Wir erinnern uns, nein, vielmehr: wir wollen endlich zur Kenntnis nehmen, dass die “DDR” nicht nur keine Basis für eine sozialistische Gesellschaft war, schon gar nicht eine kommunistische, sondern der Etikettenschwindel auf der obersten Ebene im zweiten “D” zu finden war. Deutsch war sie wie nochwas, aber demokratisch war das, was da als “Wahl” angeboten wurde, nun wirklich nicht. Mal abgesehen davon, dass es nichts zu wählen gab, weil selbst unterschiedliche Parteinamen nur demselben Block entstammten. Die theoretisch mögliche Einflussnahme durch Wahlen (z.B. Streichen von ‘Kandidaten’ aus der feststehenden Liste) wurde durch eine paranoide Manipulation verhindert, die am Ende der sinnlosen Abgabe von Zetteln noch die Ergebnisse der Farce fälschte. Das war die “Demokratische Republik”. Wieso ist hier eigentlich niemand gegen Demokratie?

Die keinen Deut sinnvollere Befüllung des Containers “Demokratie” ist in diesen Zeiten wesentlich komplexer und daher grundsätzlich unauffälliger. Gleichwohl reicht ein schwacher einäugiger Blick auf das Geschehen, um dieselbe Absicht zu erkennen: eine billige Fassade zu errichten, das Wahlvolk mit einer angeblichen Freiwilligkeit zu demütigen, Unfreiheit als Einsicht in die Alternativlosigkeit.

Kopflos, dafür ohne Rumpf

Lassen wir die völlige Irrelevanz von Partei- und sogar Wahlprogrammen kurz beiseite. Nachdem die auf dem Ticket von Pazifisten, Sozialisten und Atomkraftgegnern in die Parlamente geflutschten Grünen binnen kürzester Zeit zu den aggressivsten Bellizisten umgeschult wurden und Koalitionen mit der Linken ausschließt, da diese gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr sind (Trittin), gab es eine kluge Antwort der PdL: SPD und Grüne sollten doch einfach ihre Basis fragen. Innerparteiliche Demokratie, dieser kleine Rest an Einflussnahme – wenigstens für Parteimitglieder – sollte doch ein Anspruch sein, der Freie Westen® noch erfüllt?

Weit gefehlt. Von FdJ-Mädel und NATO-Zofe Göring-Eckart, der sympathischen Kirchenfunktionärin und Kriegsbefürworterin, kam postwendend, dies sei “durchsichtig”. “Transparent” heißt das mit einem anderen Wort, und das geht heute gar nicht mehr mit den Grünen. Die sind und tun, was ihre obersten Funktionäre bestimmen, und die wiederum lassen sich doch nicht von pazifistischen Sozialisten erzählen, sie sollten mal ihr Fußvolk fragen. Dafür werden sie nämlich nicht bezahlt. Am Ende wäre die Partei noch für die Ideen der Linken und gegen eine Nationale Front mit Zweidrittelmehrheit und einer “Opposition”, die weder Untersuchungsausschüsse einsetzen kann noch Normenkontrollverfahren anstrengen.

Freiheit von Alternativen

Nachdem die Grünen sich also auch noch aus der Restrumpfdemokratie verabschiedet und Transparenz für ein Ausschlusskriterium bezüglich politischer Zusammenarbeit erklärt haben, war die SPD am Zuge. Die verhält sich mäßig geschickter und lässt die Basis durch ihre Funktionäre fragen: “Ja? / Vielleicht ja? / Doch?”. Deren Basis soll zu einer Großen Koalition befragt werden. Nachdem also die Partei- und Fraktionsführungen den Mitgliedern deutlich gemacht haben werden, dass das Wohl von Volk, Partei und Vaterland an ihrer Zuverlässigkeit hängt und der Seeheimer Kreis prominente Abweichler eingeschüchtert und gemobbt haben wird, darf man dann zur Abstimmung schreiten. Über eine alternative Koalition wird aus Sicherheitsgründen natürlich nicht abgestimmt. Am Ende wird vermutlich noch das Ergebnis manipuliert, sollte sich etwas Unerwartetes ereignen.

Es muss ein gutes Gefühl sein, bei den Wahlen zu diesem Parlament einer dieser Parteien seinen politischen Einfluss übertragen zu haben. Schließlich ist man Demokrat und möchte nicht, dass Extremisten an die Macht kommen – oder schlimmer noch: die Mauerschützenpartei Einfluss auf die Flugpläne unserer Drohnen nehmen.

