Wirtschaft


Da kann man doch noch etwas rausquetschen! Und wieder sind es die ‘Vermieter’, die sich an den von Middelhoff und Esch eingefädelten Wuchermieten schon schadlos gehalten haben und jetzt so tun, als sei ein Mietnachlaß eine Gnade. Allein damit diese seriösen Geschäftsleute auf ihren Immoboliem sitzen bleiben, sollte man den Laden pleite gehen lassen. Und Hände weg von Steuergeldern! Es muß nicht auch noch der allerletzte Abschaum mit HartzIV-Senkungen “gerettet” werden.

[edit:] Ich habe ein Posting gefunden, in dem sich jemand schon frühzeitig wunderte.

Es gibt eine heiße Diskussion zwischen Heiner Flassbeck und Rudolf Hickel um die Frage, was der richtige Weg zur „Rettung“ Griechenlands sei. Hickel ist dabei für eine Umschuldung, mit der auf die „Pleite“ des Landes reagiert werden müsse, Flassbeck hingegen für das Eingreifen der EZB – wie bereits geschehen. Was soll man sich darunter vorstellen?

Die „Umschuldung“ ist (mindestens) ein Teilerlaß der Schulden. Die Gläubiger – grob gesagt Banken, Staaten und Privatpersonen – müßten dabei auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. Das wäre nicht nur blöd gelaufen für Leute, die sich eine satte Verzinsung ihrer Anleihen versprochen hatten, sondern auch ein Problem für Staatsanleihen generell. Diese galten nämlich bislang als besonders sicher. Und wenn es Staatsanleihen aus der Eurozone betrifft, besteht die Sorge, daß auf Dauer alle Eurostaaten unter dem Mißtrauen leiden werden, ob sie ihre Schulden wirklich zurückzahlen werden.

Rettungsring oder Schwimmweste

Das Eingreifen der Europäischen Zentralbank, die quasi die Schulden eines Mitgliedslandes aufkauft, war bei der Konstruktion des Euro eigentlich ausgeschlossen worden und ist ein Mechanismus, der dem Drucken von Geld entspricht. Allgemein wird das von denen nicht gern gesehen, die sich Sorgen um eine zu hohe Inflation machen. Hickels Argumentation ist hier abweichend: Er sieht darin keine Lösung des Problems, weil in der Folge zur Abwehr der drohenden Inflation den Griechen ein fatales Sparprogramm auferlegt wird, dadurch werde die „Binnenwirtschaft in eine Rezession gezwungen, also kaputt gespart“.

Hickel betrachtet Griechenland also als zahlungsunfähig und sieht keine Möglichkeit, die Schulden in der vorhandenen Höhe abzutragen.

Flassbeck widerspricht Hickel zunächst in dem Punkt, daß eine Staatspleite weder definiert sei noch im Fall Griechenlands vorliegt. Sein Kernsatz:
Staaten können nicht zahlungsunfähig im Sinne von illiquide werden, solange sie Schulden in ihrer eigenen Währung haben.“

Das heißt im Grunde, wenn ein Staat zu hohe Schulden hat, kann er schlicht mehr Geld drucken. Das führt zwar zu einer Abwertung seiner Währung, diese betrifft aber „nur“ das Problem von Importen, die sich das Land und seine Bürger nicht mehr leisten können. Die Schulden werden in der eigenen Währung bezahlt. Das nennt sich auch „weginflationieren“.

Wann ist ein Staat “pleite”?

Der Spaß hört erst hier auf:
Ein Staat, besser wäre es hier zu sagen, ein Land, wird deshalb nur dann zahlungsunfähig, wenn die Liquidität in fremder Währung (also einer Währung, die der Staat in diesem Land nicht selbst drucken kann) knapp wird, das Land als Ganzes aber wegen eines großen Leistungsbilanzdefizits kurzfristig auf genau diese fremde Währung angewiesen ist. Diese von Ihnen „fiskalische Notlage“ genannte Situation, die aber gar keine „fiskalische Notlage“ ist, wird in der Tat üblicherweise – wiederum genau umgekehrt wie Sie argumentieren – durch Spekulanten hergestellt (Flassbeck an Hickel).

