Archiv

November 2010


Gestern sagte ich noch: “Die sollen doch den Reichtstag abfackeln, dann wissen wir, was sie vorhaben”. Heute kommen sie damit um die Ecke. Vergleiche verbieten sich allmählich. Sie machen es einfach exakt wie damals.

ttFolgen wir zunächst der falschen Fährte: Die Anschläge vom “Elften September” 2001 ließen viele irrelevante Fragen offen. Wir werden in einigen Jahrzehnten eine gefestigte Ahnung davon haben, wer was wie getan hat. Bis heute weiß das niemand. Es gibt keine Zeugen. Es gibt keine ernsthaften und glaubwürdigen Untersuchungen. Niemand sagt: “Ich habe das geplant”. Niemand sagt: “Ich habe die Sprengladungen angebracht”. Und niemand sagt: “Ich habe Piloten ausgebildet, virtuose Manöver zu fliegen, um damit Gebäude zu rammen”. Niemand erklärt, wie drei Hochhäuser sich mustergültig aus dem Stadtplan verabschieden können, bloß weil sie gebrannt haben. Niemand macht einen Aufstand, weil so ein Schrott gebaut wurde und man täglich Tausende von Menschen einer tödlichen Gefahr ausgesetzt hat. Es gibt keinen vernehmbaren Schrei nach Aufklärung, es gibt keine Zeugen, die Fragen bleiben offen.

Es sind ohnehin die falschen Fragen. Wer sich auf sie einlässt, gerät in jene Falle, die immer bereitsteht, wenn politische Großereignisse einen ungeklärten Hintergrund aufweisen. Entweder man beginnt zu spekulieren und begibt sich damit in die Gesellschaft wirrer Verschwörungstheoretiker. Dies ist umso frustrierender, als dass der lauteste Applaus dafür von denen kommt, die an einer Aufklärung nicht interessiert sind. Lässt man sich mit den offiziellen Stellungnahmen abspeisen, wird es aber auch nicht besser, denn man setzt sich dem Verdacht aus, unkritisch und anfällig für Propaganda zu sein.

Hysterie, Panik, Gegenterror

Diese Gründe sind hinreichend, um einem augurenhaften Schweigen den Vorzug zu geben – und sich den relevanten Fragen zu widmen. Vor allem der entscheidenden: “Wem nützt es?” bzw. “Wie wurde das Ereignis genutzt?”
“Nine Eleven” war ein Einzelereignis, mit dem niemand gerechnet hatte. Es war nicht Höhepunkt einer Kampagne oder ein letzter Schritt in einer langen Entwicklung, sondern ein singulärer Vorfall. Ein souveräner, gefestigter demokratischer Rechtsstaat reagiert auf so etwas zunächst einmal überhaupt nicht. Erwachsene Menschen wissen, dass so etwas vorkommen kann. Die Reaktion in den USA und weltweit war das Gegenteil: Hysterie, Panik, Gegenterror.

Eine Demokratie zeichnet sich aus durch Transparenz und Sachlichkeit. Das Attentat betreffend, wurde vertuscht, verheimlicht und aufgebauscht. Ein Rechtsstaat untersucht das Geschehen, erwägt be- und entlastende Indizien und kommt zu einem Urteil.
In diesem Fall kam von vornherein nur ein Täter infrage, der bis heute als schuldig gilt. In der Folge wurden rechtsstaatliche Prinzipien abgeschafft. Folter, Mord und Verschleppung wurden im Namen der USA begangen, die Welt verhielt sich dazu “solidarisch”.

Es werden Kriege geführt. Einer gegen die spontan verurteilten Täter und das Land, in dem sie sich angeblich aufhielten. Ein anderer gegen Unschuldige. “Beweise” wurden gefälscht, um noch mehr “Solidarität” zu organisieren. Inzwischen wurde die Fälschung sogar offiziell bestätigt. Inzwischen, das bedeutet mindestens 100.000 tote Zivilisten später, womöglich vielfach mehr.