Fett. Acht Jahre ist mein Blog jetzt schon Opfer meiner gemeingefährlichen Tiraden, gebe ich mich ganz meinem Hass hin und ziehe immer mehr Verführte in den Bann meiner irrelevanten, aber magischen Texte, die zu lesen als nicht weniger gefährlich gilt denn ein Bad im Abklingbecken bei Tepcos unterm Sofa. Terroor! Dieses Jahr gebe ich einen tieferen Einblick in die Geschichte des Blogs, mit bunten Sammelbildern und schrecklichen Geständnissen:

ff022002 habe ich meinen ersten Gehversuch in Sachen Homepage gemacht, in der Absicht, eine Art satirisches Tagebuch zu führen. Hätte ich damals schon gewusst, dass es “Blogs” gibt, wäre ich heute sicher berühmt und würde angerufen. Andererseits müsste ich eine doofe Frisur spazieren tragen und mich dauernd am Sack kratzen. Mir ist also einiges erspart geblieben. Der Begrüßungstext ging so:

Das Netz. Wir schreiben das Jahr 2002. Wenn wir schreiben können. Erobert von Trotteln, die mit Flashintros, Frontpageexpress und ActiveX die Knoten beschmieren. In der Hand von Aasgeiern, die ihre Mütter schon verkauft haben und sich um die Rechte an einzelnen Buchstaben prügeln. Spielwiese exzentrischer Freaks, die in keiner Kneipe mehr Einlaß finden. Dies kleine Glück, das Beste, das Euch im www. zuteil werden kann, soll Euch hier gewährt werden. Leider müssen einige von Euch draußen bleiben …

Ihr seht, schon damals war mein Charme betörend, und ich lege seit jeher größten Wert darauf, everybody’s Darling zu sein. Damals war das aber eh wurscht, denn da ich keine Ahnung hatte (und offenbar auch nicht so furchtbar motiviert war, mir eine draufzuschaffen), wie man sich vernetzt, um nicht sein einziger Leser zu bleiben, habe ich ein paar Texte und Bilder eingestellt und sie verrotten lassen.

frdwBis ich dann 2005 erfuhr, was ein Blog ist, mich schlagartig erinnerte, dass das genau das war, was ich schon immer machen wollte und loslegte, zunächst bei blogg.de.
 

Der Laden ging mir aber schon bald ziemlich auf die Murmeln, sodass ich die damals schon gut 300 Artikel von Hand kopiert und mit in die neue Domain genommen habe. Dabei gingen leider sämtliche Kommentare flöten. So irrsinnig viele waren das allerdings auch nicht.
 
 
org1Dem folgten bekanntermaßen inzwischen in Addition knapp 2500 Artikel und 70.000 Kommentare. Ich hatte 2010, als ich die Gelegenheit hatte, ein Jährchen ohne Lohnarbeit zurecht zu kommen, den bislang höchsten Output und mir dadurch die Basis für eine Menge Arbeit geschaffen. Einige Artikel haben mehrere hundert Kommentare bewirkt, was mir große Freude bereitet, an einigen Tagen aber auch puren Stress.
Seit einiger Zeit schreibe deutlich weniger, weil mir zur aktuellen Lage nicht immer etwas einfällt, das nicht bloß Depressionen vertieft. Kurzkommentare zum täglichen Irrsinn sind inzwischen bei feynsinn.net untergebracht. Dennoch ist die Zahl der Leser/innen wieder auf dem alten Niveau. Ich suche noch nach einer eleganten Möglichkeit, eine Sammelthread für Kommentare zu den „Grätschen“ einzurichten und für den ‘Chat’, der hier oft betrieben wird, den ich sehr mag, der aber Kommentarleser durchaus auch abschrecken kann. Da ist etwas in Arbeit.

org2Ich danke wie immer allen, die mich lesen, hier kommentieren und “da Button” klicken, eine Möglichkeit, auf die ich bei dieser Gelegenheit aufmerksam zu machen mir erlaube. Wie ich lese, hauen derzeit einige beleidigt in den Sack, weil ihnen eine doofe Wahl schon zu viel war. Kann mir nicht passieren. Ich werde mir doch diesen wundervollen Klassenkampf nicht entgehen lassen!

 
Als ich zuletzt für ein ordinäres Brötchen 30 Cent zu zahlen hatte, stutzte ich doch gewaltig. Es ist offenbar nicht nur ein gefühlter Anstieg bei den Preisen für Lebensmittel; im letzten Jahr sind die Kosten für alkoholfreie Getränke und Lebensmittel um 4,1 Prozent gestiegen. Wir werden das im Auge behalten müssen. Was als Begründung unter anderem in der Frankfurter Rundschau angeboten wird, ist der übliche neusprechliche Sermon der ökumenischen Vereinigung deutscher Marktanbeter, hier aus der Abteilung klassische Schizophrenie für Grobgehobelte:

neben den steigenden Kosten auch harter Wettbewerb“, heißt es dort.

