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2011


 
brdgrausb2Schirrmacher hat einen Lauf. Als einer von sehr wenigen Journalisten behält er noch die politische Dimension der Europäischen Union und ihrer Staaten im Auge, während die Konkurrenz von Springer bis Tagesthemen die Propaganda an den Rand der Hetze führt. Die einen von dieser, die anderen von der anderen Seite.

Der “Witz” von der Militärjunta ist keiner. Papandreous innenpolitische Gegner – auch die aus der eigenen Partei – rufen nach einer “parteiübergreifenden Expertenkommission”. Das ist nichts anderes als eine willige Truppe von Befehlsempfängern, die sich guten Lohn davon versprechen, der Deutschen Bank mehr zu dienen als dem griechischen Volk. Allein die Vorstellung, dieses könnte gefragt werden, löst Panik und Empörung aus. Was ist das für ein System? Demokratie?

Ernsthaft nennt ein ahnungsloser “Kommentator” vom Hessischen Rundfunk eine Volksbefragung “Erpressung”. Erpresst würden derart die anderen europäischen Staaten, die “Anleger” und “Märkte”. Wer dahinter steckt, das wird nicht einmal andiskutiert. Wer diese “Anleger” sind, wer sie vertritt und welche Interessen sie verfolgen – kein Wort davon. Stattdessen ein an Dummheit nicht zu toppendes Geschwätz von “chinesischen Investitionen” in Europa, für die arme Chinesen “für einen Hungerlohn arbeiten” müssten. Es gibt Schwachsinn und es gibt bösartigen Schwachsinn. Die Anleger denken also an die ausgebeuteten Chinesen, während die 40% arbeitsloser Jugendlicher in Griechenland indirekt zu Erpressern erklärt werden. Grandios.

Stampede auf dem Marktplatz

“Die Märkte sind in Aufruhr”, das war auch so ein Spruch. Die Herde ist auf Stampede und erwartet beruhigt zu werden, weil sie sich sonst gezwungen sieht alles kurz und klein zu trampeln. Die Zivilisation hat sich der ‘Rationalität’ dieser Herde zu unterwerfen. Das nennt man “soziale Marktwirtschaft”. Wer sich dem widersetzt, kann nur kriminell oder wahnsinnig sein?

Nach wie vor denkt niemand daran, einen Pflock in die Erde zu hauen und damit zu beginnen, einen Zaun aufzustellen. Der würde ja doch nur niedergerissen. Geschweige denn gibt es auch nur die Absicht, so lange Zäune zu bauen, bis man das marodierende Viech endlich im Griff hat. Das ist Konsens, denn es gibt Eigentümer der Tiere, und die würden das ganze Fleisch woanders grasen lassen, wenn wir uns ihnen in den Weg stellten.

Was ist passiert seit 2008? Welche Maßnahmen hat es gegeben, um Spekulation einzudämmen, die Reichen an den Kosten des Gemeinwesens stärker zu beteiligen, Gewinne aus Spekulation angemessen zu besteuern oder die Einnahmen der Staatshaushalte zu erhöhen? Richtig: Nichts. Und während an den ach so sensiblen Märkten also seit Jahren völlige Untätigkeit herrscht in Sachen Beruhigung, haben die Völker nicht die Zeit und das Recht, eigene Entscheidungen zu treffen. Das ist eine lupenreine Willkürherrschaft der Finanzwirtschaft. Es gibt in bezug auf Griechenland nur einen Grund, dieses Horrorsystem nicht zu beenden: Totale Korruption. Wir haben euch U-Boote geliefert, damit ihr bezahlt. Und zwar mit eurem Leben.

