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Juni 2010


Es ist mir einmal mehr das Bedürfnis, mich mit dem Begriff “liberal” zu beschäftigen, nicht zuletzt angesichts des anhaltend furchtbaren Zustands sogenannter “liberaler” Parteien in Europa. Wo sich noch nicht hinter dem finalen Etikettenschwindel intolerantes bis braunes Gesindel versammelt, beschränkt sich der Freiheitsbegriff auf die Freiheit des Marktes, die unmittelbar in die Unfreiheit der Menschen umschlägt. Ehe ich in einem weiteren Artikel auf Grundsätzliches zum Begriff komme, möchte ich noch einmal einen Blick auf die Geschichte der vergangenen 30 Jahre werfen, der Ära des Neoliberalismus.

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Am Anfang stand das Lambsdorff-Papier, das in Verlängerung der “neokonservativen” Politik Reagans in den USA und dem Thatcherismus in England das Programm auf den Punkt brachte:

- Niedrige Löhne
- Niedrige Kosten der Sozialabgaben für Arbeitgeber, Senkung der Lohnersatzleistungen
- Niedrige Steuern, insbesondere für Unternehmen
- Niedrige Staatsausgaben, “Konsolidierung” der öffentlichen Haushalte
- Deregulierung
- Privatisierung
- Bindung des Freiheitsbegriffs ans Privateigentum, Unantastbarkeit des letzteren
- Ausschließlich positive Kommunikation der wirtschaftlichen Lage.

Im Juni 1999 stellten dann die “Sozialdemokraten” Schröder und Blair ihr Konzept vor, in dem es hieß:

Die beiden vergangenen Jahrzehnte des neoliberalen Laisser-faire sind vorüber“.

Wahr ist, daß die seinerzeit vergangenen Jahrzehnte vorüber waren. Was aber sollte sich wirklich ändern? Ein Blick in die Leitsätze:

Flexible Märkte sind ein modernes sozialdemokratisches Ziel.

Was bis dahin “Deregulierung” hieß, wurde umgetauft. Die Finanzmärkte wurden dereguliert wie niemals zuvor, Arbeitnehmerrechte abgebaut. Wogegen Sozialdemokraten jahrzehntelang gekämpft hatten, das wurde jetzt einfach selbst “sozialdemokratisch”. Die “Public Private Partnership” – Projekte schossen nur so aus dem Boden, es wurde privatisiert auf Teufel-komm-raus, denn auf dem Programm stand:

Der Staat soll nicht rudern, sondern steuern“.

Der schlanke Staat wurde weiter auf strenge Diät gesetzt, Unternehmen entlastet:

“Sozialdemokraten dürfen deshalb exzessive Staatsverschuldung nicht tolerieren” und “Die Steuerbelastung von harter Arbeit und Unternehmertum sollte reduziert werden”.

ausbsrg Hiermit war nicht zuletzt der Spitzensteuersatz gemeint. Die am häufigsten erwähnte Forderung des Papiers ist die “Senkung der gesetzlichen Lohnnebenkosten“, die den Arbeitnehmern als “höheres Netto” schmackhaft gemacht wurde. Das Motto “Mehr Netto vom Brutto” ist so neu also nicht. Daß tatsächlich damit nur die Arbeitgeber entlastet wurden, weil die Kosten der Sozialhaushalte ja weiterhin bezahlt werden müssen, hat freilich niemand verraten. Aus der paritätischen Finanzierung waren die Betriebe raus, ihre Steuern wurden gesenkt. Diese doppelte Entlastung zahlt am Ende der Bürger, zum größten Teil die Arbeitnehmer. Diese sind seitdem kein Ansprechpartner mehr für “Sozialdemokraten”, geschweige denn die Arbeitslosen. Die “Sozialdemokratie” war aufgestiegen:

Moderne Sozialdemokraten müssen die Anwälte des Mittelstands sein“.
Da steht nicht einmal “Mittelschicht”. Produktionseigentum sollte schon vorhanden sein.

Wer die Resultate dieser Politik auslöffeln sollte, wurde gar nicht verschwiegen:

Teilzeitarbeit und geringfügige Arbeit sind besser als gar keine Arbeit, denn sie erleichtern den Übergang von Arbeitslosigkeit in Beschäftigung.”

