Wie ein Wackeldackel habe ich heute den bemerkenswerten Artikel von Claudius Seidl in der FAZ gelesen. Es macht keinen Spaß mehr. Es ist unerträglich, und die Konservativen oder die sich in ihrem medialen Umfeld tummeln, dürfen das auch so feststellen. Warum das so ist, dass eher die Konservativen die ganze Veranstaltung abledern, die sich “Politik” schimpft und schon lange das Niveau von Provinztheater nicht mehr erreicht, darüber kann man spekulieren. Vielleicht, weil sie noch ins Theater gehen. Vielleicht auch, weil sie mit zweckfreier Bildung befleckt sind und aus der Ruhe eines Elternhauses sprechen, das noch den Unterschied kennt zwischen Lernen und Streben. Die wissen, dass Ehrgeiz die letzte Zuflucht der Versager ist.

Nicht zufällig steht mit Gerhard Schröder symbolhaft einer für den Niedergang der politischen Klasse, der als Emporkömmling abhob und als Büttel der Reichen und Mächtigen landete. Mit ihm kam passend zur Endphase des Kapitalismus eine Horde niveaufreier Lügner ans Ruder, die sprichwörtlich verkaufte, wofür sie einst stand, und zwar alles. Die Grünen Pazifisten und Ökos wurden zu Kumpanen der Stromwirtschaft und Bellizisten im Club der Atlantiker. Die “Sozen” wurden zu Genossen der Bosse, Finanzmarktschreiern und Feinden der Unterschicht, die sich für ihre Karrieren krummgebuckelt hatte. Nicht nötig zu bemerken, dass ihre Wahlversprechen sich allesamt als groteske Lügen entpuppten.

Das schwarze Loch

Dann kam Merkel, das schwarze Loch. In ihr verschwanden alle Konkurrenten, durch Nichtstun, Nichtssagen und das AAL-Prinzip: Andere arbeiten lassen, wobei die “Arbeit” in erfolgreichen Intrigen bestand. Was da noch steht, kann gar nichts mehr, nicht einmal reden, lügen oder verwalten. “Meinungsfreiheit” besteht darin, dass sie keine mehr haben. Doof lächeln und “gemeinsame Lösungen” finden lassen muss reichen. Die “Lösungen” geben die mystischen Märkte vor, zum Ausdruck kommen sie bei Springers und in den Vorständen von (Medien-)Konzernen. Es herrscht Einigkeit, dass alles kommen muss, wie es kommt. Niemand erwartet inzwischen noch, dass von diesen Dilettanten auch nur die Gefahr einer Idee ausgeht.

Prototypisch für dieses Fiasko stehen die wichtigsten Minister, nehmen wir mal die für Verteidigung und Inneres. Was da zuletzt von der Resterampe gekullert ist, lässt bestenfalls noch Worthülsen ab, verfällt aber gerade dann in beredtes Schweigen, wenn man gefälligst etwas zu hören wünscht. Ein Thomas de Maizière verbockt alles, was er anfasst, flieht vor seinen Skandalen stets nach oben und hat noch nie in seiner Karriere irgendeine Entscheidung getroffen, die man bei Anwendung selbst des bescheidensten Verstandes noch nachvollziehen könnte.

Was soll das?

Hans-Peter Friedrich war mir jahrelang durch seine intellektuell und rhetorisch anorektischen Vorträge aufgefallen, ehe er als Quotenbazi den Einheizer geben sollte. Man erinnere sich an echte Scharfmacher im Ressort, von Kanther über Schily bis Schäuble. Die waren zwar widerlich, aber in dieser Kompetenz wenigstens überzeugend. Über Friedrich dürfen inzwischen sogar die Praktikanten befreundeter Verlagshäuser ihre Possen reißen.

Von der Etappe möchte ich ebenso schweigen wie von der Nützlingstruppe FDP, der es nicht einmal gelingt, einen brauchbaren Karnevalspräsidenten in ihren Vorstand zu wählen, der wenigstens seine Zoten noch glaubhaft, verständlich oder unfallfrei in ein Mikrophon aufsagen kann. Wie soll so eine Gurkentruppe noch von den unendlichen Weiten ihrer Korruptionsbereitschaft ablenken? Was soll das? Man muss ja befürchten, dass am Ausgang des Wahllokals eine feixende Menge noch nicht final Verblödeter mit Fingern auf einen zeigt, weil man so bescheuert ist, am Urnengrab des Respekts vor den Bürgern seine Zustimmung zu diesem Meuchelmord zu dokumentieren.

