Was ein Abschied vom “menschenrechtlichen Überschwang” bedeutet, kann wer es wissen will aus Afghanistan erfahren. Dort waren wir zunächst “uneingeschränkt solidarisch”, dann halfen unsere Truppen bekanntlich beim Brunnenbau und verteidigten anschließend “unsere Freiheit am Hindukusch”. Die Aufgabe, die höchste Priorität hatte und auch in Mali wahrgenommen werden soll, ist die Ausbildung der Sicherheitskräfte. Was machen sie denn so, die Polizei und die Sicherheitsdienste? Bereits 2011 wurde berichtet von systematischen Folterungen, und sexuellem Missbrauch in afghanischen Gefangenenlagern.

Der aktuelle Bericht der UN-Mission in Afghanistan zeugt von keiner Verbesserung:

Die UNAMA hat festgestellt, dass die Hälfte (326) von 635 interviewten Gefangenen Misshandlungen und Folter erlebt haben, in 34 Einrichtungen der Afghanischen Nationalpolizei (ANP) und der Nationalen Abteilung für Sicherheit (NDS) zwischen Oktober 2011 und Oktober 2012. Folter, wie sie nach afghanischem und internationalem Recht verboten ist, in Form missbräuchlicher Verhörtechniken, in denen afghanische Beamte schwere Schmerzen und Qualen eingesetzt haben, um Geständnisse oder Informationen zu erzwingen. 14 Methoden von Folter und Misshandlung wurden beschrieben, ähnlich den Praktiken, die bereits zuvor von der UNAMA dokumentiert worden waren.” (Übersetzung von mir)

Ende des Überschwangs

Da ist der Überschwang wohl im Blut ersoffen. Seltsam, und wir dachten, unsere “Hilfe” würde zu blühenden Landschaften führen. Hatten am Ende doch diejenigen Recht, die davon überzeugt waren, dass Krieg nicht zu Frieden und Freiheit führt, sondern zu … Krieg?

Bis heute weiß eigentlich niemand, was die Bundeswehr seit zwölf Jahren dort macht und vor allem wozu. Damit auch gar nicht erst dumm gefragt wird, marschiert sie also bald nach Mali. Das liegt wie der Rest der Welt bekanntlich “vor der europäischen Haustür” und darf kein Rückzugsraum für Terroristen® werden. Daher helfen wir auch dort. Warum? Weil der Islamterrorist Leute erschießt. “Per Kopfschuss”, wie der SpOn heute berichtet. Schrecklich! Zum 50. Jahrestag des Élysée-Vertrages wollen wir daher Seit’ an Seit’ mit dem Franzosen Krieg führen. Ohne Krieg können wir nämlich nicht, also besser miteinander, damit die Kämpfe in den Kolonien nicht zu innereuropäischen Spannungen führen.

Grün ist der Krieg

Der Terrorist ist Islam und Islam der Terrorist. So wie der Taliban, auch ein Islam. Den übrigens müssen wir natürlich töten. Allerdings nicht grausam per Kopfschuss, sondern aus dem königlichen Hubschrauber. Das ist gut und gerecht. Sobald wir dann den Islam zurückgedrängt haben, bilden wir die Guten wieder aus und ziehen ins nächste Gefecht. Ohne Überschwang und Menschenrechte, aber in Verantwortung®. Für die europäischen Handelswege.

kaaditDie Schlüsselposition der Militarisierung deutscher Politik haben übrigens die Grünen inne. Sie sind der Kitt der neoliberalen Front und haben äußerst erfolgreich auf dem Ticket vom Pazifisten den Angriffskrieg als Mittel der Politik wieder eingeführt. Ich rate dazu, jedem dieser Förderer von Folter und Mord genau zuzuhören. Was sie sagen, was sie nicht sagen und was sie tun. Bei der Gelegenheit empfehle ich sehr die Lektüre von Jutta Ditfurths Buch. Die Dame ist nicht jedem sympathisch und nicht unumstritten, aber sie weiß, wovon sie redet und belegt die allermeisten ihrer Aussagen akribisch. Wer wissen will, wie es wieder dazu kommen konnte, erhält einen tiefen Einblick. Geht dazu bitte in den nächsten Buchladen um die Ecke oder ruft einfach dort an. In der Regel ist das Buch am nächsten Tag da. Es gibt keinen Grund, bei Ausbeutern zu bestellen.

