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Mai 2008


Wie Reuters meldet, wird Solarstrom auch gegen die Einwände der CDU weiterhin in ähnlicher Höhe gefördert wie bislang geplant. Ob und in welchem Umfang überhaupt die Subventionen gekürzt werden, ist dort noch nicht zu erfahren.
Die Subvention ist übrigens keine aus Steuermitteln, sondern eine gesetzlich festgeschriebene Begünstigung, die die Stromkunden zahlen müssen. Das funktioniert so, daß Betreiber von Solaranlagen den von ihnen produzierten Strom zu einem erhöhten Preis einspeisen dürfen:
Wer als Privatmann Solarzellen auf dem Dach hat, bekommt für jede Kilowattstunde, die er dem Stromanbieter verkauft, derzeit über 40 Cent vergütet – weit mehr, als man selbst für eine Kilowattstunde bezahlen muss.
Die Kosten dieser Regelung, die für die nächsten 20 Jahre gelten soll, belaufen sich laut “Focus” auf 100 milliarden Euro. Andere Berechnungen belaufen sich auf 77-90 milliarden Euro. Der Stromkunde bezahlt das, wie gesagt, aber auch hier nicht ganz Gallien, denn die Konzerne, nach offiziellem Sprachgebrauch “stromintensive Unternehmen” sind davon ausgenommen. Für sie gilt eine Sonderregelung. Darunter fallen übrigens keine Großfamilien in zugigen Wohnungen, sondern nur gewinnorientierte Unternehmen.
Auf Seiten der Produzenten profitieren vom Gesetz schon heute weniger hiesige Unternehmen. Da es nicht darauf ankommt, welche Anlage den Strom produziert, sondern nur, daß es eben Solarstrom ist, freuen sich derzeit vor allem die Chinesen über den deutschen Ökostromfimmel, so Spiegel Online.
Ich habe persönlich überhaupt nichts dagegen einzuwenden, wenn Deutschland mit gutem Beispiel vorangeht und viel Geld ausgibt, um Regenerative Energien zu fördern. Die Art und Weise ist allerdings zum Haareraufen. Nicht nur, daß die ohnehin schon arg gebeutelten Bürger, die nicht wissen, wie sie Mobilität und häuslichen Energiebedarf bezahlen sollen, zur Kasse gebeten werden. Nicht nur, daß Unternehemensgewinne wieder einmal wichtiger sind, als das Auskommen der ächzenden privaten Haushalte. Es wird obendrein das Gegenteil dessen erreicht, was eigentlich wünschenswert wäre. Wollte man wirklich alternative Energiequellen fördern, müßte man die Entwicklung der Technik fördern, die heute offenbar noch nicht kostendeckend arbeitet. Direkte Subventionen, besser noch Investitionen, könnten dazu beitragen. Stattdessen aber zahlen die privaten Haushalte für die kommenden 20 Jahre dafür, daß eine unausgereifte Technik denen Geld in die Kassen spült, die sich eine Photovoltaikanlage leisten können. Jeder Schrott, der irgendwo produziert wird, garantiert dessen Herstellern ein einträgliches Geschäft. Wer wird unter diesen Bedingungen in Entwicklung investieren? Wie soll derart der Verbrauch fossiler Energieträger wirksam reduziert werden? Das einzig Gute an der Marktwirtschaft, der Druck auf die Anbieter, attraktive Produkte anzubieten, wird außer Kraft gesetzt. Die “Kunden” werden zu Untertanen, die gefälligst zu kaufen haben, was der Staat ihnen vorschreibt. Der golable Wettbewerb, der uns Ein-Euro-Jobs und ewige Lohnzurückhaltung beschert, ist plötzlich kein Argument mehr, wenn sich der kommende SPD-Vorsitzengel Gabriel nur als Retter der Welt, der Umwelt und des Guten an und für sich aufblasen kann. Wer es blöder kann, bewerbe sich bei der SPD!