Schock und Einschüchterung

Die Strategie wurde zum Titel des nämlichen Angriffskrieges: “Schock und Einschüchterung” (Shock and Awe – ich halte die Übersetzung von Wikipedia für eine Beschönigung). Der Schock über das Ereignis wurde durch innere Aufrüstung, diktatorische Maßnahmen und Daueralarm quasi konserviert. Es herrscht ein Zustand permanenter Angst und Verschüchterung, einhergehend mit der Flucht in die Arme der Autorität. Was eine demokratische Gesinnung ausmacht, droht von innen her vollständig zerstört zu werden.

tt2Die USA sind kein demokratischer Rechtsstaat mehr. Nachdem die Bush-Administration die Bürgerrechte nach Belieben außer Kraft gesetzt hat, wurde dies auch durch Obama nicht korrigiert. Niemand hat sich von dieser Macht abgewandt, niemand die Wiedereinführung ungeteilter demokratischer Rechte gefordert. Keiner der Verbündeten pocht auf die Einhaltung der Menschenrechte. Im Gegenteil.
Weltweit, derzeit massiv in der BRD, wurden und werden ähnliche Schritte unternommen. Einige Staaten, vor allem Großbritannien, sind unmittelbar mitschuldig an Folter, Mord und Entrechtung. Andere haben zumindest die Bürgerrechte eingeschränkt, sich dem Weltweiten “Krieg gegen den Terror” angeschlossen, ein ortloser namenloser Terror, der überall jeden treffen kann. Der Terror der ‘Gegenmaßnahmen’ vor allem anderen.

Das halten wir aus

Einhergehend mit der neuerlichen verfassungswidrigen Erklärung des zuständigen Ministers, Kriege würden in Zukunft auch aus wirtschaftlichen Gründen zu führen sein, diskutiert die Öffentlichkeit nicht etwa, warum die aktuellen Kriege rund um die großen Ölquellen geführt werden. Stattdessen wird im Inneren aufgerüstet, Patrouillen auf die Straßen geschickt und Wachsamkeit, d.h. Denunziantentum gefordert. So weit sind wir.

Wozu? Um irgendwen zu schützen? Sicher nicht. Ob die nebulösen Warnungen vor Anschlägen, die bis heute nicht stattgefunden haben, je einen realen Hintergrund haben, spielt überhaupt keine Rolle. Sie führen zu erhöhter Wachsamkeit. Das nämlich bedeutet Misstrauen – vor allem gegen Minderheiten -, Angst und Einschüchterung. Es ist der Keim der Diktatur.
Sollte hingegen wirklich einmal ein Anschlag stattfinden, und sei er noch furchtbar, gibt es für gestandene Demokraten nur eine Reaktion darauf: Das halten wir aus! Und wenn wir eines zu verteidigen haben, sind es die Bürgerrechte. Gegen jede Art von Terror.

Wenn der Herr de Maizière vor Terror warnt, dann steht der Anschlag vor der Tür. Der Herr de Maizière hat nämlich schon dreimal gesagt, dass wir keine Angst haben müssen, obwohl er vor Terror hätte warnen können. Er hat dann jedesmal gesagt, dass er nicht vor Terror warnt, damit keine Panik ausbricht. Jetzt muss er aber vor Terror warnen. Es ist soweit!

talibanGegenüber am Kiosk stand, der Ruhrpott müsse sich jetzt gegen den Terror wappnen. Ich nehme diese Aufrufe sehr ernst und habe aus Solidarität mit der Mehrheit der Innenminister meine Ausgabe des Grundgesetzes entsorgt. Wenn der Terrormoslem mit der Bombe unter dem Arm durch die Straßen schleicht, ist dort nicht auch noch Platz für die Verfassung.
Ich weiß zwar, dass man das nicht tun soll, aber danach bin ich sofort in die nächste Zoohandlung gefahren und habe mir einen Hamster gekauft. Die Zeiten werden ernst.

Ich habe mir außerdem Urlaub genommen, um meine Nachbarn besser beobachten zu können. Der Migrant von gegenüber hat den ganzen Tag die Fenster verdunkelt. Den habe ich zuerst gemeldet. Danach den Typ von oben, der den ganzen Tag zuhause ist und nachts unterwegs. Ein seltsamer Mensch, den musste ich also melden.

Ein Gutes hat es ja schon: Deutschland ist jetzt wichtig genug. Alle anderen großen Länder haben schon Terror erlebt und darum anständige Antiterrorgesetze. Da können wir ja nicht ewig zurückstehen, schließlich kämpfen unsere Soldaten auch gegen die Altkleider-Terroristen in Afghanistan. Wenn wir für unsere Freiheit am Hindukusch kämpfen, dann muss der Taliban doch auch irgendwann seine hier verteidigen. Das ist nur fair.