Grundsätzlich sollte nämlich der Wert einer Währung der Wirtschaftsleistung des Landes entsprechen. Daß dem nicht so ist, dafür sorgen die Spekulanten. Ergeben sich nämlich Verbindlichkeiten eines Landes mit einer völlig überbewerteten Währung, die in einer Fremdwährung abgerechnet werden, dann ist das Zurückfallen auf Normalmaß fatal: So viele Dollars kann die Drachme nicht aufwiegen, wenn ihr Wert plötzlich realistisch festgelegt wird.

Das Problem in Fall Griechenland liegt längst auf der Hand: Land und Währung unterstehen verschiedenen Herren. Daß unter dem Euro Staatswirtschaften zusammengefaßt sind, die man nicht einmal miteinander vergleichen, geschweige denn gleichsetzen kann, wurde bei dessen Einführung geflissentlich ignoriert. Man hatte ja die „Konvergenzkriterien“, jene Augenwischerei, die Inflation per Dekret abschuf und Deflation als unmöglich festlegte. Keiner macht mehr als soundsoviel Schulden, dann wird alles gut, Basta. Daß dieses Konstrukt nicht einmal vom Außenhandelsmonster Deutschland durchgehend getragen werden konnte, ließ dennoch keine wirksamen Zweifel aufkommen. Bei der ersten ernsthaften Krise bricht dieses Kartenhaus jetzt zusammen.

Der Euro, eine Fehlkonstruktion

Flassbeck und Hickel meinen es beide gut mit Griechenland, wobei ersterer korrekt volkswirtschaftlich argumentiert und zweiterer die verbliebene Macht eines getriebenen Staates gegen die Ansprüche von Spekulanten in Stellung bringt. Keiner von beiden erwägt ernsthaft den Ausstieg der Griechen aus dem Euro. Hickel setzt dabei deshalb auf eine Abstrafung der Spekulanten durch Umschuldung, weil diese sich sonst auf den nächsten Pleite-Anwärter stürzen würden. Flassbeck macht hingegen deutlich, daß eine Angleichung der wirtschaftlichen Verhältnisse, vereinfacht: eine Annäherung der Exportquoten und Lohnentwicklung in den Euro- Staaten notwendig ist.

Langfristig hat Flassbeck da völlig recht, und Hickel wird ihm wohl kaum widersprechen. Der Euro bleibt eine Fehlkonstruktion, wenn jeder versucht, auf Kosten der anderen seinen Vorteil zu finden – die einen den einer harten Währung bei ungedecktem Konsum, die anderen den einer hemmungslosen Exportfixierung auf Kosten der Bilanzen ihrer „Partner“.

Der Streit der beiden, die an Deutlichkeit der Wortwahl nicht missen läßt, überdeckt am Ende die Einigkeit im wichtigsten Punkt: Ganz gleich welche Strategie mehr Erfolg verspricht, es herrscht völlige Übereinstimmung in der Notwendigkeit einer Abkehr von den Lehren des Neoliberalismus. Lohndumping, brutaler Standortwettbewerb, geringe Steuer- und Abgabenquoten und unkontrollierte Spekulation sind allesamt heilige Gebote der herrschenden Ideologie und Sargnägel der Volkswirtschaften. Die Krise des Euro und Griechenlands ist keine Momentaufnahme, die bloß durch blinden Konsum entstanden und durch Sparsamkeit zu beheben ist. Es handelt sich um ein komplettes Systemversagen. Die Konsequenzen müssen dementsprechend weitreichende sein.

