Journalismus


 
Es ist ein Irrtum zu glauben, drakonische Strafen seien gerechter, wenn es um unverzeihliche Verfehlungen geht. Wer danach schreit, sie wieder einzuführen, zu vollstrecken oder überhaupt den Weg dorthin zu beschreiten – Stichwort: “schärfere Strafen” -, ist ein politischer Hanswurst und obendrein ein völlig unfähiger Pädagoge.

Als Ausdruck hingegen, Kommunikation, als Bild und Äußerung der Möglichkeit, taugen sie hervorragend, die mittelalterlichen Maßnahmen zur Korrektur der Welt im Sinne einer ungehaltenen Allmacht. Das Konglomerat aus Religion und Menschenverachtung, das sich “konservativ” nennt und “destruktiv” ist, das brutal zerstört, metzelt und massakriert, wo es angeblich etwas “erhalten” will, offenbart genau darin auch seine Idiotie: Dass es eine gesunde Rachephantasie nicht vom krankhaften Wahn realer Verfolgung abgrenzen kann.

Ich will Blut sehen

Was so viel Anlauf nimmt, lässt ahnen, dass es hart zuschlagen will, und ja, ich gestehe: Ich will Blut spritzen sehen. Sie sind ohnehin von einem Stamme mir favorisierter Feinde, jene Journalistenbrut, Lohnschreiber, Mietmäuler, Halbhirne, die aufschreiben, was die unsichtbare Herrschaft ihnen diktiert, um die Leser und Zuschauer zu verblöden, zu infiltrieren und mit der Macht der dumpfen Wiederholung ihre Gehirne zu waschen.

Der Baukasten neoliberalen Neusprechs ist ein äußerst übersichtlicher Fundus, aus dem immer dieselbe Leier hervorgeholt wird, um immer dieselben Stereotypen monoton herunter zu beten. Eben las ich wieder einmal die Vokabel “Wettbewerbsfähigkeit“, Europa müsse “seine weltweite Wettbewerbsfähigkeit verbessern“. Merkel habe das gesagt und das war dann eine Überschrift wert. Niemand aus der Redaktion hinterfragt den Unsinn solcher Behauptungen. Niemanden schaudert’s angesichts der gähnenden Leere dieser Phrasen. Niemand hat es nötig, auf die verheerenden Resultate der Ideologie hinzuweisen, die solche Vokabeln hervorgebracht hat. Niemand will erkannt haben, dass das “Wachstum”, um das es da angeblich geht, noch nie stattgefunden hat.

30 Jahre nach dem Lambsdorff-Papier, 13 Jahre nach dem Schröder-Blair Papier, inmitten der Trümmer einer Europäischen Union, schenken sie uns ein, und wir trinken und trinken. Keine Kritik, keine Distanz, nicht einmal irgend eine Variante in den Wiederholungen. Schamlos behaupten diese Minderleister noch, die Angehörigen ihres Standes, diese “Gatekeeper”, seien “kritisch”.

Woran ihr sie erkennt

Ein Mensch von Ehre, jemand, der auch nur annähernd dem gerecht zu werden versuchte, was die Kaufmichs der Nachrichtenindustrie stets von sich behaupten, müsste sich die Hand abhacken, eher er ihr erlaubte, solche Verbrechen am kritischen Diskurs zu begehen. Eine Hand, die so plumpe Propaganda vollstreckt, hat das Recht verwirkt, durchblutet zu werden und einem lebendigen Organismus anzugehören. Und wenn es einer nicht schafft, sich selbst von dem faulen Stück Fleisch zu trennen, das Fluch und Schande über alle Rechtschaffenen bringt, dann möge ihm geholfen werden. Dankbar und stolz müsste so einer sein, der endlich frei wäre von der satanischen Klaue, die nur das Böse schaffte.

Man erkennt sie aber ohnehin, die innerlich verrottenden toten Diener einer unmenschlichen Macht. Sie, die stets im Dunstkreis der vermeintlichen Elite umher schleichen und in den Redaktionen der Medienhäuser zu Hause sind:
Sie haben zwei Hände.

