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2009


Kein schlechtes Jahr für Feynsinn, ein miserables für den Autor. Verschwinde in der Altjahrestonne, laß dich abkippen unter “verschwendet, vergessen, vorbei”. Auf ein neues!

Zum Abschluß einmal eine kleine Petition, die sogar ich unterstütze, einfach, leicht umzusetzen, von öffentlichem Interesse. Mal sehen, ob die Majestät sich damit beschäftigen wird.

“Bitte bombardiert uns!” heißt es in einem Fax aus dem Jemen an die US-Regierung. Dem will der Friedensnobelpreisträger spontan nachkommen. “Der Neger hat im Flieger die Sitze ruiniert, da hört der Spaß auf”, sagte Obama und kündigte eine Spende von sechshundert Tonnen an.
“Wir sind dabei” frohlockt rund um Guttenberg und verspricht, persönlich einen Brunnen zu spenden.

Es gibt Zusammenhänge, die man sich erarbeiten muß. Zum Beispiel den zwischen gewissen Steckenpferden der Stromwirtschaft und faktischer Sklaverei.
Während mir mein letzter Stromlieferant noch vorlog, die “Beschaffungspreise” seien gestiegen (Vielleicht meinten sie den Preis für Munition), zeichnet sich mitunter ein ganz anderes Bild ab. Da kostet Strom plötzlich weniger als nichts. Jedenfalls ist festzustellen, daß vor allem Windenergie zu einer mehr als guten Versorgung beiträgt. Ein Gestrüpp von Lügen und einseitigen Interpretationen von Angebot und Nachfrage führt dennoch dazu, daß die Endpreise nicht sinken. Da hört Marktwirtschaft nämlich auf – und das Kartell schlägt zu.

windstrom

Nachdem die Energieproduktion “privatisiert” ist und somit den Stromgiganten überlassen wurde, will sich so recht kein “Markt” einstellen, der es besser könnte als der Staat. Im Gegenteil werden die Bürger als Stromkunden ausgepreßt, und dennoch bedrohen gerade die erneuerbaren Energien das “Wachstum” genau in den Fällen, in denen sie effizient sind. Deshalb liebt die Stromwirtschaft auch Kohle und Kernenergie. Die Wirtschaftskrise auf dem Energiesektor bedeutet, daß es kein “Wachstum” mehr gibt, weil die Kuh einfach nicht mehr Milch gibt – die auch keiner mehr braucht. Jede Steigerung der Effizienz ist daher dem Geschäft abträglich.

Die Bürger haben kein Interesse daran, daß jemand mit Strom Geld verdient. Im Gegenteil. Im Sinne der Umwelt ist es schon gar nicht, wenn es auf dem Energiemarkt “Wachstum” gibt.
Es ist wie an anderen Baustellen auch: Der Markt bedroht die Demokratie, das Interesse der Anbieter steht der großen Mehrheit der Abnehmer diametral entgegen.
Besonders absurd wird eine solche Situation aus Sicht eines Ein-Euro-Jobbers oder Minijobbers. HartzIV deckt die Energiekosten nicht ab, d.h. diese müssen vom Regelsatz beglichen werden. Wenn nun jemand in einen “prekäres” Arbeitsverhältnis gezwungen wird, so muß er also unfreiwillig einen Job tun, von dem er nicht leben kann, aber für den Umsatz der Stromriesen sorgt. Noch witziger wird das Szenario, wenn er für einen solchen arbeitet.

Aus dieser Perspektive, die eben den Konflikt zwischen Demokratie und Marktwirtschaft, den Interessen der Bürger und denen der Rendite-Empfänger beleuchtet, versteht man, was Angela Merkel meinte, als sie mitten in der Krise vom “Bekenntnis zur Marktwirtschaft” sprach.
Die Alternative wäre ein Bekenntnis zur Demokratie gewesen.