Letzteres mußte als Alibi herhalten. Die Praxis sieht völlig anders aus. Es fehlt dann noch der Hinweis auf sinkende Löhne und Arbeitszwang. Dies alles wurde unter der Formel “Eigenverantwortung” verkauft und in die Hartz-Gesetze gegossen. Soziale Gerechtigkeit verschwand ganz von der Agenda, indem das Karriereschicksal zum gerechten Los umgedeutet wurde. Jeder kriegt halt, was er verdient:

In der Vergangenheit wurde die Förderung der sozialen Gerechtigkeit manchmal mit der Forderung nach Gleichheit im Ergebnis verwechselt. Letztlich wurde damit die Bedeutung von eigener Anstrengung und Verantwortung ignoriert und nicht belohnt.

Die Zynische Formel “Gleichheit im Ergebnis”, die in etwa das Gegenteil der sozialen Realität darstellt, war die Abkehr von jedem Gleichheitsideal. Fortan galt “Chancengleichheit”, die nicht nur der maroden Bildungslandschaft Hohn spricht, sondern eben vor allem jede Ungerechtigkeit mit persönlichem Versagen in Verbindung bringt. Fortan wird jenen, die es zu nichts gebracht haben, Beschäftigung ohne Möglichkeit des Einspruchs “zugemutet”. Dem kann sich nur entziehen, wer das Glück eines besseren Jobs hat oder so viel Eigentum, daß er davon leben kann.

Diese Umdeutung sozialer Gerechtigkeit ist mehr als deprimierend, darum galt es, sie möglichst bunt zu verpacken, etwa mit dem Versprechen Millionen neuer Arbeitsplätze, denn:

Wenn die neue Politik gelingen soll, muß sie eine Aufbruchstimmung und einen neuen Unternehmergeist auf allen Ebenen der Gesellschaft fördern“.

Womit endgültig jeder einzelne Punkt des Lambsdorff-Papiers wiederholt und auf die “neue” Agenda gesetzt worden wäre. Dies also war das Ende “des neoliberalen Laisser-faire”. Für Arbeitnehmer und solche, die es gern wieder wären, hieß das schlicht, daß man sie nicht mehr “lassen” würde. Sie wurden zum Prekariat oder zum potentiellen Prekariat, ständig unter Druck und dem Zwang, ihre Existenz zu rechtfertigen. “Laisser-faire” gab es nicht mehr, der Neoliberalismus aber kam jetzt erst richtig in Fahrt.

Ich habe vor einigen Wochen schon SpOn aus meinen Favoriten entfernt und bereue es wahrlich nicht. Der mächtigste Online-Auftritt des Kuhjournalismus ist inzwischen nicht nur von einer erbarmungswürdigen Qualität bezüglich der Artikel, es ist auch nicht mehr auszuhalten, wie man die offenbar für doof oder betrunken gehaltenen Leser anspricht. Überschriften wie “Piep – Toooooooor!” oder “Ihre Bilder der Weltmeisterschaft: Ganz Schlaaand ist in WM-Ekstase! Zeigen Sie uns Ihre Fotos vom Fußballfest!” zieren die Startseite. Wo bin ich denn hier?

Hinzu kommt das penentrante “Spiegel Online (im Original auch noch in Großbuchstaben) erklärt”, “Spiegel Online zeigt”, “Spiegel Online sagt Ihnen”. Leute, die von sich in der dritten Person sprechen, haben gemeinhin einen an der Murmel und halten sich für irrsinnig wichtig. Beim Boulevard ist das nicht anders. Hier wird der Leser ganz offensiv entmündigt, im Stil von “Jetzt reden wir und du hälst die Klappe”, da besorgt der Verlag die Meinungsaufbereitung, selber Denken unnötig. Die Großkotz-Psychose führt dazu, daß ein Gegenüber gar nicht mehr wahrgenommen wird.

Über die Wahl der Themen ganz zu schweigen, neben einer gnadenlosen Fahrt auf dem Zug schwarzrotgeiler Fußball-Trunkenheit Dauerwerbung für Gauck, von der Homestory bis zur Heldenverehrung. Wer dann noch den Fehler macht zu lesen, was an Substanz hinter der billigen Kulisse steckt, wird nicht enttäuscht. Da ist gar nichts mehr.

Selbst das letzte Plus des ehemaligen Nachrichtenmagazins, die Aktualität, verpufft, wenn man inmitten dröhnender Irrelevanz nichts mehr findet, das noch von Interesse wäre. Andere haben eh längst aufgeholt. Die Nachrichten vom dradio etwa, trotz der peinlichen Abschrift des Köhler-Interviews, sind übersichtlich und wirklich gut gefiltert, darunter immer Informationen aus erster Hand, sprich: Die selbst gesendeten Interviews.

