Da Artikel über Blogger ungemein resonanzwirksam sind, muß ich mich natürlich über Don Alphonso in der “FAZ” äußern. Überdies darf man sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, einem Bloggerkollegen “Verrat” vorzuwerfen, wenn dieser sich mit der Journaille einläßt. Zumal dann nicht, wenn es jemand ist, der anderen gern Hurerei vorwirft.
Ich mochte ihn ja noch nie. Ich fand ihn schon immer zu bourgeois. Nach der ersten Schrecksekunde, als ich sein Blog bei faz.net fand, dachte ich schon: Das kann passen. Don Alphonso ist gefühlt ebenso unsympathisch wie die FAZ, beide gehören bei mir zur Standardlektüre beim nächtlichen Überfliegen der Textöffentlichkeit. Beide lese ich deshalb, weil ich dort publizistische Qualität finden kann, die ich woanders nicht in dieser Form finde. So viel zu den Ähnlichkeiten.
Die Blogbar und der Rebellmarkt bereiten mir ungleich mehr Freude als die FAZ, über Don habe ich mich bislang nicht wirklich geärgert, während die FAZ aus Tradition noch immer gern reaktionär daherkommt. Die FAZ ist mir unsympathisch, weil sie sich von einer elitären Linie des Klassenkampfes nie gelöst hat, obwohl sie immerhin mit offenem Visier von oben herab auf die Welt blickt. Don ist nicht mir nicht persönlich unsympathisch, er gibt sich nur so, und das funktioniert hervorragend. Ich finde das recht angenehm, denn ich will nicht umschmeichelt werden, wenn ich lese. Ich will Meinung und Inhalt.
Zuletzt fiel mir Don Alphonsos tendenziell großbürgerliche Attitüde auf, als er von Büchern schrieb, die man in einem gewissen Umfang zu besitzen hätte, und ich war drauf und dran, ihn über Menschen zu belehren, die sich das nicht leisten können und daher Büchereien aufsuchen. “Was soll’s” dachte ich dann, man wird sich vermutlich einigen, daß es so nicht gemeint war, und es wird seine Sicht nicht ändern. Ein wenig erinnert mich der Rebellmarkt oft an Adornos “Minima Moralia” und wie dieser dort über Zugwaggons und Autotüren räsoniert, als hinge von der Etikette das Überleben der Kultur ab. Dies ist kein “Adornovergleich”, mich macht nur der Bruch schmunzeln, der in solchen Texten steckt: Der Versuch, das Richtige gegens Falsche in Stellung zu bringen, scheint bei manchen dazu zu führen, sich in den Widerspruch zwischen der Vision und dem “Guten” der Herkunft zu verwickeln. Solange es beim Symptom des Hätschelns der Symbole des eigentlich verachteten Status bleibt, sei’s geschenkt.
Nun also die FAZ. Die ersten Artikel erscheinen mir zahnlos, mal sehen, wie sich das entwickeln wird. Selbst einen gebremsten Don Alphonso erwarte ich mit Spannung, womöglich wird er noch charmant. Ungleich unterhaltsamer kann freilich ein deutlicher Don bei der noblen FAZ werden.
Generell freut mich das Experiment, das nicht das letzte seiner Art sein wird. Hier sind zwei zusammengekommen, die etwas versuchen wollen. Das wird Schule machen: Größere Medien und Blogger, sie sich beschnuppern, sich kennenlernen und ein Experiment wagen. Wie sonst sollte es gehen?
Wer weiß, vielleicht wird der Don sogar davon Abstand nehmen, das von mir so gehegte und gepflegte “ß” brutal zu meucheln und ihm wenigstens nach langen Vokalen und Diphthongen eine neue Chance geben.
Januar 20th, 2009 at 07:07
Ich will mich hier keinesfalls gross tun, aber wenn ich zu meiner Studentenzeit wirklich gehungert habe, dann war es nur wegen Büchern. Es gab Tage, da kam ich vom Weg zum Bäcker ohne Brot, aber mit Büchern aus dem Antiquariat zurück. Ich habe keinen Fernseher. Da bleibt nur das Buch. Und grosse Teile dessen, was mich interessert, finde ich noch nicht mal in den Unibibliotheken. Ich muss mir also den Corpus Vitrearium Medii Aevi selbst kaufen, daran führt kein Weg vorbei. Und der ist so teuer, dass es mir richtig weh tut.