In der Krise ist vor der Krise

Eine sinnvolle akademische Diskussion endet, wo eine Entscheidung in der Praxis getroffen wurde. Es gibt keine Umschuldung. Mit den kurzfristigen Maßnahmen, wozu auch das hektische Verbot ungedeckter Leerverkäufe und ggf. eine Tobin-Steuer gehören, ist aber das Problem noch lange nicht gelöst. Im Gegenteil ist der Versuch, Garn in die laufende Nähmaschine einzufädeln, ebenso dumm wie hilflos. Selbst die Forderungen Flassbecks und Hickels hätten wieder nur aufschiebende Wirkung, selbst wenn sich ein Weg fände, beide zu realisieren. Ja, die EU muß endlich zu einer koordinierten Wirtschaftspolitk kommen. Ja, es muß einen Weg geben, bei den Profiteuren des großen Spiels das Geld wieder einzutreiben. Es ist zu befürchten, das selbst das nicht gelingt, weil Wille und Einsicht fehlen.

Der nächste Schritt wäre ohnehin der, die USA, China und alle großen Wirtschaftsmächte dazu zu bringen, den tödlichen „Standortwettbewerb“ zu beenden. Das geht nicht mit ein paar halbgaren Vereinbarungen, die jeder wieder so auslegen wird, daß es ihm irgendwie zum Vorteil gereicht. Das Primat der Politik, eine weltweite Kontrolle der Wirtschaft, ist herzustellen. Es wäre das Ende des Kapitalismus, wie wir ihn heute kennen. Das aber kommt so oder so. Die Frage ist nur, ob man ihn so lange toben läßt, bis die Städte brennen oder die Bestie vorher erlegt.

Robert von Heusinger erklärt und begrüßt einen Sinneswandel in Europa, der unter der Hand und quasi zufällig ein wenig von der Regulierung leistet, über die sonst nur geredet wird. Geradezu erfreut nehmen es sogar die “Spekulanten” hin, die wie kleine Kinder erkennen, daß es ihnen hilft, wenn die Eltern für Ordnung sorgen.

Eine wesentliche Rolle spielt hier die Abkehr von der panischen Inflationsangst und dem starrsinnigen Beharren auf “Stabilität” angesichts einstürzender Wände. Natürlich haben nicht alle den Knall gehört – der Bundesbankchef gibt noch immer den kadavergehorsamen Inflationswächter.

Die tumbe deutsche Schuldenallergie, die Marc Beise natürlich teilt, zeugt nach wie vor von einem groben Unverständnis für volkswirtschaftliche Zusammenhänge. Zur Rettung der Banken waren Schulden einmalig von jeder Hemmung befreit, für das eigene Wohl und Wehe soll der Staat hingegen keine machen dürfen. Stattdessen sollen, wie schon in Irland, jetzt auch in Resteuropa wieder einmal die Ärmsten bluten. Alleinerziehende, die in Deutschland eh schon benachteiligt sind, gehören ebenso dazu wie Bildungsträger und Kindergärten.

Roland Koch, Deutschlands oberster Beschützer der Steuerhinterzieher, findet das ganz prima. Es sei “nur eine Provokation”, wenn er von den besagten Einsparungen spricht. Daß das aber gar kein Witz war, wird sich sehr bald erweisen. Spätestens, wenn er Bundesfinanzminister ist.

Zurück zu Beise. Er bringt Sinn in die Sache – den Hans-Werner. Kennt er doch die alleinige Ursache des Problems:
Die Staaten dieser Welt haben in einer langen Ära des Friedens über ihre Verhältnisse gelebt“.
Na klar, die explodierenden Kosten im Sozialbereich. Er spricht es nicht aus, das ist aber kaum mehr nötig bei einem, der die brunzblöde Proganda der neoliberalen Ära aus Eimern gesoffen hat.

Es wäre doch nett gewesen zu hören, wer über seine Verhältnisse gelebt hat, wo das Geld bleibt und wer dafür wieder und wieder am Nötigsten knappst, damit die Leistungsträger den Standort Europa nicht ins Ausland verlagern. Oder halt wenigstens ein paar Gründe mehr zu suchen für die Krisenrallye. Das eindimensionale Geplapper solcher journalistischer Schulversager zum Beispiel hat massiv dazu beigetragen. Wir würden gern darauf verzichten – alternativlos, versteht sich.

