Wirtschaft


“Die gezielte Zusendung unabweisbar lukrativer Angebote an solche Gruppen, die der nationalen Integrität und Identität nicht effizient zuträglich sind, ist unser Naziel. In der Folge sind auch größere organisierte Wanderungen zwecks demographischer Korrekturen angedacht. ”

So klänge das heute.

Die Schutztruppen der Systemrelevanten, deren Aufgabe darin besteht, den Geldfluss in Kredite für solche Vorhaben zu verhindern, die zu Konsum führen könnten, kurz “Schufa”, bedienen sich künftig des öffentlichen Weltgeheimdienstes “facebook”, indem sie private Daten (ja, das ist das, was ihr Deppen dem Zuckerberg schenkt, euer Innerstes und das eurer Bekannten) nach allen Regeln der Kunst durchschnüffeln. Keine Behörde dürfte sich derartiges anmaßen, dafür haben wir einmal erfolgreich die Krallen ausgefahren

Nun wäre es fair gewesen, Klartext zu reden und so etwas zu sagen wie: “Wir kriegen jeden. Um allen, die auch nur im Verdacht stehen, einen beantragten Kredit wirklich zu benötigen, die Kreditwürdigkeit lebenslänglich abzuerkennen, drehen wir die Privatsphäre der Bürger endgültig und mit allen Mitteln auf links”. Denn das ist es, was sie tun. Stattdessen verkaufen sie ihren Deal mit dem diabolischen Verräter der vernetzten Menschheit wie folgt:

Durch wissenschaftlich fundierte Ergebnisse langfristig die Qualitätsführerschaft unter den Auskunfteien in Deutschland sichern” wollen sie, diese Ausgänge eines Systems zur biologischen Nahrungsverwertung.

Das obige Zitat ist aus Heiner Flassbecks Vortrag, zu sehen und zu hören im folgenden Video. Wer Flassbecks Ansichten noch nicht kennt, findet sie hier in einem sehr kurzweiligen gut einstündigen Vortrag. Flassbeck argumentiert am Rande dessen, was den Kapitalismus noch stabilisieren könnte. Gerade deshalb gefällt mir das, weil jemand hier ohne jede ideologische Ablehnung das Ende des Spiels erkennt. Im Gegensatz zu ihm bin ich der Ansicht, dass “das Fenster” für Lösungen innerhalb des Systems längst geschlossen ist.
 

Wer nicht so viel Zeit aufwenden möchte, möge sich das Ganze ab Minute 58 anschauen, da kommen einige zentrale Phänomene zur Sprache.

Nicht ganz ohne Stolz stelle ich fest, dass ich offenbar schon vor einigen Jahren, nämlich in 2006, einige grundsätzliche Zusammenhänge ganz richtig eingeschätzt hatte. Damals wusste ich noch nicht annähernd so viel über Volkswirtschaft wie ich inzwischen quasi zwangsläufig gelernt habe. Defizite hat der Text vor allem, wo ich mir noch eingebildet hatte, es gäbe Lösungen auf der Ebene von Haushaltsentscheidungen.

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Die ewige Diskussion, ob ein Staat noch Steuern erheben darf, bricht sich spätestens in der Frage um Staatsschulden. Dazu werden gelegentlich große Zahlen publiziert, die Angst und Schrecken verbreiten. In Wahlkämpfen wird es jedesmal wüst, wenn es sich um die Finanzen dreht, denn hier geht alles und nichts:
Wir erhöhen die Steuern nicht, das ist Gift für die Konjunktur!
Wir machen keine Schulden, denn wir Leben nicht auf Kosten der nächsten Generation!
Wir sparen und bauen Schulden ab!

Diese Merksätze waren nicht nur schon immer gelogen, sie sind auch völlig unsinnig. Nicht erst, weil sie der Erfahrung widersprechen, sondern weil sie als Totschlagargumente nichts taugen.
Wer Schulden verteufelt, lügt, weil die Wirtschaft, die sie damit belastet sieht, auf Schulden basiert. Schuldenfreiheit? Wirtschaften auf Guthabenbasis? Wo gibt es das denn?