 
Die FDP will Steuersenkungen, also kriegt sie welche. Unter Verschwörungstheoretikern gilt der Fund der 55,5 Milliarden in der FMS als gelungenes Täuschungsmanöver, das nie einen anderen Zweck hatte als diesen. Ein bisschen weggebucht und wieder hervorgezaubert, schon ist etwas ‘übrig’, was sonst im Hagel überm Rettungsschirm gar nicht aufgefallen wäre.

    senke

Zwei Fliegen mit einer Klappe, kann doch jetzt die private HRE nach ihrer Verstaatlichung als weiterer Beleg für die Unfähigkeit des Staates herhalten. Zwar können nur Banker der HRE die Untiefen der Schrottpapiere kennen, die sie dort angesammelt haben und selbstverständlich sind es ganz normale Manager, die da zu blöd sind zu bilanzieren. Schäubles Schergen wiederum haben offenbar recht flugs den Fehler bemerkt und damit ihrer Aufsichtspflicht über den Darkroom des privaten Kindergartens Genüge getan. Die Propagandisten ficht’s nicht an. Sie zeigen mit dem Finger auf die, welche fürs Ausmisten gerufen wurden – und entrichten weiter fröhlich ihre Notdurft auf den ‘Märkten’. Aber wir schweifen ab.

Das böse S-Wort

Der Soli soll also gekürzt werden, damit die ein-Thema-Partei auf ihrem Weg in die Hölle der “Sonstigen” ein letztes Mal ihre sympathische Klientel beschenken kann. Es werden Einnahmen so gesenkt, dass es zum größten Teil hohen Einkommen zugute kommt. Geringverdiener zahlen nämlich gar keinen, der ‘Soli’ steigt mit der Einkommenssteuer. Das ist genau das, was wir jederzeit brauchen, wenn wir neoliberale Dumpfbacken sind.

Nun ist es schon ein zweifelhaftes Konstrukt, was sich da “Solidaritätsbeitrag” nennt, aber es fragt ja keiner, ob und wie die östlichen Bundesländer noch subventioniert werden müssen. Es hat auch nie jemand gefragt, ob es überhaupt sinnvoll ist, gezielt Arbeitseinkommen damit zu belasten. Aber wenn nun einmal quasi Geld übrig ist, dann wird nicht lange gefackelt und umverteilt. Am Staatshaushalt wird gekürzt, die Armen und die Bezieher geringer Einkommen haben nix davon, was bedeutet, dass sie relativ wieder mehr geben und weniger bekommen. Jeder halt das, was er verdient.

In “Solidaritätsbeitrag” steckt ohnehin das böse S-Wort, “S” wie Solidarität, die bekanntlich nur Sozialschmarotzern zugute kommt und der Ergebnisgerechtigkeit dient. Solche Vehikel der 68er Mentalität müssen abgebaut werden. Ja ja: Globalisierung, Verschlankung, Wettbewerbsfähigkeit, Exportnation, Eigenverantwortung, Wachstum, Vollbeschäftigung, Lohnabstandsgebot, Anreiz, Lohnnebenkosten. Wachstum, Aufschwung, Chancen. Investoren, Leistungsträger. Freiheit.
Eimer.

 
Am Wochenende ging so einiges an mir vorbei, ihr wisst schon. Ich habe da mal ein paar Schnipsel gesammelt, die ich als Kassiber an meinen Entführern vorbei schmuggeln konnte.

Über-Türken-Urteile

Mely Kiyak hat Gehirnherpes. Wusst’ ich’s doch! Das “Über-Türken-Urteilen” macht ihr Gelenksexprobleme. Was ist das bloß für ein Deutschland, in dem Über-Türken leben? Wir werden untergehen.

Nach den Sternen greifen

Eine Professorin Elsbeth Stern, die ausgerechnet für Lehrerausbildung zuständig ist, gibt folgendes zu Protokoll:

Für gute Studenten, die ihr Studium ernst nehmen, ist es egal, wie das Studium aufgebaut ist. Sie gucken sich die Spielregeln an und handeln danach..”

und dazu passend:

Das Problem ist aber, dass bislang nicht genügend Leute die Uni mit einem Bachelor verlassen. Es ist noch nicht gelungen, den Bachelor als einen sinnvollen Abschluss zu gestalten.”

Das Studium ist also sinnlos, aber wer gut und ernst ist, hält sich an die Spielregeln. So ist’s recht, Kadavergehorsam ist genau das, was ein Lehramtsanwärter zuvörderst mitbringen muss. Das war hier schon immer so und hat uns nicht geschadet.
Typisch für solche Auskenner ist auch der ganz kurze Draht zur Wirklichkeit ihrer Opfer:

Man muss als Student nicht dreimal im Jahr in den Urlaub fahren. Studieren heißt eben auch verzichten lernen.”