Als ich zum 1. Mai von “Arbeitern” sprach, meinte ich alle, die nicht von ihrem Eigentum leben können. Das bezieht also folgerichtig Selbständige mit ein. Diese Gruppe, die bei der letzten BuTaWa zu 26% FPD gewählt haben soll, ist ein ganz besonderes Völkchen.
Ich kenne die klassischen Kleinunternehmer als professionelle Steuerabsetzer, und bei manchen habe ich den Eindruck, daß sie mehr als die Hälfte ihrer Zeit damit verbringen, Quittungen zu sammeln.
Der selbständige Packan ist per se ein Leistungsträger, der für “seinen” Laden “verantwortlich” ist, und sei es nur ein Bauchladen. Soviel stimmt zumindest: Es ist seine Pleite, wenn es schiefgeht, und ggf. droht dann ebenfalls Hartz IV.

Neben den Spesenrittern, die gern auch Zuarbeiter hundsmiserabel bezahlen, weil sie sich eigentlich keine leisten können, gibt es zunehmend und staatlich gewollt Zwangsabenteurer, die vor sich hinwurschteln, weil sie den letzen Ausweg in einer Scheinselbständigkeit suchen. Damit ist nicht nur die gesetzlich definierte Spielart gemeint, sondern darüber hinaus ein Bemühen um ein Auskommen, das mangels Kompetenz zum Scheitern verurteilt ist.

Der Gipfel der Eigenverantwortung

Schließlich gibt es mehr oder minder erfolgreiche Selbständige oder Freiberufler, deren Schaffen eben nicht das des klassischen Arbeitnehmers ist, die ihr eigener Chef sind und eine klare Vorstellung davon in die Tat umsetzen.

Kaum einer von all diesen wird sich als “Arbeiter” verstehen. Wer nicht noch unterhalb des Standes der Lohnabhängigen von ausbeuterischen “Kunden” herumgeschubst wird, empfindet sich halt als etwas Besseres. Für sie gibt es nicht einmal schlechte Gewerkschaften, sie stehen außerhalb der Gruppe der Werktätigen. Was hätten sie davon, sich mit Menschen zu solidarisieren, deren Erwerbstätigkeit die Stürme auf dem Gipfel der Eigenverantwortung nicht kennt?

Politisch gedacht, ist es eine grobe Dummheit, sich derart von den Mitmenschen separieren zu lassen, die unter denselben Verhältnissen leben und leiden. Ökonomisch gedacht liegt es in ihrem vitalen Interesse, daß es den anderen Arbeitern möglichst gut geht, denn leere Haushaltskassen und andauernde Zukunftsangst bis hin zur Depression kosten sie massenhaft Aufträge.

Nun ist es nicht so einfach, Kunden wahrzunehmen, die keine sind. Es gibt auch offenbar große Hemmnisse, sich klar zu machen, daß es am Ende keinen Unterschied macht, wem es zuerst schlecht geht. Der Reflex, der einsetzt, wenn es nicht läuft, ist meist die Suche nach Schuldigen, mit der man freilich in Gefilden sucht, die einem möglichst fern sind.

Eine Viertelstunde nachdenken

Die gegenwärtige Lage, geprägt durch Jahrzehnte der Einsparungen auch und gerade bei den Löhnen, trifft alle gleichermaßen. Alle, die ihr Auskommen durch Arbeit gleich welcher Art besorgen müssen, sind die Verlierer der Entwicklung. Profitiert haben davon ebensowenig selbständige wie lohnabhängige Arbeiter. Durch die Hartz-Gesetze droht obendrein Konkurrenz und Kostendruck von Seiten der oben genannten Scheinselbständigen, die jeden Preis akzeptieren, um irgendwie über die Runden zu kommen.

Die freiberuflichen und selbständigen Arbeiter sollten sich also einmal ein paar Minuten Zeit zum Nachdenken gönnen. Darüber, worin ihre Interessen eigentlich bestehen, wer diese Interessen vertritt und wessen Interessen wiederum diejenigen vertreten, die sich so gern als ihre Schutzmacht aufführen. Wenn sie dann immer noch lieber als anerkannte “Leistungsträger” im Dienst der Rendite anderer untergehen wollen, als sich mit denen zu solidarisieren, die eigentlich auf ihrer Seite stehen, ist ihnen nicht zu helfen. Versuchen könnten sie es dennoch. Es dürfte sich auszahlen.