Wer ewig die Steuern senken will, sollte sich einmal die Geschichte der Staatswirtschaft anschauen und zwei Fragen klar beantworten: Warum hat das bis heute nicht funktioniert, und wie soll eine Steuersenkung finanziert werden, wenn die Ausgaben unabhängig vom Haushaltsentwurf steigen? Letzteres gilt unausweichlich für eine überalterte Gesellschaft mit hoher Arbeitslosigkeit. Da ist zumindest mittelfristig kein schlanker Haushalt drin. Das “Sparen” schließlich kann man sich sparen, wenn es unmittelbar Kaufkraft zerstört. In dem Zusammenhang ist eine Mehrwertsteuererhöhung freilich auch ganz großes Kino, zumal, wenn die privaten Haushalte dadurch nicht anderswo entlastet werden.

Was will der Dichter uns sagen? Die Lage ist kompliziert, und wenn eines nicht hilft, sind es Vereinfachungen und tumbe Versprechungen.Wir werden mit einer erheblichen Steuerlast leben müssen, und es ist dringend erforderlich, private Haushalte mit niedrigem Einkommen zu entlasten. Auch die Schuldenlast wird vorläufig hoch bleiben, aber das kann eine selbst nur schwach wachsende Konjunktur aushalten.

Selbstverständlich sind Verschwendung und Bürokratie Übel, mit denen man sich nicht abfinden darf. Daher dürfte das größte Potential in der Vereinfachung von Gesetzen und dem Abbau von Subventionen liegen. Dazu waren aber bisher alle Regierungen zu feige, weil sie ihren Lobbys damit auf die Füße gestiegen wären. Und schließlich: Wie mehrfach erwähnt, sticht bei den Debatten um die öffentlichen Haushalte eine Partei hervor, die schon immer die einfachen Lösungen angeboten und nie ein Versprechen eingehalten hat. Deren Adepten werden gebeten, einfach mal den Rand zu halten!

Der Fall ist geeignet, das Vertrauen
in die Deutsche Bank zu erschüttern.

*

Nein, das kann man auf gar keinen Fall so sehen! Die Deutsche Bank hat die Betrugsverdachtsvorwürfe so beinahe eindeutig an der Grenze zur Entkräftung durch organisierte Verdrängung abgewendet, dass vor gegenteiligen Tatsachenbehauptungen nur eindringlichst gewarnt werden kann. Die rhetorische Verbriefung der Aussagen zum stillgelegten Betrugsverfahren sind das Werk absoluter Profis. Denen muss man vertrauen. Sie machen überhaupt nur Angebote, die man nicht ablehnen kann. Im übrigen weiß ich gar nicht, was der ganze Alarm schon wieder soll, denn im Grunde genommen reden wir hier von Peanuts®.

*im zitierten Text heißt es “das Fall”.

 
jangelb

Ich habe vor einigen Jahren eine kleine Serie von Artikeln zum Doping im Radsport (siehe u.a. hier) geschrieben und schließe das Kapitel hiermit ab. Anlass ist das lächerliche, quasi posthum gesprochene Urteil eines sogenannten “Sportgerichtshofs”, das nach der Vernichtung von Jan Ullrichs Karriere im Jahr 2006 immerhin sechs Jahre später feststellt, dass er gegen die Regeln verstoßen hat und ihn jetzt dafür verurteilt. Obendrein werden einige Zahlen und Namen aus Datenbanken gestrichen. Dass Ullrich seinerzeit besser war als die Konkurrenz, gilt daher nicht mehr. Es gilt die Wirklichkeit der Pharisäer – bis sie eine neue auswürfeln.

Ich greife das Thema aus zwei Gründen auf: Erstens bin ich selbst dem Radsport verbunden und zweitens ist der himmelschreiend dumme und heuchlerische Umgang damit ein Paradebeispiel für die Verteilung von Verantwortung im Kapitalismus. Eins nach dem anderen:

Die Droge, die das Bild prägt, ist seit Mitte der 90er Jahre EPO, ein Mittel, das die Sauerstoffaufnahme im Blut extrem erhöht und eine derartige Leistungssteigerung ermöglicht, dass die ‘ohne’ gegen die ‘mit’ schlicht chancenlos sind. Doping beginnt dabei keineswegs erst bei der Tour de France. Jeder ambitionierte Amateurfahrer dopt. Wäre ich nicht schon zu alt gewesen für derartige Experimente, ich mache keinen Hehl daraus: Ich hätte das Zeug auch ausprobiert. Wer den Unterschied kennt zwischen den ersten Touren im Frühjahr und der Topform im Spätsommer, den reizt es enorm, das Ganze aus der Dose noch einmal oben drauf zu packen.