Wäre sie in der CDU, hätte sie das Zeug zur Kanzlerin. In der Linkspartei wäre sie eine dämonische Verräterin. In der SPD gilt sie als “Strippenzieherin” und “heimliche Vorsitzende”. So sehen es deutsche Medien, letzteres expressis verbis.
“Zieht sie die Strippen?” fragt RP-online rhetorisch. Der Tagesspiegel (Die Abschrift ist auch bei Zeit.de zu lesen) stellt fest:
„Die kann Partei.“ Über ihre Kollegen als Vizevorsitzende, die renommierten Minister Steinmeier und Steinbrück, lässt sich das derzeit ebenso wenig sagen wie über den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck.“. Welt.de berichtet hintergündiges zur Kandidatur von Gesine Schwan, in die auch Andrea Nahles involviert sei, wenngleich es offenbar nicht ihre Idee gewesen ist. Anlaß zum Nahles-Hype ist, wie auch SpOn berichtet, ihr Schwenk in der Frage, ob sich die SPD noch einmal quasi offiziell von der “Linken” abgrenzen soll. Morgens war sie noch der Meinung, das sei nicht nötig, am Abend desselben Tages tat sie kund:
Es spricht nichts dagegen, das im Rahmen eines Parteitages noch einmal zu bekräftigen“.
Ihre Stärke bringt der Tagesspiegel auf den Punkt:
Wahrscheinlich verhält es sich so: Nahles’ Stärke speist sich aus einem über Jahre aufgebauten Netzwerk in der Partei, aus der Mehrheit des linken Flügels im Parteivorstand, vor allem aber aus der Schwäche ihrer männlichen Spitzengenossen.
Ein déjà vu: Genau so kam Angela Merkel nach ganz oben. Die CDU brachte nach dem Abgang des großen Demokrators und ewigen Kanzlers zunächst einen schwachen Vorsitzenden hervor, der an einer Affäre scheiterte. Danach setzte sich Merkel durch ein Patt zwischen den gewichtigeren männlichen Konkurrenten durch.
Nahles und die SPD spielen gleichwohl in einer anderen Liga. Die SPD wurde durch das Wüten eines neoliberalen Kanzlers und seiner Getreuen förmlich zerrissen. Gleich drei Parteivorsitzende wurden vom Steinschlag in den Ruinen der Partei erledigt, und Nahles steht noch immer nicht ganz an der Spitze. Sie wird wissen, warum. Es ist aussichtsreicher, zu warten. Es ist aussichtsreicher, sich mit allen und jedem zu verbünden, zu verabreden und zur rechten Zeit auf die Bühne und vors Mikrophon zu treten. Die Seilschaften der SPD funktionieren noch gut, die Intrigensolidarität bestimmt das Tagesgeschäft. In solchen Zeiten werden solche Charaktere befördert. Es ist zu viel der Ehre, ihr nachzusagen, sie habe schon “drei SPD- Parteivorsitzende gekillt“, wie die CSU-Generalsekretärin bei “Hart aber Fair” meinte. Ebenso verkennt die Lage, wer in ihr eine “Strippenzieherin” sieht. Nahles ist immer und überall. Daß sie “Partei kann” bedeutet, daß sie Risiken kalkuliert, weiß, wer wo was sagt und immer gerade die richtige Strippe in die Hand nimmt, wenn das Blitzlicht aufleuchtet. Daß sie abends ihr Geschwätz vom Morgen nicht mehr interessiert, sieht man ihr nach, weil man von ihr nur dann eine Meinung erwartet, wenn sie zuvor genügend Claqeure dafür gesammelt hat. In der Regel reicht ein Statement im Sinne dessen, was sich just als Mehrheit der zuständigen Gremien abzeichnet. “Hase und Igel” kann sie. Was sie nicht kann, sind so hinderliche Dinge wie Offenheit, Solidarität, Loyalität oder Geradlinigkeit. Galt Oskar Lafontaine früher als “größtes politisches Talent”, weil er ein begnadeter Redner war, darf Andrea Nahles heute als politisches Genie gelten. Sie bringt exakt das mit, was Politiker heute können müssen. Nicht mehr und nicht weniger.