Wie kommt schon wieder diese verdammte Axt in meinen Schädel? Es wird teurer wegen steigender Kosten, aha. Ich hätte gern den zuständigen Experten gesprochen, sofort!
Und “harter Wettbewerb” führt also zu – höheren Preisen?! Der Wettbewerb®, der eigentlich im Dienste der Erlösungslehre für alle gut ist und sonst immer niedrige Preise bewirkt, weil viel Wettbewerb® viel Angebot bedeutet und das eben viel billig? How comes? Das kommt wohl von daher, wo für dieselbe Industrie “stabile Umsätze” und eine “angespannte Ertragslage” Arm in Arm übder die intellektuellen Stoppelfelder hoppeln ohne sich dabei die Extremitäten aufs schmerzhafteste zu verrenken.

Wettbewerb, Werbewett, Wertbewebb

Suchen wir ein wenig Sinn im Unsinn: Tatsächlich steigen die Preise lokal, während mehr exportiert wird, weil sich im Ausland noch höhere Profite erzielen lassen – trotz zusätzlicher Transportkosten. Woanders ist es also noch teurer, und womöglich steigen die Preise anderswo noch schneller an. Nun sorgt die soziale Marktwirtschaft®, von Ketzern auch nach wie vor verdammter Kapitalismus genannt, dafür dass dort investiert und abgesetzt wird, wo der Profit am höchsten ist und vor allem so gehandelt, dass es den Profiten dient. Wenn das dann mit künstlicher Verknappung einhergeht, dann ist das eben so.

Nun treffen da drei äußerst unansehnliche Schwestern aufeinander, nämlich die neue Attraktivität des Lebensmittelmarktes® und die mangelnde Profitaussicht in anderen Branchen, auf die allseits gut gelaunt schon die magersüchtige Lohnentwicklung wartet.
Meine Kristallkugel sagt, das sei ein ganz böses Omen, eines von der Art, die man besser verschweigt, wenn man das Menetekel entziffert hat. Vielleicht ist das alles ja doch nur ein Irrtum.

 
spartac

Es muss eine Geschichte erzählt werden, der die Menschen sich anschließen können. Sie muss keine neue Geschichte sein; im Gegenteil ist sie eine sehr alte. Sie ist die Geschichte der Befreiung der Menschheit aus Herrschaft und Zwang. Dies schließt alle Menschen ein, gleich welcher Herkunft, welchen Standes und welcher Eigenschaften, die irgendwer ihnen zuschreiben kann. Keine Herren, keine Sklaven – das war schon immer das Ziel der Befreiungsbewegungen und der ihr folgenden Versuche, eine neue Gesellschaft zu gründen. Ob in den Sklavenrevolten der Antike, der bürgerlichen Revolution oder den kommunistischen, das Versprechen war stets dies, sich aus der Knechtschaft zu befreien und Selbstbestimmung zu erlangen. Dieses Versprechen ist noch immer nicht eingelöst, es gehört daher als Forderung auf die Agenda.

Kein Mensch gehört einem anderen. Niemand darf anderen vorschreiben, wo sie zu leben, was sie zu arbeiten und wem sie die Früchte ihrer Produktivität zu überlassen haben. Letzteres war einmal die völlig selbstverständliche Basis der demokratischen Bewegungen. Die Bürgerlichen des 18. Jahrhunderts hatten vielleicht nicht die Idee, Arbeiter und Bauern zu befreien, aber aus ihrer Sicht war es völlig klar, dass sie sich nicht vom Adel permanent enteignen ließen. Daher besteht bis heute die Verbindung von Freiheit und Eigentum: Es war da nie die Idee, unbegrenzt Eigentum anzuhäufen, im Gegenteil, aber es sollte überhaupt Eigentum fürs Volk geben, und zwar auch solches, das Früchte trägt.

Die notwendige Korrektur nach den ersten furchtbaren Krisen des so entstehenden Kapitalismus nahmen die sozialistischen und kommunistischen Bewegungen vor. Nicht nur waren die zunächst ignorierten Arbeiter und Bauern in eine neue Sklaverei geraten, es zeigte sich auch, dass das Eigentum an Produktionsmitteln mehr Probleme geschaffen als gelöst hatte. Tatsächlich gab es nach Marx und Lenin erstmals eine Gesellschaft, in der Arbeiter und Bauern an die Macht kommen konnten. Was sie dabei übersahen, war das Problem der Macht selbst. Es gab wieder Herren und wieder Sklaven, Entmündigte, menschliche Manövriermasse. Die neuen Herren waren immer noch welche und immer noch so despotisch wie die alten.

