Leistungssport muss sich wieder lohnen
Posted by flatter under Journalismus , Wirtschaft[70] Comments
09. Feb 2012 17:33
Ich habe vor einigen Jahren eine kleine Serie von Artikeln zum Doping im Radsport (siehe u.a. hier) geschrieben und schließe das Kapitel hiermit ab. Anlass ist das lächerliche, quasi posthum gesprochene Urteil eines sogenannten “Sportgerichtshofs”, das nach der Vernichtung von Jan Ullrichs Karriere im Jahr 2006 immerhin sechs Jahre später feststellt, dass er gegen die Regeln verstoßen hat und ihn jetzt dafür verurteilt. Obendrein werden einige Zahlen und Namen aus Datenbanken gestrichen. Dass Ullrich seinerzeit besser war als die Konkurrenz, gilt daher nicht mehr. Es gilt die Wirklichkeit der Pharisäer – bis sie eine neue auswürfeln.
Ich greife das Thema aus zwei Gründen auf: Erstens bin ich selbst dem Radsport verbunden und zweitens ist der himmelschreiend dumme und heuchlerische Umgang damit ein Paradebeispiel für die Verteilung von Verantwortung im Kapitalismus. Eins nach dem anderen:
Die Droge, die das Bild prägt, ist seit Mitte der 90er Jahre EPO, ein Mittel, das die Sauerstoffaufnahme im Blut extrem erhöht und eine derartige Leistungssteigerung ermöglicht, dass die ‘ohne’ gegen die ‘mit’ schlicht chancenlos sind. Doping beginnt dabei keineswegs erst bei der Tour de France. Jeder ambitionierte Amateurfahrer dopt. Wäre ich nicht schon zu alt gewesen für derartige Experimente, ich mache keinen Hehl daraus: Ich hätte das Zeug auch ausprobiert. Wer den Unterschied kennt zwischen den ersten Touren im Frühjahr und der Topform im Spätsommer, den reizt es enorm, das Ganze aus der Dose noch einmal oben drauf zu packen.
EPO – Friss oder stirb
Für die Profis sieht die Geschichte noch einmal anders aus. Wie bereits geschildert, haben sie die Wahl: Entweder du verlierst deinen Job oder du machst dich schneller. Jeder weiß das. Die Fahrer, die Trainer, das Management, die Funktionäre, die Sponsoren und die Informierten darum herum. Nicht nur, dass es jahrelang sehr einfach war, die “Kontrollen” zu manipulieren, das System hatte längst dazu geführt, dass der Verzicht auf das Dope viel riskanter war als die Einnahme. Deshalb konnte es sich ein Lance Armstrong auch leisten, seine Kritiker unter den Kollegen zu isolieren. Die paar Bekloppten, die einen auf “sauberen Sport” gemacht haben, brauchte im Feld niemand.
Das hätte so weit alles funktioniert, zumal mit der Hauptdroge EPO und den dazugehörigen Techniken ein Mittel Verbreitung fand, das jahrelang erprobt war und bei herausragender Wirkung weitgehend ungefährlich, zumal unter ärztlicher Anleitung. Gäbe es da nicht ein paar ehrgeizige Pharisäer, die ihre krude Vorstellung von Gerechtigkeit durchprügeln mussten, willfährige Medien, die sich wie immer doof gestellt und einer Idiotenmoral das Wort gesprochen haben und andere Konzerne, die einerseits mit dem Sport, andererseits mit dem “Skandal” Kasse gemacht haben.
Den Heuchlern in den Redaktionen ist es gelungen, über Jahrzehnte so zu tun, als sei jeder endgültig nachgewiesene Fall ein Einzelfall. Die “Neutralität” der Berichterstattung erfordert halt die fortgesetzte Lüge, wenn man den Zeitpunkt nur lange genug verpasst, sich eine Meinung zu erlauben. Es galt für alle: Der Sport ist sauber, nur die “Sünder” sind es nicht. Gedeckt wurde damit eben ein Business, das denen am Ende der Nahrungskette Leistungsvorgaben macht, den Mehrwert abschöpft und sich neue Sklaven kauft, wenn es mit den alten Ärger gibt. Dass es einigen wenigen Fahrern gelungen ist, dabei selbst zu Geld zu kommen, verleitet zu einem falschen Eindruck. Die große Kohle macht die Industrie, und wer nicht zur Weltelite gehört, wird für die Schufterei äußerst mäßig bezahlt.
Wenn der Sklave Ärger macht
Eine wahre Weltklasseleistung haben einige Sponsoren erbracht wie zum Beispiel die Deutsche Telekom bzw. T-Mobile. Mit Fahrern wie Jan Ullrich, der ungemein beliebt war, sich das Image aufzupolieren, war ihnen sehr genehm. Wie dessen Leistung zustande kam, haben sie wohl gewusst – es sei denn, sie wären wirklich so unfassbar inkompetent gewesen, etwas anderes anzunehmen. Ich schreibe diese Einschränkung hierher, damit man mir keine “Tatsachenbehauptung” unterstellt. Nein, vielleicht ist das T-Management ja auch nur in ein Rettungsboot gefallen.
Als dann allmählich deutlich wurde, dass nicht nur jeder Profi verbotene Substanzen zu sich nimmt, sondern auch die Kontrollen deutlich effizienter wurden, ließ man alle Fahrer eine “Ehrenerklärung” unterschreiben. So wuschen sich also die Befehlshaber rein, während die an der Front jederzeit vor dem Richter landen konnten.
Heute hat diese Farce für Jan Ullrich einen Abschluss gefunden, indem man dem Sportrentner die Teilnahme an Wettbewerben verbietet. Nur die unheilbar Doofen unter den Pharisäern werden dabei hoffen dürfen, dass auch nur eine Pille weniger geschluckt wird. Klar: Man muss schon schwer vor den Schrank gelaufen sein, wenn man heute noch eine Karriere als Radprofi anfängt. Aber man kann ja auch dopen, ohne nachher in einen Becher zu pinkeln. Da, wo alle nehmen dürfen, was sie wollen. Das nämlich ist ehrlicher Sport.
Februar 9th, 2012 at 17:51
Typischer Fall von Doppelmoral.
Doppelmoral führt dazu das man sich ganz schön doof vorkommt. Wird man mit der Wahrheit konfrontiert, bricht eine Welt zusammen. Also lieber Doppelmoral.
Februar 9th, 2012 at 18:03
“The Elephant in the room”
Du darfst alles …außer dich erwischen lassen …!