Die “Eliten” in Deutschland machen schwere Zeiten durch. Ein ums andere Mal lassen sich Top-Manager dabei erwischen, wie sie in kriminelle Machenschaften verwickelt sind: Zumwinkel bei Steuerhinterhinterziehung, die Siemens-Leute wie schon zuvor Peter Hartz bei Korruption, Telekommanager bei der Bespitzelung von Journalisten und Mitarbeitern. Im Einzelhandel werden die Beschäftigten überwacht. Gewerkschafter werden gekauft, wechseln, wie bei der Bahn/Transnet ins Management. Nicht wenige Manager, die mittelbar oder unmittelbar mit solchen Machenschaften zu tu haben, “beraten” Kanzler und Regierung. Politiker werden Vorstände und Aufsichtsräte bei Firmen, die sie zuvor begünstigt haben. Ein Konglomerat von Interessensvertretern, Vorteilsnehmern und Maklern geht in den Ministerien ein und aus.
Was sie eint, ist das Streben nach Geld und Macht. Sie wollen gewinnen. Dieses zentrale Motiv aller Beteiligten ermöglicht einen Grad an Organisation, der unter keiner anderen Prämisse möglich wäre. Ideologien stehen sich im Wege, sachliche Ziele erfordern Zeit für Diskussionen und Entscheidungen. Einzig die Möglichkeit, den Beteiligten einen Gewinn zu erwirtschaften, ist die Basis für die Kooperation unterschiedlichster Personen und Institutionen. Zumal, wenn wirtschaftlicher Erfolg nicht nur die innere Organisation der Eliten bestimmt, sondern auch zum Ideal erhoben wird.
Dies unterscheidet den neoliberalen Kapitalismus übrigens fundamental vom Faschismus. Es gibt keine Herrenmoral oder sonstigen ideologischen Ballast. Zwar geben die einen sich “christlich”, die anderen “konservativ”, “sozialdemokratisch” oder “ökologisch”, aber sie sind nicht in der Lage, sich effizient zu organisieren. Ihnen fehlt die Essenz, die allen Beteiligten gemeinsam wäre. Das ursprüngliche Ziel sozialer Organisation, Fürsorge, findet kein immer aktuelles Handlungsmotiv. Dieses bringt hingegen das Gewinnstreben mit sich. Die Gier, mühsam kontrolliert oder eben nicht, ist ein immer wirksames Moment im Handeln der Akteure. Sie drängt in der Geldwirtschaft unmittelbar zur Organisation. Sie hat in der Zahlenwelt der Ökonomie ein Wertesystem, das von allen anerkannt wird. Jeder betrachtet Gewinn als erstrebenswert, ganz gleich welches höhere Ziel er zu verfolgen glaubt.
Auch diejenigen, die nicht offen den Gewinn zum Ideal erheben, betrachten ihn als Mittel zum Zweck. Dies gibt ihnen auch die Möglichkeit, sich als Personen zurückzunehmen. Ihr Handeln betrachten sie nicht als Ausübung persönlicher Verantwortung, sondern als ihr Wirken, ihre “Arbeit” im System. Die Welt der Eliten ist so hoch organisiert, daß jeder einzelne Akteur mit Recht behaupten kann, er mache nicht die Regeln. Gleichwohl können sie sich als wirkungsmächtig erleben, wenn ihnen “messbarer” Erfolg gelingt. Die guten Zahlen sind ihr Fetisch.
Dieser Mix aus Getriebenheit, Sachzwang und Erfolgsideal führt folgerichtig zu dem Phänomen, das immer häufiger offen zutage tritt: Korruption. Das Mittel dagegen ist nicht eine Moral, der sich die Eliten zu verpflichten zu hätten. Die Basis einer Veränderung des Systems, in dem Korruption nicht mehr deviant ist, sondern der Regelfall, wäre eine Änderung der Prioritäten. Es muß erkannt werden, daß wirtschaftlicher Erfolg und Gewinn nicht per se “gut” sind. Im Gegenteil handelt es sich um ein notwendiges Übel, das um den Bestand der Zivilisation Willen begrenzt werden muß. Dies bedeutet auch, daß die Abläufe verlangsamt und der Grad an Organisation verringert werden müssen. Das ist noch keine Bürokratie, sondern nur dringend notwendige Kontrolle.