Die letzte Diva” titelt die FAZ heute und meint Whitney Houston. Es mag ja kleinlich klingen, aber eine phantasielose und unstimmige Überschrift ist besonders schlecht, wenn sie ein Extrem behauptet, das keines ist. Noch peinlicher wird es, wenn der abgedroschene Slogan bereits tausendfach Verwendung fand. Das ist dann nicht einmal mehr boulevardtauglich. Eine Schnellrecherche (vulgo: Googelei) ergab allein fast 60000 Treffer für Elizabeth Taylor in Kombination mit “die letzte Diva”. Außerdem laufen auf: Dezember 2011 Marianne Faithfull, April 2011 Angelica Domröse, März 2011 Liz Taylor, Februar 2010 Montserrat Caballé, August 2008 Maria Callas, Dezember 2005 Hildegard Knef. Also bitte: Ehe die letzte Federboa eingesammelt ist, will ich diesen Quatsch nicht mehr lesen.

 
Was treiben die da? Ich habe dieser Tage über das Komplettversagen der Medien sinniert, die seit mindestens vier Jahren von einer manifesten Krise wissen, die sie ihren Konsumenten bis heute nicht erklären. Immer wenn es einen Beitrag gibt, der ein wenig Licht in die Sache bringt, springen drei Propagandisten aus dem Gebüsch, die Verwirrung stiften und Unsinn verbreiten. Zwei Beispiele aus den letzten Tagen:

Bei Burks gibt es den Hinweis auf einen unerhört dümmlichen Satz auf SpOn:

Der Mindestlohn sinkt von 751 Euro auf 586 Euro brutto monatlich. Die Löhne im privaten Sektor werden eingefroren, bis die Arbeitslosigkeit von 19 auf zehn Prozent gefallen ist.

Übersetzt heißt das: Wir sparen so lange, bis die Leute genug Geld ausgeben, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Ich habe darunter einen Kommentar von mir zitiert, den ich noch einmal hier hoch hole, um ein weiteres Beispiel zu bringen:

merkgre[Vorgestern] war bei “heute” so ein Männlein drin, das machte sich gerade nass, als es von “milliardenschwere Brandmauer” [Auch "Rettungsschirm" genannt, der sichere Schutz gegen die Folgen der Finanzkrise eben] schwärmte, und ich musste unwillkürlich an die Orgasmen jenes embedded moron denken, der mit in den Irak einmarschieren durfte und unter Tränen die mächtigste Militärmaschine der Welt nachgerade anbetete.
Ich lache jetzt schon, wenn das Euro-Fukushima zuschlägt und die Billionen über die “Brandmauer” rollen. Wie viele Chips muss man sich ins Hirn schieben, um sich von solch plumper Propaganda einlullen zu lassen? Denen geht der Arsch auf Grundeis und dem Riesterrentner kommen sie mit “Brandmauer”, diese Flakhelfer der Demokratur.

Abb.: Ausschnitt aus der griechischen “Demokratia”, via Klaus Baum

Dummheit oder Absicht

Am Ende frage ich mich dann, ob die Verweser Griechenlands so dumm sind oder Absicht dahinter steckt. Letzteres würfe die Frage auf, wozu.
Ganz nebenbei hat die braune Bande der Junta-Liebhaber in der Regierung Papademos die Lage genutzt und sichert sich Popularität durch Querstellen. Die FAZ spekuliert jetzt darüber, ob Massenentlassungen und Hungerlöhne dann halt durch die Zustimmung der Sozialisten durchgebracht werden würden. Solche “Sozialisten” möchte ich kennenlernen. Derweil heißt es, die Polizeigewerkschaft dort wolle die “Finanzkontrolleure per Haftbefehl suchen zu lassen – unter anderem wegen Gefährdung der Demokratie“.

Was soll der Zauber? Da alle Maßnahmen, die derzeit getroffen werden, vollkommen sinnlos sind zur Erreichung der vorgeblichen Ziele, liegt eine Spekulation über die tatsächlichen Absichten nahe. Ein schleichender Putsch gegen die Reste demokratischer Strukturen wäre eine. Hayeks “Rat der Weisen” lässt grüßen. Griechenland als ‘kleine’ Volkswirtschaft eignet sich da gut für ein Experiment. Aber auch das ist nicht wirklich sinnvoll. Wir hatten das alles schon in Südamerika, und auch das Brüningsche Original ist eine gute Datenbasis. Obendrein ist eh schon der Teufel los in Hellas. Soll dort womöglich ein Bürgerkrieg entfacht werden, um zu schauen, ob man den in den Griff bekommt?