Erwartet habe ich schon lange nichts Gutes mehr aus der Brandstwiete, inzwischen ist auch die Hoffnung gestorben. Was da noch geboten wird, kann ich auch am Axel-Springer-Platz kaufen. Bei denen stimmt auch fast nichts, eines aber kann man ihnen zugute halten: Der Preis ist halbwegs angemessen.

Ja, in der Tat ist der Schoß noch fruchtbar. Unter dem Neoliberalismus ist noch eine Menge Platz für Rassismus und Leuteschinderei aller Art. Und während die SPD sich nicht von Rassisten distanzierten mag, hat die CDU ein Herz für Ausländer. Sie will sie gar nicht erst reinlassen und sogenannte “Intelligenztests” zu einer weiteren Hürde machen. Was in den Zeiten der Apartheid bei den Negern funktioniert hat, geht auch heute noch mit dem Rest der Welt.

brdbana Wie sieht es denn aus, unser Einwandererland? Da hetzen ernsthaft als “links” einsortierte Politiker fröhlich gegen dumme faule Ausländer. Alle scheinen sich einig zu sein, daß Armut ein selbst verdientes Schicksal ist und sorgen gleichzeitig für niedrige und immer weiter sinkende Löhne. Während reiche Erben nicht nur verschont, sondern gar zu “Leistungträgern” erklärt werden, dürfen sich Niedriglöhner noch obendrein von Ämtern schikanieren lassen, wenn sie das Allernötigste brauchen.

Als “Freiheit” gilt in diesem Land ein niedriger Steuersatz. Arbeitslose in “zumutbare” Beschäftigungen zu zwingen, firmiert ebenso unter “Freiheit”.
Selbständige sind da schon besser angesehen. In Sonntagsreden. Kredit bekommen sie hier nämlich keinen, es sei denn sie weisen nach, daß sie ihn gar nicht brauchen.
Die Schulen sind ineffektiv, die Lernerfolge katastrophal, aber die soziale Selektion durch “Bildung” funktoniert hervorragend. Wer hier keine Chance hat, hat hier keine Chance. Das macht uns so leicht keiner nach.

Immerhin lernen Ausländerkinder in Kindergarten und Grundschule schon eine neue Sprache. Englisch. Wenn das nicht sitzt, winkt die “Hauptschule”. Hier treffen sich die Prekären ohne Deutschkenntnisse. Was den einen an Vokabeln fehlt, machen die anderen durch ruinöse Grammatik wett. Kevin Printz, komm bei die Mama!

Für die nahe Zukunft steht ein Versprechen über diesem Märchenland: Es wird gespart, bis die Schwarte knackt. Selbst für den unwahrscheinlichen Fall, daß die weltwirtschaftliche Depression ausbleibt, wird es äußerst ungemütlich werden. An Aufstieg ist nicht zu denken, es wird schwierig genug, den Abstieg zu verhindern.
Ganz folgerichtig verlassen längst mehr Menschen das Land, als einwandern. Deutschland ist ein Auswanderungsland. Einer der reichsten ‘Wirtschaftsnationen’ der Welt kehren massenhaft Bürger den Rücken.

Was macht dieses Land denn attraktiv? Daß wir Exportweltmeister sind? Daß ein paar unserer Landsleute prima Fußball spielen? Das kann man woanders entspannter genießen.
Wer da Intelligenztests fordert, ist selbst schon mal durchgefallen. Abgesehen von der Schikane, Einwanderer mit Bildungs, -Sprach, und demnächst wohl auch noch Gentests zu überziehen, abgesehen von der Sinnlosigkeit weiterer Zuzugsbeschränkungen, abgesehen von einem völligen staatlichen Versagen in Sachen “Integration”, ist die Einwanderung selbst schon ein Zeugnis minderer Intelligenz. Wer hier einwandert, hat doch nicht alle Latten am Zaun.

Der unermüdliche Kulle macht mich auf einen Artikel aufmerksam, in dem Sigmar Gabriel sein Parteimitglied Sarrazin für dumm erklärt. “Schaut euch das mal an”, fordert der Kommentator.

Ich hatte Gabriel und dem SPD-Vorstand als Bürger in einer Mail gefragt:

“Die neuerlichen Äußerungen Herrn Sarrazins erfüllen nach Meinung vieler Publizisten den Sachverhalt des Rassismus. Ihre Schiedskommission sah das zuletzt anders, stellte aber keinen Freibrief für derlei Äußerungen aus.
Sieht sich das Präsidium, sehen Sie sich als Vorsitzender veranlasst, das weiterhin so durchgehen zu lassen oder ist dies ein Anlass, sich auch nacht ‘rechts’ abzugrenzen?”