EPO – Friss oder stirb

Für die Profis sieht die Geschichte noch einmal anders aus. Wie bereits geschildert, haben sie die Wahl: Entweder du verlierst deinen Job oder du machst dich schneller. Jeder weiß das. Die Fahrer, die Trainer, das Management, die Funktionäre, die Sponsoren und die Informierten darum herum. Nicht nur, dass es jahrelang sehr einfach war, die “Kontrollen” zu manipulieren, das System hatte längst dazu geführt, dass der Verzicht auf das Dope viel riskanter war als die Einnahme. Deshalb konnte es sich ein Lance Armstrong auch leisten, seine Kritiker unter den Kollegen zu isolieren. Die paar Bekloppten, die einen auf “sauberen Sport” gemacht haben, brauchte im Feld niemand.

Das hätte so weit alles funktioniert, zumal mit der Hauptdroge EPO und den dazugehörigen Techniken ein Mittel Verbreitung fand, das jahrelang erprobt war und bei herausragender Wirkung weitgehend ungefährlich, zumal unter ärztlicher Anleitung. Gäbe es da nicht ein paar ehrgeizige Pharisäer, die ihre krude Vorstellung von Gerechtigkeit durchprügeln mussten, willfährige Medien, die sich wie immer doof gestellt und einer Idiotenmoral das Wort gesprochen haben und andere Konzerne, die einerseits mit dem Sport, andererseits mit dem “Skandal” Kasse gemacht haben.

radspritzeDen Heuchlern in den Redaktionen ist es gelungen, über Jahrzehnte so zu tun, als sei jeder endgültig nachgewiesene Fall ein Einzelfall. Die “Neutralität” der Berichterstattung erfordert halt die fortgesetzte Lüge, wenn man den Zeitpunkt nur lange genug verpasst, sich eine Meinung zu erlauben. Es galt für alle: Der Sport ist sauber, nur die “Sünder” sind es nicht. Gedeckt wurde damit eben ein Business, das denen am Ende der Nahrungskette Leistungsvorgaben macht, den Mehrwert abschöpft und sich neue Sklaven kauft, wenn es mit den alten Ärger gibt. Dass es einigen wenigen Fahrern gelungen ist, dabei selbst zu Geld zu kommen, verleitet zu einem falschen Eindruck. Die große Kohle macht die Industrie, und wer nicht zur Weltelite gehört, wird für die Schufterei äußerst mäßig bezahlt.

Wenn der Sklave Ärger macht

Eine wahre Weltklasseleistung haben einige Sponsoren erbracht wie zum Beispiel die Deutsche Telekom bzw. T-Mobile. Mit Fahrern wie Jan Ullrich, der ungemein beliebt war, sich das Image aufzupolieren, war ihnen sehr genehm. Wie dessen Leistung zustande kam, haben sie wohl gewusst – es sei denn, sie wären wirklich so unfassbar inkompetent gewesen, etwas anderes anzunehmen. Ich schreibe diese Einschränkung hierher, damit man mir keine “Tatsachenbehauptung” unterstellt. Nein, vielleicht ist das T-Management ja auch nur in ein Rettungsboot gefallen.

Als dann allmählich deutlich wurde, dass nicht nur jeder Profi verbotene Substanzen zu sich nimmt, sondern auch die Kontrollen deutlich effizienter wurden, ließ man alle Fahrer eine “Ehrenerklärung” unterschreiben. So wuschen sich also die Befehlshaber rein, während die an der Front jederzeit vor dem Richter landen konnten.

Heute hat diese Farce für Jan Ullrich einen Abschluss gefunden, indem man dem Sportrentner die Teilnahme an Wettbewerben verbietet. Nur die unheilbar Doofen unter den Pharisäern werden dabei hoffen dürfen, dass auch nur eine Pille weniger geschluckt wird. Klar: Man muss schon schwer vor den Schrank gelaufen sein, wenn man heute noch eine Karriere als Radprofi anfängt. Aber man kann ja auch dopen, ohne nachher in einen Becher zu pinkeln. Da, wo alle nehmen dürfen, was sie wollen. Das nämlich ist ehrlicher Sport.

 
hwsNomen est omen, dachte ich mir schon immer dabei. Schlecker kann gar nicht pleite genug gehen, der feine Herr A.Schlecker wird aber wohl auch danach nicht am Hungertuch nagen und solche Mistjobs tun müssen wie seine Untergebenen, um über die Runden zu kommen.

