Soziale Gerechtigkeit vs. Ergebnisgerechtigkeit
Posted by flatter under Politik[74] Comments
09. Dez 2010 17:30
In den Argumentationen der Neoliberalen taucht regelmäßig die Vokabel “Ergebnisgerechtigkeit” auf, wenn es darum geht, die Forderung nach mehr sozialer Gerechtigkeit abzuwehren. Verbunden wird das gern mit dem Vorwurf einer “Vollkaskomentalität” – so spricht etwa Thomas Straubhaar (INSM) gern von einer “Vollkaskoversicherung für alle oder eine Ergebnisgerechtigkeit, die allen den gleichen Lebensstandard verspricht“. Ihnen liegt die (freilich immer nur behauptete) “Chancengerechtigkeit” am Herzen, die Vorstellung also, alle stünden auf derselben Startlinie und seien fortan für ihr Schicksal selbst verantwortlich.
Quelle: Wikimedia Commons
Dass dies schon grober Unfug ist, weiß jeder, der sich mir den gesellschaftlichen Realitäten befasst. Die Faustregel der Wirklichkeit lautet: Wer reich geboren wird, bleibt reich, wer arm geboren wird, bleibt arm. Und selbst wenn es anders wäre, bedeutete Chancengerechtigkeit, dass die Schnellen davonziehen und die ohne Beine halt sitzen bleiben. “Gerecht” ist da gar nichts.
Im Kern auch dieses Propagandainstrumentes steckt ein überzeichneter Aspekt sozialer Wirklichkeit. Es spielt freilich auf niedere Motive an, in diesem Fall vor allem auf einen verdrehten Neid. Es könnte ja jemandem gut gehen, obwohl er nichts tut. Es könnte sein, dass jemand für weniger Arbeit mehr Geld bekommt. Und während das ja absolut stimmt und eigentlich gegen die unerhörte Bevorteilung der geneigten Oberschicht spricht, findet es Anwendung ausgerechnet auf die Ärmsten. Die seien faul und hätten das Nötigste nicht verdient. Im gleichen Atemzug nennt man die Kritik am mehrtausendfachen Einkommen der Reichsten eine “Neidkampagne”. Willkommen im Irrenhaus!
“Ergebnisgerechtigkeit”, die also nachher etwas nivelliert ohne Rücksicht auf das, was vorher geleistet wurde, gibt es durchaus. Sie wird sogar im Voraus festgelegt, man nennt das “Vertrag” oder auch “Gehaltsvereinbarung”. Egal, ob die Bank nachher pleite ist, der Konzern zerschlagen oder der Betrieb ruiniert, es wird bezahlt wie vereinbart.
Das Volkseinkommen und dessen Verteilung aber soll nicht einmal annähernd ausbalanciert werden dürfen. Jeder Eingriff in die Schieflage der Verteilung sei böse “Ergebnisgerechtigkeit”, Sozialismus, Kommunismus, Teufelszeug. Das wird selbst dann noch so propagiert, wenn für jedermann erkennbar die Umverteilung nach oben längst ein katastrophales Maß erreicht hat.
Das Spiel ist äußerst durchschaubar, und wer noch immer nicht davon überzeugt ist, dass etwas nicht stimmt in den Medien und der öffentlichen Kommunikation, sollte angesichts dieser Begriffsverwirrung doch ebenfalls stutzig werden. Oder hört schon niemand mehr hin, wenn es um Arm und Reich geht in diesen seltsamen Zeiten?
Dezember 9th, 2010 at 19:26
Hier ist eine Stellungnahme des INSM-Botschafters Straubhaar, die BGE-Befürwortern zu denken geben sollte, ob sie das genau so wollen:
https://www.hwwi.org/uploads/tx_wilpubdb/HWWI_Standpunkt_127.pdf
Ich verlinke das, weil an dieser Stelle verschiedentlich das BGE bereits Thema war. Grundsätzlich ja, aber aufpassen, Leute…
Hierzu auch:
https://www.grundeinkommen.de/25/02/2010/straubhaar-plaediert-im-spiegel-fuer-grundeinkommen.html
Dezember 9th, 2010 at 19:48
Hallo NochEiner. Das paßt ganz gut u.a. wegen gewisser Formulierungen, die genau auf diese roboterhafte Gleichheit aller abheben. Tja, wenn ich mich mehr angestrengt hätte und jetzt König von Deutschland wär’…
-> flatter: Endlich mal keines deiner krassen Bilder à la Jogi Löw mit der Perücke von Ringo Starr.
Grüße aus dem verschneiten Odenwald
Dezember 9th, 2010 at 20:06
@ R@iner
Tja, wir Odenwäldler… Es ist schon ein Luxus, sich nicht anzustrengen, nicht wahr?
Dezember 9th, 2010 at 20:22
Hab gestern nen ziemlich cooles Zitat bei Alpha Centauri gehört: “Der Mensch entscheidet sich nur dann für die klügste Lösung wenn alle anderen Optionen ausgeschöpft sind”. Das Problem ist, ich weiss nicht ob mir dafür die Hoffnung und Lebenszeit ausreicht.
Dezember 9th, 2010 at 21:12
-> NochEiner: Ich stamme nicht von hier und werde hier wahrscheinlich auch nicht noch viel älter. Meine Schreiben beende ich trotzdem hin und wieder mit ‘Grüßen aus der Odenwelt’. Schön isses hier, aber die Leute hier müssen schon einiges ertragen mit meiner ständigen Politisiererei. Aber ich sage dir, daß viele ‘einfache Leute’, wenn sie nicht ordentlich geerbt haben, die Faust in der Tasche ballen. Da gefällt mir die 400 Euro Jobberin in der Bäckerei besser als meine Studienkollegen aus dem für mich korrumpierten Bildungsbürgertum von früher.
Dezember 9th, 2010 at 21:22
Als nächsten Versuch erwarte ich noch die freiheitsbasierte Gerechtigkeit, und als letzten Akt eine Art von, sagen wir, gerechter Gerechtigkeit. Derlei Hülsenfrüchte fliegen sicherlich bald herum. Das Problem ist die Verteidigung des Systems, das jetzt als Ursache jeder einzelnen Misere erkennbar wird. Die Teppiche sind zu kurz.
Es fehlen etliche Waggons mit Meinungsumfragen. Wenn die ausgeladen sind, werden wir wissen, wissen sollen, meine ich, dass nur die Krise die Ursache der Krise sein kann. Ein paar sind da schon noch, denen das einleuchten wird. Ich bin auf die akrobatischen Übungen der Erklärerzünfte nicht mehr gespannt, da ich weiß, wie sie aussehen werden. Es wird in immer kürzeren Abständen immer verrücktere Erfolge geben. Mein persönlicher Wunscherklärer bleibt unangefochten der Herr von Dohnanyi. Weil: er ist mein Sinnbild. Das so nebenbei.