Ich begreife das nicht mehr. Unfassbare Dimensionen der Dummheit oder ein strammer Marsch in den Faschismus, aber die Frisur der Tagesschausprecher sitzt. Kein Problem, alles zivilisiert und demokratisch oder wie? Wo bleibt der Aufschrei – oder wenigstens die öffentliche Debatte über den Sinn des Manövers?

 
jangelb

Ich habe vor einigen Jahren eine kleine Serie von Artikeln zum Doping im Radsport (siehe u.a. hier) geschrieben und schließe das Kapitel hiermit ab. Anlass ist das lächerliche, quasi posthum gesprochene Urteil eines sogenannten “Sportgerichtshofs”, das nach der Vernichtung von Jan Ullrichs Karriere im Jahr 2006 immerhin sechs Jahre später feststellt, dass er gegen die Regeln verstoßen hat und ihn jetzt dafür verurteilt. Obendrein werden einige Zahlen und Namen aus Datenbanken gestrichen. Dass Ullrich seinerzeit besser war als die Konkurrenz, gilt daher nicht mehr. Es gilt die Wirklichkeit der Pharisäer – bis sie eine neue auswürfeln.

Ich greife das Thema aus zwei Gründen auf: Erstens bin ich selbst dem Radsport verbunden und zweitens ist der himmelschreiend dumme und heuchlerische Umgang damit ein Paradebeispiel für die Verteilung von Verantwortung im Kapitalismus. Eins nach dem anderen:

Die Droge, die das Bild prägt, ist seit Mitte der 90er Jahre EPO, ein Mittel, das die Sauerstoffaufnahme im Blut extrem erhöht und eine derartige Leistungssteigerung ermöglicht, dass die ‘ohne’ gegen die ‘mit’ schlicht chancenlos sind. Doping beginnt dabei keineswegs erst bei der Tour de France. Jeder ambitionierte Amateurfahrer dopt. Wäre ich nicht schon zu alt gewesen für derartige Experimente, ich mache keinen Hehl daraus: Ich hätte das Zeug auch ausprobiert. Wer den Unterschied kennt zwischen den ersten Touren im Frühjahr und der Topform im Spätsommer, den reizt es enorm, das Ganze aus der Dose noch einmal oben drauf zu packen.

EPO – Friss oder stirb

Für die Profis sieht die Geschichte noch einmal anders aus. Wie bereits geschildert, haben sie die Wahl: Entweder du verlierst deinen Job oder du machst dich schneller. Jeder weiß das. Die Fahrer, die Trainer, das Management, die Funktionäre, die Sponsoren und die Informierten darum herum. Nicht nur, dass es jahrelang sehr einfach war, die “Kontrollen” zu manipulieren, das System hatte längst dazu geführt, dass der Verzicht auf das Dope viel riskanter war als die Einnahme. Deshalb konnte es sich ein Lance Armstrong auch leisten, seine Kritiker unter den Kollegen zu isolieren. Die paar Bekloppten, die einen auf “sauberen Sport” gemacht haben, brauchte im Feld niemand.

Das hätte so weit alles funktioniert, zumal mit der Hauptdroge EPO und den dazugehörigen Techniken ein Mittel Verbreitung fand, das jahrelang erprobt war und bei herausragender Wirkung weitgehend ungefährlich, zumal unter ärztlicher Anleitung. Gäbe es da nicht ein paar ehrgeizige Pharisäer, die ihre krude Vorstellung von Gerechtigkeit durchprügeln mussten, willfährige Medien, die sich wie immer doof gestellt und einer Idiotenmoral das Wort gesprochen haben und andere Konzerne, die einerseits mit dem Sport, andererseits mit dem “Skandal” Kasse gemacht haben.

radspritzeDen Heuchlern in den Redaktionen ist es gelungen, über Jahrzehnte so zu tun, als sei jeder endgültig nachgewiesene Fall ein Einzelfall. Die “Neutralität” der Berichterstattung erfordert halt die fortgesetzte Lüge, wenn man den Zeitpunkt nur lange genug verpasst, sich eine Meinung zu erlauben. Es galt für alle: Der Sport ist sauber, nur die “Sünder” sind es nicht. Gedeckt wurde damit eben ein Business, das denen am Ende der Nahrungskette Leistungsvorgaben macht, den Mehrwert abschöpft und sich neue Sklaven kauft, wenn es mit den alten Ärger gibt. Dass es einigen wenigen Fahrern gelungen ist, dabei selbst zu Geld zu kommen, verleitet zu einem falschen Eindruck. Die große Kohle macht die Industrie, und wer nicht zur Weltelite gehört, wird für die Schufterei äußerst mäßig bezahlt.