Hier läuft den ganzen Tag schon der Fernseher. Vielleicht funktionieren die Sirenen ja nicht, wenn es losgeht, und man möchte doch nichts verpassen. Neun Jahre warten wir jetzt schon. Ich freu mich richtig, wenn wir endlich auch im Fernsehen sind mit einem richtigen eigenen Terrorangriff. Nur Atombomben fände ich nicht gut. So lange will ich dann doch nicht im Keller bleiben.

Meine Telefonate zeichne ich inzwischen alle auf. Wer weiß, wozu das noch gut ist. Wenn man zufällig mit jemandem spricht, der etwas plant. Oder es fällt ein Verdacht auf einen, da ist es doch gut, wenn man sich entlasten kann. Ich habe nichts zu verbergen. Meine Emails drucke ich auch alle aus und sammle sie in einem Ordner, falls mal eine Überprüfung kommt. Jetzt, wo das ganze deutsche Volk bedroht ist, muss man die Behörden einfach unterstützen. Man will sich ja nicht mitschuldig machen.

Muhammad Yunus bringt mit Krediten in Pfennighöhe tatsächlich Frieden in die Welt“,

schrieb die “Zeit” im Oktober 2006 über den Friedensnobelpreis für einen Banker. Inzwischen ist die preisgekrönte Maßnahme “Mikrokredit” auf dem Boden der Tatsachen angekommen. Viele Kreditnehmer suchen demnach ihren Frieden inzwischen im Jenseits.

Petra Pinzler schrieb vor vier Jahren:

Denn der Friede kann nicht nur durch den Kampf gegen den Terror gewonnen werden, vielmehr muss er durch wirtschaftliche Entwicklung dauerhaft gesichert werden“.

Sie war wohl der von Apologeten der Marktwirtschaft vehement verbreiteten Meinung, wo Marktwirtschaft sei, herrschten Wohlstand, Frieden und Freiheit. Das hätte besser wissen können, wer es hätte wissen wollen. Am Rande sei bemerkt, dass es frivol ist, für die Anpreisung solcher Freilandexperimente “Willi Brandt” zu bemühen. Der Willy wäre damit wohl kaum einverstanden gewesen.

Die Banken reichen aber in der Praxis offenbar den Konkurrenzdruck an ihre Mitarbeiter und die Kunden weiter,

merkt die Frankfurter Rundschau also heute an, und ich bin nicht wirklich überrascht. Wieder einmal erweist sich die Mär vom Sozialen des Profits als Nonsens. Brutaler Egoismus schafft keinen Frieden, keine Freiheit und Wohlstand immer nur für dieselben: die Shareholder. Als weiterer eindrucksvoller Beleg dieser Weisheit darf das Experiment “Mikrokredite” gelten. Und überdies als Hinweis darauf, in welchem Stakkato die Einschläge eines gescheiterten Wirtschaftskonzepts inzwischen näher kommen.

insmIn Windeseile ist eine Idee, die durch ein marktwirtschaftliches Gewinnstreben zu Wachstum führen sollte, in zerstörerische Ausbeutung gemündet. Schon nach wenigen Jahren rufen alle nach dem Staat, der es regeln soll. Und zwar vor allem so, dass die Geschäfte weitergehen. Ein bisschen Zinsnachlass hier, ein wenig Streckung dort, und schon hat man wieder ein Jahr Luft oder zwei. Zeit, die man in die Erwartung eines Wunders investieren darf. Man kann sich darauf verlassen, dass bis dahin die nächste Wunderwaffe angepriesen werden wird. Und dass es wieder keine sein wird, die irgendeinen positiven Bezug zu Solidarität oder ‘Ergebnisgerechtigkeit’ hat.

Ach was, es gibt keine neuen Steuergeschenke? Sagt Frau Merkel jedenfalls. Nein, die gibt es nicht, aber es wird – alternativlos – bald wieder der Euro gerettet. Der faulen Iren, Spanier und Portugiesen wegen, so werden wir zu hören bekommen. Der faulen Kredite wegen, das ist es freilich, was dahinter steckt. Von weiteren 147 Milliarden Euro ist die Rede, wenn es darum geht, die deutschen Banken zu retten. Das ist machbar, sagt Hans-Werner Sinn.

Vielleicht hat er ausgerechnet, dass ein vollständiger Wegfall von Hartz IV schon in sechs Jahren die Kosten wieder reinholt. Die müssten freilich an die 24 Jahre angehängt werden, die vorher noch weggehungert werden müssen. Das Geld fließt bereits in die vorhandenen Rettungsschirmchen für die Geistesknirpse mit den Riesenbonis. Wie sollen die sonst finanziert werden? Da muss man doch endlich einsehen, dass die fünf Euro Hartz IV-Erhöhung eine Gnade sind, die wir uns eigentlich gar nicht leisten können.