Daß die “Kartastrophe” im Golf von Mexiko keine ist, sondern ein auf vermeidbare Schlamperei und Rücksichtslosigkeit zurückzuführender Fall, ist nicht wirklich mehr eine Vermutung. WDR2 berichtet über Hintergründe, die deutlich machen, daß für ein paar Dollar weniger Risiken eingegangen werden, die dann halt zu einem bißchen Ölpest führen. Daß Obama BP in Regress nehmen will, ist richtig, allerdings ist der Hinweis auf die Verantwortlichkeit der von BP beauftragten Firmen nicht minder wichtig.

Da taucht dann auch wenig überraschend der Name “Halliburton” auf, jene Firma, der Dick Ceheney und die Bush-Administration zutiefst verbunden sind. Hinweise darauf fand ich bislang nicht in den Medien, lediglich Telepolis erwähnte die Beteiligung Halliburtons an dem Desaster und benennt deutlich Profitgier als Ursache.
Ob die selbstgemachte Katastrophe einen Einfluß auf die amerikanische Ölpolitik haben wird – etwa auf Bohrungen in Alaska – ist eine andere Frage. Was kostet ein Biotop? Das holen wir doch locker wieder raus, frei nach dem Motto: “Kill Baby, Drill!”

Was ist das für eine “Union”? Die Weltmeister, die gern mit dem Geld anderer Wirtschaften, das sie den Lohnempfängern im eigenen Land vorenthalten, haben bei der Einführung des Euro Bedingungen diktiert, die angeblich für Stabilität sorgen. Auch ohne eine blasse Ahnung von der Finanzierung von Staatsschulden (eine solche habe ich gerade noch) hätte man darauf kommen können, daß die Kriterien von einigen Euroländern nicht eingehalten werden konnten. Von einigen offensichtlich schon von Anfang an nicht. Auch ohne eine Ahnung von irgendetwas kann man nunmehr erkennen: Der Titel “Stabilitätspakt” ist eine Lüge, der gegenüber griechische Bilanzierungstechniken ein augenzwinkerndes Flunkern waren.

Was die Bundesregierung derzeit veranstaltet, ist ein Fiasko, das einen neuen politischen Tiefpunkt markiert. Robert von Heusinger faßt die kognitiven Verwüstungen der Berliner Experten angemessen zusammen und erläutert die Folgen ihrer Borniertheit. Noch weitsichtiger ist seine Analyse vom 13.04.: Es ist nicht nur ein Akt notwendiger Solidarität, wenn ein Eurostaat dem anderen Geld leiht – auch und gerade unterhalb der an Kapitalmärkten ausgezockten Zinssätzen.

Das ließe sich übrigens durchaus erweitern auf Staaten allgemein, ganz gleich in welcher Währung. Daß Staaten im Jahr 2010 definitiv die besseren Banken sind, weil es für sie ein “Morgen” gibt und sie sich nicht auflösen, wenn sie “zahlungsunfähig” sind, hebt ihre Handlungen auf ein Niveau von Verantwortung, von dem die Banken sich um Lichtjahre entfernt haben. Wenn es um Leben und Tod geht, kann sich ein Staat nicht mal eben mit seinen Milliarden vom Acker machen.

Analysen und Kritik an falschen Analysen gibt es reichlich. Wie es dazu kam, das dürfte einigermaßen klar sein. Brauchbare Lösungsansätze, die sich von der Blödheit des “Et hätt noch immer jootjejange” frei machen, finde ich hingegen nicht.

Es geht um nicht weniger als (Bürger-)Krieg und Frieden. Und da gilt dann noch immer die Priorität des “freien Marktes”, was nichts anderes heißt, als daß der Schutz von Privatvermögen, mit denen Staatsschulden finanziert werden, über den Erhalt einer staatlichen Ordnung gehen – und das im noblen Europa?
Was habe ich da fundamental nicht kapiert? Steuert diese Systemkrise auf einen fiskalisch-ökonomischen Weltkrieg zu? Gibt es wirklich keine Mittel zur Abwehr der fatalen Mechanismen einer auf private Interessen ausgerichteten “Weltwirtschaft”?