Vielleicht ist er der best mögliche SPD-Vorsitzende. Womöglich wurde er von den Schröderianern akzeptiert, weil sie ihn für einen Nützlichen Idioten hielten. Er nützt ihnen aber nicht. Kurt Beck repräsentiert vielmehr idealtypisch den Zustand der SPD. Hilflos tölpelhaft versucht er, Sozialdemokratie zu machen, mit SPDlern, die sich längst für andere Ziele entschieden haben und gegen einen “Partner” in der Bundeskoalition, der sich mit den Parteifreunden verbündet, um die SPD zu zermürben.
Der Vorsitzende scheitert tragisch en seinen Versuchen, es allen wenigstens ein bißchen recht zu machen und rund um sein sozialdemokratisches Bauchgefühl “Politik” zu organisieren. Zwischen CDU-Gängelung und Linkstabu, immer im Fokus der ihm nicht gewogenen Medien, stümpert er sich durch.
Aktuell hat er sich für Gesine Schwan stark gemacht, dafür, daß die SPD noch politisch aktiv sein darf, ohne die Kanzlerin zu fragen. Höchst authentisch und erregt kommentierte Beck die Krititk aus der Union mit den Worten “Wir lassen uns nicht einmauern!”. Das hätte er sein können, der Befreiungsschlag, der Ausweg aus der Zwickmühle. Die erwartbaren Angriffe der Rechten und Neoliberalen hätte er ignorieren können, es sind schon schlimmere Stürme um seine tauben Ohren getost. Beck weiß aber, von unbeherrschten Instinkten getrieben, wer mit dem Messer hinter ihm steht und macht einen Ausfallschritt. “Ein Sozialdemokrat wird sich auch nicht nach der Bundestagswahl 2009 von dieser Gruppierung zum Bundeskanzler wählen lassen“, gibt er brav zu Protokoll. Das allein reicht Schröders Statthaltern nicht aus. Sein (Vor-)Vorgänger Müntefering verlangt stellvertretend, “dies solle die SPD aber noch einmal beschließen“.
Nein, sie lassen sich nicht einmauern. Das machen sie nämlich selbst. Mit ein wenig Hilfe ist Kurt Beck genau der richtige Mann dafür. Sein Vater war schließlich auch Maurer.

Vielen Dank bei dieser Gelegenheit an alle, die mein Blog lesen und verlinken, sie stürmen mir gerade die Bude, was ich sehr erfreulich finde.
Zwei Hinweise aus aktuellem Anlaß: Viele haben es bereits bemerkt, daß ich Erstkommentare erst freischalten muß. Mit sehr wenigen Ausnahmen mache ich das auch, es kann aber einige Stündchen dauern.
Sollte mein Blog heute Nacht kurzfristig nicht erreichbar (gewesen) sein, liegt das am Serverumzug. Mein Provider macht das gerade sehr prompt für mich, weil es auf diesem Server Performanceprobleme gibt.
Have a lot of fun…

Die Deutschen haben Angst. Diese Angst hat einen Namen: Oskar Lafontaine. So jedenfalls sieht die “Welt” die Welt, womit sie gut im Mainstream der Journaille surft. Und so sieht das heute aus:

weltwahr

Der Opener ist ein Beitrag über “zu Hohe Hartz IV-Kosten“, in dem unter anderem die Forderung seitens eines RCDS-Funktionärs erwähnt wird, ein Zwei-Klassen-Wahlrecht einzuführen. Ich habe dies in den vergangenen Tagen nicht kommentiert, da ich dachte, diese verfassungsfeindliche Schweinerei würde auf breiter Bühne abgekanzelt. Pustekuchen. Die “Welt” kokettiert gar mit der Idee, Rentern und Arbeitslosen das Wahlrecht zu nehmen, eher als daß sie dagegen aufbegehrt. Der Versuchsballon kommt gut voran: Die rechte Presse hat nichts einzuwenden gegen die Machtübernahme durch den Geldadel.
Flankiert wird dieser neuerliche Angriff auf die Unterschicht durch zwei weitere Artikel, einer von Wolfgang Clement, der andere ist der besagte zu Lafontaine. Clement vollstreckt das, was ich bereits vor zwei Wochen ankündigte, er stilisiert die Wahl einer SPD-Kandidatin zur Machtübernahme durch die Kommunisten. Daß Clement so “denkt”, ist bekannt. Daß ihm an dieser Stelle Raum gegeben wird für seine wirren Ansichten, ist die große Leistung politischen Journalismus’ á la “Welt”.
Komplettiert wird das reaktionäre Geschwafel durch einen weiteren überflüssigen “Artikel” über den Dämon Lafontaine. Daß die Deutschen Angst vor ihm haben, schließen Springers knallhart recherchierende Aufdecker aus einer “Emnid-Umfrage für die Zeitung „Bild am Sonntag“. Danach “halten 39 Prozent der Deutschen Lafontaine und seine politischen Ziele für „eher gefährlich“. 47 Prozent sagten, der frühere SPD-Chef sei „eher ungefährlich“, 14 Prozent wollten sich nicht festlegen.
Darüberhinaus verbreitet die “Welt” die publizitsiche Einheitsansicht, die Wahl zum Vorsitzenden, bei der Lafontaine “nur” 78,5 % der Stimmen bekam, sei ein “Dämpfer” und beten ihm die politische Bedeutungslosigkeit an den Hals. Niemand scheint auf die Idee zu kommen, daß eine Partei, die ihren Vorsitzenden nicht nur abnickt, erfreulich demokratisch sein könnte. Daß ausgerechnet die “SED-Nachfolgepartei” diejenige ist, in der noch Opposition zur Prominenz erlaubt ist, paßt nicht ins Weltbild.
Die Konstruktion einer politischen “Wahrheit” nach diesem Muster ist selten so anschaulich. “Durchschaubar”, könnte man auch sagen. Daß das nicht mehr funktioniert, die Menschen die Nase voll haben von diesem Schauspiel und sie sich derart erst recht von denen abwenden, die ihnen solche Lügen auftischen, macht allerdings Angst. Den einen um ihre Macht, weswegen sie auch die Demokratie offensiv und unverblümt bekämpfen. Den anderen um diese. CDU und die Rechten in der SPD versuchen tatsächlich im Schulterschluß mit ihnen genehmen Schreiberlingen, eine andere Republik zu installieren. Sollte ihnen das gelingen, werden sie zuerst eine Mauer bauen müssen, denn in diesem Deutschland will niemand mehr leben.