Ich kann den Leuten, die bei dieser Konifere studieren, nur raten sich das mal genau anzugucken und “danach zu handeln”. Deutlicher darf ich an dieser Stelle aus rechtlichen Gründen nicht werden.

Occupy “Occupy”

Bei allem Risiko sich von einigen Mitläufern verabschieden zu müssen oder gar die Spaltung zu riskieren, ist es an der Zeit, Ziele zu formulieren, die nicht allen gefallen. Das ist schon deshalb notwendig, weil die Genies der abschreibenden Zunft einfach nicht ohne vermeintliche Führer auskommen, das gilt leider auch für die FR: Da muss einer “Erfinder von Occupy Wall Street” genannt werden, obwohl der auf die Frage “Fühlen Sie sich trotzdem noch als Vater der Bewegung?” ausdrücklich sagt: “Absolut nicht, das wollte ich nie sein“. Wozu ein Interview, wenn der Fragende selbst die Antworten ignoriert? Setzen, sechs!
Dass Herr Lasn sehr offensiv keine Grenze zur “Tea-Party” ziehen will, würde mich überdies arg irritieren. Weiß der Mann, wer die finanziert und ihnen die wirren Thesen einflüstert? Gegen Infiltration hilft nur Position. Es ist höchste Zeit.

Neues vom Mietmaul

Ich scheue diesen Begriff und habe ihn bislang noch nicht verwendet in diesem Blog, aber es gibt welche, die lassen einem keine Wahl. Der INSM-Abgesahnte Arnulf Baring, der gern seine Gegner anbrüllt und unter den Propagandisten in den letzten Jahren der fleißigste ist – höchstens Olaf Henkel hält da noch mit, fährt aber inzwischen seinen eigenen Streifen – wurde jüngst überführt: Als Handlanger der Atomlobby hat er sich gleich aufschreiben lassen, was er plappernd und brüllend unters Volk lügt. Er nennt sich selbst im selben Atemzug obendrein noch “unparteiisch”. Wer Baring kauft, kauft einen Schwindler. Gibt es immer noch Journalisten in Deutschland, die das nicht wissen wollen können dürfen?

 
lan11

Die lassen mich hier keinen Artikel schreiben. Ich werde zu furchtbaren Dingen gezwungen. Betrunken Auto fahren und Leute töten, die mir überhaupt nichts getan haben. Bemerkenswert: Nachdem die Monitore zwischenzeitlich angenehm wenig Platz in Anspruch nahmen, werden die Dinger mittlerweile immer größer. Wer sind Sie? Was wollen Sie? Was tue ich hier?
Morgen soll ich entlassen werden.

Der EFSF (formerly also known as “ESM”) wurde erwartungsgemäß durch das Bundesverfassungsgericht ausgebremst:
Die Entscheidungsrechte des Bundestags dürfen nicht von einem Sondergremium aus lediglich neun Parlamentariern wahrgenommen werden“.
Die Bundesregierung muss wie in allen Entscheidungen zum Bundeshaushalt “die Zustimmung des gesamten Plenums einholen“.
Aber wir sind ja längst soweit, dass die Regierung so etwas unter “da hat irgend ein Gericht halt eine andere Meinung als wir” verbucht. Es bleibt komisch.

Der Focus hat ein Malheur entdeckt. Schnauze Schmidt und Peer Spaarbrück spielen mit einem Schachspiel – alles, nur nicht Schach. Was müssen das für kluge Leute sein, die außer Welt retten, Finanzexperten und Fachleute für alles sein sich die restliche Zeit mit einem Spiel vertreiben, für das wir Leser alle zu dumm sind. Zu dumm, wenn dann so etwas dabei herauskommt. Die arme Fotografin, so heißt es aus gut unterbelichteten Kreisen, hat sich an der Tischkante das Nasenbein gebrochen, weil sie sich nicht rechtzeitig entscheiden konnte, ob sie hineinbeißen oder die Stirn auf die Platte klatschen lassen wollte.

“Ausgerechnet der Focus”, dachte ich allerdings, hat er doch neulich mit seinem super Symbolfoto gezeigt, dass Photoshopping die Gesundheit erheblich beeinträchtigen kann. Kollege Burks hat kurz darauf mit einer Aufnahme von Joe Ackermann beim Wasserski gekontert.