Wenn der Sklave Ärger macht

Eine wahre Weltklasseleistung haben einige Sponsoren erbracht wie zum Beispiel die Deutsche Telekom bzw. T-Mobile. Mit Fahrern wie Jan Ullrich, der ungemein beliebt war, sich das Image aufzupolieren, war ihnen sehr genehm. Wie dessen Leistung zustande kam, haben sie wohl gewusst – es sei denn, sie wären wirklich so unfassbar inkompetent gewesen, etwas anderes anzunehmen. Ich schreibe diese Einschränkung hierher, damit man mir keine “Tatsachenbehauptung” unterstellt. Nein, vielleicht ist das T-Management ja auch nur in ein Rettungsboot gefallen.

Als dann allmählich deutlich wurde, dass nicht nur jeder Profi verbotene Substanzen zu sich nimmt, sondern auch die Kontrollen deutlich effizienter wurden, ließ man alle Fahrer eine “Ehrenerklärung” unterschreiben. So wuschen sich also die Befehlshaber rein, während die an der Front jederzeit vor dem Richter landen konnten.

Heute hat diese Farce für Jan Ullrich einen Abschluss gefunden, indem man dem Sportrentner die Teilnahme an Wettbewerben verbietet. Nur die unheilbar Doofen unter den Pharisäern werden dabei hoffen dürfen, dass auch nur eine Pille weniger geschluckt wird. Klar: Man muss schon schwer vor den Schrank gelaufen sein, wenn man heute noch eine Karriere als Radprofi anfängt. Aber man kann ja auch dopen, ohne nachher in einen Becher zu pinkeln. Da, wo alle nehmen dürfen, was sie wollen. Das nämlich ist ehrlicher Sport.

 
islam
Islamisten“, so meldet tagesschau.de, “töten mindestens 120 Menschen
und ebenfalls:
Islamisten” haben die Wahlen in Ägypten gewonnen und “holen Zwei-Drittel-Mehrheit“. Beide Überschriften auf derselben Seite.

Was ist das für eine Wahrnehmung, was für eine Message, welch ein Niveau der Differenzierung? Oder ist das vielleicht in einem Staat, der sich von der christizistischen Religion noch immer nicht hat lösen können, eine Art öffentlich-rechtlicher Kulturkampf? Nach dem Motto: “Vormodern können wir auch und so doof wie die sind wir schon lange”?
 

Die “ZEIT” ist seit langem für mich das langweiligste unergiebigste Stück Tendenzjournalismus auf weiter Flur. Dafür, dass man dort nichts Neues erfährt, wird Bekanntes in beeindruckend eindimensionaler Weise verarbeitet. Aktuell gibt es dort ein Gespräch mit Sahra Wagenknecht und Heiner Geißler, die Fragen stellten Evelyn Finger und Hanns-Bruno Kammertöns. Letztere erwiesen sich dabei als neoliberale Trolle, denen kein Klischee zu dumm ist und die sich redlich bemühten, den ganzen Propagandabaukasten in eine rasende antilinke Attitüde umzumünzen. Hier die Highlights ihrer Bemühungen, die reine Lehre zu verbreiten:

Im Ernst? Arbeitgeberverbände könnten Ihnen entgegenhalten: Nie gab es in Deutschland mehr Erwerbstätige als heute. Und die oberen zehn Prozent der Steuerzahler stehen für 60 Prozent des Steueraufkommens. Die Lohnsumme steigt.

Starker Tobak! Herr Geißler, steigen Sie mit Frau Wagenknecht demnächst auf die Barrikaden, um das Unternehmertum abzuschaffen?

Herr Geißler, sind die Vermögenden jetzt auch das Feindbild der CDU?

Die Chinesen haben schon den Staatskapitalismus. Kann eine Rotfront es bei uns richten?

Und der Staatssozialismus? Beim letzten Mal, als die ganze Welt gerecht werden sollte, waren am Ende Zigmillionen Menschen tot.

Wie viel moralischen Kredit hat die Linke, heute noch Sozialismus zu fordern, Herr Geißler? Müsste sie nicht tätige Reue üben?

Wir dachten, Hartz IV schafft Arbeitsplätze.

Vor Kurzem sind die linken Utopien gründlich gescheitert. Haben Sie trotzdem noch Utopien?