Ich unterstützte Al Qaida, weil ich Nacktscanner geil finde. Überhaupt ist die geschürte Terrorpanik nicht nur ein Wirtschaftsfaktor, mit dem zum Beispiel Ex-Innenminister Schily gutes Geld verdienen möchte, sondern auch Porno pur.
Erst einmal fordern wir jetzt also Nacktscanner, von denen jeder weiß, daß sie nichts bringen und zu denen es bereits einschlägige Urteile gibt. Und weil man als nächstes feststellen wird, daß sie nicht zeigen, was die Terrorleute sich wo hineingesteckt haben könnten, gibt es demnächst das automatische Fisting beim Einchecken. Tampons werden auch verboten oder müssen vor dem Einsteigen in Gegenwart eines Sicherheitsbeamten gewechselt werden. Ja sicher!

Kinder und Kapitalisten brauchen Grenzen. Wie Kinder nicht nur jede Orientierung verlieren, wenn man sie machen läßt, was ihnen einfällt, sondern auch immer radikaler Grenzen einfordern, so verhalten sich auch die grauen Herren an den Börsen. Sie wissen, daß ihr Treiben schädlich ist, aber die kurzfristige Befriedigung ihrer Geltungssucht und der Ansprüche ihrer Geldgeber treibt sie zu immer heikleren Aktionen. Ähnlich wie in einer Gruppe entgrenzter Kinder bestimmen dabei auf lange Sicht diejenigen das Geschehen, deren Mut zur Devianz am größten ist. Wer keine Grenzen erfährt, der braucht das Ausufernde, die Ekstase, das Extrem – denn es ist die einzige “Grenze”, die noch erfahrbar ist.

Dummerweise ist das Extrem, das nur in den Grenzen des Machbaren besteht, verschiebbar. Wer sich daran orientiert, muß zwangsläufig immer wieder testen, ob die Grenze noch besteht oder schon wieder überschritten werden kann. Ein entgrenzter Kapitalismus ist zwangsläufig extremistisch.
Es besteht daher die dringende Notwendigkeit, das Treiben an dem Märkten zu begrenzen, und diese Aufgabe kann nur der Staat erfüllen. Diese Binsenweisheit muß ernsthaft wieder zu ihrem Recht gebracht werden, nachdem Jahrzehnte neoliberaler Indoktrination die Logik der Wirtschaft auf den Kopf gestellt und festgedübelt haben.

Der Staat muß bestimmen, was gehandelt werden darf. Ohne eine solche Begrenzung ist er selbst dem Untergang geweiht – und mit ihm die quengelnde Wirtschaft, die nicht einsieht, daß sie ohne die politische Ordnung nicht existieren kann, von der sie zehrt. Selbst das gebrannte Kind will weiter mit dem Feuer spielen und die Mutter dazu verpflichten, immer schön mit dem Feuerlöscher daneben zu stehen. Wenn es dann abends nichts zu futtern gibt, wird wieder gequengelt und auf die blöde Mama geschimpft.

In der Welt politisch-ökonomischer PR ist der Totschlager “Globalisierung” der Renner in der Hitparade absurder Argumente. Es wird behauptet, die anderen Kinder dürften auch alles, also müsse Mama ebenfalls alles erlauben. Sonst gehe man halt bei Kowalskis spielen, deren Vater immer besoffen ist, das sei dann noch gefährlicher.
Die Struktur ist immer dieselbe: Es wird etwas verlangt, was für Wirtschaft und Gesellschaft langfristig fatal ist, aber man müsse das kurzfristig tun, weil es sonst andere tun, was noch schlimmer wäre.

Nicht mit allem ist der ökonomische Extremismus bislang durchgekommen, und darin liegt der Grund dafür, daß es noch eine zivile Ordnung gibt. Hätte man sich wirklich auch in Europa schrankenlos auf den Wettbewerb mit Niedriglohnländern und Steuerparadiesen eingelassen, wir hätten heute keine Krise, sondern einen Weltkrieg. Die Ideologie, der die Staaten schon viel zu weit gefolgt sind, liefe aber genau darauf hinaus. Alles spricht dafür, daß Mutter ihren Erziehungsauftrag wieder bewußt und souverän ausführen sollte. Das schafft nicht nur eine Sicherheit, die die liberalisierten Märkte völlig verzockt haben, sondern im Endeffekt auch den Wohlstand, der in der Realität nur als Dauerlüge existiert.