Ich glaube, es war vor ein paar Jahren mein erster Kommentar hier bei Feynsinn, in dem ich diese Art nach vorne geschautes Erfolgsgestürze vorausgesagt habe. Mein Vorausblick heute sagt mir, dass man sein persönliches Umfeld und die sympathiegetragenen Kontakte darüber hinaus in Ordnung halten soll. Ja, leicht gesagt.
Dezember 9th, 2010 at 22:11
@ R@iner No 5
Ja, ja, es lebe die Bäckerblume…
Dezember 9th, 2010 at 22:17
-> NochEiner: Mir scheint, dir sitzt heute der Schalk im Nacken.
Dezember 9th, 2010 at 22:39
https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%A4ckerblume
Dezember 9th, 2010 at 22:49
Ich kenne die Bäckerblume. Die anderen hier wissen aber nicht, daß die Odenwälder seitens der Rheinauenbewohner nicht gerade den besten Ruf genießen, was ihre Bemühungen um die Erringung transzendentaler Erkenntnis angeht.
Dezember 9th, 2010 at 23:26
Meine Hoffnung war ja, dass dieses Gesindel nach dieser Wirtschaftskrise endlich mal den Sabbel hält, aber nein… Es geht gerade weiter :/
Dezember 10th, 2010 at 08:53
Wer so ne Dialektik draufhat wie Straubhaar & Co., muss seinen Hegel und Marx in Moskau noch vor Glasnost studiert haben. Offenbar alles Marxisten da bei der ISNM.
Dezember 10th, 2010 at 09:01
Das Bild ist…interessant.
Neid ist ein wichtiges Thema. Profiteure des Systems sprechen gern vom Neid der Unterprivilegierten, um sie mundtot zu machen, aber das, was du verdrehten Neid nennst, diese widerliche Missgunst der Oberen ist wohl das eigentliche Problem, weil völlig unbegründet.
Und wenn es ihnen gerade passt, ist Neid ja plötzlich auch in anderer Hinsicht was feines. Freilich nennen sie’s dann Ansporn, aber Neid könnte es genauso heißen, motivierender Neid.
Alles eine Frage des Blickwinkels.
Dezember 10th, 2010 at 10:22
Das ist mir zu heile Welt.
Ich kenne eine 91 jährige Dame die wenig Rente bekommt.
Im gleichen Haus wohnt eine Quartalssäuferin und Hartz IV lerin mit Advocat.
Die 91 jährige Dame verbraucht 3000 Wärmeeinheiten.
Die Quartalssäuferin 12000.
Nur so mal als Einwurf, das Selbstverantwortung kein böses Wort sein sollte.
Es gibt sie oben und unten, die keine Skrupel haben.
Dezember 10th, 2010 at 10:56
Ja, soll die sich mal aufrappeln, die olle Alkoholikerin und mehr lachen. Das ist auf Dauer der gesündere Weg zu besserer Laune.
Bist du Blockwart?
Dezember 10th, 2010 at 11:26
Salve meint:
Dezember 10th, 2010 at 10:22 :”Es gibt sie oben und unten, die keine Skrupel haben.”
Das ist wahr, aber nun wirklich nichts neues unter der Sonne!
Der Unterschied ist doch der, dass die “oben” ihre Skrupellosigkeit auf dem Rücken der da “unten” in ganz anderen Dimensionen mit ganz anderen für die Gesellschaft katasrophalen Folgen austoben können.
Geschichte und Gegenwart können davon wahrlich “Lieder singen”!
Noch nebenbei: Die Heizkostenpauschale ist in den meisten Kommunen derart niedrig angesetzt, dass sie nicht mal annähernd die tatsächlichen Heizkosten(ohnhin ohne Warmwasser) abdeckt, so dass ein Großteil der Hartz 4 Empfänger gezwungen ist, einen nicht geringfügigen Teil der ohnehin schon niedrigen Regelsätze für eine warme Bude abzuzwacken.
In den Massenmedien wird diese Tatsache aber praktisch ausnahmslos unterschlagen.
Dezember 10th, 2010 at 11:41
“In den Massenmedien wird diese Tatsache aber praktisch ausnahmslos unterschlagen.”
Und jetzt auch bei mir in den Kommentaren. Ich bin begeistert!
Dezember 10th, 2010 at 12:30
Die Verketzerung der Todsünde Neid in der christlichen Lehre habe ich immer nur so verstehen können, dass sie dem Schutz der Besitzenden gegenüber den Habenichtsen dient. Neid ist die Triebfeder des Wirtschaftens. Insofern ist es nur komisch, wenn Christdemokraten und andere Marktwirtschaftsschlaumeier angesichts sozialer Forderungen von “Neiddiskussion” und einer “Neidgesellschaft” sprechen. Reine Demagogie. Die Besitzenden hätten nix ohne ihren Neid. Bei manch Einem ist die Triebfeder aber doch schon ein wenig ausgeleiert, solche ziehen sich dann zurück, sind mit weniger zufrieden. Schlecht für die Wirtschaft. Neid orientiert sich öfters horizontal nicht vertikal, zumindest solange man unten steht. So können wir hier unten nicht verstehen, wie unglaublich reich mensch sein kann, jubeln zwanzigjährigen Fussballern zu, die Millionen mit Balltreten verdienen, fallen auf die Partei der Besserverdienenden herein und sehen die Ordnung als gottgegeben an, vekneifen uns den gesunden Neid.
Dezember 10th, 2010 at 12:48
@ 14 Salve
Bekommt die 91jährige Dame alles, was ihr zusteht? Aufstockende Grundsicherung? Wohngeld? Viele schöpfen die Ansprüche nicht aus, begnügen sich mit Minimalrenten.
Dezember 10th, 2010 at 13:05
Hallo flatter, bald ist Bewerbungsschluss. Wie wär ´s?
https://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/wichtige_ankuendigung/
Dezember 10th, 2010 at 13:09
@ Bankunin, liebes, ned nur die heizkostenpauschale wird in den meisten Kommunen derart niedrig angesetzt, dass sie nicht mal annähernd die tatsächlichen Heizkosten(ohnhin ohne Warmwasser) abdeckt, so dass ein Großteil der Hartz 4 Empfänger gezwungen ist, einen nicht geringfügigen Teil der ohnehin schon niedrigen Regelsätze für eine warme Bude abzuzwacken., auch für die Miete müssen sich QuartalssäuferInnen und andere monatlich was aus ihrem Gerippe rausschneiden. Ist bei meiner alleinstehenden nachbarin, die zwar keinen Alohol trinkt, dafür aber ein paar Jährchen vor ihrer Rente nochmal Hartzkarierre machen durfte, nicht anders als bei der Mutter nebean u. ihren Kinderchen.