Darauf antwortete Toni Ramlow für den SPD-Vorstand:

Sicherlich haben Sie Verständnis dafür, dass der SPD-Parteivorsitzende, Herr Sigmar Gabriel, nicht alle an ihn gerichteten Zuschriften persönlich beantworten kann. Er hat mich gebeten, auf Ihre Nachricht zu antworten.
Ihre kritischen Ausführungen zu Thilo Sarrazin haben wir sehr aufmerksam gelesen und zur Kenntnis genommen.
Sigmar Gabriel sagte dazu in der vergangenen Woche, dass Thilo Sarrazin bei der Deutschen Bundesbank mehr zu tun bekommen sollte, damit er seine Zeit mit Dingen füllt, wovon er auch Ahnung habe.

Der ehemalige Finanzsenator von Berlin und Rechtspopulist Sarrazin wird also für dumm und ahnungslos erklärt, weiterhin aber in der SPD geduldet. Diese halbgare Distanzierung ist typisch für eine “Meinungsbildung”, die lieber auf eine klare Abgrenzung von Rassismus verzichtet als auf rechte Wähler.

Ist Sarrazin der Vollstrecker, gibt es mit Heinz Buschkowsky einen unfreiwilligen Zuarbeiter, dessen Rolle in der öffentlichen Kommunikation deutlich macht, worauf es der Partei ankommt. Gabriel sagt dazu,
durch Politiker wie ihn schaffe es die SPD sich breit aufzustellen. Kritik, die an Buschkowsky intern immer wieder auftauche, könne er nicht nachvollziehen.”

Wenn ein Vorstadtsoze, der nie aus seinem Viertel herausgekommen ist, sämtlichen Zeitungen der Republik Interviews gibt, in denen er Ressentiments gegen “Gutmenschen” streut, versteht der Vorsitzende die Kritik daran also nicht. “Breit aufgestellt” läßt man also derlei Gewäsch, das sich der Terminologie Rechtsradikaler bedient, zu. Seine Partei, die auf der anderen Seite die Linke tief im Westen zu Erklärungen hinsichtlich eines “Unrechtsstaats” DDR nötigen will, positioniert sich damit effektiv rechts im politischen Spektrum.

Buschkowsky, dessen intellektuelle Kompetenzen mit allgemeinen Äußerungen zu Ausländern schlicht überfordert sind, muß ich als simplen Menschen dabei durchaus in Schutz nehmen. Er hat nämlich immerhin deutlich gemacht, daß er Sarrazins Hetze verurteilt:

Mit den Äußerungen in der SZ hat Sarrazin eine Grenze überschritten, das ist teils nackter Rassismus, das trage ich nicht mit.

Zu einer derart deutlichen Stellungnahme können sich die Trübfischer der Chefetage freilich nicht durchringen. Sie bedienen sich fröhlich der Springerpresse-kompatiblen Ausfälle ihrer resoluten Kleinfunktionäre und haben nicht einmal den Arsch in der Hose, Rassisten und ihren feixenden Anhängern die nämliche Karte zu zeigen. Man könnte ja die Urnenkreuzchen des einfachen Mannes auf der Straße verlieren, der dann die echten Rechten wählt.

So ist es bestellt um die “Sozialdemokratie”. Tabus gibt es nur links. Jeder darf ein bißchen schwätzen und wird zitiert, wenn es der Stimmungslage entspricht. Diskriminierung und Hetze gegen Arbeitslose und Ausländer werden hier geduldet und da gefördert, und wenn es zu sehr stinkt, wird ein bißchen Parfum versprüht. Das Furchtbare daran ist, daß diese konturlos abgesonderte Entwürdigung von Menschen der SPD noch immer nicht das Genick bricht. Sie werden glauben, das sei alles richtig so, denn die Umfragewerte steigen ja. Vielen Dank an dieser Stelle an den Rest des Establishments, dessen Protagonisten offenbar noch blöder sind.