Vorab bin ich nicht unerstaunt, dass die Reaktion auf das Gewähle am Sonntag reichlich desillusioniert ist. Wenn es überhaupt Kommentare gibt, dann gern solche wie hier, bei Burks oder bei Klaus. Gar lustig ist das Journalistenleben, aus dem mir gestern vermeldet wurde, es sei eine tolle hohe Wahlbeteiligung. Erst wenn weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten hingeht, sprechen wir also von einer nur mehr “hohen Wahlbeteiligung”. Eine “sehr niedrige Wahlbeteiligung” dürfte erreicht sein, wenn nur noch die von der Jungen Union entführten und zum Kreuz gezwungenen Rentner teilnehmen.

Das Event hatte aber noch mehr zum Amüsement beizutragen – an dem die Journaille ebenfalls nicht ganz unbeteiligt ist. Heißt bei ihr doch ebenso selbstverständlich wie Ausbeuter “Arbeitgeber” genannt werden, die entscheidende Stimme bei Wahlen gern völlig unkritisch “Zweitstimme”. Der Mix aus Verhältnis- und Mehrheitswahlrecht ist nicht jedermanns Sache. Fragen Sie mal wen, wie das am Ende ausgewertet wird. Aha, keine Ahnung? Ganz fulminant. Um das zu vereinfachen, habe ich einmal etwas vorbereitet. Multiple Choice, ganz einfach ein Kreuzchen machen, wir werten das dann aus. Der Vertrag verlängert sich automatisch, wenn Sie ihn nicht schriftlich bis zum 31.12. des Vorjahres gekündigt haben werden.

Was ist die Zweitstimme?

[] Die Zweitstimme ist die Ersatzstimme.

Erläuterung: Wenn die Erststimme verloren geht, unleserlich wird oder aus anderen Gründen nicht gewertet werden kann, insbesondere aufgrund höherer Gewalt, klimatischer Störungen oder eines schweren Ausnahmefehlers, kommt die Zweitstimme zum Einsatz. Sie muss anders sein als die Erststimme, denn wenn die gewählte Partei selbst ausfällt (zum Beispiel durch Verbot oder Sterbefall), muss eine Vertretung gewährleistet sein.

[] Mit der Zweitstimme wird die Partei gewählt.

Erläuterung: Die Erststimme ist für das Ergebnis der gewählten Partei unerheblich, sobald das Wahlrecht nicht mehr gegen das Grundgesetz verstößt. Die Zweitstimme bestimmt die Anzahl der Mitglieder einer Fraktion.

[] Die Zweitstimme wählt eine zweite Partei.

Erläuterung: Wenn für die erste Partei kein Platz mehr ist und eine weitere Partei an die Regierung kommt, zählt die Zweitstimme.

[] Die Zweitstimme ist nur geliehen.

Erläuterung: Wenn die gewählte Partei nicht ins Parlament einzieht oder nicht gebraucht wird, entfällt sie.

[] Die Zweitstimme wählt den Koalitionspartner.

Erläuterung: Wenn es zu einer absoluten Mehrheit nicht reicht, werden die Zweitstimmen den Erststimmen hinzugerechnet.

[] Die Zweitstimme wählt den Außenminister, Mutti und Gutti.

Erläuterung: Die kommt immer bei die Guten.

Vermutlich fehlt die häufigste von den Probanden selbst formulierte Antwort. Die skurrilsten fallen mir sicher nicht ein. Gehet hin und fraget sie!

 
feyglobZum Warmlaufen will ich die jährliche Danksagung samt Offenlegung meiner Nebeneinkünfte ablegen. Dankefeyn für alle großen und kleinen Spenden 2012! An direkten Spenden haben mir gewogene Leser und Leserinnen dieses Jahr wieder 1586,70 Euro zukommen lassen. Zum Vergleich: In 2011 waren es 1539,33 und 323,27 Euro über flattr. Ich habe inzwischen PayPal und flattr abgeschaltet, letzteres vor allem, weil das de facto ein Parkplatz von PayPal war. Der Verlust ist zu verkraften, wenn auch spürbar. Auffällig ist, dass 3/4 der Spenden in der ersten Jahreshälfte aufliefen. Ich erlaube mir bei der Gelegenheit noch einmal auf “Klick da Button” in der Sidebar aufmerksam zu machen, wenn ihr die Welt effektiv verbessern wollt.