Eine lustige Welt ist das, in der die Urheber der haarsträubendsten visuellen Lügen sich ihr Recht daran von Rudeln beißwütiger Winkeladvokaten “schützen” lassen. Gern hätte ich die Dokumente des organisierten Terrors gegen Verstand und Wahrnehmung hier direkt ausgestellt, aber das wäre illegal. Wer die Drogen unters Volk bringt, bestimmt, wer sie an wen weitergeben darf. Dies ist die beste aller Welten.

Stefan Niggemeier hat beizeiten unter der Rubrik “Super-Symbolfotos” schon vor Jahren die Schlampigkeit von publizistischen Geisterfahrern dokumentiert. Ein Schmankerl hatte ich auch hier bereits verlinkt. Waren derlei Aufforderungen sich der Gemütlichkeit wohligen Schwachsinns willenlos hinzugeben aber noch Stilblüten des Boulevards, darf man sich inzwischen darauf verlassen, dass diese Option alternativlos® ist. Wer nicht auf Schmerzfreiheit abonniert ist, kann sich die Analgetika in Zeiten marktberuhigender Kassen als gebeutelter Zuzahler nämlich defnitiv nicht mehr leisten.

 
freudmindEs ist schon traurig. Wenn man sich da draußen so umschaut, finden sich Gläubige aller Art, die sich dennoch anmaßen “kritisch” zu sein. Als sei es schon ein Beleg für kritisches Denken, dass man gegen den Mainstream ist oder nicht glaubt, was in der Tagesschau erzählt wird. Nein, das ist nicht kritisch und keinen Deut besser, wenn man nicht bereit ist, sich selbst zu hinterfragen, offen zu sein für neue Erkenntnisse und die Überprüfung dessen, was man einmal für “wahr” genommen hat. Das wäre kritisch, und das ist übrigens der Geist der Wissenschaft, wie sie sich von der Renaissance in die Moderne hinein entwickelt hat. Wer allerdings das ‘wissenschaftliche’ Establishment nicht von der Wissenschaftlichkeit selbst unterscheiden kann, für den ist Sozialismus auch DDR (böse) und Demokratie Helmut Kohl (gut).

Der Anfang der modernen Wissenschaft ist das rationale Experiment – eine gedankliche Leistung, die im Mittelalter noch als Wahn gegolten hätte. Man stellt eine These auf und sucht nach Methoden, diese praktisch zu überprüfen. Ein Verfahren, das vor allem die Naturwissenschaften voran brachte, ist es doch auf die Anwendung von Technik und deren Verfeinerung angewiesen. Obendrein bieten mathematische Verfahren im Zusammenhang mit Messtechnik eine quasi beliebige Exaktheit, die zu wiederum klar bewertbaren Aussagen führt. Inzwischen können wir in Echtzeit mit Australien chatten, zum Mond fliegen und haben viele der furchtbarsten Infektionskrankheiten beinahe ausgerottet. Dies ist unmittelbar auf die Entwicklung von Wissenschaft und Technik zurückzuführen.

Geisteswissenschaften und “Menschenverstand”

Der Versuch der Geisteswissenschaften, damit Schritt zu halten, darf als weitgehend gescheitert betrachtet werden. Es liegt in der Natur der Sache, weshalb im angloamerikanischen Sprachraum auch unterschieden wird zwischen “Arts” und Science”. Es ist nicht möglich, Gemeinschaft, Kommunikation, Anpassung oder Meinung exakt zu messen. Die Rolle der Definition in vorgeblich quantitativen Methoden der Geisteswissenschaften führt daher oft zu Resultaten nach sprichwörtlicher Beliebigkeit. Während in den Naturwissenschaften eine Wahrnehmung oder Messung ausgewertet wird, muss ich hier schon vorher wissen, was ich beobachten will.

Zu erhellenden Einsichten kommen die “Künste” dennoch, wo sie sich historischer Entwicklungen annehmen, sie beschreiben und auswerten. Was hat wozu geführt, welche Bedingungen zeitigen welche Entwicklungen, wie nahm sich zu einer bestimmten Epoche das Denken selbst wahr, wie beschreibt sich der belesene Betrieb und was folgt daraus für all das, was noch als “vernünftig” gilt? Wo sind die Tabus, wie werden sie begründet, was gilt als richtig oder falsch und wann hat sich unter welchen Umständen diese Geltung verändert? Solche Fragen kann gründliche Geisteswissenschaft beantworten, zwar nicht exakt, aber plausibel. Sie trägt daher durchaus Züge dessen, was auch der gemeine “Menschenverstand” kennt.