Der deutsche Bulldozer hat die Afrikaner langsam zerquetscht. Nur selten zeigten die deutschen Tanks in ihren SS-schwarzen Jerseys Blitzkrieg-Qualitäten. Als Özils V2 im gegnerischen Zentrum einschlug, war die Schlacht jedoch entschieden. Als nächstes heißt es also “Bomben auf Engeland“.

schoibagolNoch keine vierzig, aber schon eine Biographie: Man muß nur wichtig genug sein im Feudalsystem, schon kömmt eine verhinderte Königin daher und zeigt dem Pöbel, worauf es ankommt. In einer beachtlichen Kritik ‘würdigt’ Wolfgang Jaschensky das feudalistische Pamphlet einer “Anna von Bayern” über Botoxbirne vor Guttenberg. Der Adel, die Herkunft, das ist es, was den Menschen ausmacht. Damit schließt sich auf der anderen Seite die Klammer, die auf der einen ein Sarrazin geöffnet hat: Der Emporgekommene wertet Seinesgleichen ab, die Durchlaucht das ihre auf. Läuft alles auf dasselbe hinaus: Es lebe die Hoheit, es lebe die Genokratie!

Scheusal Özil führte die Reichsdeutschen zum nächsten Sieg, trotz einiger Schwächen und mit dem nötigen Kriegsglück. Sami Khedira, Jerome Boateng, Claudemir Jeronimo Barreto, Mesut Özil, Piotr Trochowski und wie sie nicht alle heißen, die neuen Eichmanns und Himmlers, sind angetreten, um die Welt einmal mehr zu unterwerfen.

Mist, ich bin depressiv. Eine Computerauswertung meines Blogs hat ergeben, daß ich kurz vor dem Suizid stehe und überdies paranoid-querulatorische Züge sowie einen Hang zum Größenwahn aufweise. [via] Es ist beinahe niedlich. Zwar deutet die Quelle hinter dem Artikel an, daß es kaum zwei Psychiater gibt, die sich über eine Diagnose bezüglich “Depression” einig wären, das ficht die grandiosen israelischen “Wissenschaftler” aber nicht an, im Geiste schon einmal jeden abholen zu lassen, den die Software als schwermütig erkennt. Denn immerhin sind sich in 78 % der Texte das Programm und die angeschlossenen Weißkittel einig: Irgendwie traurig. Wen 78% Mimikfältchen und 112% mehr Kundenzufriedenheit überzeugen, der psychiatrisiert auch schon mal 10% der Schreiberlinge. Die überkritischen natürlich zuerst. Ist Depression nicht sogar zu 65% rassisch bedingt?

Die Entscheidung in Bloemfontein wird ein mystischer Kampf Mann gegen Mann, gut gegen Böse werden, ganz wie in “Herr der Ringe”, dessen Autor J.R.R. Tolkien 1892 in der Stadt geboren wurde. Werden Joachim Löw und seine dunklen Orks jetzt über England, Argentinien und Holland rollen? Da sei England vor. Gott schütze das Vereinigte Königreich!

Wir gelten als faul, verlottert und ausschweifend. Wer die Nacht zum Tag macht, geht ständig feiern, säuft und kriegt morgens nicht den Arsch aus dem Bett. Er ist ein gesellschaftlich bestenfalls geduldetes Subjekt, denn er hat es nicht drauf: Wer feiern kann, kann auch arbeiten. Dann muß man halt mal auf Schlaf verzichten.

Ämter nützen gern ihre Macht, Termine nicht zu vereinbaren, sondern zu diktieren. Am besten so früh wie möglich. Es gibt immer Menschen, die gern “lange” schlafen, denen kann man schon mal die Ruhe nehmen, das macht sie aktiv. Die Schule beginnt um acht, und wenn es opportun erscheint, gibt es dann auch schon mal eine Doppelstunde Sport zum Beginn. Wer da noch im Halbschlaf taumelt, muß sehen, wie er mitkommt. Ein guter Deutscher ist er schon mal nicht.

Diese ganze Haltung, mit der Spätaufsteher wie ich ständig konfrontiert werden, strotzt nur so vor gröbstem Umfug. Das beginnt mit dem Blödsinn des “langen” Schlafens. Viele von uns schlafen nicht mehr als der Durchschnitt, einige weniger, das ist völlig normalverteilt. Wir schlafen einfach später und müssen uns dafür nicht rechtfertigen. Vor niemandem.