Ich bitte darum, in den Kommentaren von Hinweisen auf das unvermeidliche Scheitern des Kapitalismus abzusehen. Soweit das stimmt, bedarf ich keiner Belehrung. Es geht mir vielmehr um die Details zur aktuellen Lage.

Ich habe mich eben mit einem Berater für kleine und mittlere Unternehmen unterhalten. In bezug auf die Arbeitsagentur meinte er, man sehe, von wem diese beraten worden sei:

Man merkt, wer sich von McKinsey oder Berger hat beraten lassen: Bei denen geht keiner mehr ans Telefon.

Vor einiger Zeit fiel mir folgende Präsentation beim “Stern” auf, ein Beleg dafür, daß Werbung nach “Relevanzkriterien” gern schwer nach hinten los geht:

kachelmann

Unter dem Bericht von Kachelmanns Verhaftung sind Werbeeinblendungen zu sehen: “Beziehung retten” und “Herzprobleme”. Die Datenbank erkennt da wohl Kriterien, die vermeintlich zum Artikel passen.
Ja, die neun größten Fehler in Beziehungen sind zu vermeiden. An welcher Stelle kommt da wohl “Vergewaltigung” oder “Vorwurf der Vergewaltigung”? Und auch das Herz will vorversorgt sein, wenn es zum Äußersten kommt: Verbrechen, Knast, Ei, Blut, Kakao. Nur nach einem Mord ist es wurscht. Für das Opfer jedenfalls.

Ein guter Grund, so etwas wie AdSense und dergleichen nicht zu wollen. Die Werbung für russische Katalogmädels in linken Blogs fand ich übrigens ähnlich gelungen.

eongasWas passieren kann, wenn Maschinen oder Ignoranten ohne Schrauben im Gehäuse Werbung plazieren, zeigt der historische Griff ins Klo von Eon und einer Lüneburger Zeitung (“Eon sorgt schon heute für das Gas von morgen”). So etwas kann Kunden von AdSense und ähnlichen Angeboten durchaus auch widerfahren. Es mag sein, daß derlei Peinlichkeiten schnell in Vergessenheit geraten, weil sie ironischerweise für irrelevant gehalten werden.

 
 
 
 
 
 
 

Ich finde es ja nach wie vor bedenklich, gewisse Experten zu zitieren. Michael Hüther gehört ganz sicher dazu. Robert von Heusinger hat ein Interview mit ihm geführt und ihm Erstaunliches entlockt: Herr Hüther spricht sich für einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn aus. Pikanter Weise bringt Heusinger sogar Hans-Werner Sinn in Stellung, um mit einigen neoliberalen Dogmen aufzuräumen.

Habe ich ihn neulich harsch kritisiert, komme ich nicht umhin, ihm diesmal uneingeschränkt Lob auszusprechen: Heusinger konfrontiert Hüther, hakt nach und sorgt für das nötige Maß an Reibung, das ich zuletzt schmerzlich vermißt habe. Beinahe zu bedauern ist, daß Hüther nahezu widerstandslos nachgibt. Dessen Ausführungen zum Problem der deutschen Exportfixierung und Lohnstruktur sind freilich dennoch recht kapriziös. Der Experte macht einen tief verunsicherten Eindruck.

Frei von jeder “Indoktrination” beweist von Heusinger, daß man die Helden von gestern durch breite Schultern und die Konfrontation mit alternativen Positionen zu Äußerungen jenseits ihrer Standardfloskeln bewegen kann. Deren gescheiterte Strategien lassen sich dann nicht mehr als “alternativlos” verkaufen, im Gegenteil: Die (bessere) Alternative avanciert unmittelbar zum Gegenstand der Diskussion. Ich will mehr davon!