Dezember 10th, 2010 at 13:23
@NochEiner: Willste mir dem Tach versauen? Die Gutaxler? Pfui Deibel …
Dezember 10th, 2010 at 13:25
Zum Bild noch eine Anmerkung. Die Favela, ich meine den Teil links auf dem Bild, heißt Paraisópolis (~Paradiesstadt). Das Gebäude rechts ist einer von zwei gleichartigen Türmen, die ‘Paço dos Reis’ (~Palast der Könige) genannt werden.
Dezember 10th, 2010 at 13:51
Ja…ja die Todsünde Neid. Apropos; kommt man in den Himmel nur weil man auf den Teufel neidisch ist, der ja seit Ewigkeiten den lieben Gott einen guten Mann sein läßt und trotz alledem immer gut beheizt wird? Da stellt sich mir die wichtigste Frage an: Muß ich auch im Himmel arbeiten?
Dezember 10th, 2010 at 14:09
Ihr wißt genau , dass weder Heiz- noch Mietkosten pauschaliert werden dürfen.
Während der Begriff angemessene Mietkosten sich rechtlich anhand des Mietspiegels und des örtlichen Wohnungsmarktes definieren läßt, ist dies bei den Heizkosten nicht möglich.
Die Änderungen Frau von der Leyens am SGB2, die jetzt zur Verhandlung im Bundesrat anstehen, sollen genau diese Pauschalierung von Miet- und Heizkosten ermöglichen.
Damit werden frühere Urteile des Bundessozialgerichtes wieder aufgehoben.
Es ist genau dies eingetreten, was ich mit den Äußerungen erwartet habe, Egoismus ist die Realität, wird aber geleugnet. Altruistische Handlungen gibt es allenfalls in der Familie.
Auf die Demo gegen den Sozialabbau gehen sollen mal die Anderen.
Dezember 10th, 2010 at 14:31
lieber salve
es gibt hier in meiner stadt sogut wie keine whgen die der angemessenheitsrichtlinie entsprechen. noch nicht mal bei den öffentl. geförderten! um da eine whg zu bekommen, musst du jahrelang auf einer warteliste schlange stehen. das interessiert aber weder die kommune noch das job center.
nun heisst es also wieder einmal mehr. eigenintiative, klagen klagen klagen. widersprüche werden abgelehnt. ich sehe keinen sinn mehr in diesen klagen. es tut mir leid. die menschen zermürben und geben sich irgendwann ihrem schicksal hin. der eine oder andere wärmt sich dann eben an anderen hochprozentigen dingen.
ich persönl gebe auch bald klein bei und steige einfach aus.aber nur, weil ich das glück habe, dass sich diese möglichkeit mir zufällig bietet. allerdings erst dann, wenn ich ein günstiges quartier für meine 2 größte gefunden habe. denn die will ja hier bleiben, sich bilden und ihre eigenen wege gehen.und das mögl. ohne hartz Iv. fakt ist näml. dass es für uns alle weder ein quartier gibt, das der sogenannten angemessenheitsrichtlinie entspricht, noch eines, das sich von einem kümmerlichen niedriglohn finanzieren lässt.
was also tun um diese misere abzuschaffen?
Dezember 10th, 2010 at 14:32
@Salve: Ob es Egosimus gibt oder ob man den einer bestimmten Bevölkerungsgruppe ständig in den Vordergrund schiebt – nebst so niedlichen Konnotationen wie der zum Alkoholismus, das ist doch die Frage.
Dezember 10th, 2010 at 14:34
@ flatter No 22
Ich leiste Abbitte…
Aber, ist es nicht fein, wie hier diffamiert werden soll, indem eine Metaebene erklommen wird, die den Gutaxlern nun wirklich nicht zusteht?
Dezember 10th, 2010 at 14:39
Ochyo, so arbeitet er halt, der Boulevard.
Dezember 10th, 2010 at 15:19
@Geheimrätin
Ohne Druck wird sich nichts ändern.
Du kriegt Hartz IV – Empfänger nicht auf die Demos.
Das ist mein Problem.
Menschen die sich für Politik und die soziale Fragen interessieren sind die Ausnahme.
Dezember 10th, 2010 at 15:41
@salve
Das ist ja gerade das Problem…..nicht einmal der Teufel schert sich hier um Heizkosten. Ich möchte nicht wissen wie schlimm dieser Winter in die Erfrohrenenstatistik (wenn es denn so Eine überhaupt gibt) eingeht. Dank Hartz IV.
Übrigens….es gibt meines Wissens dazu keinerlei Erhebungen (warum wohl?! Ein Wissen darum, wäre unterlassene Hilfeleistung)
Nebenbei mal so bemerkt: Druck zerstört alles, auch langsam schwierig aufgebautes….denk mal drüber nach…
Weg mit dem Druck!!! Damit ist natürlich nicht C4 gemeint.
Dezember 10th, 2010 at 16:42
[...] Soziale Gerechtigkeit vs. Ergebnisgerechtigkeit In den Argumentationen der Neoliberalen taucht regelmäßig die Vokabel “Ergebnisgerechtigkeit” auf, wenn es darum geht, die Forderung nach mehr sozialer Gerechtigkeit abzuwehren. Verbunden wird das gern mit dem Vorwurf einer “Vollkaskomentalität” – so spricht etwa Thomas Straubhaar (INSM) gern von einer “Vollkaskoversicherung für alle oder eine Ergebnisgerechtigkeit, die allen den gleichen Lebensstandard verspricht“. Ihnen liegt die (freilich immer nur behauptete) “Chancengerechtigkeit” am Herzen, die Vorstellung also, alle stünden auf derselben Startlinie und seien fortan für ihr Schicksal selbst verantwortlich. Dass dies schon grober Unfug ist, weiß jeder, der sich mir den gesellschaftlichen Realitäten befasst. Die Faustregel der Wirklichkeit lautet: Wer reich geboren wird, bleibt reich, wer arm geboren wird, bleibt arm. Und selbst wenn es anders wäre, bedeutete Chancengerechtigkeit, dass die Schnellen davonziehen und die ohne Beine halt sitzen bleiben. “Gerecht” ist da gar nichts. Quelle: Feynsinn [...]
Dezember 10th, 2010 at 17:03
+++ Ticker Eilmeldung +++
Aktion 20 – Zeigt Roland Koch der Sozialpolitik die rote Karte?