I meet the new Boss …

Der reife Kapitalismus setzte sich davon ab, indem die Herren den Abhängigen mehr Freiheit einräumten. Die konnten mit Glück ein wenig Land, ein Häuschen, Autos und andere Spielzeuge erwerben. Sie hatten sogar die theoretische Möglichkeit, selbst zu Herren aufzusteigen. Einige von ihnen schafften das und wurden anderen zum Vorbild. Nie aber sprachen die Abhängigen den Herren der Produktionsmittel und ihren Funktionsträgern das Recht zu herrschen ab. Nie war es Konsens, dass es keine Sklaven mehr geben solle – und keine Herren.

Inzwischen löst sich die Zivilgesellschaft auf, während sich das Machtgefüge verdichtet. Immer mehr Abhängige fürchten um ihre Lebensgrundlage, immer mehr verlieren sie tatsächlich, immer mehr werden zu Arbeiten gezwungen, von denen immer weniger leben können – oder sie werden gezwungen, zu verelenden, weil für sie nichts mehr übrig gelassen wird: Keine Arbeit, kein Lohn, keine Teilhabe, und am Ende nicht einmal mehr etwas zu essen.

Das alles inmitten in einer bizarren Welt, die technische Möglichkeiten bietet für ein Paradies auf Erden. Kein Hunger, keine Kälte, keine Obdachlosigkeit, das ist schon morgen möglich. Wenn sich Prinzipien durchsetzen, die soziale Ziele haben. Wenn die Menschen endlich die Möglichkeit haben, über sich selbst zu bestimmen. Wenn sie nicht dem Kaiser dienen, dem Führer, den Reichen, dem Taler oder dem Gott “Wachstum”. Wenn wir uns darauf einigen, dass wir keine Sklaverei mehr akzeptieren und deshalb auch keine Herren. Das wäre ein Anfang der Geschichte.

 
nlepdDas ist der spannendste Wahlkampf seit vielen Jahren, und keinen interessiert’s. Wieso eigentlich? Bloß weil die Bleierne Kanzlerin uns so oder so erhalten bleibt? Vermutlich auch. Ihr ausdrucksloses Gesicht blickt auf mich herab, ein Zombie wie im echten Leben. Erinnert mich stark an Chucky, die Mörderpuppe. Spielt keine Rolle, sie ist nun mal die Gottkaiserin. Die ohnehin vorhandene Neigung der Deutschen zu Führern wird durch die verabredete Inhaltslosigkeit der neoliberalen Blockparteien verstärkt.

Das kann man sich eigentlich kaum erklären, denn es hat ja nur die CDU etwas davon; die anderen haben schließlich nicht den Führer. “Kaum erklären”, das heißt auch, dass die Korruption längst so weit geht, dass der Nomenklatura egal ist, wer ‘gewinnt’. Hauptsache sie sind adabei. Das Tagesgeschäft wird nebenher abgewickelt, mal im Sinne des ‘Bündnisses’, mal als Karneval. Ich habe mich neulich gewundert, dass Omid Nouripour von den Grünen so oft zum Thema Syrien in den Medien war. Inzwischen weiß ich, warum: Er ist im Vorstand des “Verein Atlantikbrücke” und der “Deutsche(n) Atlantische Gesellschaft”. Einer der NATO-Lobbyisten, die bei den Grünen inzwischen ‘Pazifismus’ definieren.

Ein wenig verwundert war ich auch auch über Westerwelles Meldung, er sei jetzt sicher, dass Assad schuldig sei. Westerwelle war übrigens Außenminister, hat bloß keiner bemerkt. Im Wahlkampf muss er aber noch einmal schnell etwas raushauen, dass er für mehrheitsfähig hält bei seiner gehirngewaschenen Wählerschaft. Mit Politik oder gar Diplomatie hat das derweil herzlich wenig zu tun. Hier tritt dann das Primat des Effekts auch einmal als “Außenpolitik” auf.