Dass dennoch ein ganz unterhaltsames Programm zustande kam, liegt an den maischberger- und willgestählten Gladiatoren des Boulevards. Frau Wagenknecht war sogar so aufmerksam, die Lüge von dem angeblich so hohen Steueranteil der Reichsten zu korrigieren und wies auf den noch höheren Anteil der Verbrauchssteuern hin, die alle Bürger zahlen müssen.
Für diese Minusleistung gibt es hier natürlich keinen Link.

 
bruenzwonullWer bei der FAZ Anspruchsvolles zur Wirtschaftskrise lesen will, wird bekanntlich im Feuilleton bedient. Unter der Verantwortung ihrer Wirtschaftsreaktion finden sich hingegen nach wie vor bloß neoliberale Durchhalteparolen. Dort erschien mir heute der Geist des Valdis Dombrovskis, so dachte ich, seines Zeichens ehemaliger lettischer Premierminister. Dombrovskis ist aber tatsächlich noch immer Regierungschef, obwohl seine Partei nach der letzten Wahl nur noch drittstärkste Kraft ist und herbe Verluste einstecken musste. Er ist der Liebling neoliberaler Strategen, er hat es geschafft, sein Volk fürchterlich bluten zu lassen und sich dennoch an der Macht zu halten.

Der lettische Weg aus der Krise gilt als vorbildhaft“, kann sich die Redaktion nicht entblöden zu behaupten. Wir hatten das schon: Wo “gilt als” draufsteht, steht “sollt ihr gefälligst denken” drin.
Lettland hat nach dem Einbruch von 2008/2009, ausgelöst durch den Zusammenbruch der Parex-Bank, ein gnadenloses Sparprogramm aufgelegt und wächst dennoch wieder langsam, auf dem Niveau vor dem Boom der 2000er Jahre. Auch in Lettland hat sich eine gewaltige Immobilienblase gebildet, deren Platzen noch gar nicht seine volle Wirkung entfaltet hat. Die Zeit nannte das Ganzeharte Reformen” und schlug gleichfalls die Trommel jener Propaganda, die glauben macht, “Fleiß und Arbeit” lohnten sich – lieferte aber immerhin die Fakten, die dem völlig widersprechen:

Löhne runter, Leute raus

Die Löhne im öffentlichen Dienst wurden um 40 Prozent gesenkt. Lettland erhöhte die Umsatzsteuer auf 22 Prozent, verkürzte die Bezugsdauer für das Arbeitslosengeld und kappte die Zuschüsse an den öffentlichen Nahverkehr“.

Das wird sicher den Fleiß der Menschen beflügeln, zumal derjenigen, die an die Versprechungen der Finanzinstitute und ihre Wachstumsprognosen geglaubt haben:
Laut Statistik haben von 600.000 lettischen Haushalten 120.000 Kredite aufgenommen; davon kann inzwischen jeder dritte die Raten nicht mehr regelmäßig bedienen.
Alles paletti aber, denn:
Noch halten sich die Banken mit Zwangsversteigerungen zurück, weil es kaum Käufer gibt.

Den Verwalter dieser “Reformen” interviewt die FAZ-Wirtschaftsredaktion gern, denn er hält an den großen neoliberalen Weisheiten fest, die den Jüngern Hayeks so am Herzen liegt. Dombrovskis und FAZ-Redakteur Rainer Hank wurden vor einer Woche mit dem Hayek-Preis ausgezeichnet, der vom “Finanzdienstleistungsteilkonzern” “Wüstenrot & Württembergische” vergeben wird. Das nenne ich “unabhängig”!

Diese Qualitätsjournalisten bescheinigen sich daher gleich quasi selbst, dass das ganz anders gepolte Feuilleton der FAZ auf der falschen Seite steht:
Dieser Befund macht es den Kritikern leicht, die Politik in den Fängen des Finanzsektors zu sehen. Das Feuilleton der F.A.Z. scheint geradezu eine Kampagne unter diesem Motto zu führen.
„Das Schaf ist ein brutales Raubtier“, heulte der Wolf. Nach Jahren neoliberaler PR-Feldzüge und einer beispiellosen Instrumentalisierung der Sprache haben diese Mietfedern die Stirn, von “Kampagne” zu sprechen!

Das Vertrauen der Schafe

Der also als Weiser Hayeks ausgezeichnete Regierungschef Dombrovskis weiß nicht, warum er eigentlich abgewählt wurde und dennoch weiter regieren darf. Er weiß auch nicht, warum die hohe Abwanderung sich immer drastischer entwickelt, aber er weiß, was “die Märkte” wollen:

Voraussetzung für Wachstum ist, dass ein Land das Vertrauen der Finanzmärkte zurückgewinnt.