Die Kunstfigur ist natürlich so angelegt, dass sie zwischen einer gewissen Fasziantion für bürgerliche Werte und Objekte und einer vehementen Ablehnung von neumodischem Zeug schwankt. Wss ich versuche, in diese Figur hineinzuschreiben, ist eine Verlustangst, von der neoliberalen Postpostmoderne untrgepflügt zu werden, die sie einerseits in die Reaktion und andererseits in die manchmal vollkommen überzogene Ablehnung von Veränderung ausweichen lässt. Die Kunstfigur ist mit Porzellan und Einrichtung so obsessiv, weil sie die Fassaden für weitaus nötiger hält, als ich selber. Ich habe zwar das Porzellan un freue mich am Silber, aber wenn es im Privatleben überhaupt jemand zu spüren bekommt, dann ist es meine Mutter, wenn sie den Kaffee nicht aus der Glas- in die Solberkanne umfüllt, und das auch nur im Scherz, weil sie es uns anders beigebracht hat.
Es freut mich ja, wenn die Kunstfigur so glaubhaft ist. Aber trotzdem wäre es nett, wenn man nie die literarische Fiktion vergisst.
Danke für das Verständnis und die Chance, das Blog zu entwickeln und nicht sofort gemüllt zu werden.
Januar 20th, 2009 at 11:22
In Ordnung, man kann sich Bücher prinzpiell leisten, wenn man dafür hungert, das mag stimmen. “Kapriziös” nenne ich dennoch eine Haltung, die daraus eine allgemeine Forderung zum Büchererwerb ableitet.
Was die Kunstfigur angeht, so nehme ich sie an wie eine Person, der ich nicht begegnen werde. Es gibt Gestalten im Netz, die Texte hinterlassen, auf die ich mit Texten antworte. Die Körperlosigkeit macht den Unterschied zu realen Personen, nicht die Haltung, die die “Virtuellen” an den Tag legen. Daher kommt die Kunstfigur in der textlichen Auseinandersetzung der Person nahe. Schließlich publiziert bei der FAZ ja auch Don Alphonso und nicht Müllerschmitz.
Januar 20th, 2009 at 11:40
“Geld”, pflegte mein Grossvater zu seufzen, “hat man oder hat es nicht. Alles dazwischen ist von Übel.”. Er hatte einige solche “Von-Übel”-Sprüche wie etwa, dass Behörden müssten aber nicht dürften u. dgl. Mit Parkettböden, der Liste der Vorfahren (wir fanden drei unterschiedliche aber wunderbar echte, absolut wasserdichte Ariernachweise in seinem Nachlass) oder der Bibliothek hielt er es ähnlich. Nun ja, die möglicherweise auffallenden Differenz zu dem, was sich in Deutschland für bourgeois hält, möge jeder selbst herausfinden.
oas
BTW.: das “scharfe S” ist lediglich die Ligatur von langem und rundem s und hat mit Betonung oder Ähnlichem überhaupt nichts zu tun; in Ländern, die früher auf die lateinische Schrift umstellten als Deutschland (die deutschsprachige Schweiz ist wegen der Sprache gut vergleichbar) wurde die Langform des s nicht angewendet. Der letzte Duden, der nicht diese “ß”-Schreibung, sondern die Regeln für das Verwenden von langem und rundem s darstellte war die Ausgabe von 1941.
Januar 20th, 2009 at 12:46
Zuweilen lese ich weiter in einem Blogtext, auch wenn ich ihn nicht ganz verstehe. Er vermittelt dann aber annähernde Ahnung, manchmal sogar eine Spur Melancholie. Ich habe acht Klassen Ostzonenbildung und damit weit mehr, als das heutige D in zehn Jahren zu bieten hat. So jedenfalls mein Eindruck und meine Überzeugung. Und Meinung aus einer Gegend, bei deren Erwähnung der Don ein richtig Böser werden kann. Weiß nicht und muß nicht wissen, weshalb. Ich lese bei ihm und flatter jeden Tag, bin bereit zur Freude über ein gelegentliches Gehakel und wünsche ansonsten weiter ein fruchtbringendes Nebeneinander der beiden.
Januar 20th, 2009 at 13:16
@oas: “für den stimmlosen s-Laut nach langem Vokal oder Doppellaut (Diphthong) schreibt man ß”. (Duden, deutsche Ausgabe von 2000). Hier hat sich die Rechtschreibung nach der sogenannten “Reform” nicht geändert, dennoch setzen viele das “ss”. Dabei ist das “ß” so ein netter Buchstabe.
Januar 20th, 2009 at 13:31
Hm… ist das jetzt gut oder schlecht? Ist es gut für die FAZ zu bloggen oder böse? Muß ich jetzt Stefan Niggemeier dafür weniger mögen?
