Als ich zum 1. Mai von “Arbeitern” sprach, meinte ich alle, die nicht von ihrem Eigentum leben können. Das bezieht also folgerichtig Selbständige mit ein. Diese Gruppe, die bei der letzten BuTaWa zu 26% FPD gewählt haben soll, ist ein ganz besonderes Völkchen.
Ich kenne die klassischen Kleinunternehmer als professionelle Steuerabsetzer, und bei manchen habe ich den Eindruck, daß sie mehr als die Hälfte ihrer Zeit damit verbringen, Quittungen zu sammeln.
Der selbständige Packan ist per se ein Leistungsträger, der für “seinen” Laden “verantwortlich” ist, und sei es nur ein Bauchladen. Soviel stimmt zumindest: Es ist seine Pleite, wenn es schiefgeht, und ggf. droht dann ebenfalls Hartz IV.

Neben den Spesenrittern, die gern auch Zuarbeiter hundsmiserabel bezahlen, weil sie sich eigentlich keine leisten können, gibt es zunehmend und staatlich gewollt Zwangsabenteurer, die vor sich hinwurschteln, weil sie den letzen Ausweg in einer Scheinselbständigkeit suchen. Damit ist nicht nur die gesetzlich definierte Spielart gemeint, sondern darüber hinaus ein Bemühen um ein Auskommen, das mangels Kompetenz zum Scheitern verurteilt ist.

Der Gipfel der Eigenverantwortung

Schließlich gibt es mehr oder minder erfolgreiche Selbständige oder Freiberufler, deren Schaffen eben nicht das des klassischen Arbeitnehmers ist, die ihr eigener Chef sind und eine klare Vorstellung davon in die Tat umsetzen.

Kaum einer von all diesen wird sich als “Arbeiter” verstehen. Wer nicht noch unterhalb des Standes der Lohnabhängigen von ausbeuterischen “Kunden” herumgeschubst wird, empfindet sich halt als etwas Besseres. Für sie gibt es nicht einmal schlechte Gewerkschaften, sie stehen außerhalb der Gruppe der Werktätigen. Was hätten sie davon, sich mit Menschen zu solidarisieren, deren Erwerbstätigkeit die Stürme auf dem Gipfel der Eigenverantwortung nicht kennt?

Politisch gedacht, ist es eine grobe Dummheit, sich derart von den Mitmenschen separieren zu lassen, die unter denselben Verhältnissen leben und leiden. Ökonomisch gedacht liegt es in ihrem vitalen Interesse, daß es den anderen Arbeitern möglichst gut geht, denn leere Haushaltskassen und andauernde Zukunftsangst bis hin zur Depression kosten sie massenhaft Aufträge.

Nun ist es nicht so einfach, Kunden wahrzunehmen, die keine sind. Es gibt auch offenbar große Hemmnisse, sich klar zu machen, daß es am Ende keinen Unterschied macht, wem es zuerst schlecht geht. Der Reflex, der einsetzt, wenn es nicht läuft, ist meist die Suche nach Schuldigen, mit der man freilich in Gefilden sucht, die einem möglichst fern sind.

Eine Viertelstunde nachdenken

Die gegenwärtige Lage, geprägt durch Jahrzehnte der Einsparungen auch und gerade bei den Löhnen, trifft alle gleichermaßen. Alle, die ihr Auskommen durch Arbeit gleich welcher Art besorgen müssen, sind die Verlierer der Entwicklung. Profitiert haben davon ebensowenig selbständige wie lohnabhängige Arbeiter. Durch die Hartz-Gesetze droht obendrein Konkurrenz und Kostendruck von Seiten der oben genannten Scheinselbständigen, die jeden Preis akzeptieren, um irgendwie über die Runden zu kommen.

Die freiberuflichen und selbständigen Arbeiter sollten sich also einmal ein paar Minuten Zeit zum Nachdenken gönnen. Darüber, worin ihre Interessen eigentlich bestehen, wer diese Interessen vertritt und wessen Interessen wiederum diejenigen vertreten, die sich so gern als ihre Schutzmacht aufführen. Wenn sie dann immer noch lieber als anerkannte “Leistungsträger” im Dienst der Rendite anderer untergehen wollen, als sich mit denen zu solidarisieren, die eigentlich auf ihrer Seite stehen, ist ihnen nicht zu helfen. Versuchen könnten sie es dennoch. Es dürfte sich auszahlen.