Behält sich Wissenschaft ihren kritischen Grundansatz – den Zweifel, die Frage, ob etwas so ist oder anders -, ist sie ein Motor des Fortschritts. Verbarrikadiert sie sich hingegen in Dogmen und Abwehrschlachten, um vermeintlich gültiges Wissen gegen Erneuerung zu verteidigen, wird sie zum Herrschaftsinstrument, zur Mythologie, zur Religion.

Moderne Mythologie

Die Zeremonienmeister schaffen es derweil, die Errungenschaften ihrer Zunft virtuos klein zu machen. Es ist durchaus nicht so als wüsste man nichts über Wirtschaftskreisläufe und die Resultate bestimmter Vorgänge ‘am Markt’. Dennoch hat sich in den vergangenen Jahrzehnten eine Riege von Dilettanten in der Öffentlichkeit breit gemacht, die Angehörige anderer Berufsgruppen glauben machen, als “Wirtschaftswissenschaftler” müsse man einen hohen Grad geistiger Versehrtheit schon mit ins Studium bringen.

Und auch die Mediziner zum Beispiel haben sich Witze verdient. Verkürztes Beispiel: Ein Klempner wird zu einem Arzt gerufen, der einen Wasserrohrbruch im Keller hat. Der Klempner wirft ein paar Dichtungen ins Wasser und sagt: Wenn es bis Montag nicht besser ist, rufen Sie noch mal an!

brainpipeBeide Beispiele deuten darauf hin, dass der Wissenschaftsbetrieb und die daraus folgende Praxis bedauernswerte Zustände zeitigen. Dies ist aber gerade kein Hinweis darauf, dass Wissenschaftlichkeit als solche abzulehnen wäre. Im Gegenteil zeigen sie, dass einerseits die Wissenschaft permanent ihr Niveau unterschreitet und sich eher Cliquen von Verkündern bilden und dass anderereits der Übergang von wissenschaftlichen Erkenntnissen zur alltäglichen Praxis arg vernachlässigt wird. Er sollte aber selbst Gegenstand wissenschaftlicher Forschung und Methodenentwicklung sein. Dies würde freilich eine Kaste elitärer Narzissten ebenso methodisch vom Sockel stürzen.

Der organisierte Zweifel

Die Abwehrreaktionen auf eine Wissenschaft, die keine mehr ist, weil sie auf den kritischen Selbstbezug verzichtet, sind ebenso bedauerlich. Die einen übernehmen die Überheblichkeit des Betriebs, setzten den Stand ihrer Kenntnisse zum Standard und erwarten ernsthaft von allen anderen, sich diesem anzupassen. Dies ist leider ein Standardverfahren von Marxisten, aber auch von Keynesianern und anderen -isten und -ianern.

Noch lustiger wird’s dann mit Esoterikern und Mythologen aller Art, die sich ernsthaft als ‘kritisch’ betrachten, weil sie gleich jedes Hinterfragen ihrer Methoden ablehnen und sich auch nicht dafür interessieren, aus welchem historischen Kontext ihr Omm-omm stammt. Sie sind ja meist nicht einmal für die Frage zu gewinnen, wer mit ihrem Geisterglauben schnöden Mammon macht. Wenn der Zweifel an den Wissenschaften also in die Auslöschung jeden Zweifels am eigenen Weltbild führt, kann man nur noch abwinken.

Der organisierte Zweifel ist Basis jeder Wissenschaft sowie jedes kritischen Denkens, hier besteht keinerlei Widerspruch. Dass aber der Zweifel eingedämmt werden muss, wenn man als denkende Person nicht irre werden soll, versteht sich ebenso von selbst. Es bedarf daher eines Maßes an (Selbst-)Zweifel, das einerseits noch Raum lässt für Neues und Anderes, andererseits aber ein konsistentes Denken zulässt, das nicht noch zu hinterfragen hätte, ob Wasser nass ist. Diesen Zweifel auszutarieren ist die Kunst, die Kommunikation erst ermöglicht. Dogmen jedweder Art sind hier Fehl am Platze. Wer nicht zweifeln will, kommuniziert nicht. Er bleibt wirkungslos oder er herrscht.

