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Mai 2006


Ewig lockt es, und nun sitzen alle nur noch vor dem Rechner wie das Kaninchen vor der Schlange. Porno versaut nicht nur Kinder, sie zerstört auch Beziehungen, macht Arbeitsscheu und frißt unser Rückenmark.
Ernstzunehmen, das weiß jeder, der surft, ist der allgegenwärtig verlinkte Spam, wenn man nicht möchte, daß Kinder unbekannten Menschen beim Coitus zuschauen. Das ist ein weites Feld. Einerseits halte ich Pornographie für weniger verwerflich als die noch präsentere Gewalt im Fernsehen, andererseits wäre es schön, wenn es dafür Grenzen gäbe. Die Lösung kann wohl nur sein, daß man Kinder, die noch nicht reif für solche Darstellungen sind, nicht alleine surfen läßt. Zeit mit den Kleinen zu verbringen, schadet ganz allgemein nicht.
Den Rest kann man getrost vergessen. Ob Porno in Heftchen, auf Videos oder eben im Internet einen Einfluß auf Beziehungen hat, kommt immer noch auf die Beziehungen an. Was soll der Blödsinn, nur die angenblich schädlichen Wirkungen von Porn aufzuzählen und so zu tun, als sei das die ganze Wahrheit? Eine Ahnung habe ich ja: Sex sells, und womöglich werden die hier vorfindlichen Begriffe auch dazu führen, daß mehr Besucher sich in dieses Blog verlaufen?

Die Weitergabe der Fluggastdaten an die U.S.A. verstößt gegen EU-Recht. Wie schön, daß das alte Europa doch noch den Unterschied zwischen Terrorismusabwehr und staalich sanktionierter Paranoia kennt!

Aufmerksam verfolgen muß man die Entwicklung bei der Berliner Zeitung. Der Umgang der neuen Herren zeigt, daß sich offenbar die schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten und auch hierzulande eine Tageszeitung behandelt wird wie Stückgut. Wenn man’s hat, kauft man sich eine und läßt fortan schreiben, was vordergründig dem Gewinn dient. Nicht nur, daß den Investoren die Pressefreiheit wurscht ist, sie plündern auch noch an der Tradition der BZ herum. Wenn die Heuschrecken in einigen Jahren weiterziehen, wird diese unwiderbringlich zerstört sein. Man mag hämisch lachen, daß es Springers Berliner Kampfblatt erwischt, aber das wäre arg kurzsichtig. Was heute der BZ widerfährt, kann morgen (fast) jeder anderen Zeitung genauso passieren. Ein Blick nach Italien zeigt, wohin das führen kann.

Man kann ja quasi schauen, wohin man will, man findet in den großkoalitionären Konzepten allerorten einen Mumpitz, daß einem die Luft wegbleibt. Im Bildungssektor, in Zusammenhang mit der sogenannten “Föderalismusreforn”, ist da etwa dieses Kooperationsverbot zu nennen, das hält, was es verspricht:
Hier dürfen Instanzen nicht zusammenarbeiten. Besser wäre noch gewesen, sie aufs Gegeneinander zu vereidigen. Der Bund soll auf keinen Fall irgend etwas unterstützen dürfen, das in einem Bundesland unter dessen Verantwortung organisiert wird. Wenn die Länder für die Hochschulen zuständig sind, muß man verdammt gut aufpassen, daß keine Projekte durchgeführt werden, die vom Bund (mit-)finaziert werden. Anstatt sich einmal anzuschauen, welche Gelder und Projekte das betrifft, herrscht hier das “mir san mir”. Drittmittel wollen sie freilich weiter nutzen, die Landesherren, denen dieser Geniestreich eingefallen ist. Hauptsache, man hat alles unter Kontrolle. Statt auf Synergie setzt die Union auf Barrieren und Verbote. Mit diesem Sachverstand macht sie bekanntermaßen auch Schulpolitik.
Ob wohl die Länder untereinander kooperieren dürfen? Oder wäre das wieder ein Bund? Und wenn alle dasselbe wollen und der Bund eben auch? Oder wenn sich herausstellen sollte, daß Bund und Länder jeweils Kompetenzen haben, die nur gemeinsam sinnvoll auszuüben sind?
Warten wir’s ab! Ich bin sicher, so ein Kooperationsverbot ist ein sehr lustiges Gesetz. Es wird viel zu lachen geben.