Die Leserzahlen haben sich recht ordentlich entwickelt, schwanken um gut 2500 echte Leser pro Tag, Tendenz leicht steigend. Die Kommentarquote war in 2012 noch höher als zuvor, derzeit ist ein deutliches Down, was aber regelmäßig unregelmäßig vorkommt. Ich finde die Entwicklung recht spannend; in den Jahren seit dem Anfang von Feynsinn hat sich die Zusammensetzung der Stammkommentatoren laufend verändert. Einige sind geblieben, andere haben sich zurückgezogen. Das zeigt mir, dass sowohl Kontinuität herrscht als auch Veränderungen stattfinden. Ein Mix, den ich generell gut finde.

Major Tom to Ground Control

Die Schwerpunkte und auch meine Ansichten haben sich mit den Jahren deutlich verändert. Nicht nur, dass ich immer weniger auf den tagespolitischen Murks eingehen will. Ich mache das nach wie vor, aber es schmerzt beinahe physisch, und ich kann den Quatsch eigentlich nicht mehr ernst nehmen (siehe unten). Berichte über das Gehampel da draußen fokussieren also eher auf neue Tiefpunkte, Stilübungen und Gelegenheiten, bei denen ich mich warum auch immer trotzdem aufrege.

Mein Blick auf die Welt der Wirtschaft hat sich nicht nur während der “Finanzkrise” verändert. War ich anfangs noch so etwas wie ein Linkskeynesianer, bin ich inzwischen zum Teilzeitmarxisten mutiert. (Los, sag’, dass es dir Spaß macht in deiner Schublade!) Bei aller unangenehmer Erfahrung mit dogmatischen Marxisten kommt man ja am Ende doch nicht umhin. Was willste machen?

Ich frage mich derzeit, wohin die Reise geht und wie ich die letzten Jahre einschätzen soll. Ist es vielleicht ein großer Fehler, sich zu weit vom politischen Alltagsgeschäft zu entfernen? Werde ich irgendwann stumm oder lasse nur noch surreale Texte ab, weil Wirklichkeit eh keine Rolle mehr spielt in Spätkapitalismus? Werde ich Rennfahrer, Astronaut oder Filmstar? Die Mitreisenden sind gefragt. What say you? Was ist das nächste Reiseziel?

p.s.: Wer unbedingt meint, sich zu dieser Simulation eines relevanten politischen Ereignisses im Flachpfeifenland äußern zu müssen, möge auch das hier tun. Kost’ ja nix. Ich selbst poliere derweil den Mond in meinem Paralleluniversum und mache mich über den Fisch her.

 
Lebensmittel verteuern sich, der Preisanstieg, so schreibt die FR, sei “stärker als die Inflationsrate”. Nun ist das mit der Inflation so eine Sache. Selbst wenn man den für die Wirklichkeit der Menschen eher unerheblichen Außenwert einer Währung und das Gewese um die Geldmenge nicht mit “Inflation” gleichsetzt, sondern nur die Preisentwicklung in Betracht zieht, ist der Wert noch verwässert. Die Verteuerung von Smartphones und Motorrädern ist schließlich relativ irrelevant, während die Nahrungsmittelpreise einen ganz anderen Stellenwert haben.

qaedaEs wäre übrigens grundfalsch, an dieser Stelle zu behaupten, sie seien stärker relevant. Hier zeigt sich vielmehr, dass die Zahlen, mit denen sogenannte “Wirtschaftswissenschaft” hantiert, schon bündig in den Klassenkampf eingebettet sind. Der Oberschicht, der Klasse der Eigentümer, kann es nämlich vollkommen egal sein, welchen Bruchteil eines Promilles sie für das tägliche Brot oder meinetwegen den Kaviar auslegt. Die Mittelschicht – jene höher bezahlten Angestellten, die eigentlich lohnabhängig sind, sich aber stets mit der Upperclass identifizieren, wird’s auch locker verkraften. Denen aber, die schon heute reichlich Monat übrig haben am Ende des Geldes, werden in Zeiten zurückgeworfen, die man noch vor kurzem für finsteres Mittelalter gehalten hat.