Er ist ebensowenig oberflächlich wie der von Volker Pispers. Aber im Ernst: Ich habe nichts gegen Amerika, ich habe generell nichts gegen Kontinente, sehr wohl aber etwas gegen Propaganda. Der Vorwurf des Antiamerikanismus ist die älteste und bewährteste noch aktuelle Parole der politischen Rechten gegen ihre Gegner, eine Allzweckwaffe, rhetorische Streubombe, die alles und jeden trifft, ohne das die Opfer etwas dafür könnten.

usazEine Einschränkung muss man machen bei dieser Feststellung, dass nämlich die übrig gebliebenen treudoofen Nazis im Nachkriegsdeutschland und ihr brauner Aufguss ebenfalls als antiamerikanisch gelten, da ihnen ja das ‘Besatzungsregime’ ein Feindbild ist. Wer so weit rechts ist, den trifft es dann auch – obwohl er sicher etwas gegen alle alliierten ‘Besatzer’ hat, nicht nur gegen die Amerikaner. Die angepassteren Rechten, selbst aus der NSDAP, kamen hingegen im ‘bürgerlich-konservativen’ Lager unter, dem schwarzgelben.

Auf die Struktur des ‘Anti’-Vorwurfs haben die Propagandisten kein Patent, sie haben es im Grunde abgekupfert. Dass Kritik an der Politik Israels noch heute regelmäßig als “antisemitisch” abgetan wird, ist das betrübliche Vorbild. Verständlich allerdings, dass nach dem unvortstellbaren Grauen des Holocaust auch Jahrzehnte später noch Empfindlichkeiten herrschen, die nicht mehr wirklich rational sind. Verständlich auch, dass Politiker sich das zunutze machen.

Der Hass auf Amerika

Weniger verständlich ist es hingegen, dass Repräsentanten der USA und ihre Vorwärtsverteidiger sich solcher ‘Argumente’ bedienen, sich in eine lächerliche Opferrolle begeben, während sie in aller Welt nach belieben offene und verdeckte Kriege führen. Womit wir bei der ersten Kategorie wären: Wer Kriege ablehnt, gilt als Antiamerikanist. Nicht etwa Pazifismus oder ein schlichtes Mitgefühl für die Opfer von Kriegen kann das Motiv solcher Menschen sein. Nein, es ist der Hass auf Amerika.

bushmerkDie militante Außenpolitik der US-Geheimdienste, nachgewiesene Beteiligungen an Attentaten, Drogenhandel und Geldwäsche ist ein weiteres Thema, das Kritik an US-Regierungen hervorgerufen hat. Ebenso die Aufrüstung von Armeen wie im Iran (unter der Diktatur des Schah), Irak (unter Saddam Hussein), Afghanistan (die Taliban gegen die UdSSR), Mittelamerika (Somoza in Nicaragua, Duarte in El Salvador) – um nur einige zu nennen. Dies konnten kritische Menschen nicht recht als demokratisch empfinden. Noch weniger dann die Kriege gegen jene, die man zuvor hochgerüstet hatte. Diese Empfindung entspringt für konservative Verfechter der westlichen Allianz nicht etwa einem gesunden Gefühl für Gerechtigkeit. Sie gilt ihnen vielmehr als blanker Antiamerikanismus.

Beim Thema “Gerechtigkeit” machen mutige Menschen wiederum ein anderes Fass auf. Soziale Gerechtigkeit und Kapitalismus, so glauben sie, das kann Konflikte bergen. Und verweisen darauf, dass es schon nicht gut sein kann, wenn die Familien der Reichen und Superreichen in den USA die wichtigen Ämter unter sich aufteilen. Dass ihr Einfluss zu groß sei, und das bei all diesem Reichtum nicht gleichzeitig bittere Armut herrschen sollte. Dies nicht nur in der sogenannten “Dritten Welt”, sondern in beschämender Weise auch in den USA selbst. Völlig verblendet müssen diejenigen sein, die das mit einem sozialen Gewissen begründen oder mit einer demokratischen Grundhaltung. Kenner erkennen Antiamerikanismus auch unter diesem Deckmantel.

Ein neuer Tiefpunkt

Dass es unter den geschilderten Umständen schwierig ist, vor allem besser informierte Menschen zu glühenden Sympathisanten der Großmacht zu machen, liegt auf der Hand. Mit dem größten Schläger der Schule erklärt man sich eher ungern solidarisch. Man fügt sich ihm eher, als dass man ihn mag.