Im Prinzip spannend

Es stehen mit der FDP und der AfD zwei Parteien an der Schwelle zum Einzug in den Bundestag. Das birgt reichlich Stoff für Spekulationen über theoretisch mögliche Koalitionen, die aber alle hinfällig sind, weil eben bereits feststeht: Merkel wird Kanzlerin, vermutlich einer Großen Koalition, vielleicht aber auch doch wieder Schwarzgelb. Das ist so spannend wie Fußnägeln beim Wachsen zuzuschauen – und frustrierend für jeden, der glaubt, es sei per Wahl irgend etwas zu bewegen.

Kommen wir zum Schluss zu etwas völlig anderem: Politik, Inhalte. Vermutlich wird die Partei “Die Partei” einen Achtungserfolg erzielen, weil sie als einzige sagt, was alle tun: Inhalte abschaffen! Da wären nämlich reichlich. Totalüberwachung durch Geheimdienste, endgültige Entmündigung der Parlamente durch ein sogenanntes “Freihandelsabkommen”, Endphase des Kapitalismus aka “Eurokrise”, Finanzmarktkrise”, “Staatsschuldenkrise”, “Bankenkrise”. Nichts davon ist beherrscht geschweige denn vorbei. Was davon gehört im Wahlkampf?

Natürlich nicht, denn aus einem Wahlkampf soll man die Politik strikt heraushalten. Es geht um Köpfe. Um die Führung. Um die Unterstützung der Führerin durch ihr Volk. Da machen alle mit und stören den öffentlichen Frieden nicht durch intellektuelles Genörgel. Die Guten jedenfalls, und die sind immer in der Mehrheit.

 
fon

Neulich saß ich draußen vor einer Kneipe und dachte an mein altes Wählscheibentelefon – ein Wort, das übrigens nicht einmal mehr in diesem nichtsnutzigen Wörterbuch hier steht. Ich denke nicht oft an mein altes Wählscheibentelefon und habe auch vollkommen vergessen, warum ich daran dachte, zumal ich auch vergessen habe, woran ich sonst noch so dachte, obwohl ich eigentlich auch das noch erwähnen wollte. Es hätte hier also eine völlig andere Geschichte stehen sollen.

Wie dem auch sei, ich habe auch kurz darüber nachgedacht, ob ich die umsitzende Jugend einmal fragen sollte, ob sie schon einmal einen Hörer auf eine Gabel geknallt hätte. Ob sie wenigstens wüssten, was das bedeutet. Eineinhalb Jahrhunderte lang wurden Hörer auf Gabeln geknallt. Heute gibt es noch so ein paar Kunststoffdinger mit einem einzelnen Plastikpin, aus dem der Hörer wieder rausfliegt, wenn man ihn nicht gleich durch das Gehäuse hämmert. In aller Regel aber findet das ja gar nicht mehr statt, und man beendet ein Gespräch, indem man einen winzigen Knopf drückt oder das Scheißding gar streicheln muss, um die Funkleitung zu unterbrechen. Streicheln!

Verstehe ich nicht

Was ist das für eine Geste, dass man eine Scheiß-Plastikschiene streichelt, wenn man fertig hat? Was ist das überhaupt für eine bescheuerte Welt, in der man sein blödes Telefon dauernd streichelt? Es ist ja noch viel schlimmer: Erst haben sie unsere Kinder daran gewöhnt, dass sie sich Bilder aus dem Netz angucken, um dabei an sich rumzufummeln, jetzt werden wir alle aus dem Netz beobachtet, während wir an dem Gerät rumfummeln. Was kommt denn da als nächstes? Müssen wir dann der Kamera einen blasen, die den ganzen Tag um uns rumschwirrt?

Und wenn das alles so seine Entwicklung nimmt, dass man also mit dem ursächlichen Vorwand, man könne jetzt auch unterwegs nicht nur jemanden anrufen, sondern auch angerufen werden, dazu übertölpelt wird, ein “Telefon” bei sich zu tragen, das eine multifunktionale Wanze ist (Nachteil), in der dutzende von Spielzeugfunktionen untergebracht sind (Vorteil), ein Teil, das schon zu Telefonzeiten mit Vibrationsalarm ausgestattet war, warum zur Hölle gibt es das noch nicht in anatomisch geformt und leicht abwaschbar zum sich in Löcher Stecken?