Ich stelle fest, dass ich diesem Treiben längst selbst völlig entrückt bin. Dazu habe ich nichts mehr zu sagen, meinen die für Politik zuständigen Synapsen meines geschundenen Hirns. Vielleicht sollte ich von den Konservativen lernen, dass ab und an der Zorn über die organisierte Geringschätzung der Menschen nach Ausdruck verlangt. Bitteschön!

 
Im real existierenden Nichtkapitalismus, aka den Staaten des Warschauer Vertrages, gab es mit der Bezeichnung “Konterrevolutionär” ein klares Feindbild für den braven staatssozialistischen Genossen. Das war nicht immer praktisch, denn das Spektrum dessen, was darunter gefasst werden konnte, war beinahe beliebig erweiterbar. Immerhin hatte man für den offiziellen Sozialismus zu sein, und wer dagegen war oder so erschien, hatte es schwer.

Mit der Zeit verblasste der Vorwurf auch, denn man hatte sich eben daran gewöhnt, dass das ziemlicher Quatsch war. Es gab keine Säuberungen mehr, in Polen war es ausgerechnet die Arbeiterschaft, die sich konterrevolutionär gebärdete, in der Sowjetunion gab es ein großes Experiment, das andere Sorgen machte und in Ungarn sind sie gar fröhlich durch den Vorhang geschlüpft.

Ruhig bleiben

Der Freie Westen® hatte dergleichen nicht nötig, war doch hier alles gut und freiwillig®. Das Feindbild waren die Bösen von drüben, bei denen eben alle gezwungen wurden. Kaum aber hatte sich der Eiserne Vorhang ganz gehoben, kaum war das abstrakte Feindbild des ‘Kommunismus’ ein Gespenst der Vergangenheit, kaum war die militärische Bedrohung perdu, da wurde hier aufgerüstet. Der Feind war nicht mehr der Kommunist im Osten, es drohte nicht mehr der Weltkrieg. Der Feind ist der Terrorist® überall, und wir traten in einen zeitlich und räumlich unbegrenzten Krieg ein.

Derweil wurde uns gesagt, dass wir uns ruhig zu verhalten haben. Den Autoritären vertrauen. Außerdem haben wir uns so zu verhalten, dass sie uns vertrauen® können. Die Autoritäten. Und ganz nebenbei natürlich die Märkte®. Ruhig bleiben, bloß kein Geld abheben. In die Zukunft vertrauen, investieren. Riesterrente, Lebensversicherung private Altersvorsorge®. Wir müssen den Märkten® vertrauen, damit die Märkte® uns vertrauen®.

Sicherheit geht vor

Wir müssen fleißig sein und bescheiden, die Märkte® brauchen das. Wer faul ist, den können wir nicht mehr tragen. Das geben die Märkte® nicht her. Sie geben auch nicht her, dass die Faulen noch hierher kommen. Sie müssen gehen. Die Ausländer, die wir nicht brauchen können, müssen gehen, sonst müssen wir sie verhaften. Wir sagen das ganz offen.

Derweil ist die neue Bedrohung® allgegenwärtig. Ein Verräter hilft den Terroristen, aber weil wir der Freie Westen sind, droht ihm keine Todesstrafe. Ein wenig werden wir die Freiheit® trotzdem den Gegebenheiten anpassen müssen. Sicherheit® ist das Supergrundrecht®, dem sich alles andere unterordnen muss. Es gibt keine Freiheit ohne Sicherheit®.