Aus der Presseabteilung der Firma Bilfinger und Berger wurden unserem Redaktionsteam vertrauliche Dokumente zugespielt, die den ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten, der im kommenden Jahr stufenweise das Amt des Vorstandsvorsitzenden des Bauunternehmens übernehmen wird, von einer bisher unterrepräsentierten Seite erscheinen läßt.
Es handelt sich bei den uns vorliegenden Papieren um die Notizen einer Abschrift einer von Roland Koch vor dem Vorstand gehaltenen Rede und um bis zu zwei Bauplänen nach ISO 123 im DIN A8 Format.
Der Vollblutpolitiker möchte nach Verlautbarung eines nur der Redaktion bekannten Mitarbeiters der Presseabteilung der Firma seine neue Stellung dazu nutzen, um seine Dankbarkeit gegenüber seinen früheren Wählern und deren jahrelanger Unterstützung seiner politischen Ziele zu zeigen und der Gesellschaft insgesamt etwas zurückgeben.
“Die neue Wohnungsnot” – Originalton Koch – “muß ein Ende haben”.
Sein Plan umfaßt den Bau von fensterlosen Energiespar-Einraumwohnungen mit einer Grundfläche von jeweils 20 Quadratmetern, die optimal auf die Bedürfnisse sozial Schwacher zugeschnitten wurden. Begonnen werden soll das Projekt im Süden Frankfurts, um nach erfolgreicher Einführungsphase möglichst schnell auch in anderen Großstadtrandzonen Deutschlands Einzug halten.
Mit “Jede Minute zählt”, wie es im Abdruck der intern gehaltenen flammenden Rede Kochs heißt, wird dem Ernst der Lage Rechnung getragen.
Die Gebäude sind mit einer bisher nicht realisierten Rundum-Infrastruktur (R.I.-Projekt) versehen, die sich dadurch auszeichnet, daß im Untergeschoß der Hochhäuser anstelle der Parkdecks Einkaufsstraßen den Hausbewohnern alle Güter des täglichen Bedarfs bieten sollen. Von A wie Ananas über B, wie Beerdigungsinstitut bis Omega, wie Obstsalat in Dosen sollen von in der Größe auf das notwendige Maß reduzierte Einzelhandelsgeschäfte liefern, deren Betreiber ebenfalls eine Wohnung zur Verfügung gestellt würde.
Unsere redaktionsangehörigen versierten Experten aus dem Ressort Vermischtes lobten das Projekt beim Betrachten der Baupläne, die eine große Ähnlichkeit mit Bierdeckeln aufweisen, in den höchsten Tönen und attestieren dem Vorhaben eine hohe ökologische Effizienz bei gleichzeiter baulicher Ästhetik. Die grün gestrichenen Fassaden würden sich hervorragend in jede Landschaft einfügen und so jedes Stadtrandgebiet zu einem dauerhaft als angenehm empfundenen Lebensraum erweitern, lautet das einheilige Urteil unserer katholischen Architekturspezialisten.
Ein weiteres Zitat aus dem internen Papier zur Stärkung des Sozialstandortes Deutschland lautet: “Es kann nicht angehen, daß sozial benachteiligten Menschen, zu denen auch immer mehr Rentner gezählt werden müssen, derart große Wohnungen zugemutet werden dürfen”. Alleine das tägliche Staubwischen überfordere immer mehr gerade die Älteren.
Das Fehlen der Fenster wird nach einem in Auftrag gegebenen sozialpsycholgischem Gutachten des firmeneigenen Institutes unter der Leitung von Prof. Dr. psych. et aleri causa Jürgen Hack E. Dicht von Bewohnern nach einer zu vernachlässigenden Übergangszeit von ca. 2 Tagen bis 1 Jahr von einem überwiegendem Großteil von mindestens 2 Promille nicht mehr als störend wahrgenommen.
Gleichzeitig werden dabei die Energiekosten um 77,29434% (Proz. v. o.) reduziert. In Anbetracht solcher Zahlen werden andere Bauplanungen geradezu deklassiert. Erst der zur vollen Entfaltung kommende Genius eines erfahrenen Politikers läßt eine ganze Generation von Bauträgern als fortschrittsfeindlich, ja unsozial erscheinen.
Wir meinen, daß der anspruchsvolle und ehrgeizige Vorschlag des zukünftigen Vorstandes viel Wirbel in unsere Republik bringen wird, vereint das Projekt Aktion 20 christliche Grundwerte und eine ausgewogene Sozialpolitik mit der wirtschaftlichen Notwendigkeit der Wohnraumbeschaffung. Herr Koch beginnt seine neue Karriere mit einem Trommelschlag, denen selbst langjährige Kritiker nichts mehr entgegenzusetzen haben werden.
Dezember 10th, 2010 at 18:22
[...] [...]
Dezember 10th, 2010 at 18:57
Hallo Salve, hänge dich bloß nicht an “pauschalieren” und “angemessen” zu sehr auf, in der Praxis läuft es ohnehin ziemich auf das gleiche hinaus.
Ob beim “Rot-”Roten” Senat von Berlin oder im tief-schwarzen BaWü, die Heizkosten werden von den Kommunen im Rahmen des SGB XXX in “angemessener” Höhe nach Alter, Bauart, mit oder ohne Wärmedämmung des Hauses und noch paar anderen Punkten in derart “angemesser” Höhe übernommen, dass praktisch für einen großen Teil der Bedürftigen die Alternative besteht, ein dicken Batzen vom Regelsatz für eine warme Bude zu opfern oder den halben Winter mit dicken Pullovern, Mänteln verpackt(alles “Empfehlungen” des “Sozis” Sarazzin!) in einer nur düftigst beheizten Wohnungen zu verbringen.
Wohlgemerkt: “angemessen”, wenn es denn beliebt!
Im Gegensatz dazu wurden von der alten Sozialhilfe die tatsächlichen Heizkosten in voller Höhe übernommen, Guthaben mit der lfd.Sozialhilfe verrechnet, Nachzahlungen aber ebenfalls übernommen.
(so viel zur “Besserstellung” der ehemalige Sozialhilfebezieher durch Hartz 4 laut Münterfering, Clement, Schröder, Sarazzin & Co.)
Zu deinem: “Du kriegt Hartz IV – Empfänger nicht auf die Demos.”
Und wozu? Sich anpöbeln oder blöde anglotzen zu lassen von den “Anständigen”, sich vielleicht auffordern zu lassen, “lieber eine Arbeit zu suchen statt zu demonstrieren”….(“kaum” noch Arbeitslose, “Hände ringend nach Arbeitskräften suchende Firmen”, “oft fehlende Qualifikation”…)?