Das sind so die Fragen, die ich stelle, während ich mit meinem alten Wählscheibentelefon mit dem Weltmeister telefoniere und ihn zusammenstauche, weil er so einen beschissenen Geschmack hat und so abartige Ideen und so eine bizarr idiotische Vorstellung von “Welt”, die er sich da zusammengemeistert hat, bis ich den Hörer auf die Gabel knalle und ihm nachgrolle:
„Blödes Arschloch!“

 
merkelspiEigentlich habe ich keine Lust, mich zu dem Quatsch zu äußern, der gestern in Bayern lief. Jedenfalls fühle ich mich nicht bemüßigt, eine Analyse abzuliefern über sogenanntes “Wahlverhalten” oder sonstige Techniken anzuwenden, die solche Albernheiten ernstnehmen. Vielleicht aber ein wenig psychologisierende Spekulation:

In Bayern hat sich die Regierung just mit dem Fall Mollath bis auf die Knochen blamiert und deutlich gemacht, dass sie in ihrem stupenden Festhalten am Recht der Repression so etwas wie Menschenrechte ins Kleingedruckte abdrängt. “Wer straft, hat recht”, das ist die sadomasochistische Basis des Konservativismus, der in Bayern noch so krankhaft lebendig ist, dass man lieber einen Umweg in Kauf nimmt, wenn man nach Süden reist.

Mia und die Ausländer

In dieses Schema passt auch der Schlager “PKW-Maut für Ausländer”, denn der Ausländer als solcher ist dort noch immer das, was er immer schon war: Minderwertiger Untermensch, Projektionsfläche für alles Böse und Ungerechte, und im Umkehrschluss ist die Reinheit der bayerischen Inzucht das Paradies für die Guten und Gerechten. Mia san mia, in der 100. Degeneration. Der Ausländer darf alles, hat alle Vorteile, wo er uns doch sowieso nur betrügen will, durchrassen und durchmischen.* Nimmt von uns überall Maut und will hier keine zahlen; aber nicht mit uns!

Dieser Stuss für halbgescheite Zweitklässler gewinnt sogenannte “Wahlkämpfe”. Nächste Woche gibt es dann die nächste “Wahl”, und wir lernen heute zum Beispiel: Cohn Bendit, Pädophilie; Grüne, Pädophilie; Trittin, Pädophilie. Diese Assoziation wird bis zum Erbrechen gefördert, von den Elitejounalisten und ihren Soziologen. Dass die Grünen nicht wählbar sind, weil sie das Gegenteil dessen zu tun pflegen, was in ihren Programmen steht, ist kein Problem.

Da man aber Gefallen findet an der rechtskonservativ-erzkorrupten Regierung, muss selbst die Scheinalternative jetzt in Grund und Boden gemobbt werden. Dieses Land ist so widerlich, dass Bayern auch wieder gar nicht so schlecht abschneidet. Dort ist Kindesmissbrauch übrigens kein Thema. Das fällt vermutlich unter “Religionsfreiheit für Inländer” oder “innerfamiliäre Erziehung”.

Kein Thema

Nach wie vor kein Thema ist auch die Totalüberwachung, das postmoderne NATO-Pendant zu Gestapo und Stasi. Da wird nicht nur nichts aufgearbeitet, zum Beispiel der illegale Geheimdienst der CDU, eine Gruppe terroristischer Schläfer, die erst in den 80er Jahren aufgelöst wurde. Es wird auch nicht gefragt, in welcher Beziehung das zur Förderung des NSU steht oder zu unkontrollierten offiziellen Geheimdiensten. Man könnte jetzt noch sagen, das ist eine Sache, denn das muss ja geheim sein, weil wir sonst vom Terrormann gefressen werden.

Dass aber die Regierungschefin dazu keinen Ton von sich gibt und ihr zuständiger Minister unmittelbar vor einer Wahl das Volk fortgesetzt dreist belügt, welchen Effekt hat das? Richtig: Gar keinen. Spielt keine Rolle, denn Mutti schaut dich an. Sie passt auf uns auf. “Alles gar nicht schlimm”, sagt sie und zieht uns die Decke über den Kopf. Wenn uns dann aus dem Dunkel täglich der Arsch aufgerissen wird, kann sie ja nichts dafür. Ohne sie wäre es nur noch schlimmer. Woran sollten wir ohne sie noch glauben?

* “Lafontaine will mit seiner Asylpolitik eine multinationale Gesellschaft auf deutschem Boden, durchmischt und durchraßt.“ Edmund Stoiber, 20021988

 
nsakt

© Thomas Oppermann

Dass der sogenannte “Verfassungsschutz” die zu schützende Verfassung und die darunter gefasste Gesetzgebung offenbar nicht kennt, noch nie gelesen hat oder schlicht ignoriert, ist im Zusammenhang mit der Verfolgung Unschuldiger einerseits und der Unterstützung, wenn nicht Gründung faschistischer Gruppierungen andererseits hinlänglich bekannt. Dass er aber massiv ausländische Geheimdienste mit Informationen aus dem Inland versorgt, verstößt im Wortsinne gegen § 99 StGB. Eine “geheimdienstliche Agententätigkeit” für einen ausländischen Dienst ist nicht legal, wenn sie von einem deutschen Geheimdienst ausgeführt, ggf. ist das sogar ein besonders schwerwiegender Fall.