 
 

In der Sozialdemokratie sind alle herzlich willkommen, die sich zu unseren Grundwerten Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität bekennen. Ich kenne auch einige, die schon zu uns gewechselt sind.

Hubertus Heil über Mitglieder der “Linken”.

In einem von der Sueddeutschen moderierten Gespräch zwischen Michael Hüther und Gustav Horn äußert der “Botschafter der INSM” sich u.a. zur “Umverteilung”:

Hüther: Wir haben doch schon eine hoch wirksame Umverteilung! Die oberen zehn Prozent der Einkommenssteuerzahler zahlen 55 Prozent des gesamten Steueraufkommens, die unteren 25 Prozent gerade einmal 0,3 Prozent! Das gibt es nichts nachzujustieren.

Horn: Die Anteile der Steuern kommen ja dadurch zustande, weil die Einkommen so hoch sind.

Hüther: Als Ökonom kann ich mich nicht zu Verteilungszielen äußern. Die gibt die Gesellschaft vor. Ich kann nur auf die Folgen hinweisen: Alles würde darauf hinauslaufen, den Spitzensteuersatz von momentan 45 Prozent wieder anzuheben – das ist mit Blick auf die internationale Wettbewerbssituation kontraproduktiv.

Zuerst suggeriert Hüther mit vollem Ernst, die Einkommen würden in der BRD von oben nach unten verteilt. Diese Propaganda hält er wohl für seinen Job, weshalb die SZ ihn zurecht als “Botschafter” tituliert. Er stellt sodann fix fest, daß eine (weitere) Umverteilung in diese Richtung nicht stattzufinden habe. Diesen Unsinn zerlegt Kollege Horn mit einem einzigen Satz. Dem hat Hüther offenbar nichts substanzielles entgegenzusetzen, also probt er den Salto rückwärts. Er könne sich nicht zu Verteilungszielen äußern, äußert er, obwohl er sich Sekunden zuvor eindeutig dazu geäußert hat. Im Nachspann kommt dann ganz überraschend und kompetent das Argument der “internationalen Wettbewerbssituation”. Klar, bevor jemand in Deutschland Steuern zahlt, schmeißt er den Job hin und sucht sich einen in Burkina Faso.
Im Gegensatz zu Hüther kämpft Horn mit offenem Visier und öffnet den Blick für soziale Auswirkungen wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, wo Hüther sich hinter dem Status des “Ökonomen” versteckt, der angeblich solche Gedanken nicht zu denken hat. Fragt sich allerdings, wie man diesen “Experten” noch zu solchen Themen befragen kann.
So sieht das meistens aus, wenn die INSM argumentiert. Höchst erfreulich, wenn Quacksalbern wie Hüther jemand gegenüber sitzt, der auf dessen Propaganda etwas erwidern kann und von dieser Möglichkeit auch Gebrauch macht.