Obendrein sitzt die neoliberale Konfession der kapitalistischen Religion der Unterschicht wie die Bluthunde im Nacken. Die freundliche Staatsregierung der Einheitsfront Wachstum und Wohlstand® hat in Person ihres Finanzministers jüngst verlauten lassen, auch Nahrungsmittel mit der allgemeinen Mehrwertsteuer zu belasten. Dies würde Lebensmittel um weitere 11% verteuern. Allerdings nicht nur die, sondern ebenso u.a. Wasser, Miete, Gesundheitskosten und Bücher. Letztere mag man dem Plebs ohnehin nicht zubilligen und darf damit rechnen, dass der deshalb nicht aufbegehrt. Auf die anderen Waren allerdings kann er nicht verzichten.

Am Ende der Krise

Dieses irrsinnige Konzept ist die Verzweiflungstat am Ende der Krise, wo auch Keynes nicht weiterhilft. Für die Profite wird geschröpft und gewrungen, ausgequetscht und in die Verschuldung getrieben, was noch irgendwie Geld auftreiben kann. Der Rest muss halt klauen, betteln oder hungern. Ganz nebenbei wird allerdings die Inflation ordentlich angeheizt. Zwar kann man damit rechnen, dass die Sozialausgaben durch weitere Tricks und Streichungen nicht im gleichen Maße steigen. Man wird sie aber dennoch nicht stabil halten. Spannend ist die Frage, ob bzw. wann die Löhne steigen. Da die Gewerkschaften in den neoliberalen Korruptionskonsens einbezogen sind, dürfte erst nach deren Zerfall Druck von den Lohnabhängigen kommen. Bis dahin wird jede Karte ausgespielt werden, die zur Verfügung steht, um die Armen zu diskriminieren.

Es bildet sich also inmitten unfassbarer Produktivität ein neues Proletariat klassischen Schlages. Ungebildet, abgehängt, rechtlos und zunehmend mit der Sorge ums tägliche Brot befasst. Gleichzeitig findet eine Militarisierung der Innen- und Außenpolitik statt, die jeglichen Sinns entbehrt und mit einem eindimensionalen Feindbild ‘legitimiert’ wird, dem des islamistischen Terroristen®, der überall in Städten, Steppen und Wüsten auftaucht und eine Bedrohungslage® erzeugt. Egal, wo auf der Welt tatsächlich oder angeblich der Feind auftaucht, muss darauf militärisch reagiert werden. Es ist dabei absolut nicht zu ersehen, wo die ‘Bedrohung’ als nächstes auftaucht, nach welchen Kriterien sie beurteilt wird und daher wo der nächste Einsatzort einer Angriffsarmee sein wird. Im Inneren muss das Volk immer strenger überwacht werden, um etwas zu verhindern, was noch nie passiert ist.

Politisch-ökonomisch erfüllt sich damit einmal mehr das Schicksal jedes kapitalistischen Experiments, wie es Marx bereits im 19. Jahrhundert analysiert hat. Es nimmt dabei beinahe exakt die Form an, die George Orwell in “1984″ beschrieb.

 

Ich brauche keinen Sex. Das Leben fickt mich jeden Tag.

 

[Von Beileidsbekundungen bitten wir Abstand zu nehmen. Der Autor besteht nach wie vor darauf zu erzählen, nicht zu berichten.]

Als der Herr Christengott seinen Getreuen Parteigänger Michael Fuchs erschuf, hatte er nur eine sehr schmale Exceltabelle zur Verfügung. Das Wort “intelligent” passte dort definitiv nicht hinein. Ein kürzeres musste her. Schade. Und wie der Teufel es will – wer sonst könnte für ein so furchtbares Schicksal verantwortlich sein – blieben die Tabellen schmal im Leben des fleißigen Nebenverdienstberaters. Deshalb, und nur deshalb! hat Fuchs nicht angeben können! für wen er gearbeitet hat und zwar völlig ohne Absicht!