Neulich, im Rechtsstaat:

Ein anderer Spitzel heiratete seine Zielperson.

 
bribeMit einem noch immer wachen Ekel habe ich zur Kenntnis genommen, dass Günther Jauch in die ARD geholt wurde, um ganz ungehemmt Propaganda zu machen, zunächst für Frau Merkel, dann für die Finanzdienstleister der SPD, allen voran Peer Steinbrück. Der wurde wieder einmal von seinem konsenilen Mentor Helmut Schmidt begleitet, dem Maskottchen der alten Mitte, um den Weihrauch wie Trockeneis über die Bühne wabern zu lassen. “Wählt den gefälligst”, so ist die Message, denn wir wollen ihn.

“Wir”, das sind vor allem die Seeheimer, jene treuen Transatlantiker und Freunde der Einflussreichen, deren Intrigen noch jede zarte Blüte einer Demokratisierung der SPD zertrampelt haben. Nimmermüde ist der Hans Dumpf in allen Gossen der Medien, Johannes Kahrs, der nie von irgendwem gewählt wurde, weder intern noch extern. Der Mann wird entsprechend von der Rüstungsindustrie gepampert wie kein anderer. Er lässt über seine Freunde des Springer Verlags verkünden, wer Kanzler werden dürfe, nämlich Steinmeier oder Steinbrück. Interessant, dass ihm nicht nur keine Befragung der Gremien in den Sinn kommt, sondern auch der Vorsitzende sich scheinbar dem Votum der Parteirechten zu fügen hat – zumindest in deren Wahrnehmung.

Deutsche Vermögensbewahrungs-Aktionärsgesellschaft

Nun wollen sie also Steinbrück installieren, den zynischen Vertreter der ‘Agenda’, den fleißigen Redner, der schon mal eine Bundestagsdebatte auslässt und stattdessen Vorträge hält, mit denen er jährlich mindestens sechsstellige Summen einheimst, am liebsten natürlich von der Finanzwirtschaft. Jener Steinbrück, den auch noch nie jemand gewählt hat, es sei denn -ab. Wenn es so etwas wie den ‘unabhängigen Abgeordneten’ gibt, dann verkörpern Leute wie Steinbrück, Kahrs und das Konglomerat darum herum das krasse Gegenteil. Na klar: Der Mann muss Kanzler werden!

Man weiß nicht, wie man das interpretieren soll, was da derzeit passiert. Soll da ein Strohmann verbrannt werden? Nehmen da welche einen langen Anlauf, um einen durchzupauken, der nicht einmal der eingemitteten Rest-SPD zu vermitteln ist? Ist das ein Test, wie weit die Finanziers einer unwürdigen Show gehen können? Soll das ein albernes Geschacher werden nach dem Motto: Wenn schon nicht der Steinbrück, dann bestimmen wir aber den anderen? Und muss dieses einer Bananenrepublik würdige Theater auch noch vom Gebührenzahler finanziert werden?

Es erinnert stark an Putin und Medwedew, wenn die Sargnägel jeder linken Hoffnung sich im Staatsfernsehen gegenseitig beweihräuchern. Schmidt und Steinbrück sind mir ebenso lupenreine Demokraten und vertrauenswürdige Staatenlenker in einer Finanzkrise wie ihre russischen Genossen im Geiste. Es ist Endzeit, Freunde. Wenn sie damit durchkommen, ist alles möglich. Dieses letzte Aufgebot einer korrupten Kasperletruppe hat ein Gutes, auf sie ist Verlass: Sie beschleunigen eine Krise, die eh nicht mehr aufzuhalten ist.

 
linkevilPrototypisch für den landläufigen Journalismus, der nur Schablonen, Verkündung und Wiederholung kennt, wartet die “Zeit” mit einem Schlager auf, der die “Linke” aus Sicht des Spießers der 50er Jahre besingt. Sie wollen “alle Drogen legalisieren” und den “Systemwechsel”. Natürlich finden sich auch flugs ein paar aus der Partei, die immer noch nicht kapiert haben, dass es nicht schlau ist, sich gegenüber der voreingenommenen bürgerlichen Presse zu äußern, wenn einem irgend etwas an der Partei liegt. Denn selbstverständlich werden nur solche zitiert, die das alles doof finden und niemand, der hinter den entsprechenden Leitsätzen steht und sie womöglich erläutern könnte.