Sicherheit und Vertrauen®, das brauchen auch die Märkte®, für die wir fit sein müssen. Daher gibt es jetzt Wohnanlagen® für das Training von Langzeitarbeitslosen und anderen Behinderten. Hier werden diejenigen auf nützliche Tätigkeiten vorbereitet, die sonst unnütz® wären. Die Lage ist kompliziert, wir brauchen eine Vielzahl ganz unterschiedlicher vertrauensbildender Maßnahmen®. Wir sind der Freie Westen®, bei uns gibt es keine Konterrevolutionäre. Alles, was wir tun, tun wir für das große Ganze®. Für unsere Freiheit®.

 
snow

Im Schmierentheater Demokratie und Marktwirtschaft® gibt es nichts, was man für Geld nicht kaufen kann, wenn man über genug davon verfügt. Was Snowden da enthüllt hat, ist kein Skandal mehr, es ist schlicht die Offenbarung einer lupenreinen Oligarchie. Die Staatsapparate dienen dem Kapital und sind ihrerseits durch die Zuteilung von Geldern völlig abhängig von den Interessen derer, die sie mit den entsprechenden Mitteln ausstatten oder eben nicht.

Ein weiterer Schlag Sahne auf den üppigen Becher ist die Enthüllung, dass die US-Regierung den britischen Geheimdienst finanziert. Was hat das noch mit Unabhängigkeit zu tun? Was hat das mit Rechtsstaatlichkeit zu tun, mit Demokratie, mit irgendeiner Form nennenswerter Kontrolle der ohnehin antidemokratischen Einrichtung von “Geheimdiensten”? Richtig: Gar nichts. Es ist wie bereits kürzlich in einem anderen Kontext dargelegt, noch die Abschaffung des Parlamentarismus, der seinerseits schon nur eine Ersatzdemokratie war.

Da wählt sich ein Wahlvolk ein Parlament, das sich eine Regierung wählt, die wiederum um ein Budget streiten, den Staatshaushalt, was die wichtigste parlamentarische Tätigkeit darstellt neben der allgemeinen Gesetzgebung. Wir kennen das aus den hiesigen Haushaltsdebatten, dem Höhepunkt des Jahres im Bundestag. Dann geht einfach eine Behörde hin und lässt sich mit hunderten Millionen Euro von einem anderen Staat finanzieren. Nicht irgendeine Behörde, sondern ein wildgewordener (Staats-)Sicherheitsdienst, der sich derart kaufen lässt und liefert, was bestellt wurde.

Feind im eigenen Haus

Im Hintergrund wurden Milliarden für internationale Banken und reiche Anleger aus den Staatshaushalten abgezogen, hernach Europa regulär totgespart, alles bis hin zur Wasserversorgung verkauft, um die Schulden nie mehr tilgen zu können, die Haushalte ruiniert, und dann gibt es endlos Geld für endlose Überwachung. Die Betreiber sind längst keine einzelnen Staaten mehr, sondern eine international operierende Mafia, die glaubt, das einmal eingerichtete Gewaltmonopol könne sie nach belieben für ihre Zwecke einsetzen.

Was den Kern selbst der Ersatzdemokratie hat verrotten lassen, ist dabei das, was die “Dienste” als “geheime” Rechte für sich beanspruchen. Natürlich ist es ihnen nicht recht, dass sie aufflogen, aber damit ist nur die Oberfläche angekratzt. Natürlich müssen sie Whistleblower verfolgen, einknasten, foltern und ermorden. Damit aber erreichen sie nichts, was sie nicht längst erreicht haben: Sie sind nicht geheim, aber sie sind unkontrollierbar.

Das ist ihr Sinn und Zweck: nicht dass sie geheim sind, sondern dass sie geheim sein dürfen. Dass sie effektiv niemandem Rechenschaft ablegen. Diese Zellen der Machtübernahme müssen zerstört werden, und jeder Staat, den sie angegriffen haben, hat das Recht dazu. Eine Demokratie, und sei es nur die aus parlamentarischem Ersatzstoff, muss diese feindliche Macht ersatzlos abschaffen. “Geheimdienste” leisten sich nämlich nur Diktaturen und ähnliche Unrechtsregime. Diese Experten, zumal hierzulande, waren schon immer dieser Gesinnung und 100% inkompatibel mit allem, was sich noch mühsam als Demokratie oder Rechtsstaat verkaufen lässt.