Bei der Gelegenheit möchte ich noch einmal mit einem Mythos aufräumen, der ebenso dumm wie weit verbreitet ist. Dass er so weit verbreitet ist, ist ausnahmsweise kein Erfolg der Neoliberalen, durchaus aber der Kapitalisten und derjenigen, die noch nie einen sinnvollen Versuch unternommen haben, Volkswirtschaft zu begreifen. Ich begegnete auch heute wieder dem Trugschluss: “Aber es ist doch schade um die Arbeitsplätze”.

Kein Grund zur Trauer

Um solche Arbeitsplätze ist gar nichts schade, und es ist fast immer (!) falsch zu behaupten, es würden “Arbeitsplätze vernichtet” oder auch nur “wegfallen”. Wie gesagt ist es kein Grund zur Trauer, sondern vielmehr ein Grund zur Freude, wenn der ‘Wettbewerbsvorteil’ gewisser ausbeuterischer Praktiken nicht zu einem betriebswirtschaftlichen Erfolg wird. Gäbe es Gewerkschaften, deren Funktionäre nicht ebenso verdummt sind wie alle anderen Diskutanten im neoliberalen Kasperletheater, sie könnten glatt zu einer Macht werden.

Denn es zeigt sich ja sogar am Einzelfall, dass es einfach nicht wahr ist, niedrige Lohnkosten wären grundsätzlich besser, ja notwendig, um im ‘Wettbewerb’ zu bestehen. Sogar betriebswirtschaftlich ist das falsch.
Zur Behauptung, da würden Arbeitsplätze wegfallen, mache man sich folgendes deutlich: Die Produkte, die von Händler A aus Produktion A verkauft werden, bedienen eine Nachfrage. Diese Nachfrage verschwindet nicht, wenn A sich vom Markt verabschiedet. Sie wird halt von anderen befriedigt, die auch Produkte herstellen und vertreiben müssen. Kurzum: Niemand braucht Schlecker.

Es wird von allen Seiten – der sogenannten Ökonomie und ihrer clownesken Professoren, halbgescheiten Politikern und inkompetenten Journalisten – so getan, als sei es ganz einfach: Ist die Arbeit billig, geht es der Wirtschaft gut. Dies suggeriert einfache, nämlich lineare Verhältnisse nach dem Schema: “aus A folgt B”. Dem ist aber nicht so. Die Beziehungen sind höchst komplex, und man kann kaum je vorhersagen, was eigentlich geschieht, wenn einzelne Parameter sich verändern. Und auch die Löhne sind nur ein Parameter. Jeder Laie sollte aber schon verstehen, dass niedrige Löhne zu niedrigen Umsätzen führen überall da, wo die Lohnempfänger eben einkaufen gehen. Damit können sie schon einmal nicht nur gut sein ‘für die Wirtschaft’.

Arbeitsplatzvernichtung – ein Segen!

In viel größerem Umfang als angenommen ist es auch eine Frage des Willens, in welcher Gesellschaft man zu leben bevorzugt. Will man ein Proletariat wie im 19. Jahrhundert, dann hält man die Löhne und Sozialkassen schön knapp, die Arbeitszeiten lang, die Bedingungen schlecht und sorgt dafür, dass Produktivitätszuwächse allein den Gewinnen zugute kommen. Das ist exakt das, was wir haben.