 
Ich hatte so einige kurze Dinge, die ich kurz ansprechen wollte heute; glaube ich jedenfalls. Blöderweise habe ich die nämlich alle vergessen. Ich vergesse schon immer gern alles Mögliche, das ist quasi meine Domäne. Da ich ohnehin immer mindestens zwei Dinge gleichzeitig im Kopf habe, hinterlasse ich permanent Haufen von Dingen, die mir dabei entfallen. So ein Leben ist sehr lustig. Wahrscheinlich halte ich den ganzen Mist, über den zu schreiben ich mich nicht entblöden kann, nur aus, weil ich so lustig bin. Eine skurrile Fehlkonstruktion in einer Welt, die das Falsche zum Fetisch gemacht hat.

guttwappIch gerate ins Schwätzen. Es ist ja nicht so, dass ich alles vergessen habe. Das Beste ist, dass ich mir oft ungefähr merke, was ich vergessen habe. Das ist auch wichtig, denn wenn es wichtig wird, was man vergessen hat, sollte man sich wieder dran erinnern. Ich erinnere mich noch daran, dass es nicht wichtig war, aber ganz amüsant. Schlechte Voraussetzungen, um sich dran zu erinnern, es sei denn, es müsste sehr dringend etwas Amüsantes her. Das wäre eine Chance.

Andererseits kann einen heute amüsieren, was morgen den Adrenalinkocher hochfährt und nächste Woche die Depression in Niedergeschlagenheit verzaubert. Es sei denn, man ist Kölner. Dort hät et immer jootjejange und ist Session. Vor Aschermittwoch nichts zu machen mit der Erinnerung. Wie gut, dass ich weder Kölner bin noch Karnevalist. Womit ich nicht die Kölner beleidigen will. Die beleidige ich erst, wenn sie dran sind. Was machen die sich hier so wichtig? Hallo, es geht gar nicht um euch!

Kein Thema

Es geht auch nicht um Peer Steinbrück. Der kommt mir hundertprozentig nicht ins Wohnzimmer. Wie man hört, kämpft er dort jetzt Wahl. In Wohnzimmern. Wie man hört, traut er sich sogar ins Wohnzimmer einer Parteimitgliedin, um Bürgernähe auszuprobieren. Wie man hört, hat er zuvor trotzdem die Armbanduhr abgelegt. Sicher ist sicher.

Es geht auch nicht um Freiluftbaron zu Guttenberg, der nicht ins Wohnzimmer kommen will und überhaupt nicht mit deutschen Medien sprechen. Aber die deutschen Medien mit dir oder was? Hartmut nicht, ich nicht und Leute selbst geringen Verstandes auch nicht. Redst eh bloß aan Scheiß und der ist noch geklaut.

Neandertaler sind ebenfalls kein Thema, obwohl der Spon meint, die seien vielleicht intelligenter als Guttenberg und sonstwer. Und dass man sie klonen könnte, wenn sich ein Aboopfer bereit fände, sich das einpflanzen zu lassen. Tolle Idee! Das wären dann vielleicht genau die richtigen Leser für die Bild am Montag, weil sie – wie es heißt – derartige Produkte intuitiver bedienen und sich vermutlich damit abwischen.

Aber der Spon ist auch kein Thema und allerbestenfalls auf Platz zwei heute. Ganz fett vorn ist – tadaa! – die Westfälische Rundschau. Aus gut unterrichteten, wenngleich ungebildeten Kreisen verlautsprechert, dass besagte Neandertalerzucht gleich neben dem Verlagshaus angesiedelt wird, denn die Westfälische Rundschau ist eine leistungsgeschützte Zeitung ohne Redaktion! Das ist die Zukunft. Da samma adabei!

 
irfk

Das Interview der FAZ mit Thomas de Maizière, aus dem ich gestern bereits zitierte, enthält gleich mehrere rhetorische Wurmlöcher, die drastisch deutlich machen, was Orwells “1984″ unter “Neusprech” versteht. Beginnen wir mit der genannten Formulierung:

Wir brauchen außerdem realistische Ziele und nicht zu viel menschenrechtlichen Überschwang bei der Entscheidung, Soldaten in ein anderes Land zu schicken.