Woran erinnert mich das nur? Daß letzte Terrain, auf dem George W. Bush noch Punkten kann, liegt offenbar an der Grenze zu Mexiko, wo er neulich einen großen Auftritt hatte und seine Bürger nunmehr eine Miliz aufstellen, um die Illegalen aufzuhalten. Der antimexikanische Schutzwall wird sicher eine der schönsten Sehenswürdigkeiten des 21. Jahrhunderts. Verantwortlich für die Notwendigkeit dieser Maßnahme sind übrigens Osama und Mahmud, gegen die der weltweite Krieg darum mit aller Härte weitergeführt werden muß.
Woran erkennt man die Freie Welt? Richtig, an Bespitzelung, fehlenden Bürgerrechten, Verschleppung, Folter und neuerdings den Mauern drumherum. Hätte vor zehn Jahren jemand das alles prognostiziert, man hätte ihn einen antiamerikanischen Fanatiker genannt.

Sie scheinen undaufhaltsam, die Verbrecher, die jährlich Schäden in Millionenhöhe anrichten und zentausende Arbeitsplätze vernichten: Urheberschutz-Terroristen. Zwar ist es löblich, wenn ein Hamburger (sic!) Jurist Hoffnung macht mit den Worten: “Wir können alle erwischen”, aber das kann nur gelingen, wenn man mit der angemessenen Härte vorgeht. So ist etwa die Rasterfahnung auch dann oft erfolgreich, wenn sie illegal ist. Das sollte doch ermutigen! Die Fahnder ihrerseits stoßen auf vollstes Verständnis in der Bevölkerung, wenn sie es mit den Vorschriften nicht so genau nehmen – schließlich hält sich der Gegner auch nicht daran.
Daß allerdings nur Leute ernsthaft verfolgt werden, die mehr als 500 Titel per Download gestohlen haben, ist nicht hinzunehmen. Jeder Download ist ein Verbrechen und muß geahndet werden. Auch daß in einem Fall die Schadenersatzsumme von 40 Millionen Euro auf zehntausend gesenkt wurde, zeigt nur, wie verweichlicht dieser Staat ist.
Die einzige Hoffnung, die wir sehen, ist ein zentrales Schnellgericht für Downloadverbrecher mit angeschlossenem Straflager. Wie man hört, wollen Hamburgs Juristen eine demgemäße Petition einbringen.

Wenn man danach sucht, findet man bei der TAZ immerhin 12 zeilen dazu: In NRW wurde gestern ein Schulgesetz verabschiedet. Diese Inkompetenzoffensive führt zurück in die Steinzeit. So werden die Leistungskurse abgeschafft, Kinder nach dem 4. Schuljahr jetzt noch konsequenter zu Versagern gestempelt und wieder Kopfnoten eingeführt. Das Größte aber ist die kaum beachtete Abschaffung der Lehrmittelfreiheit für ALG II-Empfänger. Das Land erklärt sich hier schlicht für unzuständig. So müssen also Eltern die Schulbücher ihrer Kinder bezahlen, obwohl dieser happige Posten in den Leistungen des ALG II gar nicht vorgesehen ist. Sehr kinderfreundlich! Das heißt im übrigen, daß man diese Eltern nicht verpflichten kann, die Bücher anzuschaffen. Man sollte Rüttgers Regierungsclub, der diesen unglaublichen Schwachsinn beschlossen hat, mit einem Stück Holz um den Hals zu Fuß nach Pisa schicken.
Bleibt nur zu hoffen, daß dieses in vielen Punkten offenbar an der Verfassung vorbei gepfuschte Gesetz in Grund und Boden geklagt wird.