Hohe Lohnquoten, ein Finanzmarkt mit überschaubaren Produkten, der sich an der produzierenden Wirtschaft (und deren Wachstumsraten) orientiert – das sind die Säulen einer Marktwirtschaft, die so stabil und sozial wie möglich ist. Darüberhinaus kann man Alternativen diskutieren, aber sicher keine, die so grandios gescheitert ist wie der neoliberale Renditewahn.

Das wüßte jeder, der sich mit der Geschichte der Ökonomie oder auch nur den aktuellen Entwicklungen beschäftigte. Leider profitieren noch immer zu viele Entscheidungsträger von diesem maroden und zutiefst ungerechten System.
Wie anders ließe es sich erklären, daß der Gangchef mit dem horrenden Waffenarsenal noch immer Mamas Liebling ist? Ackermanns Deutsche Bank müßte dringend zerschlagen werden, statdessen darf er noch weiter expandieren und kriegt obdendrein seine Schnittchen im Kanzleramt geschmiert. Mutti versagt, weil sie sich zum Komplizen ihrer mißratenen Kinder macht, anstatt endlich ihren verdammten Job zu erledigen.

Es gibt Grenzen, oder? Wenn es einmal schneit hier im Flachland, macht das schöne Bilder, aber Sein macht drinnen mehr Spaß. Inzwischen ist es wieder grau, dafür noch nasser, pfui Deibel!
Ich habe zwei Artikel im Vorlauf, die zu schade sind, um sie unmotiviert und zwischen den Jahren auszuspucken. Mal sehen, ob ich wenigstens einen davon motivierter … morgen, vielleicht.

snow

Ich treffe den Blogger, der sich “flatter” nennt, in einem Café am Rande der Innenstadt. Sein Kaffee duftet nach Ethanol, er raucht. Sein Pullover hat Flecken, die Bündchen sind ausgefranst. Er ist blaß und hat dunkle Ringe unter den Augen.
Ich komme gleich zur Sache.

Feynsinn: Warum tun Sie das?

flatter: Aus Spaß. Ich kann jederzeit aufhören.

Feynsinn: Woher wissen Sie, was ich meinte?

flatter: Ist das wichtig? Wissen Sie, was Sie meinten? Wen interessiert das? Und was geht Sie das an?

Feynsinn: Ich versuche nur, ein Interview zu führen.

flatter: Try harder, moron.

Feynsinn: Also, Sie schreiben fast täglich Artikel in ihrem Blog, sogenannte “Postings”, obwohl sie keinen Cent damit verdienen. Was treibt sie an?

flatter: Sie pfeifen ständig Luft ein und aus, sogenanntes “Atmen”, obwohl die Welt nichts davon hat. Werden Sie dafür bezahlt?

Feynsinn: Ihnen ist das Schreiben also eine Art Grundbedürfnis?

flatter: Wie Rauchen und Saufen, das hatten wir doch eben schon. Sollte ich eines Tages fürs Quarzen bezahlt werden, wäre das in Ordnung. Beim Schreiben ist die Wahrscheinlichkeit nur geringfügig größer.

Feynsinn: Aber leidet die Qualität nicht darunter, wenn Sie schreiben können, was sie wollen? Wenn niemand Sie kontrolliert? Wenn Sie es sogar einfach bleiben lassen können?

flatter: Klar. Wenn mir jemand Geld in den Hintern schiebt, damit ich seine Meinung vervielfältige, kommt erst die große Kunst zum Vorschein. Wer eigentlich keinen Bock hat, sich auch nur an den Rechner zu setzen, schreibt bekanntlich die besten Artikel. Und nur wer jederzeit weiß, daß er vor die Tür gesetzt wird oder morgen nix mehr zu beißen hat, wenn er schwächelt, kann souverän übers Zeitgeschehen urteilen.

Feynsinn: Nehmen wir einmal an, die unabhängigen, dafür aber unbezahlten Autoren hätten die besten Voraussetzungen für Qualitätsjournalismus, hieße das dann nicht, daß nur noch solche Leute schreiben könnten, die sich das leisten können? Wäre das nicht das Ende eines Berufsstandes?

flatter: Klar. Ich bin ja auch einer von diesen Superreichen. Aber verschonen Sie mich bloß mit “Qualitätsjournalismus”! Das ist nicht meine Baustelle. Ich weiß nicht, was aus diesem Berufsstand wird, aber wenn er noch tiefer sinkt, kommt er bloß auf der anderen Seite wieder hoch. Das kann nicht wirklich schaden.