Eigentlich wäre das die vornehme Aufgabe der Autoren solcher Artikel, aber die glauben eben, es sei wichtiger, vor den Feinden des Systems zu warnen. Jenes Systems, das um sie herum zusammenbricht. Nein, alles, was in den vergangenen Jahrzehnten der bürgerlichen Gemütlichkeit als recht und sittlich erschien, muss bewahrt und mit allen Mitteln verteidigt werden. Wer sich auch nur dem Verdacht aussetzt, davon abzuweichen, wird als Abweichler gebrandmarkt und auf dem Marktplatz zur Schau gestellt. Umso besser, wenn es die Linken sind. Dass es mitnichten deren originäre Ideen sind, die hier verteufelt werden, spielt keine Rolle. Das Andere ist das Böse.

Das schlechthin Böse

Noch einmal sei hier kurz auf die Vokabel “demokratischer Sozialismus” hingewiesen, die im Parteibuch fest verankert ist – dem der SPD. Die ist ebenso wie die Linke und die Grünen ursprünglich und zumindest dem wie auch immer bigotten Bekenntnis nach eine sozialistische Partei. Das ist eigentlich die Mehrheit. Richtig ist, dass einzig die Linke sich offen dazu bekennt, dieses System nicht (mehr) zu wollen, in dem nicht nur eine winzige Minderheit fast alles besitzt, sondern alle anderen auch zusehends darunter leiden.

Was soll also der Unsinn vom ‘Wollen’ eines Systemwechsels? Der ist auch so im Gange. Demokratie und Kapitalismus gehen nicht zusammen. Derzeit zeigt sich, dass nicht einmal der Parlamentarismus sich aufrecht erhalten lässt. Die verfassten Staaten halten dem Wirtschaftssystem nicht stand, die Rechtsstaatlichkeit als solche befindet sich in Auflösung. Wo bleibt da die Systemfrage der anderen? Wo bleibt die Frage danach bei unseren Freunden, den ‘Gatekeepern’ des ‘Qualitätsjournalismus’?

Die Frage nach der Legalisierung von Drogen ist wiederum ein ganz eigenes Terrain. Wer sich ernsthaft mit der Materie beschäftigt, erkennt den Irrsinn eines ‘war on drugs’, alle anderen mögen bitte schweigen. Der Drogenhandel ist ohne Prohibition gar nicht denkbar. Niemand hätte ein Interesse daran, Jugendliche anzufixen und Mythen über Drogen zu verbreiten, wenn sie legal wären. Es ist völlig uncool, sich seinen Stoff in der Apotheke zu besorgen.

Was dem Drogenboss gefällt

Auf der anderen Seite könnten wir endlich aufklären über Wirkung und Gefahren von Drogen, würde die Welt nicht stets aufgeteilt in die coolen Leute, die sich was trauen und die Spießer, die alles nur verbieten wollen. Die seit Jahrzehnten betriebene Kriminalisierung fördert Drogenkonsum und -handel. Es sollte daher eigentlich selbstverständlich sein, eine Legalisierung zu fordern. Es sei denn, man will das alles so, wie es ist. Fragen Sie einmal einen Drogenboss in Südamerika oder Afghanistan, was der von einer Legalisierung hält. Der fängt sofort an zu schwitzen.

Wenn es zum Linken-Bashing taugt, ist aber nichts zu blöd. Da nimmt man, was man kriegt. Vielleicht steckt dahinter ja sogar ein betriebswirtschaftliches Kalkül. Wer immer noch für Holzmedien dieses Schlages bezahlt, ist vermutlich erz’konservativ’, über 50 und geistig äußerst unflexibel. Ein ideales Publikum für ganzseitige Anzeigen und Gelaber aus der Mottenkiste. Wir gehen eh bald unter, denkt sich wohl die Chefredaktion, da spielen wir noch mal all die alten Lieder runter. Das wird halt gern genommen.

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