Wir gelten als faul, verlottert und ausschweifend. Wer die Nacht zum Tag macht, geht ständig feiern, säuft und kriegt morgens nicht den Arsch aus dem Bett. Er ist ein gesellschaftlich bestenfalls geduldetes Subjekt, denn er hat es nicht drauf: Wer feiern kann, kann auch arbeiten. Dann muß man halt mal auf Schlaf verzichten.

Ämter nützen gern ihre Macht, Termine nicht zu vereinbaren, sondern zu diktieren. Am besten so früh wie möglich. Es gibt immer Menschen, die gern “lange” schlafen, denen kann man schon mal die Ruhe nehmen, das macht sie aktiv. Die Schule beginnt um acht, und wenn es opportun erscheint, gibt es dann auch schon mal eine Doppelstunde Sport zum Beginn. Wer da noch im Halbschlaf taumelt, muß sehen, wie er mitkommt. Ein guter Deutscher ist er schon mal nicht.

Diese ganze Haltung, mit der Spätaufsteher wie ich ständig konfrontiert werden, strotzt nur so vor gröbstem Umfug. Das beginnt mit dem Blödsinn des “langen” Schlafens. Viele von uns schlafen nicht mehr als der Durchschnitt, einige weniger, das ist völlig normalverteilt. Wir schlafen einfach später und müssen uns dafür nicht rechtfertigen. Vor niemandem.

Ein wenig Verstand könnte Abhilfe schaffen um zu begreifen, was gerade diejenigen auszeichnet, die abends nicht ins Bett kommen und morgends nicht heraus. Es gibt unterschiedliche Gründe, warum sich ein halbwegs gangbarer 24-Stunden-Rhymthmus einstellt, der eben nach hinten verschoben ist. Vor allem ein Phänomen ist für mich aber das interessanteste, nicht zufällig, da es mich selbst betrifft. Seltsamerweise sind 24 Stunden einfach nicht genug. Am Wochenende, das kenne ich seit meiner Kindheit, werden die Tage und Nächte länger. Freitags geht es später ins Bett, samstags viel später raus. Samtstag nachts wird es dann gern noch einmal später und sonntags wird bis mittags geschlafen.

Ich habe bis auf die Zeit im Zuvieldienst – da habe ich einige Monate quasi gar nicht mehr geschlafen – nur Jobs gemacht, die später anfingen. Etwas anderes war die Zeit mit meiner kleinen Tochter, da konnte ich aber ihre Schlafphasen nutzen, um mich selbst noch mal ein Stündchen hinzulegen.
Das alles klingt wie eine Rechtfertigung, was ebenfalls kein Zufall ist, denn gemeinhin gelten wir ja als schlechte Menschen, von denen man eine Entschuldigung für ihr Dasein erwartet. Daß wir erst zu großer Form auflaufen, wenn ihr längst schlaff vor dem großen Verblöder hängt, wird gemeinhin unterschlagen. Erst eine “Nachtschicht”, lohnabhänig, schlecht bezahlt und für den Segen irgendeiner Firma, gibt uns wieder das Recht, später aufzustehen.

Mumpitz. Es ist einer der typischen deutschen Neidkomplexe. Da könnte jemand mehr, schöner, besser länger schlafen als ich. Das geht gar nicht! Daß Spätaufsteher erst einmal genau so müde sind wie Frühaufsteher, will denen erst recht nicht in dem Kopf. Für sie ist das ein Skandal, jedenfalls für diejenigen, deren höchstes Ideal in eben dem Gebuckel besteht, was ihnen als “gute Arbeit” eingeschärft wurde. Das ist putzig.

Als 28-Stunden-Mensch bin ich obendrein belastbarer, effizienter und flexibler als die acht-bis-siebzehn-Uhr-Männlein. Ginge es ums Arbeiten, die Argumente wären auf meiner Seite. Es geht aber nicht darum. Ich arbeite, um zu leben und meide Tätigkeiten, die mir nicht zusagen. Ich sage das nicht, weil ich faul, unsozial oder weltfremd wäre. Ich bin einfach nur nicht doof.

Als einer von denen, die auf einem zu kleinen Planeten leben oder einem, der sich halt zu schnell dreht, kann ich trotzdem gut mit den Anderen leben. Denen, die halt lange vor meinem Erwachen ganz normale Geräusche machen. Sie dürfen mich getrost auch wecken, wenn sie mich dann wieder schlafen lassen. Sie dürfen mir sogar eine Frage in der Erwartung einer knappen Antwort stellen. Versucht nur nicht, dann mit mir zu diskutieren. Was ich in einem solchen Fall von euch übrig lasse, kann gern um 01:00 mit mir weiter streiten. Aber das wollt ihr sicher nicht.