666
Februar 9th, 2012 at 18:08
Ich fahr ja auch sehr viel mit dem Rennrad und habe es streng genommen auch einem JU zu verdanken, dass ich mit dem Sport überhaupt ernsthaft angefangen habe. Es ist ein unheimlich schöner Sport – solange man ihn für sich als Hobby betreibt. Ich dope übrigens nicht, auch als ambitionierter Pässefahrer. ;)
Das Interesse am Profiradsport habe ich aber mehr und mehr verloren, als die Erkenntnis reifte, dass das alles nur Beschiss ist. Sowas wie Wrestling mit Fahrrädern… Streng genommen starb mein Glaube an den Profiradsport bei jener Überführungsetappe vor Paris, als LA im Gelben Trikot Simeoni daran hinderte, an einer Ausreißergruppe teilzunehmen.
Klar, das Dopingproblem im (Rad)sport ist auch nur ein Symptom unseres kapitalistischen Systems. Wo Höchstleistungen verlangt werden, wird halt nachgeholfen – auch im normalen Berufsleben oder Studium. Seien es Medikamente, Drogen, Kaffee oder Mobbing, Intrigen.
Allerdings haftet dem Sport als solchen immer noch der alte naive Glaube an, hier würden sich Menschen mit fairen Mitteln messen. Was genau einer der wesentlichen Gründe für mich war, trotz durchaus vorhandenen Talents nie im Verein oder Rennen zu fahren. Ein Trainingskollege von mir kann bestätigen, dass gerade auch bei Hobbyrennen wie dem Dreiländergiro bspw. eindeutig gedopt wird. Wozu soll ich mich also mit denen messen? Mir reicht es, an nem schönen Sommertag das Stilfserjoch hochzufahren und nicht überholt zu werden! ;)
JU ist nicht die verfolgte Unschuld vom Lande. Er hat das Spiel mitgespielt und stellt sich heute immer noch ernsthaft hin und behauptet, niemals gedopt zu haben – als einziger seines damaligen Teams. Ich verlange eigentlich nicht mehr als Ehrlichkeit…
Februar 9th, 2012 at 18:20
Bravo, Erdmann!
Februar 9th, 2012 at 18:29
@Dennis: Die Szene mit Simeoni hatte ich auch vor Augen.
Dass Ulle nicht der Hellste ist und ganz offenbar halbseidene Berater hat, wissen wir. Sicher wird irgendwer ihm gesagt haben, er soll alles abstreiten, und die anderen machen es ja genau so. Ich fand seine ersten Worte nach seinem Rauswurf aus der Tour dennoch vielsagend: “Ich habe nie jemanden betrogen”. Das war ehrlich, aber es ist eben nur die andere Seite der Wahrheit.
Das Zitat auf dem Bild ist übrigens von Sinkewitz, der ja nachher wenigstens ausgepackt hat. Was hat er davon? Verdammt wenige Freunde.
Februar 9th, 2012 at 18:36
Es ist ein unheimlich schöner Sport – solange man ihn für sich als Hobby betreibt. Ich dope übrigens nicht…
… mag sein,hab ich noch nie anders gehört ;-)
Ok.. ich habe keine Ahnung vom Radsport kenne aber die Fitness-Center Szene aus den späten 80′..keiner meiner Kumpels hat angeblich Anabolika genommen ..Muhahaha..stimmte aber nicht,ja ich geb’s zu …hab’s versucht ( Schande über mich ) hatte aber nicht den Ehrgeiz und teuer war’s auch. Viele haben das aber länger über Jahre genommen .. mit gesundheitlichen Folgen . Und nun zum Thema ,Jahn Ulrich oder Ralf Möller es war die Vorbildfunktion viele wollten auch Erfolg wie sie ,etc.. und das ist das beschissene daran für die Ulrichs und Möllers ist die Rechnung aufgegangen und alle haben dran verdient .. Es geht nicht um den Sport sondern nur ums Geschäft,die Fan’s werden als Einnahmequelle gebraucht und bekommen einen sauberen Sport präsentiert obwohl jeder weiß wie’s wirklich läuft ..
Februar 9th, 2012 at 18:44
Ich erinnere mich noch gut, wie vor Jahren bei der TDF-Berichterstattung der ARD (glaube ich) Herbert Waterott immer große Moralpredigten gegen das Doping und über unseren ‘sauberen’ Volkshelden Ulle gehalten hat und der co-kommentierende Rudi Altig (Spitzname als Aktiver: ‘rollende Apotheke’) in solchen Situationen immer recht wortkarg geworden ist…
Februar 9th, 2012 at 19:07
Eigentlich interessiert mich das Thema nicht wirklich. Aber…
Ich oute mich jetzt mal als Frühstücksfernseh-Gucker. ZDF bewies heute morgen sogar richtig Humor, als sie einen kurzen Bericht brachten über dem Ulle sein Dingens da, und das er sich jetzt auch in der Nachwuchsarbeit engagiert und außerdem seine Kohle mit Reklame für ein Haarwaschmittel verdient. +++ Kurzer Einspieler: “Doping für die Haare!” +++
Ich hatte Mühe, den Kaffee bei mir zu halten, den ich gerade aus der Tasse schlürfte. :-D
Februar 9th, 2012 at 19:21
Du schreibst: “Erstens bin ich selbst dem Radsport verbunden und zweitens ist der himmelschreiend dumme und heuchlerische Umgang damit ein Paradebeispiel für die Verteilung von Verantwortung im Kapitalismus.”
Wie würdet Du denn den Umgang mit Doping im Sozialismus charakterisieren?
Ich stamme aus einer Gegend, in der Täve Schur verehrt wurde bzw. wird. Ich nehme an, dass Dir der Name was sagt.
Täve Schur leugnet systematisches Doping in der DDR, einige Sportler sehen das aber anders.
Februar 9th, 2012 at 19:28
Juliane
Kein Doping im Leistungssport ist Blödsinn .. ;-) egal wo..
Februar 9th, 2012 at 19:38
“Doping im Sozialismus” kenne ich nicht. Da der Osten mit dem Westen konkurrierte, geschah das bestenfalls zwischen Sozialismus und Kapitalismus, im Grunde aber in kapitalistischen Zusammenhängen, spätestenens wenn es um Devisen ging.
Dass DDR-Radsportler gedopt haben, darf man bezweifeln, es gab ja keine bei der Tour. Sport war ein Exportschlager, prestigeträchtig und hier und da ein paar Devisen wert, da haben die Jungs un Mädels kräftig in den Pillenschrank gegriffen. Das galt aber eben für Sportarten, in denen die DDR ambitioniert war – und dann auch in aller Regel sehr erfolgreich (z.B. Leichathletik). Systematisches Doping kostet nämlich erst mal Geld.
Im Radsport war Doping vor den 90er Jahren sicher auch ein Thema, aber es war nicht entscheidend. Inwiefern bei Sprintern Anaboika vogue waren oder sind, weiß ich nicht, das wäre aber eher speziell. Ein Dopingmittel mit solch durchschlagender Wirkung wie EPO, das die Ausdauer fördert, hat es vorher ja nie gegeben. Der Trend zu Hormonen ist auch noch relativ jung und nicht soo entscheidend.
p.s.: Um es noch einmal hervorzuheben – was ja gern mal völlig ignoriert wird – die DDR gibt es seit 22 Jahren nicht mehr. In der Zwischenzeit ist einiges passiert.