[update:] Wie Herr Hüther sich nicht zur Umverteilung äußert, dazu hier ein weiteres Beispiel.

Mindestens fünf Jahre hat er nun in verschiedenen Kellern zugebracht, nachdem er zuletzt Spielzeug für meine Töchter war. Ich wollte wissen, ob er noch funktioniert und natürlich bei der Gelegenheit eine Geschichte von Krieg erzählen – als wir nichts hatten und schon gar keine Gigahertz.
Also habe ich ihn ausgepackt, den MEGA 2:
mega2
Ich war saumäßig stolz, als ich ihn damals für 1000 DM gebraucht erstanden hatte. Eckdaten: 8 Mhz CPU-Takt, 2 MB Arbeitsspeicher und eine…

HD
48 MB – Festplatte in eigenem Gehäuse, mit Lüftung und separater Stromversorgung.

hinten
Angeschlossen sieht’s dann so aus: Der Atari hatte u.a. die Möglichkeit, über ein Stereo-DIN-Kabel bzw. MIDI-Kabel mit anderen Rechnern vernetzt zu werden. Leider habe ich “MIDImaze” nicht mehr, mein erstes Spiel für wirre LAN-Parties.

maus
Eigentlich eine geile Innovation, ist sie heute ein Fluch: meine optische Maus. Das Teil braucht nämlich ein spezielles Mousepad, das meine liebe Tochter verbaselt hat.

Der Start: Ich kann mich an nix mehr erinnern. Eigentlich sollte der mega von der HD starten, tut er aber nicht. Also kurz die Diskette reingesteckt, die unter meiner Microwelle liegt (damit die gerade steht), und er bootet. Allerdings kein Zugang zur HD:

kennung
War der Trauerrand nicht mal kleiner? Egal. Der 14-Zöller, hochauflösend (640 x 480) war schon damals ein bißchen klein.
Nachdem ich mein Hirn eingeschaltet habe, fällt es mir ein, es steht ja auch da oben: Die HD hat eine separate Stromversorgung. Also Stecker rein, einschalten und…

laedt
Der Vortex “datajet” lädt. Das Ding ist laut wie ein kaputter Kühlschrank. Habe ich wirklich einmal damit gearbeitet?

calamus
Ich habe. Erzählt das mal einem, der mit seinem 22-zölligen Mac nicht zurecht kommt. Calamus SL war der Hammer unter den dtp-Programmen. Ich habe damals das Layout einer Campus-Zeitug damit gebastelt. Auch nicht schlecht war “Tempus Word”. Eine Textverarbeitung, mit der ich gar meine Magisterarbeit geschrieben habe. Die ließ sich übrigens problemlos als .rtf auf Billys word übertragen – einschließlich Fußnoten.
Aber wer will schon von Arbeit sprechen? Hier ist das legendäre

baller
“Ballerburg”. Burgen bauen und zerhauen, nächtelang. Dazu Beck’s aus der Dose, mir wird heute noch schlecht beim Gedanken daran.
Wer nun meint, das Ding könne nur monochrom, kennt Atari nicht. Es gibt nämlich auch bunt, allerdings…

bunt
…muß dazu ein anderer Monitor angeschlossen werden. Der hat leider nur 512 x 384 pixel. Ohne meim Mousepad und mit der Auflösung macht’s keinen Spaß. Ich habe noch ein oder zwei Spiele, die damit gingen. Star Trek und “Champion of the Raj” fallen mir da ein. Die werde ich dann in zehn Jahren vorstellen, wenn ich das gute Stück das nächste Mal auspacke.

alfred e. wiefels
Der Parteibuch-Sozialdemokrat Wiefelspütz weiß zwar erklärtermaßen nicht, was er tut, aber er kann es gar nicht erwarten, den Willen seines Herrn und Innenministers zu vollstrecken. Zeichnete er sich bislang durch nur eine Art Verfassungsalzheimer aus – kaum wurde in Karlsruhe ein Urteil gesprochen, schon standen die entsprechenden Sektoren bei ihm wieder auf null – so hat er auch dieses Phänomen noch einmal perfektioniert. Obwohl er noch gar nicht weiß, was Schäuble genau vorhat, stimmt Wiefelspütz dem zu, wohl wissen sollend, daß das, was er davon verstanden hat, verfassungswidrig ist. So viel organisierte Demenz in einem Hirn findet sich derzeit nur rund um die regierenden Terrorfanatiker der Großen Koalition.
Im Interview mit der TAZ [via] läßt er die Hosen runter. Leider vermeidet Veit Medick jedes Nachhaken. Ein bissiger Interviewer hätte Wiefelspütz lässig die Eselsmütze aufgesetzt.

taz: In Köln soll ein zentrales Abhörzentrum entstehen. Macht die SPD da mit?