Wärst du im 3. Reich freiwillig mit einem Gelben Stern “auf die Strasse” gegangen und hättest von der damaligen Regierung und deren massenhaft zustimmenden Bürgern eine “bessere Behandlung” verlangt?
Nun?
Dezember 10th, 2010 at 21:23
“Das Spiel ist äußerst durchschaubar, und wer noch immer nicht davon überzeugt ist, dass etwas nicht stimmt in den Medien und der öffentlichen Kommunikation, sollte angesichts dieser Begriffsverwirrung doch ebenfalls stutzig werden.”
Weißt du was das Witzige ist? Die “Neoliberalen” sind sich genauso sicher wie du, dass sich die Medien fest in des eigenen Feindes Hand befinden. Ist überall zu lesen.
Dezember 10th, 2010 at 21:34
Guter Artikel. Die wahre Dekadenz kommt nicht von Unten sondern vielmehr aus der anderen Richtung.
Dezember 11th, 2010 at 09:28
sagt mal, kennt jemand Sam Pizzigati’s Buch ‘Greed and Good’.
(Ist ein US-Gewerkschafter — Ja, sowas gibts!)
Mächtige 684 Seiten.
Komplett online da:
https://www.greedandgood.org/NewToRead.html
In Buch 3 entwickelt er einen interessanten Ansatz:
—-
Book Three: An End to Greed?
–Alternatives to Inequality
–Historic Struggles
–Contemporary Options
–Enter the Ten Times Rule
–A Maximum Wage
–Life in a Ten Times Rule America
Sehr lesenswert!
Dezember 11th, 2010 at 10:52
-> groo: Danke für deinen weiteren Zutrag für die Bücherecke. Bei Gelegenheit werde ich mal reinschauen.
Eine interessante Lektüre dürften auch die letzten beiden Bücher der ‘Empire’-Trilogie von von Hardt/Negri sein.
‘Common Wealth: Das Ende des Eigentums’
‘Multitude: Krieg und Demokratie im Empire’
Ich gebe zu: Den ersten Teil (‘Empire’) fand ich als Nicht-vwler schwer zu lesen und habe es dann irgendwann auch gesteckt, weil es sich ohnehin nur um eine Bestandsaufnahme handelt, so kam es mir jedenfalls vor. Die beiden anderen Bände kenne ich selber nicht, habe mir nur mal länger von einem Doktoranden, der sich die Werke ‘vorgeknöpft’ hatte ein paar Dinge aus deren Inhalt erklären lassen, die mich optimistisch stimmten. Das Problem dabei ist, daß man sich trotzdem erst die Sprache mit der operiert wird, in irgendeiner Form aneignen muß.
Dezember 11th, 2010 at 11:33
@R@iner,
Hardt/Negri finde ich auch schwer zu lesen, obwohl sie schon einen Punkt haben.
Es kann ja nicht sein, dass nur eine winzige Gruppe die kodierten Thesen verstehen kann!
Ist wohl nützlich für die kleine Intellektuellenschicht, die den Jargon mit der Muttermilch aufgesogen haben.
Ich gehöre nicht dazu, und bin auch immer auf der suche nach einer einfacheren Sprache.
Das Thesengebilde ist mE aber weitgehend konsistent:
zB Wilkinson et al:
https://en.wikipedia.org/wiki/Richard_G._Wilkinson
Das Hauptwerk gibts bei Zweitausendeins auf Deutsch.
Kurz: Es gibt mE eine ziemlich komplette ‘Problemanalyse’ und recht gute Ansätze, die Probleme zu lösen.
Auf der ‘anderen Seite’ sind psychisch gestörte, selbstzentrierte Charaktere, die vor lauter Narzissmus und noch heftigerer Persönlichkeitsstörungen sich dem Offensichtlichen verweigern.
Versteh ich auch.
Kranke/Süchtige haben halt ihr spezifisches Weltbild, das sie dann mit Zähnen und Klauen verteidigen.
Ich bin da -als eher pessimistisch Eingestellter- zZ recht optimistisch, dass das in absehbarer Zeit zu einem grossen showdown kommen wird.
Die Karten liegen alle auf dem Tisch.
(Selbst meine FDP-’Freunde’ sind mittlerweile recht konsterniert. Was man ja an den Umfragen erkennen kann.)
Flatter kondensiert das immer recht schön.
Deshalb lesen wir ihn ja gerne ;)
OK.
Grüsse.
Dezember 11th, 2010 at 12:07
Nochwas:
ich bin letztens auf auf eine interessante Quelle gestossen:
“The Art of Not Being Governed”
Vordergründig eine ziemlich dröge Materie.
Ist es aber nicht.
Habe etliche Zeit verbracht herauszufinden, ob der Übergang von Hunter-Gatherer zu Agriculturan Settlers automatisch zu Hierarchie-Besitz-Geld etc
führt.
Das ist mitnichten der Fall!
Es gibt offenbar auf allen Kontinenten Gegenmodelle:
zB die Mapuche in Südamerika, und eben die Zomia in Südostasien, die Scott untersucht:
“The Art of Not Being Governed”
https://asiapacific.anu.edu.au/newmandala/2010/07/05/review-of-art-of-not-being-governned-tlcnmrev-viii/
Das sind/waren nicht ‘Primitive’, sondern sophisticated Handlungsdmodelle, die sich der gängigen TINA Version, dass sich Gesellschaften sozusagen zwangsläufig hierachisieren, entgegenstellen.
Habe offline ein längliches Video, wo Scott die These eräutert. (Yale U.)
Ist ziemlich dröge, wenn man sich für die Problematik nicht interessiert.
Liefere auch keinen link dahin.
Wens wirklich interessiert, der findet das auch.
Dezember 11th, 2010 at 12:55
R@iner meint:
Dezember 10th, 2010 at 17:03
+++ Ticker Eilmeldung +++
Aktion 20 – “Zeigt Roland Koch der Sozialpolitik die rote Karte?”
Wieso muss Roland Koch der Sozialpolitik die “Rote Karte” ausdrücklich zeigen?
Klebt nicht allen Imperialisten, Ausbeutern, deren Stiefelknechten und Hofschranzen, Hofnarren jeglichen Metiers diese “Rote Karte” quasi “naturgegeben” bereits auf der Stirn?
Und wenn wir schon von “Sozialpolitik” kapitalistischer Länder reden, war diese nicht das Ergebniss geschichtlicher gesellschaftlicher Bewegungen, Ereignisse, Reaktion der Herrschenden auf mächtige Widerstände, Klassenkämpfe?