Februar 9th, 2012 at 20:21
Hab nochmal dazu eine Passage meines Postings vom 14.08.2010 rausgesucht.
Wer sich sportsoziologisch dem Thema Doping von links nähern möchte, dem empfehle ich das Buch “Wer macht den Sport kaputt?” Verbrecher Verlag Berlin. Als “Appetizer” einen kurzen Auszug:
“Verhängte man über alle Mitarbeiter des Fernsehens, die ihre Arbeit ohne Einnahme von Alkohol, Nikotin, Aufputsch- oder Beruhigungsmittel weder leisten noch ertragen können, eine Sperre, und vergäße auch jene nicht, die sich -vom Schlupflied bis zur Reiterhose- bildschirmkompatibel haben zurechtschnitzen lassen, wäre auf hundert Kanälen nichts zu sehen als das Testbild. Auch nicht die peinlichen Verhöre, die der valiumgecoolte Moderator, gestrafften Tränensacks und Doppelkinns aus solargebräuntem Teint weißeste Implantate bleckend, als Prophet der Natürlichkeit dem Radfahrer Jan Ullrich veranstaltet.”
flatter: “Der Trend zu Hormonen ist auch noch relativ jung und nicht soo entscheidend.” Dohoooch!
Balian Buschbaum, 28, war als Yvonne Buschbaum eine erfolgreiche Stabhochspringerin. 2007 outete sie sich als Transmann und begann eine Hormontherapie:
“Seit ich dieses Hormon gespritzt bekomme, explodieren meine Kraftwerte mit einem Drittel an Training. Ich sprinte erheblich schneller als jemals zuvor, meine Ausdauer hat sich ohne Training verbessert, und würde ich es darauf anlegen, könnte ich wahrscheinlich doppelt so viele Trainingseinheiten absolvieren als zu meinen härtesten Trainingszeiten.”
Februar 9th, 2012 at 20:28
Gefunden:
den Dope
die Fortgesetzte Lüge
Februar 9th, 2012 at 20:42
@altautonomer: Okay, in diesen Mengen schon, ich fürchte allerdings, das fiele auf.
Wie dem auch sei: Ich schrub ja früher schon, dass eine Whitelist erlaubter und effizienter Mittel die beste Lösung wäre. Illegales Doping wäre dann tatsächlich zu riskant, weil es gegenüber dem legalen keine ausreichenden Vorteile brächte.
Der letzte Satz des obigen Postings ist von daher natürlich nicht ganz ohne Ironie zu verstehen.
Februar 9th, 2012 at 20:42
Ein Athlet mit einem natürlichem Hämatokrit-Wert (Hk)von über 50% braucht eine Ausnahmegenehmigung der UCI um bei den von der UCI organisierten Rennen zu starten.
Lächerlich.
Als ambitionierter Freizeitradfahrer und -läufer hatte ich bei der letzten Blutentnahme einen Hk von 51,3, wäre also bei der Tour aus dem Rennen genommen worden. Ein anderer Indikator für dickes Blut ist der Hb (Grenzwert für Männer 17,2). Meiner liegt immer so knapp unter 18 und das alles gefällt mir gar nicht (Exsikkose).
Doping in jeglicher Form stellt für mich ein hohes gesundheitliches Risiko dar. Ich möchte einfach nicht, dass die Angst, dass plötzlich das Licht ausgeknipst wird, ständig mitfährt. Außerdem habe ich von einigen geständigen Tour-d-F-Fahrern gelesen, dass sie sich nachts den Wecker gestellt haben, um durch Läufe im Hotel den Puls wieder nach oben zu regulieren.
Februar 9th, 2012 at 20:48
Naja, Radprofis sterben aber trotzdem gemeinhin eines natürliches Todes (Suizid, Kokainmissbrauch etc.).
Im Ernst: Die Pumpe eines Radprofis, ganz unabhängig von EPO und Hormonen, möchte ich auch nicht haben. Viele ehemalige Lesitungssportler haben nen Defi am Bett. Fände ich ungemütlich.
Februar 9th, 2012 at 20:50
@ altautonomer:
Jupp, weil die durch’s Doping zuviele Blutplättchen im Blut hatten, was schnell mal eine Leitung dichtklumpen konnte.
Daher mußten die die Blutzirkulation regelmäßig pushen – und den Schlaf alle 1-2 Stunden unterbrechen.
Fuck, mich stört’s schon, wenn meine Fürze wegen der Proteinplörre nach Banane riechen…
Februar 9th, 2012 at 20:53
flatter 14:
Ich halte auch nichts von eine verharmlosenden White List. Gerade vor kurzem sind die nichtsteroidalen Antiphlogistika -an der Spitze Pracetamol- wegen ihrer nierenschädigenden Wirkung in die öffentliche Kritik geraten.
Zu den nichtsteroidalen (also nicht mit Kortison verwandten) NA gehören viele Medikamente wie ASS, Ibuprofen, Diclofenac, Piroxicam, Naproxen oder Phenylbutazon.
Alles frei in Apotheken erhältlich und von Freizeitsportler, insbesondere von verspätet sinnsuchenden, mehr erfolgsorientierten als gesundheitsmotivierten Alterklassesportlern wegen degenerativer Veränderungen am Skelett verursachten Gelenkschmerzen und anderen Beschwerden in Mengen konsumiert, um die 10 oder 42,125 km durchzustehen.
Darüber aufzuklären halte ich für wichtig. Den Raubbau mit der Gesundheit überlasse ich dann jedem selbst.
Februar 9th, 2012 at 21:10
Klar, aber frag mal meinen Doc, der ist der Meinung, wer ohne Chemie durch den Tag kommt, macht was falsch. Wenn ich so Revue passieren lasse, was meine Mutter so alles gefressen hat, da hätte sie vielleicht mehr auf Leistungssteigerung setzten sollen.
Ich finde nichts verharmlosendes an einer White List. Wir sprechen von Doping, richtig? Das bleibt Doping, aber eben kontrollierbares. Bislang ist das doch so, dass unter den Fahrern ein Korpsgeist herrscht, weil alle in dem unlösbaren Dilemma sind. Gäbe es legales Doping würde einer, der obendrein noch mehr nimmt, nicht auf die Solidarität der Kollegen hoffen können. Das ist der Unterschied. Leistungssportler, zumal Radprofis, leben nicht gesund. Sie tanzen auf dem Vulkan. Daran änderst du eh nix.
Februar 9th, 2012 at 21:31
Stimme Dir zu. Denke aber auch an die negative Vorbildwirkung des Leistungssports auf den Freizeitsport.