Dieter Wiefelspütz: Ich kenne die Planungsskizzen noch nicht und erwarte, dass sie mit dem Koalitionspartner besprochen werden. Ich persönlich halte ein solches Kompetenzzentrum aber für dringend erforderlich.

Siehe oben.

[taz:]Kann dabei das Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten eingehalten werden?

[Wiefelspütz]: Selbstverständlich.

[taz:] Wie das?

[Wiefelspütz:]Beim Abhören kommt es darauf an, nach welchen rechtlichen Regeln es stattfindet. Das ist in Deutschland auf einem sehr, sehr hohen Niveau rechtsstaatlich gesichert. Und das wird auch so bleiben. Wir leben in Deutschland in dem weltweit qualifiziertesten Rechtsstaat.

Das Trennungsgebot ist also schon deshalb per se eingehalten, weil wir im “weltweit qaualifiziertesten Rechtsstaat” leben. Dreister als mit dieser Worthülse kann man wohl kaum verschleiern wollen, daß einem das Trennungsgebot hinten vorbei geht. Deutsche AKWs sind sicher, und der Rechtsstaat ist “qualifizert”. Mir ist schleierhaft, wie sich ein Journalist mit einem derartigen Geschwafel abspeisen lassen kann.

[taz:]Sind denn die Einrichtungen in den USA und Großbritannien mit ihren diversen Abhörskandalen tatsächlich gute Vorbilder?

[Wiefelspütz:]Weder die USA noch Großbritannien sind für mich Vorbild. Aber in der unkonventionellen Zusammenarbeit zwischen staatlichen Behörden und privaten Technologiefirmen sowie im Austausch von Wissen kann man von anderen Ländern, vor allem den USA, noch einiges lernen.

Sie sind kein Vorbild, aber man kann viel von ihnen lernen. “Unkonventionelle Zusammenarbeit zwischen staatlichen Behörden und privaten Technologiefirmen” ist aber der Gipfel dessen, was das Grundgesetz untersagt: Daß jeder ein bißchen spionieren darf und Daten unkontrolliert von einer Behörde zur anderen gehen, ist ausdrücklich verboten. Geschweige denn dürften privaten Sicherheitsdiensten solche Daten zur Verfügung gestellt werden oder eine Kooperation mit ihnen stattfinden. Wiefelspütz deutet da auf seine naive Art den nächsten Schritt zur Auflösung des Rechtsstaates an. Was Firmen wie Blackwater, DS Vance oder Triple Canopy für die US-Regierung am Drecksarbeit geleistet haben, geht selbst der Bush-Administration im Einzelfall zu weit, er aber will “daraus lernen”. Nun kann man hier einwenden, dies seien keine (reinen) Technologiefirmen. Wenn ich mich allerdings auf eine Äußerung urtümlich Wiefelspützscher Unschärfe beziehe, dann höre ich die Nachtigall trapsen. Wenn er schon von jemandem lernt, der kein Vorbild sein soll, dann wird er sicher auch das lernen, was nicht vorab auf dem Plan steht. Mit Wiefelspütz geht alles, blanko, vorauseilend und unerhört eifrig. Wer Schäuble für gefährlich hält, muß sich allmählich klar machen, wer da den Rollstuhl schiebt.
Ansonsten hätte ich gern noch erfahren, ob der innenpolitische Allzweckschwätzer mit “unkonventionell” eventuell meinte, was Ex-Chef Schily unter “Kooperation” versteht. “Spionieren und kassieren” ist das Stichwort, und am Krieg verdient der Kämpfer bekanntlich mehr als am Frieden. Auch das läßt sich vortrefflich von den USA und ihren “Kooperationen” lernen.
Leider erfahren wir dies alles nicht, denn auch die TAZ stellt solche Fragen nicht mehr.

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