Und wenn diese zur Zeit praktisch “ausfallen”, wozu dann noch den “Luxus” von “Sozialpolitik” ….., mal ganz einfach und direkt aus der Perspektive, mit den Augen der Herrschenden, Ausbeutenden gesehen?
Dezember 11th, 2010 at 13:39
Mal provokant:
‘Proletarier’ aller Länder:
Wieso bildet ihr Euch nicht?
Pizzigati, Scott, Hardt/Negri, Zizek, Krysmanski, Wilkinson, Corning …
Etwas filtern und ordnen, und schon wird ein ‘Gesicht’ /Fratze draus.
Keine Schimäre!
Koch, Merkel, Kirchhof, Hartz, Ackermann, Schröder, die fast unendliche Kette von Darstellern und make-believern von what exactly? — was soll das?
Meine Güte.
Also: nicht rumlabern und lamentieren.
Das ist garnichtmal normativ, was gegen die steht, sondern faktisch!
Die Gegenthese ist FAKTISCH begründbar!
Habe mich etliche Jährchen mit den Überlegungen kluger Leute rumgeschlagen.
ZB auch Peter Corning:
https://en.wikipedia.org/wiki/Peter_Corning
Basic needs, hierarchy of needs, complex societies, complex systems.
Ein paar Jahre braucht es schon (zumindest für mich, vielleicht bin ich ja etwas begriffstutzig, aber ich möchte jeweils schon die Gründe wissen), dann ‘weiss’ man das nicht nur intuitiv, sondern kann es sogar HART begründen.
Dass man dann weitgehend allein dasteht, irritiert mich dann schon etwas.
Zerlegt man mal das ganze Gewebe von Unsinn, das täglich so verzapft wird, bleibt ein harter Kern von Bedingungen übrig, unter denen Gesellschaften dauerhaft existieren können.
TINA 2, wenn ihr so wollt.
Mit samstäglich frustrierten Grüssen.
Dezember 11th, 2010 at 14:01
‘Proletarier’ aller Länder:
Wieso bildet ihr Euch nicht?
Pizzigati, Scott, Hardt/Negri, Zizek, Krysmanski, Wilkinson, Corning …
‘Wir’ müssen halt warten, bis diese (die Krymanskis und so) endlich mal ‘fertig’ damit sind, den Kapitalismus ‘neu zu beschreiben’.
Dann müssen ‘wir’ mindestens noch so lange warten, bis ‘wir’ begriffen haben, daß ‘wir’ ‘wir’ sind – aber eigentlich dauert es deshalb nur noch länger…
Außerdem, wozu sollte sich wer vereinigen, wenn es dann erstmal doch nur andere Oberhäuptlinge gibt, die eh wieder wissen, wie ‘wir’ zu leben haben.
Also machen wir das nicht, bis uns selbst mal was einfällt – kann aber dauern.
Das Leben bildet prima – nur eben schmerzhaft – und gaaaaaaaaaanz langsam
Dezember 11th, 2010 at 14:23
@Wat #44
Ich verstehe momentan garnicht recht, was Du sagst.
‘Wir’ müssen eben NICHT warten.
Müssen erstmal nur verstehen!
Dein Kommentar schmerzt mich.
Irgendwie.
Spreche ich immer noch zu kodiert, oder worum gehts?
Dezember 11th, 2010 at 14:38
“Das Leben bildet prima – nur eben schmerzhaft – und gaaaaaaaaaanz langsam”
Stimmt schon.
Aber wohin bildet es?
Zu Zynismus?
Das ist allein UNSERE Sache!
Glaub mir!
Zynismus ist nicht die Lösung.
Sagen wir: Sarkasmus ist OK.
Aber Zynismus: Never!
Dezember 11th, 2010 at 14:48
groo meint:
Dezember 11th, 2010 at 14:38
“Zynismus ist nicht die Lösung.”
Sagt man nicht, Zyniker sind nur enttäuschte Idealisten?
Dezember 11th, 2010 at 15:00
@bakunin #47
sagt man, stimmt aber -ganz allgemein gesagt- nicht.
Der Zyniker verabschiedet sich ins Nirvana der beliebigen Thesen, der Sarkast bleibt irgendwo in der Welt, so bitter das ist.
Da ich mit etlichen ‘Zynikern’ zu tun habe, und mich dann frage, ob sie nicht doch nur Sarkasten sind… muss ich sagen: sind sie nicht doch nur Sarkasten?
Ist irgendwie wie eine Rettung ans andere Ufer.
Aber ehrlich gesagt: Ich weiss es nicht.
Vermute das nur.
Ziemlich schwierig, das.
Dezember 11th, 2010 at 16:39
Da Ihr es ja so mit Literaturempfelungen habt:
Meiner Ansicht nach spricht Carl Amery, das schwelende (sic!)Feuer an:
“Hitler als Vorläufer. Auschwitz – der Beginn des 21. Jahrhunderts”. (antiquarisch über ZVAB)
Noch schlimmer ist nur noch Edgar Hilsenraths “Nacht”. (antiquarisch über ZVAB) Wer sich das antun, ergo lesen, will, sollte sich rein prophylaktisch vor dem Bucherwerb eine Woche krankschreiben lassen.
Ohne Witz….hat weh getan….
Dezember 11th, 2010 at 16:48
Hallo groo, der Sarkast ist wohl noch immer ein wenig ein Revolutionär, möchte die Dinge ändern, glaubt noch ein wenig daran, dass dies möglich sei.
Der Zyniker dagegen düfte sich in den meisten Fällen mit den Gegebenheiten, den realen Machtverhältnissen abgefunden haben, kann oder will an keine Veränderung mehr glauben, sein Zynismus dürfte als eine Art Kokon anzusehen sein, hinter dem er sich irgendwie innerlich verbirgt, eine Art geistiges Schneckenhaus.
Den Zyniker schlechthin dürfte es ohnehin nicht geben, denn es gibt sie in allen Schichten, Klassen, woraus dann wieder geschlossen werden könnte auf sehr unterschiedliche Motive des Zynismus.
Ich würde daher den Zynismus weniger für eine bestimmte Denkungsart ansehen als eher eine bestimmte allgemeine Haltung, zu der man unter bestimmten Umständen langsam kommt….
Dezember 11th, 2010 at 16:50
@carlo #49
Carl Amery/Jean Amery.
Sollte unser Kaliber sein.
Dezember 11th, 2010 at 17:24
@groo
Ach groo, wenn ich doch Zyniker werden könnte…, vergiß es, gelingt mir eh nicht, nicht einmal, wenn ich es wollte ;-)
Nee, Bildung ist schon ok – nicht nur das, sie ist wirklich wichtig, aber was da so momentan an ‘Neu-Bildungsvarianten’ herumgeistert, scheint mir nur zu … wie nenne ich es… manifestieren, daß es da dann bessere und schlechtere Proletarier gibt, jedenfalls muß es da dann immer noch welche geben, die auf die anderen ‘aufpassen’, für diese planen, ihnen sagen, was sie richtig machen soll(t)en.