Will man hingegen eine Gesellschaft, in der nicht die Massen für eine kleine Oberschicht arbeiten, sondern allen die Luft zum Atmen bleibt, sorgt man sich nicht um die eine oder andere Pleite. Schon gar nicht versucht man, sie durch Lohndrückerei zu ‘verhindern’. Ein System, in dem die Früchte der Produktivkraft des Volkes einigermaßen gerecht verteilt werden, kann solche Veränderungen nur als Fortschritt begreifen. Denn nur eines kann Arbeitsplätze auf Dauer wirklich “vernichten”: Dass man dasselbe mit weniger Aufwand haben kann. Wo dieser Zuwachs allen gehört, ist er ein Segen und kein Fluch. In einer solchen Gesellschaft hätte es „Schlecker“ nie gegeben.

 
bruenzwonullWer bei der FAZ Anspruchsvolles zur Wirtschaftskrise lesen will, wird bekanntlich im Feuilleton bedient. Unter der Verantwortung ihrer Wirtschaftsreaktion finden sich hingegen nach wie vor bloß neoliberale Durchhalteparolen. Dort erschien mir heute der Geist des Valdis Dombrovskis, so dachte ich, seines Zeichens ehemaliger lettischer Premierminister. Dombrovskis ist aber tatsächlich noch immer Regierungschef, obwohl seine Partei nach der letzten Wahl nur noch drittstärkste Kraft ist und herbe Verluste einstecken musste. Er ist der Liebling neoliberaler Strategen, er hat es geschafft, sein Volk fürchterlich bluten zu lassen und sich dennoch an der Macht zu halten.

Der lettische Weg aus der Krise gilt als vorbildhaft“, kann sich die Redaktion nicht entblöden zu behaupten. Wir hatten das schon: Wo “gilt als” draufsteht, steht “sollt ihr gefälligst denken” drin.
Lettland hat nach dem Einbruch von 2008/2009, ausgelöst durch den Zusammenbruch der Parex-Bank, ein gnadenloses Sparprogramm aufgelegt und wächst dennoch wieder langsam, auf dem Niveau vor dem Boom der 2000er Jahre. Auch in Lettland hat sich eine gewaltige Immobilienblase gebildet, deren Platzen noch gar nicht seine volle Wirkung entfaltet hat. Die Zeit nannte das Ganzeharte Reformen” und schlug gleichfalls die Trommel jener Propaganda, die glauben macht, “Fleiß und Arbeit” lohnten sich – lieferte aber immerhin die Fakten, die dem völlig widersprechen:

Löhne runter, Leute raus

Die Löhne im öffentlichen Dienst wurden um 40 Prozent gesenkt. Lettland erhöhte die Umsatzsteuer auf 22 Prozent, verkürzte die Bezugsdauer für das Arbeitslosengeld und kappte die Zuschüsse an den öffentlichen Nahverkehr“.

Das wird sicher den Fleiß der Menschen beflügeln, zumal derjenigen, die an die Versprechungen der Finanzinstitute und ihre Wachstumsprognosen geglaubt haben:
Laut Statistik haben von 600.000 lettischen Haushalten 120.000 Kredite aufgenommen; davon kann inzwischen jeder dritte die Raten nicht mehr regelmäßig bedienen.
Alles paletti aber, denn:
Noch halten sich die Banken mit Zwangsversteigerungen zurück, weil es kaum Käufer gibt.

Den Verwalter dieser “Reformen” interviewt die FAZ-Wirtschaftsredaktion gern, denn er hält an den großen neoliberalen Weisheiten fest, die den Jüngern Hayeks so am Herzen liegt. Dombrovskis und FAZ-Redakteur Rainer Hank wurden vor einer Woche mit dem Hayek-Preis ausgezeichnet, der vom “Finanzdienstleistungsteilkonzern” “Wüstenrot & Württembergische” vergeben wird. Das nenne ich “unabhängig”!

Diese Qualitätsjournalisten bescheinigen sich daher gleich quasi selbst, dass das ganz anders gepolte Feuilleton der FAZ auf der falschen Seite steht:
Dieser Befund macht es den Kritikern leicht, die Politik in den Fängen des Finanzsektors zu sehen. Das Feuilleton der F.A.Z. scheint geradezu eine Kampagne unter diesem Motto zu führen.
„Das Schaf ist ein brutales Raubtier“, heulte der Wolf. Nach Jahren neoliberaler PR-Feldzüge und einer beispiellosen Instrumentalisierung der Sprache haben diese Mietfedern die Stirn, von “Kampagne” zu sprechen!

