Sie ist ja nach wie vor eine meiner Lieblinge, die Frankfurter Rundschau, aber ich mache mir große Sorgen. Ein Artikel, der seltsamerweise auf den 16.06. datiert ist, wurde vor einigen Tagen als Klickstrecke dort eingebaut. Er ist eine Art Krisenszenario, das mit dem offenbar Schlimmsten endet: Einer absoluten Mehrheit der Linkspartei, der natürlich der totale Untergang folgt.

hangman

Gilt als Revolutionsopfer: Geschummelter griechischer Hahnenkämpfer

Das Stück ist stilistisch wie logisch ein Teil für die Tonne. Es setzt gerade dort an, wo eine Perspektive erweitert werden könnte: Was wäre, wenn Deutschland in der Lage der Griechen wäre? Was dann aber kommt, taugt nicht etwa zu irgend einer Aufklärung oder Diskussion, sondern taumelt zwischen unfreiwilliger Komik und purer Propaganda. Wahlweise könnte es auch die schlechteste Satire des Jahres sein.

Nach der Linkspartei das Armageddon

Zitat:
Bei abermaligen Neuwahlen erringt die Linkspartei eine absolute Mehrheit. Sie beschließt: Jetzt müssen die Unternehmen und die Reichen ran. Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer (Einnahmen 20-70 Milliarden Euro pro Jahr) scheitert zwar am Widerstand der von EZB und IWF. Dafür steigt der Spitzensteuersatz von 42 auf 53 Prozent (10 Milliarden Euro), die Erbschaftssteuer wird erhöht (5 Milliarden Euro), die Körperschaftssteuer steigt um 10 Prozentpunkte (12 Milliarden Euro). Dazu führen die Linken noch einen Soli auf Einkommensteuer und Körperschaftssteuer in Höhe von 10 Prozent der Steuerschuld ein (23 Milliarden Euro) und halbieren die Subventionszahlungen an Unternehmen (15 Milliarden Euro).
Damit hat Berlin die Konsolidierung halbwegs geschafft. Allerdings treten die Unternehmer in den Investitionsstreik und flüchten nach Monaco. An den Finanzmärkten stürzen Bundesanleihen ab. Die Wirtschaftsleistung bricht ein und Chaos aus. In allen großen Städten werden zentrale Plätze von Demonstranten besetzt. Das Land steht still, die Bundeswehr rückt ein.

Ich hätte diesen Mumpitz nicht erwähnt, wäre nicht heute ein Text nachgereicht worden, der auf peinlichste Weise den Lesern einen Mann anpreist, der dem Lohnschreiber gerade groß und wichtig erscheint. Schon die Überschritt ist unerträglich suggestiv:
Lucas Papademos: Blitzgescheit und topseriös“.
Es bleibt nicht einmal eine Zeile zum Luftholen, in der man sich überlegen kann, was man von dem Kerl hält, einem Technokraten und Banker von der Art, wie ihn kritische Geister gerade nicht haben wollen. Was soll das überhaupt sein: “topseriös”? Entweder einer ist seriös oder er ist es nicht, aber top- mittel- oder halbseriös sind sinnlose Worthülsen.

Hat den Ruf, gilt als, friss das!

Was hat Autor Thomas Schmid anzubieten, um seine Behauptung zu stützen? Hörensagen:
Papademos, ein Finanzexperte mit ergrautem Haar und buschigen Augenbrauen, hat den Ruf, blitzgescheit zu sein und vor allem topseriös.
“Hat den Ruf”! Irgendwer sagt sich das also. Wer mag das sein? Linke? Banker? Transatlantiker? Verschwörungstheoretiker, Esoteriker oder Kleingärtner? Oder neoliberale Leitartikler vielleicht? Suchen Sie sich etwas aus.

Jedenfalls sind irgendwie Griechen gemeint, jene Griechen, die
von ihrer politischen Klasse Schummeleien und Hahnenkämpfe gewohnt sind“. Auch dazu keinerlei Details, es ist der blanke verblödende Boulevard, der verstärkt, was der Leser gefälligst zu denken hat und dazu die Stereotypen raushaut wie Konfetti. Immerhin erfahren wir: Papademos ist Vizechef der Europäischen Zentralbank gewesen. Der geborene Regierungschef also. Wirklich interessant ist die Information, die freilich im luftleeren Raum schwebt:

Von 1994 bis 2002 war er der Direktor der griechischen Notenbank. In dieser Zeit bereitete er zusammen mit der sozialdemokratischen Regierung Griechenlands Aufnahme in die europäische Währungsunion 2001 vor.

Keine Frage

Wäre es nicht angebracht, an dieser Stelle aufzumerken und die eine oder andere Frage zu stellen? Was wusste Herr Papademos über den Zustand der griechischen Wirtschaft und des Staatshaushalts vor der Euro-Einführung? Kannte er die Lage? Wie konnte es dann zur Aufnahme Griechenlands in die Eurozone kommen? Oder wusste der Mann nichts von der realen Lage? Was taugt er dann? Und was ist das für eine “Demokratie”, wo einer die Regierung führt, der ganz offensichtlich andere Interessen vertritt als die seines Volkes?

Hätte man ja mal fragen können. Man hätte versuchen können, andere von seiner Meinung zu überzeugen oder diese zur Disposition stellen. Aber das ist wohl nicht nötig, denn der Bankenretter der Hellenen ist doch topst höchst unbezweifelbar seriös und vermutlich der klügste Professor Griechenlands.
Wenn ich so etwas haben will, muss ich nicht die FR lesen. Dann muss ich gar nichts lesen. In die Blätter, die das für Journalismus halten, lasse ich mir nicht einmal den Fisch einwickeln.