Eben der Traum des Kleinbürgers, dann doch wenigstens noch ‘Oberplaner’ der Proletarier werden zu können, wenns sonst schon nicht ‘reicht’ odda so^^.
Und wenn mich das dann nicht bös’ macht, sondern nur für meine Lebenszeit hoffnungsloser, finde ich, geht das schon in Ordnung.
Es ist aber kein Zynismus, daß das Leben Bildung ist. Ist nur ‘praxisorientierter’, denn die theoretischen ‘Linien’ sind entweder ‘verbrannt’ oder oder wollen altes, verbranntes in neuem Gewand wieder haben – merken es nur nicht.
Was weder das eine noch das andere, wird verworfen – weil ja so alt.
Wenn die ‘Zeit reif ist’, werden die/wir Menschen schon machen. Wenn die Köpfe langsamer arbeiten als die Zeit… hm, ‘wir’ werden sehen.
Erklären, was hier abläuft, kann man – mir scheint, es hören immer mehr zu.
Daß das auch in Handeln umschlägt, muß es noch mit ihren eigenen Denkblockaden ‘korrespondieren’.
(Da kommt dann immer: Ist mir zu konkret/ Ist noch nicht umsetzbar… und so)
Nebenbei muß ich dann immer noch gucken, ob und wo meine(!) Denkblockaden (noch) sind.
Wird schon.
Btw. – Etwas ‘zufriedener’ mit mir?
Dezember 11th, 2010 at 17:46
@wat#52,
man reibt sich so aneinander, und missversteht sich
zuweilen.
Man achtet aufeinander.
So durch den Äther — ist das doch schon was!
Hätte ich nicht erwartet!
Dezember 11th, 2010 at 17:51
Nicht dass ich mich in die Versuche eher privater Definitionen einmischen will, aber die Kyniker waren keineswegs Zyniker in dieser Auslegung. Es gibt durchaus unterschiedliche Hunde: Wadenbeißer, Dogs of War, aber auch unerschütterliche Lebenskünstler.
Der Augstein und ich, wir sind Zyniker.
Dezember 11th, 2010 at 18:07
@groo
Wer ‘draußen’ eine ‘Antenne’ für Menschen hat, hat sie auch hier ‘drinnen’ ;-)
Dezember 11th, 2010 at 18:41
@flatter #54.
Ist ja gut!
Kommuniziere mit den Damens, und dann kommst Du daher! ;
Dezember 11th, 2010 at 19:06
@wat #55
daran kann man nur arbeiten.
Erstmal ist das ja nicht so.
Die Antennen müssen erst gebaut werden.
Und ob dann Empfang da ist?
Klingt alles nach Baustelle.
Man baut/hat ein Radio, und schwupps, ist da Empfang.
Funktioniert nicht so.
Alles ziemlich komisch, bis man Empfang hat.
Dezember 11th, 2010 at 19:31
@groo
Klar, die Frequenzen müssen sich finden – wenn da aber jemand nicht nur auf Senden sondern auch auf Empfang ‘geschaltet’ ist, ist die Baugrube für das Fundament schon mal da.
Wir hören lieber auf – sonst wird uns flatter zu recht zerknirscht ;-)
Wir sitzen schließlich in seinem Wohnzimmer.
Dezember 11th, 2010 at 20:15
@wat#58
yep, er kann fürchterlich wütend werden ;)
Wohnzimmer ist schliesslich Wohnzimmer ;)
Dezember 11th, 2010 at 20:39
@wat:
Ähem.
mein Neffe:
https://www.prontosystems.org/
Hehe!
(ich bin unsichtbar)
Dezember 11th, 2010 at 20:47
Wenn dann noch groo etwas meinen würde…
Dezember 11th, 2010 at 21:05
@Huuh (Rrah)#61
wo meinst Du, wozu ich was meinen sollte?
Sags, dann tu ichs schon!
Dezember 11th, 2010 at 22:24
-> Bakunin: Ich wollte nur mal wieder ein Bullshitbingo im 4 Sterne Hotel abhalten. Berührungen mit der Wirklichkeit sind rein zufällig, wenn auch beabsichtigt. Lach’ doch auch mal…
-> groo: Ich habe mein bisheriges Leben gebraucht, um ein wenig Durchblick zu erhalten, der allerdings immer tiefer greift. Was das Lesen und die Bildung angeht, bin ich mir nicht mehr sicher, wann genau der Punkt erreicht ist, ab dem man das nicht mehr braucht. Ich will damit sagen, daß der Zweck der kritischen Durchleuchtung nicht angehäufte vor Sachlichkeit strotzende Kritik sein kann, die alles andere im Sinne Platonscher Rhetorik niederzuschmettern vermag. So macht man sich keine Freunde, wenn man keine Machtposition innehat und die üblichen Arschkriecher applaudieren.
Vorhin habe ich mich mit jemandem unterhalten, der mir sagte, Politik und Wirtschaft würden ihn garnicht interessieren aber die Auswirkungen sehr ärgern.
Ich gab zur Antwort, daß es reichen würde nicht zu tun, was Einem durch die ständigen Wiederholungen aufgetragen würde, sondern bereits die Besinnung auf Mitmenschlichkeit und Solidarität der Samen von Veränderungen sein könnten. Man hörte mir zu und nickte wortlos.
Wenn wir nur fressen, ficken, fernsehen – aber mit Bewußtsein – wollten und das mit einer Tüte toll klingender Argumente garnierten, dann wäre mir das – für mich gesprochen – zu karg.
Einen angenehmen Abend an alle.
Dezember 11th, 2010 at 22:50
@R@iner,
…
dann wäre mir das – für mich gesprochen – zu karg.
…
Richtig.
Der wahre Buddhist regt sich über garnix mehr auf.
FFF ist schon unterste Schublade, die manche auch noch zur obersten machen.
Ich rege mich noch immer über irgendwas auf.
Aber ich arbeite dran, dass das aufhört!
Dezember 11th, 2010 at 22:57
-> groo(64): Ich sehe mich weit vor den höheren Stufen, aber unser Wissen sollte doch für irgendetwas taugen und kein Selbstzweck sein. Die Zugehörigkeit zum Kreise der Gleicheren unter Gleichen zu erlangen sehe ich nicht als erstrebenswert an und das ist keinesfalls ein Streben nach Gleichgültigkeit, wenn ich deinen Verweis auf die Buddhisten richtig als ironische Bemerkung zuordne.