Februar 9th, 2012 at 21:42
@flatter: Eine White-List würde aus meiner Sicht auch nichts ändern. Wenn jemand dann mehr schluckt, gewinnt er erstmal. Dann fragen die anderen sich warum er gewonnen hat, dann finden sie es heraus und dann nehmen sie das auch. Und dann kommt einer der noch mehr oder was anderes nimmt und der gewinnt erstmal, usw. usf.
Wie Du schon sagst, Leistungssport ist ungesund und dem Publikum, wie auch den Sponsoren, ist es völlig egal, wie die Sportler zu ihren Höchstleistungen kommen. Hauptsache, der/die eigene Mann/Frau/Mannschaft gewinnt.
Februar 9th, 2012 at 21:42
Jan Ullrich ist mir auch bis heute sympathisch geblieben. Vor paar Tagen im TV (zdf heute oder tagesthemen) kam ein kurzer Bericht zum Ball des Sports. Der Aufhänger war, daß auch Jan Ullrich eingeladen war. Tenor: unfassbar! Dann kam Ehrenmann Volker Bouffier zu Wort, der die Einladung Ullrichs aber ganz jovial verteidigte.
Februar 9th, 2012 at 21:50
´@altautonomer (21):Ich weiß nicht, ob es die wirklich gibt. Da draußen sind so viele leistungsgeile Jungbullen unterwegs, die tun alles, was geht, um sich aufzuputschen, egal ob Laufen, Fahren oder Eisen Pumpen. Was ich an
‘Fachkompetenz’ in Bikerforen gefunden habe, hat mir Tränen ins Gesicht getrieben – vor Lachen, weil ausgerechnet die Profis davon nichts wissen wollen.
Auf der anderen Seite gibt es Leute wie dich und mich, die einfach Spaß daran haben sich zu quälen ;-) Wenn ich sage, ich hätte EPO auch ausprobiert, dann um es mal zu erfahren, nicht um damit dauerhaft die Leistung zu steigern. Leute, die das machen, finden auch immer Substanzen, die gehen. Das ist ähnlich wie mit anderen Drogen, denk ich.
Februar 9th, 2012 at 21:56
@ Wolfgang:
Die Extremfälle haste so oder so, aber wenn man das ganze Drumherum so gestaltet, daß die Betroffenen nicht mehr kriminalisiert werden, dann funktioniert das mit der Prävention besser.
Dasselbe Ding hat man doch bei den psychotropen Betäubungsmitteln auch: mit Verboten verliert man die Kontrolle vollends und spielt noch dazu dem Schwarzmarkt in die Hände.
Februar 9th, 2012 at 21:57
@Wolfgang:
“dann kommt einer der noch mehr oder was anderes nimmt und der gewinnt erstmal, usw. usf.”
Eben nicht. Du kannst Vielleicht 120% rausholen, egal mit welchen Mitteln. Wenn es dann ohne großes Risiko und legal auf 118% rauf geht, werden sich alle überlegen, ob sie für die restlichen 2% alles riskieren – und dann immer noch langsamer sind als die mit der besseren Konstitution. Es geht darum, das Risiko umzukehren, das ist machbar, ebenso wie eine dann offene Diskussion, wo heute Schweigen und Ducken angesagt sind.
Februar 9th, 2012 at 22:07
Jeden Tag komme ich auf diese Seite, lese einen Artikel und denke mir einfach, der Flatter, das ist eine moralische Institution, da kann ich nichts mehr hinzufügen. Er hat alles gesagt, besser könnte ich es nicht ausdrücken. Z.B. bei den Artikeln zur Hessen-Mafia.
Und dann kommt eine flammende Entschuldigung für professionelle Betrüger, nur weil man das Hobby teilt? Ich will mich da noch nicht mal auf die Ebene einer White-List begeben. Was unterscheidet denn den ehemaligen Spitzensportler JU von dem Spitzenlobbyisten HOH? Beide haben entschieden, das dreckige Spiel der Moral- und Masslosigkeit auf die Spitze zu treiben, um maximalen Erfolg und Gewinn zu haben. Der Eine ist gezwungen vom bösen Establishment, der Andere der Teufel persönlich? Mit Radlerhose = Opfer, mit Krawatte = Bösewicht?
Come on! ;)
Februar 9th, 2012 at 22:23
@Horst: Ich glaube, das Haschisch-Beispiel funktioniert hier nicht, weil der Dope-Raucher das ja zum reinen Vergnügen, und nicht zur Leistungs- und damit auch zur Einkommenssteigerung macht.
@flatter: Die Frage ist, ob wir jetzt dann wirklich am Ende der Fahnenstange angelangt sind. Ich bezweifle das. Im Radsport z.B. wird seit Urzeiten gedopt was die Apotheke hergibt und ich vermute, man hat zu jeder Zeit gedacht: “Ok, das ist jetzt wirklich das wirkungsvollste, das es jemals geben wird.” Im Moment mag die Differenz nur minimal sein, aber irgendwann wird irgendjemand etwas entwickeln, dass den Sportler der es nimmt, auf 130 % katapultiert.
Februar 9th, 2012 at 22:35
Lang, lang is her, da sollt ich zum Rudern, wegen meiner Affenarme, hab abgelehnt, wäre KJS und sowas rausgekommen. Richtige Entscheidung, so ausm Bauch heraus…
Der Rest vom Sport den ich trieb hat gereicht die tragende Säule zu ruinieren, Sport is Mord, Massensport…
Februar 9th, 2012 at 22:36
Als leidenschaftlicher Fußgänger und ansonsten träge Sau frage ich mal blöd in die Runde, was denn am Spitzensport generell so toll sein soll; egal ob Champions League, Tour de Dope oder irgendeine andere Rahmenveranstaltung um eine Coca Cola-Reklame herum…
Ist es für einen Sportfan nicht viel geiler, wenn sich ein paar Amateure ohne obszöne Geldbeträge und/oder zugemüllt mit Sponsoren und Werbung und/oder Fanfare der BILD messen und ein paar Freunde oder Familie fiebern mit als irgendwelche gehypten Millionäre mit denen ich absolut nichts zu tun habe, nicht mal den Brotaufstrich?
Ist das alles nur Medienrummel?
Februar 9th, 2012 at 22:39
@ Wolfgang:
Hinsichtlich der psychischen Abhängigkeit und der gesundheitlichen Risiken ist der Unterschied erschreckend gering, weil es dabei relativ egal ist, ob das Vergnügen im Rausch- oder im Erfolgserlebnis liegt.
@ Benjamin:
It’s all about the Benjamins, baby!^^
Februar 9th, 2012 at 22:53
@Horst Horstmann Nr 30:”weil es dabei relativ egal ist, ob das Vergnügen im Rausch- oder im Erfolgserlebnis liegt.” Genau so is das. Der (zeitweilig) “Stärkste Mann der Welt” – Gerd Bonk – nu
macht er Wettrennen mit dem Bundesschäuble…fragwürdiger Ruhm, sag ich mal.