Was die Deutsche Bank unter “Volkswirtschaft” versteht, wird immer dümmer, die Linie bleibt allerdings erkennbar: Arbeit soll sich nur für eine kleine Kaste höherer Angestellter lohnen – und natürlich für Kapitaleigner. Für den großen Bodensatz gilt: Viel arbeiten, wenig verdienen. Unproduktive Jobs fordert der Herr Mayer von der Deutschen Bank. Irgendwer in Deutschland soll sich Leute leisten können, die den Rasen mähen. Derweil sollen die anderen Europäer, vor allem die, denen eh nicht mehr zu helfen ist, produktiver werden und auf Export setzen. Natürlich mit niedrigen Löhnen, so wie Deutschland das vorgemacht hat. Man möchte sich die Stirn in Scheiben hauen.

Die Vorlage der Interviewer, die Löhne um fette zwei bis drei Prozent zu erhöhen, ist ihm “zu einfach”. Warum, das verrät er nicht. Und wird auch nicht danach gefragt. Überhaupt ist da ein kondebiles Gespann am Werk, das weder Probleme definiert noch ernsthaft Lösungen erörtert. Robert von Heusinger, den ich sonst durchaus schätze, macht sich zum Deppen vor einem vermeintlich unantastbaren Experten. Wenn er das nicht besser kann, sollte er keine Interviews mehr führen. Seine neue Rolle in der Zentralredaktion der du Monts könnte in einer Selbstdemontage enden.

Die armselige Veranstaltung dieses “Interviews” ist der FR nicht würdig, es ist eine Orgie neoliberaler Plattitüden.
Ja, die Arbeitsmarktreformen waren erfolgreich“; “Ich habe überhaupt nichts gegen Kombi-Lohnmodelle und bessere Zuverdienstmöglichkeiten“; “Die Wettbewerbsfähigkeit kann man in einer Währungsunion nur verbessern, indem man die Produktivität steigert, oder die Nominallöhne senkt.
Zum Teil sind die Äußerungen Mayers widersprüchlich, zumal niemand ihn fragt, wie eine Binnennachfrage mit “Kombilöhnen” auf die Füße kommen soll. Die Frage nach einer Erklärung für die “Saldenmechanik” wird mit zwei Sätzen abgefrühstückt:
Wenn ein Land einen Exportüberschuss aufweist, muss der Rest der Welt ein Handelsbilanzdefizit haben. Denn der Saldo aller grenzüberschreitenden Transaktionen ist immer null.
Ganz großes Expertenwissen!

Mayers Eingeständnis zum Auftakt, daß die Fixierung der deutschen Wirtschaft auf den Export nicht richtig war, ist wohl das Zückerchen, mit dem sich Heusinger und Roth haben abspeisen lassen, sodaß es für den Rest halt nur noch Kamelle aus dem Phrasensack gibt. Es kommt nicht einmal das Bemühen um ein Verständnis der Lage auf, geschweige denn ein kritisches Nachhaken. Wie zum Beispiel das gescheiterte Exportmodell überhaupt funktionieren soll in Ländern, die gar keine Infrastruktur dafür haben, wäre wohl das Mindeste, das hätte geklärt werden müssen.

So endet das Spiel “Frag mich nichts, dann sag ich nichts” denn auch als Cliffhanger, dessen marktwirtschaftlich freier Fall den Zuschauern nicht mehr zugemutet wird:
Die Staatsknete sei verschossen und wir könnten nicht noch einmal das Defizit verdoppeln, erklärt Mayer. Dazu die Qualitätsjournalisten:

Weil wir das Geld den Banken geben mussten.

Hier schweige ich besser“, ist die zynische Abfuhr des Leistungsträgers, der weiß, daß er sich vor diesen sportinvaliden Sparringspartnern nicht verantworten muß. Sie wollen schließlich gar nicht, daß ihre Leser auch nur der Hauch einer Erkenntnis anweht.
Solche geistige Windstille bildet also die öffentliche Meinung. Für eine Zeitung, die sich jüngst als ein rarer Lichtblick im unkritischen Medienzirkus erwiesen hat, eine einzige Schande.

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