Dezember 11th, 2010 at 23:14
jetzt wo Du es sagst:
Die Religionen -bis zum Buddhismus- haben die eingebaute Tendenz, die ‘Schuld’ zu verinnerlichen, damit die Schuldigen im Diesseits möglichst ungeschoren davon kommen.
Hoffe, ich habe das bis morgen nicht vergessen!
Nächtle
Dezember 12th, 2010 at 10:56
@ groo und R@iner
Hört lieber auf, den lieben Gott zu ärgern, denn der nimmt bittere Rache…
https://info.kopp-verlag.de/hintergruende/europa/leo-degard-und-robert-muentefering/das-dritte-geheimnis-von-fatima-rekonstruiert.html
Dezember 12th, 2010 at 11:22
@NochEiner#67,
wo treibst Du Dich denn rum?
…
Fazit: Die Fatima-Botschaft ist die Warnung vor dem Kommunismus
…
Das würde dann wohl heissen, dass Gott kein Kommunist ist.
Neugierige Frage:
unten auf der Seite liest man ja allerlei interessante Sachen von Eva Herman. Ist das DIE Eva Herman?
Dezember 12th, 2010 at 12:49
Ich fühle mich mißverstanden, lege ich mich doch grundsätzlich nicht mit Göttern an. Dem angesprochenen Verlag sagt man üble Verbindungen nach. Ich denke, daß es (ja der) Eva Hermann nicht klar ist, wer ihr da eine Platform bot, so hoffe ich wenigstens. Ich hatte noch andere Sachen gelesen, aber für das Gröbste wird man hier fündig: https://de.wikipedia.org/wiki/Kopp_Verlag
-> NochEiner: Und nicht, daß Du uns demnächst David Icke hier reinträgst.
Dezember 12th, 2010 at 13:05
Ich fühle mich ebenfalls mißverstanden. Bei der Schöpfung habe ich nicht zufällig darauf geachtet, daß sich die Sterne nicht um die Erde drehen. Ich verbitte es mir daher, dass mein Ratschlluß mit sogenannten “astrologischen” Methoden durch den Kakao gezogen wird. Das auch noch in meinem Blog zu verlinken, ist der Gipfel der Blasphemie!
Dezember 12th, 2010 at 14:14
Amüsant, was hier mittlerweile alles verlinkt wird…
Aber in Rückbesinnung auf flatters obigen Artikel möchte ich auf die morgige Ausgabe “Unter den Linden” auf Phoenix verweisen. Da geht Lafontaine mit meinem speziellen Freund INSM-Hüther in den Clinch.
https://www.phoenix.de/content/phoenix/die_sendungen/diskussionen/344545?datum=2010-12-13
Grüße
Dezember 13th, 2010 at 14:25
Neid, ja schon. Aber hier wird schon zuvor auf den Stolz zugegriffen. Diese Ich-lastige Ideologie setzt auf die Vermeidung der Kränkung des Ich. Die ganze Phalanx an Abwehrmechanismen, die das Ich vor unerträglichen Gefühlen und Affekten schützen, läuft auf hochtouren. Nicht nur vor den Erfahrungen der Vergangenheit muss geschützt werden, nun sind es die Tatbestände der Gegenwart und die Möglichkeiten der Zukunft die auf das Ich eindrücken. Die ganze salbige Psychologisierung der Gesellschaft (think positiv, wie sie ihr leben erfoglreich…) ist der Schaum auf einer giftigen Brühe. Und die Menschen wissen das. Am Ende zählt das Kontokorrent und dessen Füllung durch eigenes Handeln. Die Erklärungsangebote für das Scheitern, für die also ungleichen Ergenisse des Lebensprozesses, sind auf ein einziges zusammengestrichen: du selbst warst es in aller deiner Einzigkeit, der gescheitert ist. Da holt uns Satre ein, der alberne Scheinradikalist, der auf seine praktischen Lebensvoraussetzungen nicht reflektieren konnte und Gedankenblasen erzeugte. Der Mensch ist zu zwei drittel nicht er selbst, seine Ichsphäre ist wie ein Segelboot auf stürmischer See. Es mag lenken und rudern, aber es wird getrieben von der stürmischen See. Das ist natürlich schon kränkend genug. Bis man an sich die nichtselbstkonstruierten Anteile herausgefunden hat, wenn man überhaupt einmal auf den Gedanken kommt, kann schon mal das halbe Leben vergehen. Das ist Beschäftigung mit der Geschichte größtenteils, seiner eigenen, seiner kollektiven usw. Dann wird man sich wundern, welchen Schubkräften man ausgesetzt war, aber auch was man alles braucht von anderen Objekten (können Menschen sein, aber auch Ideen und Vorstellungen), damit man selbst wer werden kann. Aber anstatt daraus wenigstens sozialmaterialielle Konsequenzen zu ziehen, wird im kollektiven Wahn die Ichsphäre fantasiert, die für alles und jedes zuständig sein soll. Und um so kleiner das Ich, um so unwissender es ist, um so leichter glaubt es an seine Allmächtigkeit. Das ist das Objekt seines Stolzes. Es ist schon erstaunlich, wie leicht sich dieser Neusprech durchsetzen kann, wie leicht man von den eigenen Ichfremden Anteilen seiner eigenen Konstitution ablenken kann, wie man die irrwitzige Idee massenhaft konsensfähig machen kann, jeder Mensch könne alleine für sich sein Leben meistern. Ein Zustand der Dauerschizophrenie. Also der Stolz auch, nicht nur der Neid.
Dezember 13th, 2010 at 16:05
@flavo#72
schön geschrieben.
Da kommt zu den drei Kränkungen der Menschheit beim Leistungsträger noch eine vierte dazu:
Wenn er gesagt bekommt, dass garnicht ER es ist, der da was leistet ;)
( https://de.wikipedia.org/wiki/Kr%C3%A4nkungen_der_Menschheit )
Dezember 13th, 2010 at 16:23
-> flavo(72): Gut gesprochen. Um die Ursache der arktischen Kälte zu verstehen, die mir beim Lesen von Sartre früher bis ins Genick kroch, habe ich lange gebraucht, aber ich hätte es nie so schön ausdrücken können wie Du. Manchmal braucht es eben wirklich das halbe Leben oder länger. Ich tröste mich dann damit, daß andere bis zu ihrem letztem Atemhauch die instinktiv richtigen Ideale ihrer Jugend weggesperrt halten.
Alle guten Dinge muß man sich Stück für Stück erarbeiten. Für alles andere gibt es bekanntlich visa und mastercard.