienspektrum, die nicht mehr das Credo des Neoliberalismus herunterbeten muß. Das ist eine echte Wende.

hitlerrest[indiadaily.org]

Die armen Batzen von der NPD können ihren Parteitag nicht abhalten, weil niemand ihnen einen Saal zur Verfügung stellt. Und was ist eine Saalschlacht ohne Saal? Nüscht, eben!
Nun ist ihnen die Reise zu den eher indischen Indogermanen (siehe Bild oben) sicher zu weit, was schade ist, denn dort hätten sie sich bestimmt wohlgefühlt (Indien ist geil – sind bloß zu viele Inder da).
Nur eines kann ich nicht verstehen: Wenn ihr den Stall voller geheimer Staatsschutznazis habt, warum beschlagnahmt ihr nicht einfach was Chices, Ihr Vollpfosten?!

Frank-Walter Steinmeier hat allen, die es wissen wollen, deutlich gemacht, was “Realpolitik” bedeutet:

Ich habe aber auch gesagt, dass es das Recht des Parteivorsitzenden ist, seine Haltung nicht allein an messbaren Erfolgen der Reformpolitik zu orientieren, sondern auch an Ängsten, die er in der Bevölkerung wahrnimmt. Und zweitens, das war entscheidend, war mir klar, welches öffentliche Signal die Distanzierung eines designierten Stellvertreters von der Position des Parteivorsitzenden bedeutet hätte.

Messbare Erfolge” ist die Formel für die unterdrückte Behauptung, die Agenda 2010 sei der Grund für den Rückgang der Arbeitslosigkeit. Daß da gar nichts meßbar ist, muß ihm nicht erst die Physikern erklären, er hört sich halt gern reden. Oder in welcher Maßeinheit mißt man Erfolge?
Und wenn es denn eine gäbe – wie rechne ich die Weltkonjunktur heraus, die Deutschland noch immer ein vergleichsweise geringes Wachstum beschert? Ganz spannend wird es aber, wenn das Blatt sich wieder wendet, die Binnenkonjunktur immer noch nicht nahgezogen hat und das Beil zurückschwingt. “Nachfrage”? Was ist das denn?
Dieser ökonomistische Tinnef – abgekupfert von den immer gleichen Wirtschaftweisen, die schon seit Jahren dafür sorgen, daß es nicht recht vorangeht, ist nun Schaum genug, um Beck ungestraft aufs Maul zu hauen:
Der Vorsitzende “nimmt Ängste in der Bevölkerung wahr“. Die irrationale Panik des Pöbels also ist Entscheidungsgrundlage? Klar hätte der vernünftige Politstratege da anders entschieden. Und nicht einmal den “Ängsten”, die einen nicht eben hohen Rang in der Liste guter Gründe haben, gesteht Steinmeier Wirklichkeit zu: Beck nimmt sie nur wahr. Das heißt ja nicht, daß irgend etwas dran ist an diesen Ängsten.
Distanzierung eines designierten Stellvertreters” geht nun gar nicht. “Ich bin doch nicht blöd und halte meinen Kopf für meine neoliberalen Kumpels hier hin” heißt das. Nein, Steinmeier scharrt nicht mit den Hufen. Er läßt eher den Münte über die Klinge springen, als seine Meinung offen zu sagen. Er buckelt vor Beck, solange der halbwegs fest im Sattel sitzt.
Beck wiederum wird wohl nicht so stark sein, Steinmeier für diese Bodenlosigkeit in die Wüste zu schicken. Ein “designierter Stellvertreter”, der seinen Chef durch die Blume zum Deppen stempelt, den man halt ertragen muß, ist freilich kaum tragbar. Wirklich erschütternd ist aber nicht diese geheuchelte Pseudoloyalität. Erschütternd ist der Pudding, der Steinmeier da herausquillt, wo andere ein Rückgrat haben.

