Vor vielen Jahren wurde ich einmal verdächtigt, ein Autoradio gestohlen zu haben, weil ich zur ungefähr falschen Zeit am sehr ungefähr falschen Ort war. Ein Streifenpolizist hatte mich höflich gefragt, ob ich ihm zeigen würde, was sich in meinem Rucksack befände. Auf meine Nachfrage hin, warum ich das wohl tun solle, hatte er mir erklärt, daß eben in der Gegend kurz zuvor ein Auto aufgebrochen worden war, und weil ich ihm seinen Job und mir das Leben nicht unnötig schwer machen wollte, zeigte ich ihm meine Fußballschuhe und die Flasche Wasser, die ich bei mir hatte. Ich erklärte ihm betont, daß ich das freilwillig machte, und er bedankte sich bei mir.
Kurz darauf kam eine Vorladung zur Vernehmung beim zuständigen Kommissariat, der ich nachkam. Dort begnete ich einem Möchtegern-Columbo in Range eines Oberkommissars, der sofort wußte, daß er in mir den Täter vor sich hatte. Er machte bereitwillig Angaben zur Täterbeschreibung und zum Tatort, was mir die Gelegenheit gab, in beinahe allen Punkten nachzuweisen, daß ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht der Täter sein konnte. Ich hatte keine langen Haare, besaß keinen Army-Rucksack und konnte zur Tatzeit nicht am Tatort gewesen sein. Ich konnte ihm sogar auf dem Stadtplan zeigen, daß meine Route nicht am Tatort entlang führte. Vielleicht habe ich seinen Ehrgeiz auch dadurch geweckt, daß ich ihn nicht recht für voll nahm und aus der Vernehmung ein wenig Kabarett machte.
Meine damalige Frau wurde von ihm danach ebenfalls zur Vernehmung eingeladen. Sie bestätigte, daß ich zur Tatzeit noch zu Hause gewesen war, was ihn immer noch nicht überzeugte. Erst, als sie Angaben zu unseren Einkommensverhältnissen machte, gab er sich geschlagen: Wer arbeitet, klaut keine Radios, das hat er sofort messerscharf erkannt. Ein akademischer Grad hatte ihn übrigens noch nicht davon abgehalten, mir auf die Nerven zu gehen. “Haben Sie ja wohl nicht?” war seine Frage gewesen, auf die ich geantwortet hatte: “Meinen Sie mich oder Ihren Kollegen?”

Wo der Spaß aufhört

Das kann alles ganz lustig sein, wenn es um Bagatellen geht und man ohne Blessuren aus einer solchen Sache herauskommt. Überhaupt nicht lustig fand ich schon damals die Mischung aus Dummheit und Arroganz, mit der dieser Staatsvertreter versucht hat, mich einzuschüchtern. Eine demokratische Gesinnung sieht anders aus.
Es geht in diesen Zeiten aber um viel mehr, um vermeintliche Gefahren für Volk und Vaterland, und damit verbunden ist eine Mentalität bei den “Eliten” in Wirtschaft und Politik, die sich von der der StaSi nicht unterscheidet. Konzerne überwachen illegal Mitarbeiter in der Zahl einer Großstadt. Diese wissen nichts davon. Eine beinahe unaufhaltbare Regierungsmacht bricht und ändert die Verfassung am laufenden Band und läßt sich auch vom hundertsten Jubiläumsveto des Bundesverfassungsgerichts nicht von ihrem Weg abbringen. Die “Argumente” dafür werden immer idiotischer. Schiffe, die einen Hafen in die Luft jagen, getötete Kinder, gesprengte U-Bahnen, der Nachbartaliban im Bombengürtel, all diese Schreckgespenster werden aufgefahren, um den Rechtsstaat zu seiner eigenen Sicherheit abzuschaffen. Daß einem intellektuellen Blindgänger wie Sigfried Kauder der Schwachsinn auf die Zunge gleitet und ihn sagen läßt:
Wer Sicherheit in Deutschland liebt, muss diesem Gesetz zustimmen“, ist traurig genug, aber von den Paranoikern der Schäubletruppe erwartet man schon nichts anderes mehr. Daß bei den Brandt-Erben imzwischen das Motto modifiziert wurde, im Sinne von “Wir wollen mehr Demokratie zerstören”, ist allerdings noch erschreckender:
Wenn die erste U-Bahn in Deutschland hochgehe, würde auch die Opposition als erstes auf die Koalitionslinie einschwenken, meinte Joachim Stünker von der SPD-Fraktion, und ermahnte gleichzeitig die Kritiker für ihre Wortwahl, mit der sie “die Schmerzgrenze überschritten” hätten.
Wohlgemerkt: Dieser Hanswurst verbittet sich eine deutliche Antwort auf die demagogischen Auswürfe, die er und seine autoritätssüchtigen Stationsgenossen sich leisten, um den Generalverdacht zur Staatsräson zu erheben.

Bürger, duck dich!

Sie machen sich nicht den leisesten Gedanken, welch verheerende Wirkung ihr Treiben hat. Es ist ihnen egal, wie man mit den selbstproduzierten Verdächtigen verfahren wird. Sie nehmen es in kauf, daß die Menschen sich nur noch ducken werden, weil irgendwann jeder einmal von einem gehört haben wird, den es erwischt hat. Daß sie bis ins Mark demokratiefeindlich sind, wäre nur ein Argument. Daß es sie selbst erwischen wird, werden sie erst merken, wenn es wieder einmal zu spät ist. Diese Dummheit ist das eigentliche Fanal. Diese “Volksparteien”, die sich gemein machen mit jenen, denen jedes Mittel zum Machterhalt recht ist, schmieden heute die Waffen zur Aufstandsbekämpfung gegen ihre Wähler, die es sich aus Gründen einmal anders überlegen könnten.
Zuerst erwischt es die SPD, die so überflüssig ist wie ein drittes Kreuz auf dem Wahlzettel. Wenn sie endgültig von der geliebten Macht abgeschnitten sein wird, geht es um die “Union”. Es wird spannend, wenn diese letzte Volkspartei, deren Wurzeln in ebenso in die NSDAP hineinreichen wie in die SED-Blockparteien, vom Wahlvolk ebenso bestraft wird. Wenn es sich herumspricht, daß die Staatssicherheit rechts steht, sind die Optionen rar. Entweder verschwindet der Spuk, oder er gönnt sich die offene Diktatur. Laßt ein oder zwei U-Bahnen brennen, dann sind die Sicherheitsgesetze dafür schon zur Hand.
Ironischerweise wird die Macht der unterbelichteten Dilettanten, denen diese Zukunft droht, ihnen durch die Verfassung erhalten bleiben, konkret durch das Bundesverfassungsgericht, das diesen Alptraum verhindern wird.
Das Volk wird von alledem nichts merken und weiter brav und morbider sein Kreuz zur Urne tragen.