Ein wenig Verstand könnte Abhilfe schaffen um zu begreifen, was gerade diejenigen auszeichnet, die abends nicht ins Bett kommen und morgends nicht heraus. Es gibt unterschiedliche Gründe, warum sich ein halbwegs gangbarer 24-Stunden-Rhymthmus einstellt, der eben nach hinten verschoben ist. Vor allem ein Phänomen ist für mich aber das interessanteste, nicht zufällig, da es mich selbst betrifft. Seltsamerweise sind 24 Stunden einfach nicht genug. Am Wochenende, das kenne ich seit meiner Kindheit, werden die Tage und Nächte länger. Freitags geht es später ins Bett, samstags viel später raus. Samtstag nachts wird es dann gern noch einmal später und sonntags wird bis mittags geschlafen.

Ich habe bis auf die Zeit im Zuvieldienst – da habe ich einige Monate quasi gar nicht mehr geschlafen – nur Jobs gemacht, die später anfingen. Etwas anderes war die Zeit mit meiner kleinen Tochter, da konnte ich aber ihre Schlafphasen nutzen, um mich selbst noch mal ein Stündchen hinzulegen.
Das alles klingt wie eine Rechtfertigung, was ebenfalls kein Zufall ist, denn gemeinhin gelten wir ja als schlechte Menschen, von denen man eine Entschuldigung für ihr Dasein erwartet. Daß wir erst zu großer Form auflaufen, wenn ihr längst schlaff vor dem großen Verblöder hängt, wird gemeinhin unterschlagen. Erst eine “Nachtschicht”, lohnabhänig, schlecht bezahlt und für den Segen irgendeiner Firma, gibt uns wieder das Recht, später aufzustehen.

Mumpitz. Es ist einer der typischen deutschen Neidkomplexe. Da könnte jemand mehr, schöner, besser länger schlafen als ich. Das geht gar nicht! Daß Spätaufsteher erst einmal genau so müde sind wie Frühaufsteher, will denen erst recht nicht in dem Kopf. Für sie ist das ein Skandal, jedenfalls für diejenigen, deren höchstes Ideal in eben dem Gebuckel besteht, was ihnen als “gute Arbeit” eingeschärft wurde. Das ist putzig.

Als 28-Stunden-Mensch bin ich obendrein belastbarer, effizienter und flexibler als die acht-bis-siebzehn-Uhr-Männlein. Ginge es ums Arbeiten, die Argumente wären auf meiner Seite. Es geht aber nicht darum. Ich arbeite, um zu leben und meide Tätigkeiten, die mir nicht zusagen. Ich sage das nicht, weil ich faul, unsozial oder weltfremd wäre. Ich bin einfach nur nicht doof.

Als einer von denen, die auf einem zu kleinen Planeten leben oder einem, der sich halt zu schnell dreht, kann ich trotzdem gut mit den Anderen leben. Denen, die halt lange vor meinem Erwachen ganz normale Geräusche machen. Sie dürfen mich getrost auch wecken, wenn sie mich dann wieder schlafen lassen. Sie dürfen mir sogar eine Frage in der Erwartung einer knappen Antwort stellen. Versucht nur nicht, dann mit mir zu diskutieren. Was ich in einem solchen Fall von euch übrig lasse, kann gern um 01:00 mit mir weiter streiten. Aber das wollt ihr sicher nicht.

dann macht sie ihrem Namen alle Ehre: Madame Nonsense hält sich in beinahe allen Belangen vornehm zurück, in denen es auf Richtlinien oder Kompetenz ankäme. Das Feld überläßt sie ihren Beratern oder Ministern. Vielleicht liegt es am Glanz der “G20″, daß sie sich wieder einmal öffentlich aus dem Fenster lehnt, was sie da gesagt hat, ist aber schlicht haarsträubend.

Niemand erwartet, daß sie auf Paul Krugman hört, der in etwa alles genau anders sieht als die deutsche Regierung und ihre hintersinnigen neoliberalen Sparberater. Hans-Werner Sinn sagt, Konsum ist schlecht. Trichet sagt, Inflation ist schlecht. Das kennt sie ja sogar noch von Waigel und von Tietmeyer. Tja, und was seit dreißig Jahren richtig ist, kann ja heute nicht plötzlich falsch sein.

Ohne Sachverstand, ohne das geringste Gespür für veränderte Realitäten steht sie wie eine Eiche im Feuersturm. Zwar hat ihr Bankenretterkasperle Peer Steinbrück auch beizeiten gern das Wort “Totsparen” in der Plapperklappe geführt, aber – das weiß sie wohl – der ist auch bloß ein Virtuose des Arguments posthum. Niemand hat die Absicht, vor dem Reden nachzudenken. Nachher fällt einem immer eine Floskel ein, mit dem sich der zugewucherte Trampelpfad zur Autobahn aufsexen läßt.