Selbst Vereinbarungen auf Regierungsebene können diesen Straftatbestand nicht einfach neutralisieren, vor allem aber müssen solche bekannt und gewollt sein. Entweder ist also das Wirken des “Verfassungsschutzes” fortgesetzter eklatanter Rechtsbruch in der Form, dass das ganze Amt zur Gründung einer kriminellen Vereinigung missbraucht wird – oder es gibt eine schon traditionelle verfassungsfeindliche Praxis deutscher Regierungen. Dies würde bedeuten, dass der ‘Dienst’ auf rechtswidrige Weisung seiner Dienstherren hin illegal organisiert wurde. In beiden Fällen ist er unverzüglich aufzulösen.

Ein Fall für das Widerstandsrecht

Hinzu kommt, dass die “NSA” ebenso fortgesetzt gegen US-amerikanisches Recht und die Verfassung der USA verstößt. Hier arbeiten also (mindestens) zwei Dienste, die sich nicht im Mindesten um rechtsstaatliche Standards scheren, engstens zusammen, lassen sich von den Staaten, die sie schädigen und deren Recht sie brechen, finanzieren und haben offenbar die Regierungen so im Griff, dass diese nichts dagegen tun können oder wollen. Beziehen wir uns auf die lächerliche Schau, die eine Bundeskanzlerin, vertreten durch ihren noch lächerlicheren Minister zur Verharmlosung dieser Verbrechen veranstaltet hat, ist festzustellen, dass von dieser Seite Zustimmung und Kooperation ausgehen.

Der sogenannte “Geheimdienstausschuss”, der durch Nichtinformieren seitens der ‘Dienste’ und Ignoranz seitens vieler Abgeordneter neutralisiert wird, ist ebenfalls nicht in der Lage, diese Verbrechen gegen die verfassungsmäßige Ordnung zu verhindern oder auch nur einzudämmen. Ich empfehle hierzu die Lektüre des Grundgesetzes, insbesondere Artikel 20 Absatz 4.
Widerstand gegen jede Aktivität dieser kriminellen Organisationen ist das Recht jedes Staatsbürgers.

Ich muss mich noch einmal zitieren, schon weil der Peer und der Führer Schmidthelmut (“Schmidthelmut” wie “Gottvater”, wiederum nicht zu verwechseln mit “Godfather”, der ja nur ein Pate ist, welcher wiederum durchaus gottvaterähnliche Kompetenzen … wir schweifen ab …) ja so wichtige und großartige Personen sind, dass sie sogar Rückwärtsschach spielen. Okay, großartig ist nur der Schmidthelmut. Der Peer ist eher schattengroßartig. Der Schmidthelmut hat einmal eine Wahl gewonnen, so hoch will der Peer die Latte nicht hängen. Aber führen®, das fände er schon janz doll.

Jetzt also kurz das Zitat, erster Teil:

Was sagt der Schmidt dazu?
Der Schmidt: “Wir brauchen mehr Führung. Wir brauchen wieder einen Führer!”

Das hat der damals wegen Griechenland gesagt. Der sagt das auch wegen Henrykissenger, Atomkraft oder Langeweile, aber temporibus illis, was der schwurbelnde Sprachsnob sagt, wenn er “dammals” meint, hat der Schmidthelmut das wegen Griechenland gesagt. Zwischen Kippe und Kippe.

Der zweite Teil des Zitats geht dann so:

“Und der Steinbrück: Die Griechen wollen nur Pils und Kippen. Wir haben in einen tiefen Abgrund geschaut, aber die Spareinlagen sind sicher. Ich werde die Banken im Alleingang retten.”

Die Kippen von Steinbrück bleiben derweil ungeraucht, weil sie die von Hartzern sind, die alles, was sie haben, so meint er, in Kippen und Bier anlegen. Das sollen sie aber nicht, weswegen er ihnen nicht nur das Pils und die Kippen wegnimmt, sondern auch das Geld dafür. Damit kann er sich dann den Rotwein* leisten, der mehr als fünf Euro kostet.

Der letzte Teil des Zitats folgt wie folgt:

Und die Merkel: ‘Wir müthen eine gemeinthame Löthung finndenn. Ich halte nichtth von Vermöögnthabgaben’.
Nur eine große Koalition kann uns noch retten. Oder der Schmidt.