“Menschenrechtlicher Überschwang”, was will uns das sagen? Überschwang, gebildet aus “überschwänglich”, deutet darauf hin, dass Menschenrechte bislang zu stark emotional besetzt waren oder in zu hohem Maße bei Kriegseinsätzen berücksichtigt wurden. Dies ist offen formuliert und keineswegs auf die “Ziele” allein bezogen. Keine Zweifel aber lässt der Militärminister, dass Menschenrechte nicht das Ziel von Kriegen sind. Ganz selbstverständlich ist die Rede von “Soldaten schicken”, wo “einmarschieren”, “angreifen” oder “Krieg führen” gemeint ist. “Je ferner der Kulturkreis ist, umso weniger” ist schließlich die Komponente, die “Kultur” sagt und am Ende “Rasse” meint, den wo Menschenrecht geteilt wird, da muss eine Hierarchie der Menschen mit mehr und weniger Rechten her. Derzeit geht es daher “konsequent” um Mali. Was hat die Bundeswehr in Mali zu schaffen? Oder die Französische Armee?

Dass Frankreich jetzt mit Armeekräften eingegriffen hat, ist konsequent und richtig.
“Mit Armeekräften eingegriffen”, auch hier wird nicht “bombardiert” oder “Krieg geführt”. Was daran konsequent ist, was woraus folgt, warum das richtig ist, wir erfahren es selbstverständlich nicht. Was dazu andeutungsweise ergeht, sind Schlagworte, Stereotypen, die Mittel der Propaganda eben. So werden diejenigen, die dort angegriffen werden, als “Terroristen” und “Islamisten” bezeichnet, auch von al Qaeda ist die Rede. Reizwörter ohne jeden Inhalt.

Terroristen ohne Menschenrechte

Beginnen wir mit dem “Islamismus”. Dürfen Muslime generell getötet werden, weil sie welche sind? Sind Christen “Christizisten”? Oder wenigstens solche Christen, die missionarisch tätig sind, die “christliche Wertegemeinschaft” militärisch durchsetzen oder Staatsverfassungen mit Bezug auf den christlichen “Gott” haben? Was unterscheidet den Islamismus vom Christizismus, warum sind überall “Islamisten” und nirgends “Christizisten”?

Wer in der Sahelzone “Terroristen” findet, der muss eine ganz spezielle Definition davon haben. Ich hätte sie gern gelesen bei dieser Gelegenheit. Der halbe Kontinent besteht aus äußerst instabilen Ordnungen, die “Staat” zu nennen schon recht mutig ist. Es wimmelt von waffenstarrenden Clans, Banden, Milizen und mehr oder weniger offiziellen Armeen, die von Plünderung, Erpressung und “Handel” leben, für den es gar keine Legalität gibt. Scharmützel, Rivalitäten, Massaker sind nicht selten. Der Absatz von Waffen aus aller Welt ist ein grandioses Geschäft. Wer genau sind da jetzt die “Terroristen”? Wie kann “Terrorismus” überhaupt aufkommen unter solchen Bedingungen?

Rhetorische Fragen. Die ‘Begründung’ für den “richtigen Einsatz” fehlt vollkommen. Wie gut, dass es die Rotgrünen gibt, wir werden gleich deren Erklärung dafür erfahren. Was de Maizière dazu ‘sagt’, ist reiner Pudding. Allein dafür lohnt sich die Lektüre des Artikels, ich kann das hier nicht am Stück zitieren.

Letzte Hilfe

Dafür folgendes:

Wir sind auch in der Regel nicht politisch verantwortlich dafür, was in fremden Ländern passiert. Dafür sind die Länder und die betreffenden Regionen selbst verantwortlich. Wir können da helfen, auch mal militärisch vielleicht, wir haben eine internationale Verantwortung, auch wir Deutschen, aber wir müssen nicht zwingend Verantwortung übernehmen, wenn es einen bitteren Bürgerkrieg irgendwo in der Welt gibt.

“Auch mal militärisch helfen” – wir helfen nur, ein wenig jenseits der Menschenrechte. Burks hat schon hingewiesen auf solche “Hilfe”, gleich davon noch mehr. “Verantwortung, … aber nicht zwingend Verantwortung”. Was ist das für eine Verantwortung? “Internationale”. Wer glaubt, dass etwas anderes gemeint sein könnte als die “transatlantische”? Schließlich, das gibt dem Ganzen die Würze: Wir müssen nicht in menschenrechtlichem Überschwang Bürgerkriege schlichten (die Joschka-Doktrin quasi, die bislang galt), sondern können so etwas ignorieren, während anderswo aus “internationalen” Gründen Krieg geführt wird. Das hätte man auch so formulieren können, dass es jemand versteht.