Das Kracher-Argument zur Sanktionierung der größten annehmbaren Dummheit hat Angela Merkel den Ungläubigen Amerikanern jüngst vor die Füße geschmettert:

Deutschland sei Teil des Binnenmarktes und die Handelsbilanz der Europäischen Union sei ausgeglichen. Dies sei ‘die entscheidende Größe’“.

Man muß schon eine Klinikpackung “Egal forte” einwerfen, um dabei nicht mental in eine Depression zu verfallen, deren Dimensionen die der Wirtschaft bald ebenfalls erreichen wird. Merkel hat das Zeug offenbar gehortet. Das Ungleichgewicht innerhalb der Eurozone hält sie allen Ernstes für eine Glanztat, mit der sie Werbung machen kann. Ist doch alles in Ordnung, die Defitzite der anderen Euroländer machen die deutschen Überschüsse doch locker wett.

Das allein ist schon so preiswürdig merkbefreit, daß es müßig wäre zu erwarten, sie machte sich Gedanken darüber, wie es käme, wenn die anderen in der Eurozone jetzt dieselbe Strategie verfolgten und Deutschland ebenfalls weiter so auf Exporte setzte. Wo bliebe dann wohl die ‘ausgeglichene Handelsbilanz’? Daß das Ganze ohnehin ein Gespinst ist – von “Hirn” mag ich da nicht reden – geschenkt! “Deflation” ist für sie ohnehin kein Problem. Frei nach dem Motto: “Wenn alles so billig ist, können die Leute ja gar nicht arm sein”.

Man wundert sich, worüber die Desaster-Koalition eigentlich streitet. Die einen bedienen eifrig ihre Klientel, die anderen stecken sich fleißig Sand in den Kopf in der Hoffnung, so gegen die kommende Sturmflut gewappnet zu sein. Es herrscht unerschütterliche Einigkeit im “Weiter so!”. Diese Bundesregierer sind so reaktionär, daß sie noch darauf beharren alles richtig zu machen, wenn es sie längst nicht mehr gibt. Wahre Staatskunst bedeutet ihnen, sich auch vom eigenen Tod nicht beirren zu lassen.

Man soll nicht denken, die WM beherrschte Nachrichtenmarkt und Tagesablauf schon derart, daß nichts anderes mehr durchdringt. Weit gefehlt! Millionen nahmen Anteil an einem politischen Großereignis und verfolgten gebannt die Einsetzung des schwedischen Prinzen Daniel, der sich vom Fitness-Höfling zur künftigen Majestät hochgeheiratet hat.

operette

Quelle: Wikimedia Commons

“Märchenhaft” sei das gewesen, salbadert unisono die Regenbogenpresse von SpOn bis Gala, und wer den Bildern nicht entkommen konnte, dem war der Augenherpes sicher: So pompös und verkitscht kommt sonst nur die Barbie-Werbung daher, und da springen wenigstens nicht noch drei, in Worten: 3 goldbewandete Pfaffen herum, um eine einzige Hochzeit abzuwickeln. Der Federhut-, Kutschen- und Scherpenschaum, der da meterdick in rosa und bleu aufgetragen wurde, war für jedes Schützenfest zu billig, wäre er nicht so unerhört kostspielig gewesen.

Die Gernregierten aller Länder folgen solchen Operetten-Parodien freilich mit feuchten Augen und trüber Rührung. Daß sich der Adelsstand, der immerhin Untertanen in sieben europäischen Staaten und zwei Steueroasen bedünkelt, derart ungehemmt inszeniert, liegt voll im Trend. Man trifft sich bei Golf, Segeln und Sylt, trägt wieder Brillanten und Rolex. Keine falsche Scham – was den Emporkömmlingen der Geldelite recht ist, kann den alten Herrscherhäusern nur billig sein. Der Applaus des Fußvolks ist ihnen obdendrein gewiß.

Eines muß man dem “Märchen” allerdings zugute halten: Es trägt unmittelbar unter der dröhnenden Fassade Züge einer unmißverständlichen Realität: Der Aufsteiger, der erst durch tiefes Buckeln vor den Krönchen und geduldiges Ertragen vernehmlichen Standesdünkels den Zugang zum Hofe fand, hat sich am Ende hochgeschlafen. So sehen in diesen Zeiten Karrieren aus. Das sind die Verhältnisse im postmodernen Europa. Von “Demokratie” ist da weder eine Spur noch je die Rede.