Januar 20th, 2009 at 13:53
@Thomas egal ob gut oder böse, Hauptsache, man steht auf einer Seite und die anderen auf der anderen ;-)
Januar 20th, 2009 at 19:56
@flatter (5)
“Es ist ein Reis entsprungen…”
“Es ist ein’ Ro0x0017F’ entspringen…”
Der Unicode 017F ist dieses lange s, lässt sich hier nicht darstellen. :-(
Das bedeute(te), dass auch nach Auslassungen am Ende eines Wortes ein langes s zu schreiben (setzen) war.
Dass auch der Duden nix Genaues nicht weiss ist ja mit eine Ursache für die Lechtsreibferom, oder wie dat Dingens heisst…
Schreibt die ein Säzzär & Korrektor, die konnten ja nicht mehr befragt werden, weil es sie nicht mehr gibt…
mfg oas
Januar 20th, 2009 at 19:59
Korrektur:
Das bedeutet(e), dass auch _vor_ Auslassungen am Ende eines Wortes ein langes s zu schreiben (setzen) war.
Leider keine Vorausschau…
oas
Januar 20th, 2009 at 23:48
don?
echauffiert sich, wenn leute mit ihrem blog geld verdienen wollen (ne klar, wer geld hat kann da charakter beweisen, ne don?)
verkauft sich dann aber an die faz, als gelte es den beweis anzutreten, dass die die nicht mit geld käuflich zu erwerben sind trotzdem ihren preis haben.
würde natürlich jederzeit in ein argumentatives gefecht einsteigen um seine unlogische, heuchlerische und old money based arrogante position zu verteidigen.
wat’ne wurst.
Januar 21st, 2009 at 12:12
@oas: Ich habe die im Duden veruzeichenete Regel auch nur verkürzt wiedergegeben:
“…Dies gilt jedoch nur, wenn der s-Laut in allen Beugungsformen stimmlos bleibt und wenn im Wortstamm kein weiterer Konsonsant folgt…”
Alles nicht so einfach, auch nicht wirklich sinnig. Ich bn kein Prinzipienreiter, es ist am Ende oft Gemschacksache. Es sollte aber schon der Unterschied zwischen den Füßen und Füssen erkennbar sein.
Januar 21st, 2009 at 12:21
zum Lesen,
soweit ich den Text in Erinnerung habe, sprach Monsieur Alphonse nicht vom Kaufen, sondern vom Lesen und davon, 2000 Bücher bis zur Adoleszenz gelesen zu haben.
Um das nochmal klarzustellen: Lesen ist nicht Bücher kaufen, genausowenig wie kopieren nicht kapieren ist (der Kardinalirrtum des modernen Studiums überhaupt;-)
Zur FAZ
abwarten, was draus wird.
zum ß
Ich liebe Ligaturen. Ich verwende es weiter.
Die Neue doofe Rechtschreibung kann mir mal den Schuh aufblasen.
bel
Januar 21st, 2009 at 17:44
@bel: sowohl als auch. er sprach von beidem. gegen lesen hab ich auch gar nix.
Januar 22nd, 2009 at 12:51
hi flatter,
zu M. A.
ich guck noch mal nach. Habe aber da in Erinnerung, daß er beim Besitz ausdrücklich von seiner Bibliothek (um die ich ihn – wie du wahrscheinlih auch -, beneide; – bel = Bibliotheksnutzer) und nicht von der Pflicht zum Bücherkauf für alle sprach.
Will aber nicht daruf beharren. …
zu ß
auch bei der Neu-D(oofen)-Rechtschreibung gilt immer noch :
nach laaaaangem VOKAL immer ß.
Also gibt es noch den Unterschied zwischen Wein in Maßen getrunken und Wein in Massen gesoffen…
bel
Januar 22nd, 2009 at 13:10
@bel: (zum ß) Sag ich doch ;-)
August 7th, 2009 at 20:59
Wo trifft man nur Bauern im Maßanzug an,
gelackt und gegelt vom Kopf bis zum Schritt?
Wo gilt schon, wer fehlerfrei “Puff” schreiben kann,
als intellektueller Kosmopolit?
Die Backen gebläht und der Geist eher klein,
so lebt es sich trefflich in Packfurt am Main.
Von wo kommt auf uns alle Tage
der Schwätz- und Blender Rat und Heil,
der Bildungssspießer Wichsvorlage,
ein Anzeigenblatt mit Nachrichtenteil?
Heisst dieses Werk auch “allgemein”,
kann es doch nur aus Packfurt sein!
Wo scheint ohne Herz und auch Rückgrat zu sein,
was mürrisch aus miefigen Hausfluren quillt?
Wo fall’n pubertierende Dorfdeppen ein,
wenn ihnen das Gemächt anschwillt?
Es muss Dummlands einziger Freilichtpuff sein,
und der heißt bekanntlich Packfurt am Main