Dass der Kriegsminister “Teile der Grünen” kritisiert, ist strategisch verständlich, denn er hätte sie gern alle stramm auf Kriegskurs, so wie deren “Experten”. Beispiel: Omid Nouripour, “sicherheitspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion“. Der will nämlich auch nur helfen, und zwar schnell:
Ein Einsatz der Afrikanischen Union wäre zwar vorzuziehen, doch Mali braucht schnelle Hilfe, deshalb hat Paris richtig gehandelt

Hauptsache Krieg. Gegen wen eigentlich? Die FR spricht von “einem Zusammenschluss aufständischer Tuareg-Stämme und Al-Kaida-naher Islamisten”. Na klar. Wenigstens “Al-Kaida-nah”, das ist wohl jeder, der eine Sure gelesen hat. Ansonsten halt irgendwelche Bewaffneten. Rotgrün steht Gewehr bei Fuß, SPD-”Experte” Arnold sekundiert:
Mit fundamentalistischen Islamisten lässt sich schwer verhandeln“, “in Mali drohe andernfalls ein neuer Rückzugsraum für gewaltbereite Islamisten vor der europäischen Haustür“.

Morgen die ganze Welt

Wie günstig, dass man da nichts machen kann. “Gewaltbereit”, eine nachgerade schwachsinnige Formulierung, wenn längst geschossen wird. Reicht aber aus, um deutlich zu machen: Das sind keine Menschen, mit denen redet man nicht, die tötet man. Wer im übrigen in der Region jemals “leicht verhandelt” hat, melde sich bitte. Warum dann nicht gleich neue Kolonien aufziehen? Den Kameltreibern und Negern kann man doch eh nicht trauen.
Das Highlight dieser großen Darbietung heimischer Marschmusik: “Vor der europäischen Haustür!” Dort nämlich liegt der Süden(!) Malis. Und morgen die ganze Welt.

Warum überhaupt Mali? Ich weiß es nicht. Zwar liegt im Süden des Landes ein großes Goldvorkommen. Der derzeit jährliche Ausstoß von Gold im Wert von ca. 1,6 Milliarden Euro dürfte aber kein lohnenswertes Ziel sein. Es könnte wohl die Bemühungen ausgleichen, wenn man sparsam einmarschiert und sich aufs Wesentliche konzentriert. Außerdem kann es helfen, dass nicht die falschen Leute mit dem Gold die falschen Waffen kaufen. Geostrategisch ist die lange Grenze zum unsicheren, weil muslimischen Algerien, mit dem drittgrößten Ölvorkommen Afrikas und großen Gasreserven, ein mögliches Motiv. Der Weg vom Süden Malis in den Norden ist allerdings lang und steinig. Vielleicht soll auch für das Projekt “Desertec” und ähnliche bereits Land genommen werden. Ich kann da nur spekulieren.

Festzuhalten ist, dass der neoliberale Block mit seiner verfassungsmächtigen Mehrheit sich dahingehend einig ist, dass von deutschem Boden jederzeit Krieg ausgehen muss, wenn es den “internationalen” Interessen dient. Menschenrechte gehören nicht dazu. Die Wortwahl der Propaganda entspricht dem, was aus Diktaturen hinlänglich bekannt ist und überall dort üblich, wo das Recht des Stärkeren ungehemmt praktiziert wird.

p.s.: Es wird in den Kommentaren auch spekuliert, es könnte um Uran im Nachbarland Niger gehen. Wenigstens Ansätze und nicht bloß hohle Phrasen.

Wir brauchen außerdem realistische Ziele und nicht zu viel menschenrechtlichen Überschwang bei der Entscheidung, Soldaten in ein anderes Land zu schicken.

Kriegsminister Thomas de Maiziere

Ich werde die verbale Amokfahrt des drohenden Kanzlers morgen ausführlicher würdigen.

 
polic

Wer hätte zur Jahrtausendwende gedacht, dass Europa und “der Westen” in einen Sumpf von Entrechtung, Brutalität und Chaos geraten würde? Als 2001 Passagierflugzeuge ungehindert in verschiedene Ziele in den USA eingeschlagen sind, hat das Bush-Regime dies genutzt, um Menschen- und Bürgerrechte weltweit zu zerstören, und zwar für die eigenen Bürger ebenso wie für die anderer Staaten. Dieser Gewaltakt einschließlich der folgenden Angriffskriege in Afghanistan, Irak und Pakistan wurde von den sogenannten “Rechtsstaaten” Europas mitgetragen.