Feynsinn: Sie werden von einigen als ernstzunehmender Blogger angesehen, andere ignorieren Sie oder halten Ihren Auftritt für “abscheulich”. Wo sehen Sie sich?

flatter: Ich kann alles. Ich bin der Größte. Wer mich ernst nimmt, dem ist nicht zu helfen. Wer mich für irrelevant hält, macht einen Fehler.

Feynsinn: Wenn Sie der Größte sind, warum hat die Welt das noch nicht bemerkt? Haben Sie schon einen Blog-Award gewonnen?

flatter: Ich habe keinen Adelstitel, trage billige Klamotten und habe keine Freunde in Berlin. Das mit dem Blog-Award sollten Sie wissen, es ist dasselbe wie mit der DDR, die den Westen nie eingeholt hat.

Feynsinn: Wie soll ich das verstehen?

flatter: Ich wurde noch nie nominiert. Wie soll ich da gewinnen?

Feynsinn: Das geht natürlich nicht.

flatter: Selbstverständlich geht das. Natürlich habe ich einen Award, den “Bloghorny”. Ich habe ihn bekommen wie alle anderen auch: Durch Korruption und Mauschelei.

Feynsinn: Was fehlt Ihnen noch, um Alpha-Blogger zu werden?

flatter: Eine Lobotomie.

Feynsinn: Kommen wir zu etwas anderem: Sie lassen wenig über Ihr Privatleben an die Öffentlichkeit dringen. Wollen Ihre Leser das nicht wissen?

flatter: Na klar wollen die wissen, was ich in meinem Job mache, ob ich noch zu haben bin und mich mal waschen würde, wenn hier wieder eine Frau einzieht. Aber das macht es doch gerade spannend.

Feynsinn: Gibt es noch etwas, was Sie unseren Lesern gern mitteilen möchten?

flatter: Yapp.

Feynsinn: Äh, und das wäre?

flatter: Habe ich vergessen.

Feynsinn: Herr “flatter”, Wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Das Interview führte Egon Alter.

Der Lübke sagt, wir sollen “wachsam” sein, weil Amok und Krieg herrschen. Wir alle können dazu beitragen, daß die Banken uns nicht totspekulieren. Wie das genau aussieht? Woher soll der Lübke das wissen? Er meint, es gehe um die “Schöpfung” – da ist Gott gefragt, das Staatsoberhaupt beugt nur ehrfürchtig sein Oberhaupt.
Und überhaupt: Suchen Sie nicht nach Zusammenhängen, die Wege des Herrn (Ackermann) und seiner Geschöpfe sind unergründlich. Ich erstarre in Ehrfrucht.

Da kann der Joffe auch nur noch sein patiniertes Silber vertrödeln. Wer wissen will, was “Geschwurbel” bedeutet, mag sich die Lyrisierungen einer journalistischen Demenz in der “Zeit” antun. Was Joffe für seinen Stil hält, ist ein Granatenhagel abgehobener Halbbildung. Das hat Methode, denn so kommt der Inhalt unerkannt unter der Türkante durch: Es ist Krieg, da wird halt gemordet, Hurra.
Ein schönes Sätzchen will ich kurz ans Licht des Restverstandes zerren:

Keine Demokratie mag Kriege, die weit weg sind (Afghanistan), deren Begründung abstrakt ist (Schlimmeres verhindern) und deren Ende niemand kennt.

Nein, wir mögen nur konkret oder gar nicht begründete Kriege vor Ort, deren Ende klar ist.
Dann siegt mal schön!

Januar: Die längste Sonnenfinsternis in 1000 Jahren erwischt Europa im Schlaf. Es ist eh schon so finster hier, da bleiben wir lieber im Bett.
Das Kindergeld und die Kinderfreibeträge werden erhöht. Gleichzeitig werden ein paar klitzekleine Änderungen an den Sozialversicherungskosten vorgenommen. Die leichte Erhöhung um insgesamt 25% müssen Arbeitgeber nicht mitfinanzieren. Leistungsträger werden durch die gleichzeitige Steuerentlastung nicht betroffen. Kandesbunzlerin Merkel findet das “gerecht und gut für die Konjunktur”.