Das Vertrauen der Schafe

Der also als Weiser Hayeks ausgezeichnete Regierungschef Dombrovskis weiß nicht, warum er eigentlich abgewählt wurde und dennoch weiter regieren darf. Er weiß auch nicht, warum die hohe Abwanderung sich immer drastischer entwickelt, aber er weiß, was “die Märkte” wollen:

Voraussetzung für Wachstum ist, dass ein Land das Vertrauen der Finanzmärkte zurückgewinnt.

Die Leute schröpfen, sie in Zinsknechtschaft halten, sie mit der Drohung der Zwangsräumung allein lassen, während die Banken, die sich mit solchen Krediten verspekuliert haben, gerettet werden – woher kennt man dieses Programm? Besonders gelungen ist dabei, dass man auf das Vertrauen der Menschen in die Institutionen offensichtlich gänzlich verzichtet. Gerade heute kommt die Meldung von einem regelrechten Bank Run in Lettland. Das also ist das “Vorbild” für ganz Europa? Dann wissen wir wenigstens, warum der Untergang alternativlos gewesen sein wird.

 
Banker mal anders: Sparda-Chef Lind über die Krise als Chance

Merkels Ruine Europa, Luebberding über das Unsinkbare mit einem interessanten Beitrag des Chefvolkswirtes der Deutschen Bank.

Robert Misik fasst zusammen, warum es kommt wie es kommen musste.

Rainer Hank demonstriert in der FAZ, was von neoliberalen Argumentationen zu halten ist: Ernsthaft verklickert er, die Märkte stünden für “Rechtsstaatlichkeit” gegenüber einer “hemmungslosen Mehrheitsdemokratie“, die er unter der Hand zur “Diktatur der zufälligen Mehrheit” erklärt. Rechtsstaatlichkeit bedeutet ihm nichts anderes als Schutz des Eigentums. Dass es einen Konflikt geben kann zwischen diesen beiden Prinzipien, kommt ihm gar nicht in den Sinn. Bring’ Se ma nen Eimer!

 
Es gab in den frühen 90ern ein einfaches Computerspiel für den Atari, eine Art Wirtschaftssimulation mit dem Titel “Airline”. Das Ziel des Spiels war es, mit einer Fluglinie mehr Gewinn zu machen als die Konkurrenten. Dazu konnte man Flugzeuge an- und verkaufen, Personal einstellen, die Maschinen fliegen lassen und das übrige Geld in Hotels investieren. Wer clever war, fand bald heraus, dass man sich die Kosten fürs Personal sparen konnte, machte möglichst viele Deals mit An- und Verkäufen und ließ die Dinger eben ohne Crew fliegen. Das gab zwar regelmäßig Strafzahlungen, zahlte sich aber aus. Absurd.

flugzWer sich die gängigen Erklärungen zum Begriff “Gewinnmaximierung” durchliest, wird sich vorkommen wie in einem Museum oder in der Märchenstunde. Vermutlich wird dergleichen sogar noch gelehrt in der “Ökonomie”. Man kann darüber wunderbar komplizierte Berechnungen anstellen, chice Graphen oder Kurven zeichnen und eloquente Powerpoint- Präsentationen dazu liefern. Es ist darin beinahe harmlos von “Erlös”, “Kosten” und “Gewinn” die Rede, obwohl man sich klar machen muss, dass unter “Kosten” auch Löhne, also Menschen gefasst sind. Der Grundgedanke scheint plausibel: Einnahmen – Kosten = Gewinn.

Realwirtschaft, igitt!

“Gewinnmaximierung” bedeutet demnach, den Punkt zu finden, an dem das Verhältnis der Kosten zu den Einnahmen optimal ist. Wer noch kluger planen will, setzt die so entstandenen Werte noch in Beziehung zur Preisgestaltung. Je höher der Preis, so die Annahme, desto niedriger der Absatz, und umgekehrt. Es muss dann also noch der Preis gefunden werden, bei dem möglichst hohe Erlöse möglich sind, die dann noch mit der Kostenkalkulation abzugleichen sind. Dann sei der Taler bestens angelegt.