 
daisy

Tatsächlich hat man im Bloggeralltag mit denen mehr zu tun, die versuchen einem den Nerv zu rauben. Das führt bedauerlicherweise dazu, dass man auf diese Herren und selten Damen fokussiert und manchmal glaubt, die Welt werde immer blöder, weil sich Trolle, Stalker und – Verzeihung – Arschlöcher eben in den Vordergrund zu spielen wissen. Sie machen die meiste Arbeit; bevor man zum Beispiel Kommentatoren bannt, fallen sie gemeinhin bereits unangenehm auf; man muss ihre Beiträge aufmerksam lesen, sie regelmäßig in die Schranken weisen und zusehen, dass die Diskussionen sich nicht nur um sie und die von ihnen gesetzten Themen drehen. Oft trübt das auch noch die Laune, weil man bei aller Abgebrühtheit lieber etwas anderes täte als sich mit Irren und zu groß geratenen Kleinkindern zu beschäftigen.

In einigen Nachbarblogs, deren Betreibern sowohl die Namen als auch die Techniken der Gemeinten bekannt sind, werden regelmäßig Diskussionsansätze zerstört, weil man dort wohl der Auffassung ist, es habe irgendetwas mit “Zensur” zu tun, wenn man Provokateure oder Rüpel vor die virtuelle Kneipentür setzt. Das Resultat ist nicht nur miese Stimmung, sondern vor allem der Rückzug zivilisierterer Menschen, die das nicht aushalten und es sich auch nicht antun müssen. Ich kann das nicht ganz verstehen, denn derart werden alle zu Opfern der Trolle, die sich freilich selbst als Opfer gerieren. Ich kann mich immer noch jedes Mal scheckig lachen, wenn einer betont, er sei ja nun schon in soundso vielen Blogs gesperrt, das liege an der bösen Verschwörung jener Blogger. Nein, ein freies Land braucht keine freien Geisterfahrer.

Freedom for …

Was dadurch zu kurz kommt, in letzter Zeit gehäuft, weil eben ein ganzer Haufen von Spacken hier aufgeschlagen ist, bei denen man sich fragt, ob sie für den Stunk, den sie verbreiten, bezahlt werden, ist die Freude an der Diskussion. Das macht sich auch sehr deutlich in der Beteiligung bemerkbar. Man kommt nicht so recht dazu, das Gute hervorzuheben, den Spaß, die Solidarität, den Ideenaustausch, das gemeinsame Bemühen, die Arbeit an Vorstellungen von einer anderen Zukunft, den Informationsaustausch und das ganz einfache Empfinden von menschlicher Zuneigung, mal mehr, mal weniger distanziert.

Ich befinde mich hier in einer Nische der Zivilisation, die mir Erfahrungen ermöglicht, auf die ich nicht verzichten möchte. Ich werde bestätigt, kritisiert, korrigiert, inspiriert, vorangetrieben, beschenkt, unterhalten und respektiert. Das alles trotz gewisser Launen, schroffer Kommentare, kapriziöser Texte und eines wenig gnädigen Blicks auf die bestehenden Verhältnisse. Das ist mehr als ich erwarten darf. Das macht ihr. Was ich schon lange mal wieder dazu sagen wollte:
Danke!

 
Nicht erst das scheinbare Desinteresse bezüglich der Totalberwachung oder die absurden Umfragewerte für Merkel (angeblich 2/3 Zustimmung) und ihre Regierung (angeblich 2/3 Ablehnung) machen deutlich, dass der wichtigste Teil der Demokratisierung in Deutschland nie stattgefunden hat. Das Volk, die Bürger, interessieren sich eigentlich nicht für Politik. Sie ordnen sich lieber Führern unter. Nie hätten sie den Anspruch, dass die Politik, der Staat, die Regierung, die Abgeordneten sich vor ihnen rechtfertigen. Ganz im Gegenteil ist eine mindestens latente Untertanenmentalität nach wie vor weit verbreitet. Demnach hätte sich jederzeit der Bürger vor der Obrigkeit zu verantworten, diese aber nicht vor dem Bürger. Das ist die elementare Verkehrung der demokratischen Gesellschaft zum autoritären Staat.