Februar: Beim Naziaufmarsch in Dresden anläßlich des 65. Bombardierungstages erscheint überraschend der Bundesverteidigungsminister. Er betont, zwar gebe es notwendige Bombardierungen, bei denen auch zivile Opfer manchmal unvermeidbar seien, aber was zu weit gehe, gehe zu weit. Die Alliierten hätten schließlich gewußt, daß 1945 in Dresden gar keine Taliban zu treffen waren.
Daß er mit seinem Auftritt Rechtsradikale unterstützt habe, könne er nicht sehen. Die Wahrheit gelte umgebungsunabhängig, so der Schwarze Baron.
“100 Tage Schwarzgelb” wird angemessen gefeiert. Staatsuntersekretär Buckelmann erklärt vor der fast leeren Bundespressekonferenz: “Ein Tag wie jeder andere. Die Bundeskanzlerin ist in wichtigeren Angelegenheiten verreist.”

März: “Endlich dreißig Grad! Deutschland feiert!”, titelt ihr wißt schon wer und erklärt den frühen Sommer mit außergewöhnlicher Sonnenaktiviät. Neuer Umweltredakteur der Springer- Zentralredaktion wird Wolfgang Clement. Thilo Sarrazin wird Aufsichtsratschef, Heinz Buschkowsky Leiter der Berliner Lokalredaktion.
“Linksrutsch auf dem Durchmarsch” heißt es dazu im Titel des “Spiegel”. Überall mache sich die Sozialdemokratisierung breit.

April: Auf der re:Publica werden die BOBs geehrt. Sascha Bobo erhält einen Preis für sein Lebenswerk. Im Rahmenprogramm wird er als “Sexiest Creature Alive” ausgezeichnet. Später muß er diesen Award zurückgeben, da sich herausstellt, daß er schon seit Jahren tot ist.
Der Ostermontag wird in Rahmen des Sozial-ist-was-Arbeit-schafft-Gesetzes als gesetzlicher Feiertag gestrichen. Um Streit mit den Kirchen zu vermeiden und den Erlöser nicht zu provozieren, werden Arbeitnehmer verpflichtet, einen Urlaubstag zu nehmen, sofern der Arbeitgeber dem zustimmt.

Mai:
Bei der Landtagswahl in NRW erklären sich alle zum Sieger. Die SPD holt mit 29% ein Ergebnis, das weit über dem Bundesdurchschnitt liegt. Die CDU wird mit 30% stärkste Partei. Die Grünen und die Linke sind mit je 15% ebenso zufrieden wie die FDP, die mit 10% erstmals zweistellig abschneidet. Eine Jamaica-Koalition wird nur dadurch verhindert, daß die SPD eine schwarzgelbe Koalition toleriert.
In Frankfurt schließt das Institut für Sozialforschung und wird vom Roland-Koch-Institut abgelöst.
“Aufklärung? Können wir besser!” ist der neue Leitspruch.

Juni:
Wolfgang Schäuble tritt nach einem Anfall zurück. Als das Kabinett nach der ambulanten Behandlung aller anderen Minister wieder zusammentritt, fehlt nur die Familienministerin. Sie hat vergessen, daß sie auch zum Kabinett gehört. Schäubles Nachfolger wird Karlheinz Weimar. Er sei damit “nach dem durchgeimpften Rösler der zweite, der doppelt immun ist”, scherzt der Neue. Erst Wochen später eröffnet die Staatsanwaltschaft Wiesbaden zwei Dutzend Ermittlungsverfahren gegen ihn.
Nachdem sich eine Mehrheit der Deutschen für höhere Erbschafts- und Vermögenssteuern ausgesprochen hat, zündet sich Peter Sloterdijk auf den Stufen des Reichstags an. Sein Abschiedsbrief ist so kryptisch, daß selbst der Vorsitzende der Heidegger-Gesellschaft resigniert abwinkt. Einzig der “Gesang gegen Enteignung” enthält Hinweise auf die Motive.