Letzteres war visionär, denn wie ich eben las, sei der Peer neuerdings der Ansicht, es “rocke” bei ihm. Weil er nämlich bei einem Phototermin den Mittelfinger aus seinem Armanifaltenwurf gestreckt hat, versucht man nun, ihn einen “Rock‘n‘Roller der Politik” zu nennen des Mittelfingers wegen, den er nicht einmal wem gezeigt, sondern unbeholfen zur Seite gedreht hat. Dieser Mittelfinger soll künftig der sogenannten “Merkel-Raute” entgegengesetzt werden, die nicht etwa das Mittelfeld eines berüchtigten Fußballtrainers meint, sondern die Mischung aus gestörter Grobmotorik, Unbeholfenheit und Klebstoffmissbrauch, welche eine gewisse Kanzlerin auszeichnet.

Das alles ist so verzweifelt, dass ich durchaus geneigt bin, doch noch zur Wahl zu gehen. Wenn der Schmidt antritt.

*edit: Es war vielmehr Pinot grigiot, ein Weißwein aus roten Trauben. Lattenrost ist keine Geschlechtskrankheit.

 
Wer nichts mehr vor sich sieht, wünscht den Untergang des Ganzen herbei, so lässt sich Adorno aus dem hier verlinkten Vortrag verkürzt zitieren. Was er damit meint, ist dass der rechtsextreme, der faschistische Charakter, in der Krise zum Düsteren, Mächtigen, Zerstörerischen neigt. Dies ist nur ein Detail seiner äußerst aktuellen Ausführungen, die ich nur empfehlen kann.

Zwei Gedanken kamen mir an dieser Stelle, nämlich zuerst die Frage, ob die Neigung zu Untergangsszenarien nicht auch dem hiesigen, eher radikal linken Klientel zu eigen ist und zweitens dass dies “nichts vor sich Sehen” eines der schlimmsten Zeichen dieser Zeit ist.

Wir müssen uns, um Ersteres kurz abzuhandeln, nicht wirklich Sorgen machen, an dieser Stelle bestünde eine Analogie zwischen Linken und Rechten, ganz im Gegenteil. Wenn Adorno hervorhebt, dass diese Symptomatik einhergeht mit fehlender Theoriebildung, weist er en passant auf die entscheidende Differenz: Es herrscht hier keine Lust am Untergang, dem Taumeln ins mystische Grauen, sondern die oft verzweifelte Bemühung um ein Danach im Bewusstsein dessen, was aller Wahrscheinlichkeit nach passieren wird. Wirklich aktuelle Diskussionen zeichnen sich dabei durch eine Vielzahl alternativer Ansätze aus, die gegeneinander in Stellung gebracht werden.

Der Untergang

Womit wir beim Thema sind: Die aktuelle Version der Endphase des Kapitalismus ist charakterisiert durch eine beinahe kultivierte Aussichtslosigkeit, eine Apokalypse unter Betäubung, in die hinein uns nicht geifernde Fanatiker führen, sondern Manager einer – wie paradox – alternativlosen Beliebigkeit. Es gibt kein Ziel und keinen Sinn, aber alles muss genau so sein wie es ist.

Die Menschen folgen dabei in ihrem Klammern an die Zwangsvorstellungen der neoliberalen Konfession des Kapitalglaubens ihren Führern, ohne dass diese irgendein Heilsversprechen oder auch nur Trost parat hätten. Es wird kein Endsieg in Aussicht gestellt, nicht einmal das Ende der “Krise”, aber es wird jeder Zwang begrüßt, jede Schikane bejubelt, jede Einschränkung gefeiert, von der die Führung sagt, dass sie nötig seien. Dem entsprechend bedeutet “gemeinsam erfolgreich”, dass das Konterfei der Führerin überlebensgroß auf ihre Untertanen herabblickt, als sehe sie uns, beobachte uns, wachte über uns wie die schon sprichwörtliche “Mutti” über Kleinkinder. Technisch wird das Ganze derweil im Hintergrund besorgt – von der Geheimpolizei.

Warum sollte sich das jahrzehntelang propagandistisch vorbereitete Volk also aufregen? Der Untergang, den es ohnehin begrüßt, wird abgedimmt, pastellfarben und mit freundlicher Untermalung kredenzt. Es gibt nichts zu kämpfen und nichts zu gewinnen, nur den allmählichen Trott ins Nichts, für nichts, gegen nichts. Dafür steht das personifizierte Nichts, das nichts meint, nichts sagt und nichts tut. “Sie kennen mich“. Ja. Schon seit Jahrtausenden. Schon immer.

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