Die Deutschen haben nie auch nur ansatzweise die Fähigkeit entwickelt, sich um ihre eigene Gesellschaft zu kümmern, sie sind nie Demokraten geworden, egal ob im staatssozialistischen Osten oder im kapitalistischen Westen. In letzterem haben sie sich mit einer vorläufigen monetären Beteiligung abspeisen lassen. Vom Wirtschaftswachstum floss ein wenig in die Haushaltskassen, das genügte soweit. Dafür durfte man zwischen zwei bis drei Parteien auswählen, die das Ganze organisierten. Im Osten gingen sie 1989 auf die Straße, um ihr verkalktes Regime gegen D-Mark und Konsumanschluss einzutauschen. Die große Mehrheit der Ossis hat sich mit demselben doofen Trick einlullen lassen wie zuvor die Wessis.

Teilhabe ist Konsum

In anderen Staaten sah und sieht es nicht viel besser aus. Fast überall, wo bis in die 80er Jahre vielleicht noch eine rege Streit- und Streikkultur herrschte (z.B. Großbritannien), hat sich der ‘Konsens’ durchgesetzt, was nichts anderes ist als das zumeist von korrumpierten Sozialdemokraten durchgesetzte Interesse des Kapitals. Dieses kann spätestens in der ‘Krise’ sowieso am besten mit Diktatoren, was es inzwischen auch freimütig sagt:

Jedoch wurde mit zunehmender Entfaltung der Krise offensichtlich, dass es in der Peripherie (i.e. den europäischen Krisenländern) tief verwurzelte Probleme gibt, die aus unserer Sicht abgeschafft gehören [...] Die politischen System der Peripherie wurden in einer Zeit beendigter Diktaturen etabliert und waren von dieser Erfahrung (der diktatorischen Regimes) definiert. [...] Politische Systeme in der Peripherie tragen typischerweise die folgenden Merkmale: schwache Führungskräfte; schwache Zentralregierungen im Verhältnis zu den Regionen; verfassungsmäßig geschützte Arbeitsrechte; auf Konsens gestützte Systeme, die politischen Klientilismus begünstigen; sowie das Recht auf Protest, falls am politischen Status quo unwillkommene Veränderungen vorgenommen werden.” (J.P. Morgan)
Es wird aber auch noch deutlicher, ganz anschaulich und am Beispiel:

Die Ägypter hätten Glück, wenn ihre neuen herrschenden Generäle sich als aus demselben Holz geschnitzte Führungsfiguren erweisen würden wie Chiles Augusto Pinochet, der seinerzeit inmitten von Chaos die Macht übernahm und Reformkräfte anheuerte, die dem freien Markt verpflichtet waren, und so zum Geburtshelfer eines Überganges zur Demokratie wurde“.
(Wall Street Journal)

Kapital und Diktatur

Das ist zwar immer noch dämlichster Zwiesprech der Sorte “Diktatur ist Demokratie”, aber es beinhaltet immerhin ein deutliches Bekenntnis zum Faschismus. Woher soll also der Widerstand gegen die notwendigen autoritären Maßnahmen des kapitalistischen Staates kommen? Die depperte Behauptung, “Marktwirtschaft” sei quasi an sich “demokratisch”, wird gerade ersichtlich nach Strich und Faden widerlegt, ist aber nach wie vor gängige Erzählung. Die Massen sind darauf trainiert, statt jeglicher Beteiligung an Politik lieber Geld zu fordern und lassen sich obendrein noch mit immer weniger abspeisen. Der Zugang zu politischer Macht ist derweil für jegliche Alternativen versperrt, weil alle Ressourcen in der Hand von Anhängern der sog. “Marktwirtschaft” liegen.

Es stellt sich daher die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, auf Emanzipation zu hoffen, zu setzen, hinzuarbeiten oder ob es nicht besser wäre, den Pöbel zu führen. Man muss in diesen Tagen schon gesotten linksradikal sein, um dieser Versuchung nicht zu erliegen.