Juli:
Bei der Fußball-WM scheidet Deutschland überraschend in der Vorrunde aus. Jogi Löw wird daraufhin fristlos entlassen, ihm werden die Leibwächter entzogen, und er muß mit einem “White Power” T-Shirt durch die Townships von Johannesburg joggen. Die Vierteilung wird bei Satt eins live übertragen.
Die Tour de France findet erstmalig in Spanien statt. Da ist es nicht so weit zum Facharzt, und keiner macht blöden Streß wegen Doping.
Die SPD feiert den Abschluß der “Agenda”. Zur Prunksitzung im Olympiastadion kommen alle lebenden SPD-Vorsitzenden, damit ist der Schuppen ausverkauft.

August:
Die letzten US-Truppen verlassen den Irak. Theoretisch jedenfalls. Für die Theorie, warum nach einem vollständigen Abzug aller Truppen noch 150000 Soldaten durch Mesopotamien robben, erhält Barack Obama die Nominierung zum Physik-Nobelpreis.
Deutsche Truppen verlassen Afghanistan, werden aber eine Woche später neu stationiert. Baron rund um Guttenberg, der in der Uniform eines preußischen Generalfeldmarschalls vor die Presse tritt, erklärt, es habe sich um eine Wette unter Offizieren gehandelt, “da steht man dann zu seinem Wort”.

September: Zum fünfjährigen Bestehen verleiht Feynsinn sich selbst den “BoF-Award”. Der Blogbetreiber betrinkt sich hemmunglos und landet mit einer (Nachtti)schlampe im Bett. Ihrwißtschonwer berichtet über “Deutschlands blödesten Blogger”. Das ist der Durchbruch.
Der Verfassungsschutz muß einräumen, daß er seit Jahren Zeitungsredakteure, Blogger, Sozialdemokraten und Fischverkäufer beobachtet. Innenminister de Maizière dazu: “Die Nachfolger des SED-Unrechtsregimes stecken eben überall. Wir müssen wachsam sein!”.

Oktober: Die Jubelfeiern zum 20. Jahrestag des Anschlusses werden ausgelassen begangen. Tausende Polizisten in Zivil sorgen durch Hurra-Rufe und Fähnchenschwenken für gute Stimmung. Mitglieder der Linken und Einheits-Kritiker werden in Vorbeugegewahrsam genommen. Auf Geruchsproben wird bei solchen Personen verzichtet, die nachweisen können, daß schon die Stasi diese “absurde Methode” bei ihnen angewendet hat.
Ein betrunkener Moslem schlägt beim Oktoberfest in München einen Christen K.O.. Diese “neue Qualität der Heimtücke und Konspiration” (Innenminister Herrmann) versetzt Deutschland in Panik. “Saufen sie uns jetzt alles weg?” titelt das mit den großen Titten Titeln.

November: Der neue Bundespersonalausweis kommt in die Läden. Er enthält folgende neue Informationen über seine Bundesperson: Schuhgröße, Religion, Wahlverhalten, letzter Sex, Geruchsprobe, Kontostand, Körbchengröße.
Wir lassen den Spätsommer in den Biergärten und Freibädern ausklingen. Die Deutsche Bank frohlockt mit 40% Eigenkapitalrendite. Zehohzwei-Derivate sind der Renner der Saison.

Dezember: Das öde Posting Jahr ist endlich am Ende. Die Weihnachts-und Neujahrsansprache, die aus Kostengründen zusammengelegt werden, hält Hans-Werner Sinn.
Der Temperatursturz um 40° macht vor allem alten Menschen zu schaffen. Millionen überleben das nicht. Gesundheitsminister Rösler reagiert prompt und verpflichtet alle Deutschen zur Impfung gegen die furchtbare Pferdegrippe, an der bereits mehrere Jockeys in Guatemala erkrankt sind.

Ich wünsche allen LeserInnen feyne Feiertage und den zwischenjährlich netzfrei Exilierten einen guten Rutsch.

Schon vorgestern wollte ich einen Artikel von Jens Berger kommentierend ergänzen, ich bin aber nicht recht dazu gekommen. Es steht beinahe alles drin, aber da die FR heute ein Interview mit Kurt Beck veröffentlicht, möchte ich auf beides noch einmal hinweisen.

