Wie nicht anders zu erwarten, hat das BVerfG heute dem “Europäischen Stabilitätsmechanismus” eine Absage erteilt. Wie ebenfalls nicht anders zu erwarten, wird das in den Medien in dieser Deutlichkeit nicht kommuniziert. Hier nur zwei der klaren Bedingungen, die das Gericht an Gesetze zum “Rettungsschirm” geknüpft hat:

brddbAls Repräsentanten des Volkes müssen die gewählten Abgeordneten des Deutschen Bundestages auch in einem System intergouvernementalen Regierens die Kontrolle über grundlegende haushaltspolitische Entscheidungen behalten.
Aus der demokratischen Verankerung der Haushaltsautonomie folgt jedoch, dass der Bundestag einem [...] Leistungsautomatismus nicht zustimmen darf, der – einmal in Gang gesetzt – seiner Kontrolle und Einwirkung entzogen ist.

[...]

Daher dürfen keine dauerhaften völkervertragsrechtlichen Mechanismen begründet werden, die auf eine Haftungsübernahme für Willensentscheidungen anderer Staaten hinauslaufen, vor allem wenn sie mit schwer kalkulierbaren Folgewirkungen verbunden sind.

Wir sind hier nicht auf dem Basar

Mit derm Urteil sind dem “ESM” oder “EFSF” (European Financial Stability Facility) gleich drei unüberwindliche Hürden in den Weg gestellt worden:

- Erstens darf die Bundesregierung nicht ohne ausdrückliche Zustimmung des Bundestags haushaltspolitische Entscheidungen treffen, schon gar nicht in diesem Ausmaß.

- Zweitens darf nicht einmal der Bundestag einer äußeren Einrichtung Mittel in einer Weise übertragen, die ihm seine Kontrolle über den eigenen Haushalt nehmen (“Leistungsautomatismus”). Genau das aber ist der Kern des ESM, der nicht nur von vornherein Mittel in dreistelliger Milliardenhöhe fordert, sondern quasi beliebig mehr fordern dürfte.

- Drittens kann schon gar nicht eine Regierung hingehen und – mit oder ohne Zustimmung des Parlaments – gleich für einen unbestimmten Zeitraum oder in unbegrenztem Maße Gelder von irgendwem verwalten lassen, der weder eine Legitimation hat noch in seinem Tun kontrolliert werden kann. Kurzum: Wir sind hier nicht auf dem Basar, auch wenn Ackermann ein Zelt aufgeschlagen hat.

Freiwillige Geiselhaft?

Dass die Kanzlerin das achselzuckend hinnimmt, so tut, als sei nichts gewesen und ernsthaft erzählt, Deutschland gehe es “so gut wie nie zuvor“, zeigt nur, welches Verhältnis sie zum Grundgesetz und zur Realität hat: Beides interessiert sie nicht. Was mit Hartz IV geht, geht sicher auch mit dem ESM, man kann bindende Urteile ja einfach ignorieren. Wozu nehmen wir es auch den Armen, wenn es dann bei den Spekulanten gar nicht ankommt? Für ihren „uns geht’s super“-Spruch sollte man sie übrigens nur noch “Frau El” nennen. So merkbefreit ist noch nie ein Mensch zuvor durchs Weltall marodiert.

Wie man das Problem legal lösen könnte, zeigt Heribert Prantl auf, allerdings fragt man sich, wie der sich das so vorstellt. “Nach der Krise” soll das Volk abstimmen, ob es “Europa” künftig ermächtigt zu tun, was es aus gutem Grund heute nicht darf? Wann wäre das überhaupt, “nach der Krise”? Die nimmt gerade mal Anlauf, und was dabei herauskommt, könnte von Europa verdammt wenig übrig lassen.

Und wenn es denn doch anders kommt: Haben die Völker Europas dann nichts Besseres zu tun als ihr höchstes Gut auf einen wurmstichigen Lobbyisten-Kutter zu laden? Sollen die dann wieder und wieder abstimmen, bis es endlich passt? Oder hätten wir nicht vielmehr gute Gründe, ganz woanders anzufangen und unsere Verfassungen darauf zu trimmen, dass der ‘Souverän’ nicht weiter von Geldsäcken und Spekulanten in Geiselhaft gehalten wird? Dass wir endlich den Primat des Politischen herstellen? Dies schlägt Robert von Heusinger vor, und ich kann ihm da nur nachdrücklich zustimmen.