Deutsche Gerichte taugen nichts. Wenn sogar der Haftbefehl gegen Andrej Holm aufgehoben wird, muß jedem klar sein, daß das Bemühen um eine sichere Republik für die Katz ist.
Seit Monaten rackern sich die Besten in Behörden und Politik ab, damit die Freiheit nicht zu Lasten der Sicherheit geht. Mutig und kreativ wurde der Filz aus Bürgerrechten und Protestpöbel gelichtet, mit ersten beachtlichen Erfolgen. Einer der Höhepunkte: Der G8-Gipfel in Heiligendamm. Schon vorab wurde rücksichtlos verhaftet und überwacht, was nicht bei drei im Fluchtfahrzeug saß. Bei den Ermittlunsgmethoden verzichtete die Exekutive auf jede falsche Scham. Die Bundeswehr wurde im Innern eingesetzt – sollen die Gutmenschen diskutieren, so lange sie wollen. Und, last not least: Zaun, Stacheldraht, Demonstrantenkäfige wurden aus dem Boden gestampft, noch ehe der Bürger “Hängt sie!” sagen konnte. Diese Käfige haben es mir besonders angetan. Klasse Erfindung, schafft Arbeits- und Haftplätze im Nu.
Was nun diesen Holm angeht: Sein Kauderwelsch wurde von höchst konspirativen gewalttätigen Terroristen zitiert, die Molotowcocktails zu bauen in der Lage waren, Internet hatten und öffentliches Eigentum zerstört haben. Nun glaubt das Gericht also, das sei keinen Haftbefehl wert! Sicher hätten diese Demokraten auch einen Marx laufen lassen, der für hunderte millionen Tote verantwortlich ist. Wenn man so lasch mit Sicherheitsgesetzen umgeht, wen soll man dann zukünftig in die Käfige sperren? Wer soll dann noch das finanzielle Risiko eingehen und in Sicherheitstechnik investieren?
Es ist dasselbe Elend wie in Amerika: Linksradikale Richter öffnen dem Terror Tür und Tor. Da kann man ja nur noch gratulieren!

Don Pepone bestreitet, die katholische Kirche sei Opfer des Nationalsozialismus’ gewesen. Er glaubt gar, der Mixa, der dies erklärt hat, sei womöglich krank. Damit schließt er sich der faschistischen Hatz der Grünen an, die schon wieder die armen Christen verfolgen. Was er nicht begreift, ist die Opferhaltung der Kirche: Ob im Dritten Reich, in Junta-Argentinien oder sonstwo bei Folterers – sie muß immer so tun, als fände sie das alles gut, und am Ende werden die Pfaffen sogar noch verurteilt, weil sie dabei gewesen sind. So opfern sich die tapferen Geistlichen. In Friedenszeiten opfern sie sich gar für sexuellen Mißbrauch. Das sollte auch Claudia Roth endlich anerkennen!

Die Diskussion über die Entlastung älterer Arbeitsloser macht ihn “zornig”, den Experten für die Lebenshaltungskosten zwischen Golfplatz und Escortservice, Michael Hüther. Die Mehreinnahmen der öffentlichen Haushalte dürfen keinswegs wieder in die Hände der faulen Kostenfaktoren geraten, denn dann gehen wir unter!

Erstaunlicherweise fragt niemand in der politischen Arena nach diesen Gefahren. Auch findet sich niemand, der sich auf die Seite der Leistungsträger dieser Gesellschaft stellt.

Fürwahr ein “richtig, richtig dummer ordnungspolitischer Artikel.

Berlin – Man mag von der NSDAP vieles halten. Aber eins ist sie sicherlich nicht: Eine Verliererpartei. Am Sonntag werden die Rechtssozialisten den Sieg in Deutschland davon tragen. Und zwar verdient. Trotz der unappetitlichen Judenkampagne Weil sie nämlich härter, cleverer und unverschämter gekämpft haben. (Frei nach Michael Soukup, der bei SpOn die SVP und ihre Ausländerfeindlichkeit relativieren darf.)
Nein, das ist kein Nazivergleich. Es geht mir auch nicht darum, die aggressive ausländerfeindliche Hetze der SVP mit dem Nationalsozialismus gleichzusetzen. Es geht darum, zu zeigen, daß man mit dem für rechte Schmierfinken so populären Passepartout Erfolgsmenschen./.Gutmenschen jeden Dreck, jede Unmenschlichkeit darstellen kann, als sei das alles nicht so schlimm, normale Härte in der Konkurrenzgesellschaft quasi. Nur “Gutmenschen” regen sich über so etwas auf, Loser, Sozialneider, Weicheier. Dieser Zynismus der Möchtegern-Gewinner soll kaschieren, was die Bösmenschen nicht sehen, weil sie es nicht wissen wollen: Menschliches Elend, Unrecht, Brutalität, die jeden treffen kann. Sie wähnen sich auf der richtigen Seite, auf der Seite derer, denen nichts passiert. Und so biedern sich diese opportunistischen Feiglinge jedem Schweinehund an, der ihnen mächtig erscheint. Denen redet Soukup das Wort, obwohl er sich zuletzt selbst noch völlig anders geäußert hat, ebenfalls bei SpOn. Ich frage mich, was das soll? Für jede Zielgruppe eine Meinung? Womöglich war das ja auch der Versuch einer Provokation oder Ironie der Marke “Phillipp Jenninger”. Qualitätsjournalismus jedenfalls, einmal mehr.

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