Es ist aber auch Licht am Ende des Tunnels: Wo die großen Themen, sobald es ein wenig abstrakter oder gar global wird, auf Lethargie treffen, ist das Handfeste, Regionale durchaus zu Besserem tauglich, das zeigt mustergültig etwa der Rumble um “Stuttgart21″. Deshalb sind den Freunden des Kapitaldiktats auch ausdrücklich “schwache Zentralregierungen im Verhältnis zu den Regionen” ein Dorn im Auge. Wenn die Demokratie eine Chance haben soll, ist diese Baustelle vermutlich die wichtigste: Wie schaffen wir es, überregional vernetzt Konzepte und Theorien zu entwickeln, die dann regional umgesetzt werden? Das kann der Schlüssel sein.

 
deaddog

Ich halte mein Wort. Eure nächste Chance: Anfang September in Berlin bei “Freiheit statt Angst”. Wenn eine “Demo” zwanzig Minuten vor Beginn so aussieht und wenn es dann regnet, sieht sie so aus; wenn zu Beginn dann ein paar Männekes (und dann auch noch welche mit den Fahnen von den “Grünen” Verrätern) aus dem Busch krabbeln und das hier der komplette Demo-Zug ist, dann habt ihr nicht verstanden, was ich meinte, als ich “hingehen” sagte. Was ich als nächstes erschießen werde, weiß ich noch nicht, aber es wird noch süßer sein, und ihr seid schuld!

Großartig übrigens die Argumentation eines Polizisten: Als der Marsch sich verzögerte, weil ein Generator nicht ansprang, drängte er zur Eile, weil die Straßen freigehalten werden mussten. Er habe die Interessen vieler Tausend (Verkehrsteilnehmer) ebenso zu berücksichtigen wie die der vielleicht zweihundert Demonstranten.

Man kommt nicht mehr nach

Update: Mir ist übrigens noch aufgefallen, dass einige zentrale Begrifflichkeiten und Abkürzungen des ganzen Überwachungsterrors bei weitem nicht allen bekannt sind – wohlgemerkt denen, die immerhin wissen, dass sie überwacht werden und das gar nicht komisch finden. Selbst ich hatte nicht auf Anhieb parat, was “BDA” bedeutet, nämlich “Bestandsdatenauskunft“; früher bekannt als “Vorratsdatenspeicherung”. Das ist zwar nicht ganz dasselbe, läuft aber eben darauf hinaus, dass verdachtsunabhängig Daten gesammelt werden, die dann abgegriffen werden können.

Selbst “Prism” und vor allem “Tempora” sind oft nicht bekannt. Dass Prism das US-Programm zur Totalüberwachung ist, wissen noch die meisten. Die Betreiberin ist die NSA (National Security Agency), der fleißigste Geheimdienst neben der CIA. “Tempora” ist das britische Programm, das auf dasselbe hinausläuft, unter der Kontrolle des GCHQ (Government Communications Headquarters). Ein echter Neusprech: “Regierungshauptquartier für Kommunikation” ist kurz vor “Minilieb”.

Manischer Neusprech

Ein ähnlicher Wortmüll ist “Indect“, ein Programm zur Überwachung draußen auf der Straße, mindestens so übel, allerdings eher zu bemerken. Verkauft wird dieser Marsch in den Faschismus als “smart” und “effizent”.

Aus allen Rohren werden also ständig neue Gruselmaßnahmen entworfen, vorgeschlagen, umgesetzt und durchgeführt. So viele, dass man sie sich kaum mehr merken kann. Wir sollten uns also entweder wirklich einprägen, was die Programme im einzelnen bedeuten oder zumindest das Gesamtpaket als Szenario parat haben, wenn jemand fragt. Wenn einer dann noch wissen will, was genauer dahintersteckt, verweist ihn auf diesen Artikel oder bessere, die sich sicher auch noch finden lassen. Hinweise dazu gern in den Kommentaren.