Die Leute schröpfen, sie in Zinsknechtschaft halten, sie mit der Drohung der Zwangsräumung allein lassen, während die Banken, die sich mit solchen Krediten verspekuliert haben, gerettet werden – woher kennt man dieses Programm? Besonders gelungen ist dabei, dass man auf das Vertrauen der Menschen in die Institutionen offensichtlich gänzlich verzichtet. Gerade heute kommt die Meldung von einem regelrechten Bank Run in Lettland. Das also ist das “Vorbild” für ganz Europa? Dann wissen wir wenigstens, warum der Untergang alternativlos gewesen sein wird.

 
Sie ist ja nach wie vor eine meiner Lieblinge, die Frankfurter Rundschau, aber ich mache mir große Sorgen. Ein Artikel, der seltsamerweise auf den 16.06. datiert ist, wurde vor einigen Tagen als Klickstrecke dort eingebaut. Er ist eine Art Krisenszenario, das mit dem offenbar Schlimmsten endet: Einer absoluten Mehrheit der Linkspartei, der natürlich der totale Untergang folgt.

hangman

Gilt als Revolutionsopfer: Geschummelter griechischer Hahnenkämpfer

Das Stück ist stilistisch wie logisch ein Teil für die Tonne. Es setzt gerade dort an, wo eine Perspektive erweitert werden könnte: Was wäre, wenn Deutschland in der Lage der Griechen wäre? Was dann aber kommt, taugt nicht etwa zu irgend einer Aufklärung oder Diskussion, sondern taumelt zwischen unfreiwilliger Komik und purer Propaganda. Wahlweise könnte es auch die schlechteste Satire des Jahres sein.

Nach der Linkspartei das Armageddon

Zitat:
Bei abermaligen Neuwahlen erringt die Linkspartei eine absolute Mehrheit. Sie beschließt: Jetzt müssen die Unternehmen und die Reichen ran. Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer (Einnahmen 20-70 Milliarden Euro pro Jahr) scheitert zwar am Widerstand der von EZB und IWF. Dafür steigt der Spitzensteuersatz von 42 auf 53 Prozent (10 Milliarden Euro), die Erbschaftssteuer wird erhöht (5 Milliarden Euro), die Körperschaftssteuer steigt um 10 Prozentpunkte (12 Milliarden Euro). Dazu führen die Linken noch einen Soli auf Einkommensteuer und Körperschaftssteuer in Höhe von 10 Prozent der Steuerschuld ein (23 Milliarden Euro) und halbieren die Subventionszahlungen an Unternehmen (15 Milliarden Euro).
Damit hat Berlin die Konsolidierung halbwegs geschafft. Allerdings treten die Unternehmer in den Investitionsstreik und flüchten nach Monaco. An den Finanzmärkten stürzen Bundesanleihen ab. Die Wirtschaftsleistung bricht ein und Chaos aus. In allen großen Städten werden zentrale Plätze von Demonstranten besetzt. Das Land steht still, die Bundeswehr rückt ein.

Ich hätte diesen Mumpitz nicht erwähnt, wäre nicht heute ein Text nachgereicht worden, der auf peinlichste Weise den Lesern einen Mann anpreist, der dem Lohnschreiber gerade groß und wichtig erscheint. Schon die Überschritt ist unerträglich suggestiv:
Lucas Papademos: Blitzgescheit und topseriös“.
Es bleibt nicht einmal eine Zeile zum Luftholen, in der man sich überlegen kann, was man von dem Kerl hält, einem Technokraten und Banker von der Art, wie ihn kritische Geister gerade nicht haben wollen. Was soll das überhaupt sein: “topseriös”? Entweder einer ist seriös oder er ist es nicht, aber top- mittel- oder halbseriös sind sinnlose Worthülsen.

Hat den Ruf, gilt als, friss das!

Was hat Autor Thomas Schmid anzubieten, um seine Behauptung zu stützen? Hörensagen:
Papademos, ein Finanzexperte mit ergrautem Haar und buschigen Augenbrauen, hat den Ruf, blitzgescheit zu sein und vor allem topseriös.
“Hat den Ruf”! Irgendwer sagt sich das also. Wer mag das sein? Linke? Banker? Transatlantiker? Verschwörungstheoretiker, Esoteriker oder Kleingärtner? Oder neoliberale Leitartikler vielleicht? Suchen Sie sich etwas aus.