Februar 9th, 2012 at 23:08
@ langlode44:
Jupp, und genau sowat gilt es zu verhindern.
Das, was eh schon an Bedürfnissen in den Leuten steckt, bekommste nicht so schnell weg – wenn überhaupt.
Aber man kann etwas unternehmen, damit diese Bedürfnisse weniger häufig zu Problemen mutieren.
Weniger falsche Anreize setzen und mehr Information und fachliche Begleitung anbieten.
Februar 9th, 2012 at 23:15
@Shock (26) Wo steht da was von “Opfer”? Sehe ich nicht. Ein begnadetes Talent wie Ullrich, der in einer Wlet ohne Doping unschlagbar gewesen wäre, zum “Betrüger” zu stempeln, ist ein Urteil, das der Sache nicht gerecht wird. Ist schon ein bisschen arg simpel.
Die Kategorien gut-böse-Schuld sind meine nun wahrlich nicht. Ich “entschuldige” daher niemanden. Es geht mir um das System, und das haben die Sportler nicht erfunden. Die Zustände, die da herrschen, verdanken sich der Verwertungskette und einer medial verwursteten Idiotenmoral als Begleitmusik. Same procedure.
Es gibt sicher andere und prägnantere Beispiele. Ich habe eines gewählt, bei dem ich mich auskenne. Im Fußball wird übrigens auch nicht gedopt. Da gibt’s auch keine Schwulen. Die Welt ist schön.
Februar 9th, 2012 at 23:18
ist nur Schei..e, dass die Dosierung doch sehr fein vorgenommen werden kann, ansonsten, wäre doch mal ganz nett, wenn einer von den Id..tot vom Fahrrad fallen würde, am besten so 10 cm vor der Ziellinie. Kein Mitleid mit den Doofen.
Februar 9th, 2012 at 23:22
@Benjamin:
“Ist es für einen Sportfan nicht viel geiler, wenn sich ein paar Amateure ohne obszöne Geldbeträge …”
Wäre vielleicht, wenn nicht die Guten sofort nach oben weggekauft würden. Ich habe in der Jugend Handball gespielt. Der Verein hatte Kohle und sich die Jugendspieler anderer Vereine mit einer schönen Ausstattung und dem Prestige des ‘großen’ Vereins rangezogen. Heute werden für sogenannte “Amateure” im Fußball schon Millionen rausgehauen.
Februar 9th, 2012 at 23:27
Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer ist Frauenundkinderbomber Rudolf Scharping, ein entschiedener Gegner des Dopings, übrigens.
Im DDR-Radsport wurde nicht gedopt, zumindest nicht bis AK 16, das kann ich beschwören (TSC Berlin).
Man gewinnt weder die Friedensfahrt, noch die Tour dé France, durch irgendwelche Mittelchen. Fest steht, daß das Leben des größten deutschen Radsportlers seit Uwe Ampler (der bei der Tour und PDM ausstieg, weil ihm Mittelchen vom Team Telekom angetragen wurden:
https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13683682.html
seine Weltmeistertitel und Olympiasiege sucht euch selbst zusammen) versaut wurde und alle Beteiligten ihre Fürsorgepflicht gegenüber Schutzbefohlenen verletzt haben.
Der Rest steht ausreichend gut formuliert oben.
Ich, übrigens, hab’ 14 Tage vor wichtigen Rennen aufgehört zu Rauchen und Bier zu trinken, sehr überzeugende Leistungssteigerung und nicht nachweisbar.
Februar 10th, 2012 at 00:02
“aufgehört zu Rauchen und Bier zu trinken”
Na wenn eins verboten gehört, dann das!1!!
Februar 10th, 2012 at 00:05
…nach den Attacken auf den Radsport nehm ich mir erstma n Radler….
Doping für die Haare gilt hier nicht? Ich sag nur Alpecin….guckst du hier….https://www.wuv.de/nachrichten/unternehmen/doping_fuer_die_haare_warum_alpecin_jan_ullrich_zum_markenbotschafter_kuert
Dann sattle ich mal ab.
Februar 10th, 2012 at 00:06
Hm, eine gewisse Sorte Rauchen fällt doch bereits unter das Dopingverbot, wenn ich mich recht entsinne.^^
Siehe Abschnitt S8.
Februar 10th, 2012 at 00:17
@Flatter: Verstehe ich dich da jetzt richtig? Die Sportler sind nicht schuld, sondern das System treibt sie dazu zu dopen?
Mag ja sein, dass ein Jan Ulrich ein absolutes Ausnahmetalent ist, allerdings ist es dennoch ganz allein seine Entscheidung sich dafür zu entscheiden irgend welche Medikamente zur Leistungssteigerung einzuwerfen und nicht die des Systems.
Er hat es getan, genauso wie es viele andere tun (da stimme ich mit dir überein), aber seine Gründe dafür werden ganz sicher nichts mit Interesse am Radsport zu tun gehabt haben, sondern mit dem Willen und dem Wunsch nach Erfolg.
Das ist jedoch kein Problem des Systems, sondern eine Charaktereigenschaft, der ich persönlich absolut nichts positives abgewinnen kann. Allerdings hätte ich auch kein Problem damit, wenn all die Gleichgesinnten im Profisport sich für eben dieses Ziel ihre Gesundheit kaputt dopen… da bin ich dann definitiv auf deiner Linie.
Sport jedoch sieht für mich aber anders aus. Das hat was mit Spass zu tun und natürlich auch mit dem Spass daran sich zu messen, aber eben nicht um jeden Preis… zu verlieren gehört dazu.
Februar 10th, 2012 at 02:50
Ich bin mehr für Bodybuilding…
Februar 10th, 2012 at 04:31
an Benjamin:
ich seh das genauso wie Du!
Als früherer Besucher von Eishockeyspitzenspielen bin ich es satt, gut bezahlte Legionäre durch mein völlig überhöhtes Eintrittsgeld zu bezahlen. Sport dient zur Freude und zur körperlichen Ertüchtigung, gewinnen ist da eher die Zugabe, sollte aber nie das Ziel sein!
Es ist geradezu widerlich, wie einerseits Sportmillionäre vergöttert werden und andererseits gejammert wird über die Ungerechtigkeit im Lohngefüge…
Februar 10th, 2012 at 05:36
Die Tour wird am Berg oder im Zeitfahren gewonnen. Beides schöne Metaphern für die Selektionskriterien in unserer Marktwirtschaft.
Am Berg lässt man sich von seinen Helfern so weit wie möglich hoch bringen, den Rest muss man selbst bestreiten. Die Helfer landen mit glück im groupetto, ansonsten, ende gelände.