Die Koalitionäre streiten über die Zukunft des Arbeitslosengeldes. Arbeitsminister Müntefering findet Hartz IV prima und sieht keinen bedarf zu radikaler Umkehr, im Genteil sieht Münte “keine Aufforderung, hier mehr zu tun”. So kennen das seine Arbeitsagenturen auch. Die nämlich glänzen wieder einmal durch Ideenvielfalt und tun, was sie am besten können: Darauf warten, daß andere etwas tun. Derzeit warnt die Bundesagentur gegen Arbeit vor einem “Scheitern der Reform, wenn die Verantwortlichkeiten bei der Betreuung der Arbeitslosen nicht endlich geregelt würden”. Wer die wohl regelt? Erst einmal ist ja keiner zuständig. Dann schicken sie die “Kunden” zu jemandem, der zwar auch nicht zuständig ist, aber irgendwie schon weniger unzuständig. Wenn der Kunde dann zum dritten Mal über “Los” geht, bekäme er zwar schon 4000 Euro, wird aber begrüßt wie beim ersten Mal. Tja, die Zuständigkeiten sind halt nicht geklärt.
Nun gut, das muß weder CDU noch SPD kratzen, aber eines versteht kein Mensch mehr: Wenn sich die CDU erbarmt, das Desaster “Hartz IV” durch irgendetwas zu ersetzen, schreit Münte “Nein” ?! Mit einem Schlag wäre die SPD den schlimmsten Klotz los, den sie sich je ans Bein genagelt hat, aber Münte steht da, tapfer wie das Schneiderlein, und beharrt auf weitere Schläge. Vielleicht sollte ihm einmal jemand flüstern, daß Schröder nicht mehr Kanzler ist?

Einen in jeder Hinsicht witzigen Ansatz zur Erklärung der Struktur des deutschen Gesundheitswesens hat der Kollege aus dem Blogamt gefunden. Sehr lesenswert!
Das Beispiel, das man fast ernst nehmen kann, hinkt natürlich, weil es im Supermarkt keine Waren gibt, die der gemeine Konsument dringend zum Überleben braucht und die ihn ein Vielfaches seines Monatseinkommens kostet. Richtig ist aber auch, daß dieser Einwand ebenso hinkt. Schließlich sind die Kosten teurer OPs kein Grund, die medizinische Basisversorgung derart in Bürokratie zu ersticken.
Womit wir beim Thema wären: Selbst die Reformvorschläge, die oberflächlich radikal daherkommen, sind ideenlos und trampeln in alten Pfaden herum. Eine Bürgerversicherung, meinetwegen auch eine Kopfpauschale wären vielleicht eine Alternative, setzen aber an der falschen Stelle an. Warum nicht erst einmal alles, das bezahlbar ist, den medizinischen Alltag betrifft, wenig auf Forschung angewiesen ist und sich bewährt hat zu einem Basispaket zusammenfassen und sich auf eine einfache Finanzierung einigen?
Dann blieben nur noch die teuren OPs, Apparatemedizin und Luxusleistungen, über die man sich streiten müßte. Es macht keinen Sinn, beides aus einem Topf zu finanzieren. Und eine Trennung dieser Leistungsbereiche würde die schönsten Totschlagargumente und viele vorgefaßte Meinungen in Schall und Rauch auflösen.

Was ist los mit der demokratischen Kontrolle der Demokratie in den U.S.A.? Ist die Struktur des Zwei-Parteien-Staates derart, daß es nur einer gewissen Übermacht der einen Partei und genügend bösen Willens bedarf, um Zustände herbeizuführen, wie sie sonst nur in einer Diktatur herrschen?
Ein Richter hat jetzt entschieden, daß vor einem Gericht nicht verhandelt werden darf, was von der CIA als “geheim” klassifiziert wird. Wird diese Entscheidung nicht in einer höheren Instanz revidiert, regiert denächst der CIA-Chef kraft seiner Befugnisse.
Daß die Republikaner Wahlen manipuliert haben, ist bereits bekannt. Bis heute verstehen Demokraten nicht, warum ein derart an die Macht geschlichener “Präsident” das Land je regieren durfte.
Der Verdacht der Wahlmanipulation in New Hampshire stellt allerdings die bisher bekannten Vorgänge weit in den Schatten. Es erhärtet sich immer mehr der Verdacht, daß die Republikaner keine Demokratie wollen – und schon lange so handeln.

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