Jedenfalls sind irgendwie Griechen gemeint, jene Griechen, die
von ihrer politischen Klasse Schummeleien und Hahnenkämpfe gewohnt sind“. Auch dazu keinerlei Details, es ist der blanke verblödende Boulevard, der verstärkt, was der Leser gefälligst zu denken hat und dazu die Stereotypen raushaut wie Konfetti. Immerhin erfahren wir: Papademos ist Vizechef der Europäischen Zentralbank gewesen. Der geborene Regierungschef also. Wirklich interessant ist die Information, die freilich im luftleeren Raum schwebt:

Von 1994 bis 2002 war er der Direktor der griechischen Notenbank. In dieser Zeit bereitete er zusammen mit der sozialdemokratischen Regierung Griechenlands Aufnahme in die europäische Währungsunion 2001 vor.

Keine Frage

Wäre es nicht angebracht, an dieser Stelle aufzumerken und die eine oder andere Frage zu stellen? Was wusste Herr Papademos über den Zustand der griechischen Wirtschaft und des Staatshaushalts vor der Euro-Einführung? Kannte er die Lage? Wie konnte es dann zur Aufnahme Griechenlands in die Eurozone kommen? Oder wusste der Mann nichts von der realen Lage? Was taugt er dann? Und was ist das für eine “Demokratie”, wo einer die Regierung führt, der ganz offensichtlich andere Interessen vertritt als die seines Volkes?

Hätte man ja mal fragen können. Man hätte versuchen können, andere von seiner Meinung zu überzeugen oder diese zur Disposition stellen. Aber das ist wohl nicht nötig, denn der Bankenretter der Hellenen ist doch topst höchst unbezweifelbar seriös und vermutlich der klügste Professor Griechenlands.
Wenn ich so etwas haben will, muss ich nicht die FR lesen. Dann muss ich gar nichts lesen. In die Blätter, die das für Journalismus halten, lasse ich mir nicht einmal den Fisch einwickeln.

Der Focus hat ein Malheur entdeckt. Schnauze Schmidt und Peer Spaarbrück spielen mit einem Schachspiel – alles, nur nicht Schach. Was müssen das für kluge Leute sein, die außer Welt retten, Finanzexperten und Fachleute für alles sein sich die restliche Zeit mit einem Spiel vertreiben, für das wir Leser alle zu dumm sind. Zu dumm, wenn dann so etwas dabei herauskommt. Die arme Fotografin, so heißt es aus gut unterbelichteten Kreisen, hat sich an der Tischkante das Nasenbein gebrochen, weil sie sich nicht rechtzeitig entscheiden konnte, ob sie hineinbeißen oder die Stirn auf die Platte klatschen lassen wollte.

“Ausgerechnet der Focus”, dachte ich allerdings, hat er doch neulich mit seinem super Symbolfoto gezeigt, dass Photoshopping die Gesundheit erheblich beeinträchtigen kann. Kollege Burks hat kurz darauf mit einer Aufnahme von Joe Ackermann beim Wasserski gekontert.

Eine lustige Welt ist das, in der die Urheber der haarsträubendsten visuellen Lügen sich ihr Recht daran von Rudeln beißwütiger Winkeladvokaten “schützen” lassen. Gern hätte ich die Dokumente des organisierten Terrors gegen Verstand und Wahrnehmung hier direkt ausgestellt, aber das wäre illegal. Wer die Drogen unters Volk bringt, bestimmt, wer sie an wen weitergeben darf. Dies ist die beste aller Welten.

Stefan Niggemeier hat beizeiten unter der Rubrik “Super-Symbolfotos” schon vor Jahren die Schlampigkeit von publizistischen Geisterfahrern dokumentiert. Ein Schmankerl hatte ich auch hier bereits verlinkt. Waren derlei Aufforderungen sich der Gemütlichkeit wohligen Schwachsinns willenlos hinzugeben aber noch Stilblüten des Boulevards, darf man sich inzwischen darauf verlassen, dass diese Option alternativlos® ist. Wer nicht auf Schmerzfreiheit abonniert ist, kann sich die Analgetika in Zeiten marktberuhigender Kassen als gebeutelter Zuzahler nämlich defnitiv nicht mehr leisten.

 
linkevilPrototypisch für den landläufigen Journalismus, der nur Schablonen, Verkündung und Wiederholung kennt, wartet die “Zeit” mit einem Schlager auf, der die “Linke” aus Sicht des Spießers der 50er Jahre besingt. Sie wollen “alle Drogen legalisieren” und den “Systemwechsel”. Natürlich finden sich auch flugs ein paar aus der Partei, die immer noch nicht kapiert haben, dass es nicht schlau ist, sich gegenüber der voreingenommenen bürgerlichen Presse zu äußern, wenn einem irgend etwas an der Partei liegt. Denn selbstverständlich werden nur solche zitiert, die das alles doof finden und niemand, der hinter den entsprechenden Leitsätzen steht und sie womöglich erläutern könnte.