Der Beck ist weg aus der Hauptstadt, und jetzt fällt auf, daß er vielleicht kein großer Philosoph ist, aber in einigem eben doch recht hatte. Vor allem fällt einmal mehr auf, wie das hier funktioniert mit der “öffentlichen Meinung”.
Bei Guttenberg kann man nur noch von “Worterbrechen” sprechen, es fiele gar nicht auf, wenn er nach einer Wahl etwas anderes sagte als davor. Vielmehr erwiese er sich als unzuverlässig, bliebe er länger als zwei Monate bei einer Grundsatzposition. Dahinter steckt sicher Kalkül: Weil die anderen in den Talkshows immer so öde sind und dauernd dasselbe sagen, macht er es eben spannend. Auch eine Strategie, um immer wieder eingeladen zu werden.

In Berlin braucht man Macht, um entweder jeden Unsinn verbreiten zu dürfen oder alles auszusitzen. Dazu gehören vor allem eine Hausmacht in der eigenen Partei und willige Schreiber in den Haupt(stadt)medien. Guttenbergs “Macht” in der Union besteht aus seiner CSU, daraus, daß er bislang nur die Schwachen Kollegen weggemobbt hat und daraus, daß die Unionskollegen farblos und zumindest heimlich zerstritten sind. Sein von-und-zu Gehabe hat sich als medienwirksam erwiesen, und es gibt kein relevantes Gegengewicht zu seinen “Positionen”. Einerseits ist das ganz logisch, weil er keine hat, andererseits leistet er sich nichts, das allzusehr gegen den Mainstream geht. Der löst sich ohnehin gerade auf, weil weder die Kasperle-Regierung noch die angesichts der Wirtschaftskrise verwirrten Medien eine Idee haben, was denn wirklich “richtig” wäre.

Beck hingegen hat seinerzeit einer schon desolaten, aber radikal neoliberalen SPD vorgestanden, die sich im Einklang mit der Presse wußte. Zwei Bemerkungen, die dort nicht ankamen, haben ausgereicht, um ihn “unmöglich” zu machen.
Dabei stimmt es nicht, daß seine rustikale Art nicht ankäme. Daheim in der Pfalz hat ihm das eine absolute Mehrheit beschert, und Kohl stand ihm diesbezüglich zu seiner Zeit in nichts nach.
Blöd nur, daß Beck sich nie um die Macht der vorherrschenden Windrichtung geschert hat. Waren die von ihm vertretenen Inhalte oft durchaus vernünftig, genau wie die von Andrea Ypsilanti, haben beide den fatalen Fehler gemacht zu glauben, es käme in der deutschen Politik auf Vernunft und Inhalte an. Sie sind keine Politiker, sie wollen eine Politik machen, die sie für richtig halten. Das geht hier gar nicht.

Möglicherweise werden wir das Comeback inhaltstreuer Politikmenschen erleben, und dazu trägt ein Flip-Flop wie Guttenberg durchaus bei. In Zeiten, in denen die politische Meinungsmache sich destabilisiert, weil das Mißverhältnis der alten “Weisheiten” zur Wirklichkeit sichtbar wird, kollabiert allmählich auch die gängige Propaganda. Zu dieser gibt es zwei Alternativen:
- Eine radikale neue Propaganda, wobei ein aufkeimender Rechtsradikalismus gute Chancen hat, sich Gehör zu verschaffen und
- Eine standhafte, von Vernunft beeinflußte Haltung, die Menschen überzeugt, anstatt sie zu dressieren, zu überrumpeln und zu überreden.

Spannende Zeiten. Wer heute darauf verweisen kann, daß er sich nicht verbogen hat, wer in den kommenden Jahren eine nachvollziehbare Linie entwickelt, kann sich vielleicht damit durchsetzen.
Andererseits kann sich im Zuge der neuen Beliebigkeit eine Kaste junger Demagogen ans Ruder intrigieren, deren Message primitiven Machthunger durch noch primitivere Parolen nach vorn bringt.
Von und zu Guttenberg wird in diesem Zusammaenhang scharf zu beobachten sein. Er hat das Potential, ein großer Führer zu werden, nimmt er sich doch schon heute das Recht heraus, dem versammelten Parlament den Mund zu verbieten.
Was immer man von diesem aufgeblasenen Kleiderständer halten mag – Leute wie er sind brandgefährlich.

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