Wenn der Schiedsrichter eine Partie allein entscheidet, macht es keinen Spaß. Das dümmliche Kartenspiel des Spaniers Undiano hatte mit Fußball nichts zu tun, dieser Sport ist weder so körperlos noch so sinnlos, wie er ihn sich zurecht gepfiffen hat. Proteste beider Mannschaften blieben ohne Erfolg, obwohl sich die um ein besseres Match betrogenen Spieler in ihrer Kritik einig waren.

fussfuge

Das deutsche Spiel offenbarte erstmals eine zu befürchtende Schwäche: Die “Sechser” sind nicht wirklich welche, wodurch die Abwehr – vor allem links – ins Schwimmen gerät. Auch die Innenverteidigung überzeugte nicht. Ein enormes Sicherheitsrisiko. Gegen potente Gegner wird die Verteidigung weit vor der Abwehr organisiert werden müssen, sonst werden die Gegner zu leicht gefährlich im Strafraum auftauchen.

Die Sicherheitsdienste in den südafrikanischen Stadien waren eine jener viel bejubelten Standbeine wirtschaftlichen Aufschwungs, die “Arbeitsplätze” geschaffen haben. Nachdem die Arbeiter aber nicht nur schlecht, sondern zum Teil gar nicht bezahlt wurden, traten sie in den Ausstand, protestierten und wurden selbst zum Sicherheitsrisiko.
Die Reaktion darauf: Anstatt für eine angemessene, also überhaupt eine Bezahlung zu sorgen, wurde die Polizei eingesetzt, um die Stadien zu bewachen. Fragt sich, warum erst Millionen an “Unternehmer” ausgezahlt wurden, die weder für Sicherheit noch für echte Arbeitsplätze sorgen.

Auch der verantwortliche Trainer machte eine unglückliche Figur: Durch seine Auswechslungen ging jede Ordnung verloren. Die Chancen für die Deutschen sind dennoch gut, ein Sieg gegen Ghana reicht aus, und die haben heute gezeigt, daß sie mehr als schlagbar sind.
Südafrika ist so gut wie aus dem Turnier, und wenn es dicke kommt, steht keine afrikanische Mannschaft mehr im Achtelfinale.

Spätestens dann könnten sich nicht nur ehemalige Sicherheitskräfte, sondern weitere Verlierer – vor allem von links – rund um die Stadien zusammenrotten. Damit solche Proteste ohne Erfolg bleiben, muß man schon weit vor dem inneren Verteidigungsring die Abwehr dieser Elemente organisieren, ehe gefährliche WM-Gegner im Stadion auftauchen.

Obwohl Einigkeit herrscht, daß die Kritik der Betrogenen berechtigt ist, kann man die Probleme nicht im Turnier lösen. Darüber kann allein ein Richter entscheiden. Proteste in den Stadien sind sinnlos, und so macht eine WM auch keinen Spaß. Die Verantwortlichen müssen zusehen, daß die Ordnung nicht völlig verloren geht. Die Chancen, daß noch einmal ein Großereignis nach Afrika vegeben wird, sind sonst alles andere als gut.

WM-Zeit ist saure-Gurken-Zeit. Oder Dosenthunfischzeit. Oder auch Tabakskrümel-such-Zeit. Was weiß ich. Jedenfalls scheint sogar das lesende, sich belesen gebende Volk quasi wie bei der Reise nach Jerusalem panisch von Bildschirm zu Bildschirm zu springen, um ja keine Minute “leben”-Übertragung zu verpassen. Die Entspannteren unter diesen Zeitgenossen erkennt man daran, daß sie nur noch einmal am Tag zum Briefkasten schlurfen, wobei sie eine Spur von Schippse-und Flippsekrümeln im Hausflur hinterlassen, die ihnen aus dem panierten Haupthaar trudeln.

Internet wird auch nur noch geguckt, wenn Olli Kaahn gerade quaakt und, ich resümiere, “quak quaak” sagt, was er allerdings so aussehen läßt, als doziere er über die plastische Darstellung einer vierdminensionalen Kugel auf einem feuchten Bierdeckel. Muß man auch können, aber für viele Ignoranten ist das eben die Gelegenheit zu schnell mal Pipi oder Internet.

So, ihr Pauslinge, wenn ich euch also zu nicht mehr als einem kurzen Abchecken mehr inspirieren kann, vielleicht können andere das besser?

Ein alter Bekannter, ein noch Altbekannterer und eine neue Unbekannte, alle abgelegt in der Blogroll. Geht mal schnell gucken, noch ist Werbung.

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