Eigentlich wäre das die vornehme Aufgabe der Autoren solcher Artikel, aber die glauben eben, es sei wichtiger, vor den Feinden des Systems zu warnen. Jenes Systems, das um sie herum zusammenbricht. Nein, alles, was in den vergangenen Jahrzehnten der bürgerlichen Gemütlichkeit als recht und sittlich erschien, muss bewahrt und mit allen Mitteln verteidigt werden. Wer sich auch nur dem Verdacht aussetzt, davon abzuweichen, wird als Abweichler gebrandmarkt und auf dem Marktplatz zur Schau gestellt. Umso besser, wenn es die Linken sind. Dass es mitnichten deren originäre Ideen sind, die hier verteufelt werden, spielt keine Rolle. Das Andere ist das Böse.

Das schlechthin Böse

Noch einmal sei hier kurz auf die Vokabel “demokratischer Sozialismus” hingewiesen, die im Parteibuch fest verankert ist – dem der SPD. Die ist ebenso wie die Linke und die Grünen ursprünglich und zumindest dem wie auch immer bigotten Bekenntnis nach eine sozialistische Partei. Das ist eigentlich die Mehrheit. Richtig ist, dass einzig die Linke sich offen dazu bekennt, dieses System nicht (mehr) zu wollen, in dem nicht nur eine winzige Minderheit fast alles besitzt, sondern alle anderen auch zusehends darunter leiden.

Was soll also der Unsinn vom ‘Wollen’ eines Systemwechsels? Der ist auch so im Gange. Demokratie und Kapitalismus gehen nicht zusammen. Derzeit zeigt sich, dass nicht einmal der Parlamentarismus sich aufrecht erhalten lässt. Die verfassten Staaten halten dem Wirtschaftssystem nicht stand, die Rechtsstaatlichkeit als solche befindet sich in Auflösung. Wo bleibt da die Systemfrage der anderen? Wo bleibt die Frage danach bei unseren Freunden, den ‘Gatekeepern’ des ‘Qualitätsjournalismus’?

Die Frage nach der Legalisierung von Drogen ist wiederum ein ganz eigenes Terrain. Wer sich ernsthaft mit der Materie beschäftigt, erkennt den Irrsinn eines ‘war on drugs’, alle anderen mögen bitte schweigen. Der Drogenhandel ist ohne Prohibition gar nicht denkbar. Niemand hätte ein Interesse daran, Jugendliche anzufixen und Mythen über Drogen zu verbreiten, wenn sie legal wären. Es ist völlig uncool, sich seinen Stoff in der Apotheke zu besorgen.

Was dem Drogenboss gefällt

Auf der anderen Seite könnten wir endlich aufklären über Wirkung und Gefahren von Drogen, würde die Welt nicht stets aufgeteilt in die coolen Leute, die sich was trauen und die Spießer, die alles nur verbieten wollen. Die seit Jahrzehnten betriebene Kriminalisierung fördert Drogenkonsum und -handel. Es sollte daher eigentlich selbstverständlich sein, eine Legalisierung zu fordern. Es sei denn, man will das alles so, wie es ist. Fragen Sie einmal einen Drogenboss in Südamerika oder Afghanistan, was der von einer Legalisierung hält. Der fängt sofort an zu schwitzen.

Wenn es zum Linken-Bashing taugt, ist aber nichts zu blöd. Da nimmt man, was man kriegt. Vielleicht steckt dahinter ja sogar ein betriebswirtschaftliches Kalkül. Wer immer noch für Holzmedien dieses Schlages bezahlt, ist vermutlich erz’konservativ’, über 50 und geistig äußerst unflexibel. Ein ideales Publikum für ganzseitige Anzeigen und Gelaber aus der Mottenkiste. Wir gehen eh bald unter, denkt sich wohl die Chefredaktion, da spielen wir noch mal all die alten Lieder runter. Das wird halt gern genommen.

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