 
Soso. Sie haben also noch nie ihren Partner betrogen, der Mutter etwas anderes erzählt als dem Vater, überhaupt je gelogen, geheime sexuelle Vorlieben, in der Vergangenheit peinlichen Unfug getrieben, etwas gestohlen, Fahrerflucht begangen, bei einer Prüfung geschummelt, die Versicherung betrogen, die Steuererklärung frisiert, schwarz gearbeitet, blau gemacht, jemanden angeschwärzt, einen dummen Streich gespielt, jemanden verleumdet, über Ihren Chef getratscht, die Zeche geprellt, etwas kaputtgemacht ohne sich zu melden …

Es ist Ihnen egal, was man von Ihnen weiß: Mit wem sie Kontakt haben, wie lange, wie oft, Ihre Schuh- und Kleidergröße, Aufenthaltsorte, Kontostand, Einkommen, Einkäufe, Vorlieben und Abneigungen jedweder Art, politische Einstellungen, Empfindlichkeiten, Ängste, Stärken und Schwächen, wem Sie sich anvertrauen und was, wen sie mögen und wen nicht, wie Sie zu wem stehen und was sie dazu öffentlich behaupten, Ihre gesundheitlichen Probleme, Medikamente, Alkohol- und Drogenkonsum, religiöse Einstellung, Ihr Gewaltpotential, Ihre Meinung, Ihr Sportverein, Freizeitinteressen, Lieblingsbücher- und Filme, Hobbys …

Das Ende der Unschuld

Sie lügen nie? Und wenn Sie es wollten, weil Ihnen jemand Fragen stellt, könnten Sie dann noch, zumal der mehr von Ihnen weiß als Sie selbst? Sind Sie sicher, dass die Menschen, mit denen Sie Kontakt haben – Freunde, Kollegen, Bekannte, Begegnungen – dass Sie die alle nicht verbergen wollen, wenn jemand danach fragt? Haben die auch alle nichts zu verbergen? Sind Sie wirklich sicher?

Das ist der entscheidende Punkt, liebe Schläfer: Sie haben reichlich zu verbergen, machen sich und anderen aber vor, Sie hätten nichts zu verbergen. So kann man das machen in einem Rechtsstaat, und das ist gut für Sie. Sie werden aber schon bald bemerken, dass sie anfangen, sich sehr wohl zu verbergen. Weil sie wissen, dass das nötig ist. Weil Sie die sehr berechtigte Angst haben, dass man Informationen über Sie sammelt und Ihnen nichts glauben wird,was nicht ins Bild dieser Informationen passt. So ist das nämlich nämlich in einem Überwachungsstaat.

Mehr Stoff zum Thema und ein 5-Minuten-Video, das manchen die Augen öffnen kann, gibt es hier.

 
Samstag, bei Euch um die Ecke. Hingehen, sonst erschieße ich diesen Hund.

bmhnd

 
Aus aktuellem Anlass ein kleiner Rückblick auf die Diskussion über “Internetsperren” vor vier Jahren. Wie in meiner Rumpelkammer bereits angemerkt, wärmen die Briten genau diese Nummer wieder auf, um die Totalüberwachung voranzutreiben.

sotp

Wer glaubt, es gehe bei der wahnwitzigen Stoppschild-Aktion der Bundesregierung um “Zensur”, hat nicht ganz begriffen, was da wirklich läuft. Es läuft nämlich darauf hinaus, dem BKA zu gestatten, fröhlich Nutzerdaten abzugreifen, um so am laufenden Band “Verdächtige” zu produzieren.

Wie irrsinnig das Vorhaben ist, muss man sich einmal deutlich machen: Da sollen die IPs von Nutzern registriert werden, die versuchen, eine Seite aufzurufen, von der sie dank des Stoppschildes gar nicht wissen, was sie beinhaltet. Werden diese Sperren umgangen, ist es zwar unwahrscheinlicher, “erwischt” zu werden, es wird aber unterstellt, dass wer so etwas tue, ja ganz sicher höchst verdächtig sei. Geht man also etwa davon aus, dass eine gesperrte Seite versehentlich gesperrt wurde (das dürften technisch bedingt die meisten sein) und will sich dessen vergewissern, macht man sich strafbar.

Drohen und erpressen

Das ist eben keine Zensur, denn die funktioniert ja gar nicht. Es ist vielmehr ein gigantisches Droh- und Erpressungspotential des BKA gegen die Bürger. Es kann jeden treffen, und der Verdacht allein wirkt wie ein Fallbeil: Das ist ein Pädophiler!
Ganz selbstverständlich geschieht dies alles im Dunkeln, kein Richter muss die Speicherung privater IPs genehmigen, kein Nutzer wird davon informiert. Die Stasi hätte sich die Finger geleckt nach solchen Möglichkeiten. Dass die Technik, einmal installiert, ganz sicher auch in bezug auf andere Delikte genutzt werden wird, sei bei dieser Gelegenheit noch einmal am Rande bemerkt.