Beim Zeitfahren muss man sich als Einzelkämpfer beweisen, zeigen ob die genetische Ausstattung auch wirklich optimal trainiert, an die Bedingungen angepasst und auf den Punkt abgerufen werden können.
Das wird bewundert, auch von mir. Es ist eine eigentümliche Mischung aus “Teamwork”, jeder opfert sich für den Besten (aber manchmal auch umgekehrt), und zudem ein ästhetisches Heroren-Schauspiel.
Der Markt will natürlich immer nur die Besten der Besten dafür.
Ullrich:”"Ich wollte für die Tour 2006 nochmal alles rausholen. Nach meinem Toursieg 1997 und fünf zweiten Plätzen war der Druck der Öffentlichkeit, der Sponsoren und auch mein Eigendruck immens groß…”
Dass dann auch nachgeholfen wird (werden muss!), wen wunderts – diese ekelhafte Doppelmoral, aaaaaaaaaahhhhhhhhh
Februar 10th, 2012 at 07:48
@ flatter
Was du schreibst, finde ich sehr gelungen. Das Bescheißen findet als Kampf um Profite als Fight jeder gegen jeden auf allen Ebenen statt und natürlich machen auch wir mit, das unvermeidliche Publikum und glauben auch noch, dass es um “Moral” geht und dürfen uns aufregen. Bei Kafka gibt es die Parabel “Auf der Galerie” – ich empfehle sie als Lektüre. Darin ist das Wesentliche zu diesem Thema gesagt
Februar 10th, 2012 at 08:20
Es geht flatter unter anderem darum, zu belegen, dass der Spitzensport eine riesige Gelddruckmaschine ist, weil sie über Produktplacement nicht nur den Umsatz von Sportartikel fördert.
Nehmen wir einmal das Magdalenen Neuner Weissbier. Es hatte für mich den Anschein, dass Frau Neuner nach dem Sieg des Massenstarts in Oslo plötzlich das ganze Gesicht voller kleiner roter Pubertätspickeln hatte (Dopingakne – Fragezeichne?).
(Wer klug ist, begegnet den evtl. Spätfolgen des Doping durch frühzeitige Beendigung der Sportkarriere.)
Beim Erdinger läuft das so, dass die üblichen, im Bier vorhandenen Vitalstoffe medizinisch gehypet werden. Da stehen auch gleich Fachmeidiziner bereit, das Ganze zu begleiten.
Sportmedizin Seite 2: https://www.zeitschrift-sportmedizin.de/fileadmin/externe_websites/ext.dzsm/content/archiv2011/heft07_08/online_78_2011/121_dossier.pdf
Dazu wird das entsprechenden Thema ins Programm der Fortbildungsseminare von Sportärzten aufgenommen. Siehe Ruhrsportwochen in Sölden am 02.02.2012 Vortrag um 19.00 Uhr:
https://www.ruhrsportwoche.de/index.php?id=145
Prominenter Werbeträger für Erdinger alkoholfrei war vor M. Neuner der Triathlet Faris al Sultan. Vita:
IRONMAN Sieg, Hawaii Top 3 Weltbesten-Platzierung, weiterer Deutscher Meistertitel egal ob auf Kurz-, Mittel- oder Langdistanz. Natürlich alles nur mit Erdinger alkoholfrei in der Kehle.
Noch jemand, der wissen möchte, wie der Kuckuck in die Uhr kommt?
Februar 10th, 2012 at 08:52
Das Problem mit Doping ist dasselbe wie mit Kinderporno oder Vergewaltigung. Jeder, wirklich JEDER der mit diesen Dingen kompromittiert werden soll kann damit kompromittiert werden. Oder auch denunziert, ja geradezu unheilbar verraten.
Verteidigung und Rehabilitation sind unmöglich. Beweise spielen keine Rolle. Die Medien führen Anklage und Verurteilung, der Mob wird geil und fertig ist das Stück.
Beim Doping geht es darum sich jederzeit an jedem Ort IN den Körper schauen zu lassen. Diese Lektion gilt bald für alle, z.B. Verkehr, Beruf, Schule, charakterliche Eignung…
Da entstehen schöne neue Institutionen, Gesetze und Strafen… z.B. Verurteilung wegen nicht nachgewiesenem Doping (Contador)… 500 Tage Hausarrest in England wegen doppelter Nichtvergewaltigung in Schweden…
Februar 10th, 2012 at 09:00
So ein wenig OT, aber doch passend zum Thema “Leistungsgesellschaft”. Am Dienstag Abend lief auf 3Sat ne Sendung über Ritalin, wo Familien gezeigt wurden, die es jahrelang ihren Kindern verabreicht haben und zu Wort kommen. Auch Psychologen, Pharmaverterter, Kritiker, usw. War ziemlich interessant, da versucht wurde so neutral wie möglich zu sein und jeweils verschiedene Perspektiven zu liefern. Dennoch wars teilweise erschreckend, so z.B. eine Mutter sinngemäß:
“Besonders im Prüfungsstress hatte ich Sorge das mein Kind nicht die nötige Leistung erbringt, so habe ich teilweise der Versuchung nachgegeben die Dosis zu erhöhen. Aber natürlich habe ich dies sofort wieder eingeschränkt, wenn die Prüfungen vorbei waren”.
Es ist ja nicht unbekannt, dass auch bei Studenten Ritalin immer grössere Kreise zieht. Auch da will ich mich gar nicht als Moralapostel aufschwingen, sondern sehe das ähnlich wie flatter. Wir müssen uns einfach als Gesellschaft allgemein fragen. Akzeptieren wir solche Mittel als Leistungssteigerer und sollten eine Art weisse Liste dafür einführen mit entsprechenden Empfehlungen zur Einnahmemenge, Risiken, Nebenwirkungen, etc… oder Null Toleranz, aber dann bitte ohne die Doppelmoral.
P.S. Irgendwie muss ich gerade an den Film “Ohne Limit” denken.
Februar 10th, 2012 at 09:11
Umdenker
Die Kinder sehen doch schon bei ihren bekloppten Eltern was die alles einwerfen .. Schmerzmittel,Nahrungsergänzer,Appetitzügler … suche dir mal zusammen was das für ein Multi-Milliarden Markt ist !
Da gibts’s Eltern die das für ihre Kinder verschreiben lassen und selbst einpfeifen ! Da war letztes Jahr was bei E.W.Kreutzer darüber … Horror !
Der Rest des Medikamentenmissbrauchs und Doping sind nur die fortgesetzte logische Konsequenz ..
Februar 10th, 2012 at 09:19
@Umdenker:
Die Frage ist berechtigt und ich bin durchaus der Meinung, dass den Menschen die Freiheit gegeben sein sollte, einzuschmeissen was sie wollen. Das bezieht sich übrigens auch auf Drogen.