Bis dahin war die Entrechtung immerhin weitgehend außereuropäische Praxis. Zwar wurden auch hier die Bürgerrechte eingeschränkt in puncto Datenschutz, Reisefreiheit und Privatsphäre. Die Einführung von Folter, staatlichem Mord und willkürlichen Verhaftungen blieb aber zunächst den USA und dem Einfluss ihrer Befehlsgewalt vorbehalten. “Demokratie” und “Rechtsstaat” waren damit aber schon so weit ausgehöhlt, dass hinter den Fassaden längst anderes wucherte.

Binnen weniger Jahre

In den kommenden Jahren musste man sich daran gewöhnen – die Amerikaner kannten kein Zurück, Deutschland beteiligt sich seitdem an seinem längsten Krieg seit dem 17. Jahrhundert, aber daheim blieb es friedlich und einigermaßen übersichtlich. Mit der Einführung des Euro wurde ein vermeintliches Gegenbeispiel gesetzt, ein Europa gefeiert, das auf dem Höhepunkt seiner Einigkeit angekommen war. Wer hätte im Sommer 2007 gedacht, dass schon bald das nackte Elend aufzieht und die letzten Fassaden einer angeblichen Demokratie wegspült?

Die Krise des Kapitalismus, die sich bis dahin ganz gut hatte kaschieren lassen, rollte über die Staaten, als Immobilien-, Banken- und Finanzmarktkrise, um bald darauf in seine dreist erlogene finale Form als “Staatsschuldenkrise” gegossen zu werden. Die Verbrecher zogen in die Polizeistationen; Bänker wurden zu Staatschefs, Finanzministern und Entscheidern hinter den Kulissen, bis mit dem “ESM” eine übergeordnete Instanz geschaffen wurde, ein Hauptquartier des Kapitals, aus dem die Befehle an die nationalen Regierungen und Parlamente ergehen.

Die Brutalität dieser Herrschaft ist sichtbar, greifbar, spürbar. Nicht in Deutschland, wo die Propaganda noch wirkt und die Verelendung nur schleichend vorankommt. Aber in Griechenland, Portugal, Spanien zum Beispiel. Während hier Arbeitslose noch immer als “faul” diskriminiert werden, sind dort schon teils über die Hälfte der Jüngeren arbeitslos. Wer dort solche Töne spuckt, spuckt bald darauf Zähne. Die Realität lässt sich nicht mehr leugnen. Was aber passiert dort jetzt?

Unterdrückung, das letzte Mittel

Demonstrationen, Gewalt auf den Straßen, Anwachsen des Rechtsextremismus, einzelne Revolten. Massenhafte Vertreibung aus Häusern und Wohnungen. Aufrüstung der Sicherheitsapparate, teilweise Zerfall der militärischen Polizei in Prügeltruppen und solche, die sich vor die Zivilisten stellen. Verscherbeln der Infrastruktur, Schröpfen der Bürger, die noch Einkommen haben. Derweil steiler Anstieg des Reichtums Weniger. Auswanderungswellen, Hoffnungslosigkeit, Armut, Ansteigen der ‘Kriminalität’.

Zu letzterem gibt es neue Highlights aus Griechenland: Das dortige Regime beschließt drakonische Strafen, auch für Jugendliche und ohne Schuldspruch. Die letzten Errungenschaften des im 18. Jahrhundert einmal erkämpften und vermeintlich unteilbaren Rechtes werden auch in Europa zertrampelt. Diesmal ganz ohne äußeren Feind, ohne Terrordrohung. Ganz einfach, weil Unterdrückung das einzige Mittel ist, was den Herrschenden noch zur Verfügung steht, um ihre Untertanen ins System zu integrieren.

Alles in allem eigentlich eine klar vorrevolutionäre Situation. Nur dass bislang die Hoffnung nicht recht aufkommen will auf etwas Besseres, für das die Menschen kämpfen können. “Sozialismus oder Tod” hieß es da früher einmal. Was sind heute die Alternativen?

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