Die zu erwartenden Zuwiderhandlungen vieler Internetnutzer und die riesige Zahl von Nutzern, die unfreiwillig solche Seiten aufrufen, werden überdies vor allem einen Effekt haben: Der Verdacht, Kinderpornographie zu konsumieren, trifft zukünftig nicht mehr erstrangig diejenigen, die sich diesen Dreck mit Vergnügen reinziehen. Diese werden gut geschützt in einem Heer unschuldig Verdächtiger verschwinden und nur mit noch mehr Aufwand zu überführen sein als ohne diese Schwachsinnsmaßnahme.

So weit, so schlecht. Wie immer wird aber auch dieser Stuss vor dem BVerfG scheitern. Diese Instanz ist längst der Gradmesser für die Restdemokratie in der Bundesbananenrepublik. Sollte sie eine Kehrtwende in ihrer Rechtsprechung vollziehen oder durch das neue Supergrundrecht entmachtet werden, ist es an der Zeit, die Koffer zu packen und den ‘Daumen’ raus zu halten. Vielleicht wird ja eine Hyperraum-Umgehungsstraße gebaut.

 
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Als ich Zivildienst leistete, meinte der sogenannte “Regionalbetreuer”, den ich mir ohne großen Zeitverlust zum Feind gemacht hatte, einmal zu mir: “Sie machen das doch freiwillig”. Der Typ – wie die meisten dieser Charge ein ehemaliger Soldat; die wurden damals halt Fahrlehrer oder triezten Zivis, weil das “Zivildienstgesetz” eine Abschrift vom Wehrdienstgesetz war – meinte das ernst. Ich hätte ja auch zum Bund gehen können und Männekes bauen. Da ich aber ja eine ‘Wahl’ getroffen hatte, war alles, was ich fortan in diesem Zusammenhang tat, freiwillig.

Diese Donnerbalkenlogik ist noch zu doof die Analogie zu erkennen zu der Wahl zwischen Todesspritze und Gaskammer. Der Delinquent stirbt dann doch freiwillig, sonst hätte er sich ja anders entschieden. Traurigerweise reicht diese Idiotenlogik für eine ganze Menge von Idioten. Womit wir beim Verhältnis der Journaille zu ihren Lesern sind.

Die allerhoheitlichsten Stellen

Zwar gibt es auch einige erfreulichere Tendenzen in diesen gleißend düsteren Zeiten, so stellt etwa auch Fefe fest, dass seit dem Abgang Mascolos der “Spiegel” auf dem Weg sei, beinahe wieder Journalismus nach alter Definition abzuliefern. Allerdings ist genau da auch ein fetter Schlagschatten, weil eben nicht ein Konzept und eine Haltung dahinter stehen, sondern Beliebigkeit. Burks hat heute ein Brechmittel gefunden, beruhend auf eben jener Strategie der falschen Alternativen, Propaganda von der Brechstange:

Wenn nämlich, so die Trommelschläger Stefan Heumann und Ben Scott, die totale Überwachung abgewendet werden soll, so brauchen wir wieder einen Führer, Pardon,Führung” von “ganz oben” für einen “nationalen Kraftakt“. Die Führer der Nation müssen das deutsche Internet in die Freiheit führen. No Shit, Watson, das erzählen sie da wirklich. Das gilt dort nämlich als Demokratie, wenn Superminister und Kanzler nationale Kraftakte begehen. So, Eimerpause, gleich wird’s besser.

Kühle Keramik kann eine große Erleichterung sein, nicht wahr? Kommen wir mal zu echten Alternativen, einer echten Bedrohung freilich auch für Ganz Oben®, wie das eben so ist, wenn Menschen sich erkühnen selbst zu bestimmen, was sie wollen [via daMax]. In Finnland geben sich Bürger jetzt womöglich ihr eigenes Urheberrecht. Selbst wenn`s nix wird mit dem Versuch, aber so geht Demokratie, nicht von oben herab.

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