Kinder jedoch sollte man schon versuchen zu schützen, denn sie sind nicht frei in ihren Entscheidungen gegenüber den Eltern.
Februar 10th, 2012 at 09:30
@45: Das von meiner Seite erfolglose verwaltungsinterne Studium haben die meisten meiner Kollegen auch nur mit Ritalin und anderen Aufputschmittelchen gut überstanden. Zentrales Seletktionsmerkmal des Studiums war allein die Menge an Stoff – so viel ins Hirn prügeln wie nur möglich, stundenlanges Büffeln von kompliziertester Materie, ohne das Ganze in einen Gesamtzusammenhang einzuordnen zu können oder zu reflektieren. Wer wegen ner Erkältung 1-3 Tage mit 6 Schulstunden “Vorlesung” versäumt hatte, hatte aufgrund der hohen Schlagzahl quasi Null Chance, es wieder aufzuholen. Wer z. B. erkältet war, dröhnte sich zu ohne Ende und schleppte alle Viren in die Schule, weshalb der halbe Lehrsaal am Ende krank wurde – aber da man nix versäumen dürfe. Die Krankheitstage waren auch gedeckelt, ab einer bestimmten Zahl wurde man nicht zur Prüfung zugelassen. Es wurde den Studenten erfolgreich eine Ideologie der Selbstaufgabe und Selbstausbeutung eingeimpft. Am Ende gab es unter den Studenten so ne Art Wettkampf, wer sich am längsten daheim eingeschlossen hat. Freizeit galt als verachtenswert.
Das Problem ist wirklich, dass ein derart krankes, hohes Niveau gefordert wird, dass vielen gar keine andere Möglichkeit bleibt als die Leiden irgendwie zu mindern/betäuben. Das Erschreckende dabei ist aber, dass eben niemand überhaupt den Gedanken entwickelt hat, diese dazu führenden kranken Verhältnisse zu kritisieren bzw. zu beseitigen. Im knallharten Wettbewerb unter höchster Anspannung ist man über jeden Konkurrenten froh, der sich nicht anpasst und infolge dessen unter die Räder des Systems gerät. Mich hat am meisten verrückt gemacht, dass eben niemand den Status Quo erkennen oder gar daran was ändern wollte…!
Februar 10th, 2012 at 11:17
Ich bin etwas verwirrt über die Aussage von Flatter, dass Ulle ein Opfer des Systems sei. Dann wäre auch Ackermann oder die Mutti ein solches. Ein bisschen Eigenverantwortung muss schon noch sein, auch wenn ich nicht nicht bestreiten möchte, dass die Verhältnisse einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Menschen haben.
Bei noch einer Aussage von Flatter biegt es mir die Zehennägel nach oben. Die DDR Radsportler hätten nicht gedopt, weil sie ja nicht an der Tour de France teilgenommen hätten. Normalerweise würde ich das als weltfremd abtun. Aber wie jedem Sportler, sei auch Flatter mal ein Aussetzer verziehen.
Februar 10th, 2012 at 11:26
Opfer zu sein schließt doch eine Mitschuld nicht aus.
Entwickelt doch mal ein paar mehr Graustufen…^^
Februar 10th, 2012 at 11:42
Wenn hier noch einer behauptet, ich hätte “Opfer” gesagt, dem zeige ich, was ein Opfer ist.
Ich bin einigermaßen beeindruckt, wie weit hier die “selber Schuld”-Einstellung fruchtet. Es ist das System, System, System. Selbstverständlich hat auch Ackermann den Kapitalismus nicht erfunden. Stellt euch vor: Es könnte eine Welt geben, in der der Herr brav seine Bohnen züchtet und die Erbsen im Garten zählt. Auch Ackermann ist nicht “selbst schuld”. Nur wer das begreift, versteht in Ansätzen, was ein System ist.
Februar 10th, 2012 at 11:57
“Auf Anraten meiner Anwälte und wie es in solchen Fällen üblich ist, habe ich zu den Vorwürfen geschwiegen.” (aktuelle Erklärung von Jan Ullrich)
Wie es in solchen Fällen üblich ist – und jetzt frage ich mal, wem diese übliche Praxis nützt.
Februar 10th, 2012 at 12:06
@flatter: Aha, es ist also das System, welches einen in den Profiradsport drängt? Wer zwingt einen denn dazu diesen Sport auf diese Art zu betreiben? Es ist ja nicht gerade so, dass man sich hinstellt und in die Welt hinausbrüllt: Hallo, hier bin ich, als Profi gebohren!
Meinst du nicht, dass man auf dem Weg zum Profi genug Einsicht in die Mechanismen dieses -und auch jeden anderen Sports auf Profiebene- erhält, dass man durchaus genug Möglichkeiten hat zu sagen, dass man das so nicht will?
Das System mag ja scheiße und scheinheilig sein. In der Hinsicht will ich dir gar nicht widersprechen, aber die Entscheidung sich zum Teil davon zu machen kommt immer noch von jedem dieser sogenannten Profis selbst.
Februar 10th, 2012 at 12:08
Es ist beides:
das System oder die Systeme und die wiederum von Menschen gemacht.
Wir sind frei im Erkenntnisdrang und im Entscheiden.
Ich trage Verantwortung für mich selbst und ein wenig für andere mit, zur sozialen Kompetenz gehört auch Nein sagen zu können – aber ok., das ist ja nun wirklich nicht neu.
In Gedanken und Gedenken leg ich hier mal einen Blumenstrauß für Marco Pantani ab.
@ Dennis
Immerhin hast Du es mitbekommen.
Februar 10th, 2012 at 12:19
@Rossi:
“Meinst du nicht, dass man auf dem Weg zum Profi genug Einsicht …”
Nein. Im Fall Ullrich kann ich nur schmunzeln über diese Frage. Der Mann wurde in der DDR geboren und war knapp 16, als die Mauer fiel. Glaubst du, dem hat irgendwer gesagt: Du wirst in ein paar Jahren ein neues Dopingmittel nehmen müssen, um vorn dabei zu bleiben? Ich schrieb dazu bereits: Heute muss man schon vor den Schrank gelaufen sein, um das mitzumachen.
Zweitens ändert es das System aber nicht, wenn nur noch halb so viele Kandidaten einsteigen. Im Gegenteil ist das eine weitere fatale Selektion.
Drittens trifft im System jeder ab und an Entscheidungen. Die Wahlmöglichkeiten gibt aber das System vor. Das kennst du z.B. von Parlamentswahlen. Jeder Ansatz, der das Individuum in den Mittelpunkt stellt, ist daher für die Tonne.
Februar 10th, 2012 at 12:27
Ich meinte natürlich @47.