Die Neoliberalen haben sich in der Praxis längst von dieser Vorstellung gelöst und kippen sie uns nur noch als zusammenhangloses Kauderwelsch vor die Füße, wenn es ihnen gefällt. Etwa, um den Ruch des Experten gegenüber den Unwissenden zu wahren. Dazu wird dann aus einer “Wissenschaft” zitiert, die längst keine mehr ist. Man hat sich z.B. um der Ideologie Willen völlig in einen Kostensenkungs- Fanatismus verrannt. Hohe Kosten könnten bei hohen Erlösen und stabilem Absatz ja durchaus achtbare Gewinne übrig lassen. Volkswirtschaftlich wäre dies sogar sehr wünschenswert, und auch betriebswirtschaftlich rechnet sich das im Einzelfall. Aber was rede ich hier, wir sind ja nicht im Museum.

Dass so etwas wie eine mutige Investition in neue Produkte etwas für Spinner und Hasardeure ist, war hier bereits häufig die Diagnose. Realwirtschaft, igitt! Am Ende muss man da noch einem die Hand geben, der noch keine Platincard hat. Unternehmerisches Risiko? Ich bitte Sie, welches Jahrhundert schreiben wir? Abwarten und rechtzeitig Aufsteigen ist das Motto. Bis dahin ‘arbeitet’ das Geld – und möglichst nur das – woanders. Der Volksmund hat inzwischen für dieses Treiben übrigens treffendere Beschreibungen als die holde Wirtschaftslehre selbst. Dazu wird in den nächsten Tagen ein weiterer Artikel folgen.

Wenn ich diese Macht eine logische Sekunde lang hätte, um alles zu befehlen, dann würde ich das Problem der Arbeitslosigkeit lösen.

Peter Hartz

In demselben Interview sagt er außerdem:
Wir liefern den totalen Arbeitsmarkt” und
Kompromisse zeigen immer die Unfähigkeit der Beteiligten, ein Problem mit der Hilfe von Fachleuten zu lösen“.

Der Puffpeter hält sich für den Philosophenkönig in Hayeks Expertenparadies, für den geborenen Führer der Wirtschaftsdiktatur. Das ist Elite. Die Knechtung der Verlierer ist darum zurecht mit seinem Namen verbunden.

Es klingt, als habe da einer etwas eingesehen, als sei er selbstkritisch und erkenne, dass er Fehler gemacht hat. Als habe er einen Irrtum erkannt und lasse sich eines Besseren belehren. Thomas Straubhaar schreibt:

Warum haben so wenige – auch ich nicht – kritisch hinterfragt, wer, erstens, ein ganz profanes persönliches Interesse am Effizienzmythos der Finanzmärkte hat und wer, zweitens, in welcher Form auch immer in der Praxis vom Glauben an die Effizienz von Finanzmärkten profitiert.”

zombecoIch bemühe mich meist, solche Lernprozesse wohlwollend zu betrachten. Diesmal habe ich da allerdings ein Problem: Ich glaube ihm kein Wort. Ausgerechnet einer, der seit Jahren für die INSM die Trommel schlägt, soll nicht wissen, dass und wer vom “Glauben an die Märkte profitiert”? Dazu muss er nur seine Kontoauszüge lesen. Das ist schlicht lächerlich. Ein Ökonom, der sich angeblich nicht einmal diese Frage gestellt hat, sollte wenigstens seine Ämter niederlegen und fortan schweigen. Leider ist damit keineswegs zu rechnen. Wer braucht einen, der nur redet, was ” ‘angesagt’ ist und publiziert wird in jenen akademischen Zeitschriften, die als Grundlage von Rankings genommen werden“, aber stets mit unerhörter Arroganz seinen Gegnern übers Maul fährt?

Wir war’n im Widerstand

Es ist ja nicht so, als sei der Glaube an die Effizienz der Märkte der einzige “Irrtum” des Uniformierten, der jetzt zum Widerstand gehören will. Im Gegenteil ist Straubhaar einer der prominentesten Verfechter des Neoliberalismus in allen Details. Das brachte ihm schon einige Auftritte in diesem Blog ein:

Er sprach vonVollkaskoversicherung für alle oder eine Ergebnisgerechtigkeit, die allen den gleichen Lebensstandard verspricht“, als es darum ging, die Sozialversicherung schlecht zu machen.
Er sprach sich für ein Sonderrecht gegen Ausländer aus, dass viele effektiv zu Hunger und Obdachlosigkeit verurteilt hätte im Fall von Arbeitslosigkeit:
Ausländer bekämen dann die sozialen Grundleistungen nicht mehr nach deutschem Standard, sondern nach den Regeln, die in ihrem Heimatland gelten.”
Er ist ein Lohndrücker und Beschützer der Reichen der gegen Mindestlöhne ist, für hohe Mehrwertsteuern, gegen Erbschafts-oder Vermögenssteuer, für niedrige Einkommenssteuern, das ganze Programm. Ich zitiere aus meinem Artikel anno 2009:


Der schon lange und immer deutlicher widerlegte Aberglaube, mehr Geld für Wohlhabende führe zu Investitionen, wirkt hier ebenso wie der Unfug, Menschen würden durch niedrige Grundabsicherung wie von selbst an Arbeit kommen. Hier wird Straubhaars wirre Alptraumökonomie endgültig absurd:

Ein hohes Grundeinkommen bedingt hohe Steuersätze, ein niedriges Grundeinkommen ermöglicht tiefe Steuersätze. Hohes Grundeinkommen und hohe Steuersätze verringern den Anreiz zu arbeiten, niedriges Grundeinkommen und niedrige Steuersätze verstärken den Anreiz zu arbeiten.
Je höher der Anreiz zu arbeiten, umso einfacher wird das Grundeinkommen zu finanzieren sein, je geringer die Arbeitsanreize, umso weniger wird das Grundeinkommen finanzierbar sein. So einfach ist die ökonomische Logik des politisch Machbaren.
‘ ”

Wenn die Todessteuer droht

Straubhaar ist nicht einmal zu schade für propagandistische Blödheiten wie die, eine Erbschaftssteuer als “Todessteuer” zu bezeichnen.

Jemand, der sich derart aggressiv für niedrige Löhne, hohe Gewinne und ungehemmte Vermehrung von Privatvermögen stark gemacht hat, das Aushängeschild des mächtigsten Think Tanks des deutschen Neoliberalismus, will jetzt das Opfer eines allgemeinen Trends sein? Wer, wenn nicht er hat diesen Trend gesetzt? Den Geisterglauben an die Markteffizienz vertritt er im übrigen ungebrochen, wenn er weismacht,

dass die unsichtbare Hand des Marktes dafür sorgt, dass aus egoistischem Handeln auch altruistische Folgen zum Wohle aller entstehen.

Er hat es nach wie vor nicht kapiert, fühlt sich aber gleichwohl dazu auserkoren, schon wieder Ratschläge zu erteilen:

Entsprechend sollten Politik und Gesellschaft Gesetze und Regeln, Anreize und Sanktionen dergestalt setzen, dass Menschen dazu gebracht werden, sich so zu verhalten und ihr Tun oder Lassen so zu verändern, dass mikro- und makroökonomisches Erfolgsstreben möglichst deckungsgleich werden.

Dem toten Gaul die Sporen geben

Ach ja, das System soll bleiben wie es ist, bloß müssen “Politik und Gesellschaft” dafür sorgen, dass das Spiel der Bereicherung nicht an der Dummheit der Akteure an den Märkten scheitert. Was kann der Staat da machen? Ich ahne es: Niedrige Löhne und “Nebenkosten”, Abschaffung der Todessteuer, hohe Mehrwertsteuer, niedriger Spitzensteuersatz? Und dazu vielleicht ein bisschen Verbot von Leerverkäufen und eine klitzekleine Transaktionssteuer, die ausschließlich zur Rettung systemrelevanter Einheiten genutzt werden darf. Wetten dass?

Was Straubhaar da bietet, bleibt das dilettantische Gewäsch eines Nützlings, der weder die Dimension der Krise erkannt hat noch das Scheitern seiner eigenen Ideologie. Dieses Dilettieren bereichert er jetzt noch um die Lüge der angeblichen Unkenntnis über die Profiteure dieses Spiels. Sollen wir davon also nichts glauben oder zur Kenntnis nehmen, dass sich einer als profunder Depp outet, aus dessen rühmlicher Dummheit alle lernen müssen? Wer soll den Mann noch ernst nehmen? Das Ganze ist im Grunde ein wissenschaftlicher und publizistischer Selbstmord. Er wird freilich nicht der erste Zombie sein, dessen hohle Hülle weiterhin durch die Medien geistert.

Bildquelle: Wikimedia Commons / Acey Duecy

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