Das Problem ist, dass Ullrich als Teil des Zirkus Profiradsport ja auch selbst lange Zeit unheimlich von seinem Betrug profitiert hat. Exklusivverträge mit der ARD, Werbung, Preisgelder usw. Seine Altersversorgung wird er sicher bei ner Schweizer Bank gut angelegt haben – und auch aus diesem Grund hält sich mein Mitleid in Grenzen. “Selber Schuld” mag in vielen Fällen ein hartes Urteil sein – aber nicht bei JU. Menschlich mag er damals noch so symphatisch gewesen sein – selbst heute ist er nicht in der Lage und Willens, offen und ehrlich zuzugeben, dass er wie 90% aller anderen Radprofis auch nur wie ein toter Fisch im Strom mitgeschwommen ist. Zumal es ja auch noch mehrere Vorgeschichten gab wie die Fahrerflucht (als er nen Fahrradständer plattgemacht hat) und den angeblich eingeworfenen Partydrogen in ner Disco (erster positivier, jedoch nicht verurteilter Dopingbefund, der zum Rausschmiss bei Telekom führte). Jedenfalls: Jeder im Fahrerfeld, der die Praktiken dieser “ehrenwerten Gesellschaft” öffentlich macht, ist geliefert.
Februar 10th, 2012 at 12:36
Da kann ich jetzt um ehrlich zu sein nicht viel zu sagen, da ich eigentlich Null Bezug zu diesem Sport, eigentlich sogar zu jedem Profisport habe. Vielleicht ist Ullrich wirklich die Ausnahme, aber es ging dir doch wohl nicht um den Einzelfall oder?
Das System ändert es nicht, wenn jemand für sich entscheidet, das Spiel nicht mitzuspielen, aber bei der Sache geht es doch eigentlich auch sowieso vielmehr darum sich DAFÜR zu entscheiden. Wer sagt einem denn, dass man seinen Sport auf einem solchen Level betreiben muss außer der eigene Ehrgeiz (oder die Aussicht auf die große Kohle)?
Soweit oben mitmischen zu wollen impliziert für mich generell schon eine ziemlich verkrampfte Einstellung zum Sport, der mich daran zweifeln lässt, dass das noch irgend was mit Freude zu hat… außer der Freude über einen Sieg. In der Konsequenz bin ich daher durchaus deiner Meinung: Freigabe für alle Sportler!
Das ändert aber nichts daran, dass ich darin eine kranke Einstellung zum Sport an sich sehe.
Februar 10th, 2012 at 12:46
@Dennis: Ich kann nicht verstehen wie du einerseits feststellst: “Jeder im Fahrerfeld, der die Praktiken dieser “ehrenwerten Gesellschaft” öffentlich macht, ist geliefert.” und dann von “Betrug” redest bei einem, der macht, was alle machen. Aber das sind diese moralischen Kategorien, die ich nie verstehen werde.
@Rossi: Das kann ich nachvollziehen. Andererseits: Sportliche Wettkämpfe gibt es seit Jahrtausenden, womöglich schon immer. Wie sich der Bezug zur Leistung und die konkrete Praxis gestaltet, ist wiederum eine Frage des Systems. Die Sportler betreffend ist das Problem nicht zuletzt, dass sie als Jugendliche, wenn nicht schon als Kinder ins System einsteigen. Wenn sie Pech haben, stehen sie dann irgendwann vor der Wahl: HartzIV oder Millionär. Da würde sogar ich schwach;-).
Februar 10th, 2012 at 13:00
@flatter: Kommt halt drauf an, wen man als Adressat des Betruges sieht. Betrügen Doper eigentlich nur ungedopte oder auch andere gedopte Sportler, also hebt sich der Betrug quasi dann teilweise wieder auf? Auf jeden Fall betrügen sie diejenigen (Fans und Öffentlichkeit), die an deren Sauberkeit glaub(t)en.
Februar 10th, 2012 at 13:31
Sehr schöner Artikel. Exakt der, den ich dieser Tage vermißt, von der herrschenden Medien-Nomenklatura aber gar nicht erst erwartet habe.
Hochleistungssport = Doping, Doping = Hochleistungssport.
So einfach ist das. Und sogar noch schlimmer: denn selbst wer heutzutage ein Jedermannrennen gewinnen will, muß sich mittlerweile “schneller” machen.
Februar 10th, 2012 at 13:38
dennis82
Guckst du ( 6 )
Als “Leistungssportler” hast du irgendwann, und auch karrieremaessig ziemlich schnell, dein genetisches Potential austrainiert … Steigerung ist dann nur noch mit Aufbau-Präparaten möglich . Jeder will mehr..schneller höher weiter ..der Verein die Sponsoren die Fans ..wer da nicht mitmacht ist als ” Profi ” schnell weg vom Futternapf..
Schöne Augenwischerei vom sauberen Sport,dem Zusammenhalt und der Kameradschaft .. so wird’s verkauft so wollen es die Fans sehen ;-) Verarsche und Profit is all about..
Die Entwicklung und Fortschritt der Doping Industrie laesst sich an den Leistungssteigerungen seit den 60′gern dokumentieren :-)
Februar 10th, 2012 at 14:24
Ein Anreiz zur Leistungssteigerung von Beamten im öffentlichen Dienst bei eingefordertem Kadavergehorsam bildet das “Beförderungsdoping”. In moralischer Hinsicht mit schweren Schäden an der Zivilcourage verbunden. ;-) In meinem Fall gab es dreißig Jahre vor dem Rentenbeginn die letzte “Dope”.
Februar 10th, 2012 at 14:31
altautonomer
Hör mal auf zu flennen ….Hättest mal das Parteibuch wechseln sollen :-P
Dann klappt’s auch mit dem “Dope”
Februar 10th, 2012 at 15:24
Jaja, den wirtschaftlichen Anreiz als Doping, den stellt man mir gerade auch in Aussicht – ganze 1,2 Milliriesen pro Stunde.^^
Februar 10th, 2012 at 18:37
Doping für Alle erschwinglich?
Hatte mal ‘ne Katze, die hatte Nierenprobleme und sie bekam EPO-Ampullen vom Tierarzt verschrieben, fünf oder sechs Stück für ‘nen Hunderter, kein Mucki-Buden-Scheiß sondern von Bayer (glaub ich).
Februar 10th, 2012 at 19:00
Kleine Ergänzung, weils so schön paßt:
Sportpolitik, Das Beispiel Contador
Februar 10th, 2012 at 19:58
@Lazarus09: Jeder von uns war mal jung und naiv! ;) Hab ja auch in meinem ersten Beitrag geschrieben, dass es niemals was für mich gewesen wäre und ich wegen dieser Gründe ja selbst auch auf Hobbyrennen verzichte.
Februar 10th, 2012 at 22:53
Über die Sinnhaftigkeit diese Urteils der CAS muss nicht lange diskutiert werden, aber dennoch die Frage: Who cares? Radfahren ist eh ein lahmer Sport…