Wenigstens ‘Nine Eleven’ hätte die antiamerikanischen Miesmacher dann aber endgültig zum Schweigen bringen sollen. Dass nicht einmal das funktioniert hat, zeigt überzeugten Atlantikern, wie tief das Ressentiment der Unverbesserlichen sitzt. Diese meinen, 2500 Tote Amerikaner seien kein Grund für 100.000 tote irakische Zivilisten, tausende in Afghanistan sowie Folter und Mord in aller Welt. Solche Schmähung der Schutzmacht folge aus der angeblichen Sorge um die universelle Geltung der Menschenrechte. Eine Schutzbehauptung, wissen die Politologen des rechten Weges.

Dass sich heute eine deutsche Tageszeitung zu der Frechheit aufschwingt, einen leibhaftigen amerikanischen Präsidenten der Lüge zu bezichtigen, ist ein neuer Tiefpunkt in den deutsch-amerikanischen Beziehungen. So viel Antiamerikanismus war selten, der Linksrutsch ist offenbar bis tief in die bürgerliche Presse vorgedrungen.

Da zappe ich eben bei Anne Will rein, und wen sehe ich? Einen keifenden Arnulf Baring. Der Mann sitzt seit Jahren mindestens einmal im Monat bei Will, Maischberger, Plassberg oder Illner. Ich habe das einmal gezählt, und seitdem ist das noch schlimmer geworden. Gebt endlich der INSM eine eigene Sendung, mit Baring als ‘Moderator’, der dann alle anschreit, die nicht seiner Meinung sind bzw. der der “Initiative”, die er vertritt. Er müsste dann auch nicht ständig zu Themen um sich schlagen, die ihn gar nicht interessieren. Stattdessen könnte er etwa erzählen, wieso Sozialschmarotzer teurer sind als die Bankenrettung und warum wir unbedingt eine private Pflegeversicherung brauchen. Das halt, was seinem Auftrag entspricht.

Die Sueddeutsche schreckt nicht von einer tumben Lüge zurück, um das armselige Gehampel der SPD in Stuttgart mit Gewalt zu beschönigen:

” ‘Da hat es Einmischung von oben gegeben’, sagt Andreas Stoch, der für die SPD im Stuttgarter Landtag sitzt. ‘Entweder vom Innenminister oder von Ministerpräsident Stefan Mappus persönlich’, sagt Stoch. Das will er nachweisen.
Im Landtag hat seine Fraktion einen Untersuchungsausschuss durchgesetzt
.”

Die SPD sah nämlich gar keine Notwendigkeit für einen Untersuchungsausschuss:

Allein können die Grünen einen Untersuchungsausschuss nicht durchsetzen. Die SPD-Fraktion zeigt sich bisher wenig geneigt, den Grünen beizuspringen.

Als es gar nicht mehr anderes ging, haben die Spezialdemokraten vom Neckar dann doch noch zugestimmt, wie immer gegen ihre zuvor behauptete ‘Überzeugung’, und die SZ nennt das also “durchsetzen”.

Vor allem die totgeschwiegene Linke hat von Anfang an in Opposition zu dem Projekt gestanden, dann setzten sich die Grünen an die Spitze der medial wahrgenommenen Gegner – wohl auch, weil die Linke (noch) nicht im Landtag sitzt. Sonst war niemand gegen S21 oder für einen Untersuchungsausschuss. Und man darf davon ausgehen, dass die SPD auch weiterhin gegen eine Befürwortung der Gegnerschaft einer abgelehnten Zustimmung sein wird – eventuell. Zu behaupten, diese Flip Flops hätten irgend etwas “durchgesetzt“, taugt höchstens zur Satire.

Schon vor einigen Tagen erfuhr ich von dem Einsatz französischer Polizisten gegen Castor-Demonstranten, in dem Fall wollte ich aber sicher gehen, dass die Geschichte belegbar ist. Inzwischen ist sie ja so sprichwörtlich hiebfest bewiesen, dass eigentlich niemand mehr das anzweifeln kann – außer deutschen Behörden. Diese im rechtsfreien Raum prügelnden Hobbymilizionäre “Elite” zu nennen, wie die TAZ das zu tun beliebt, ist freilich originell.

Wer das ohne Beweis verbreitet häte, wäre zum Verschwörungstheoretiker erklärt worden, und einmal mehr ist es ein Segen, dass Bildbeweise inzwischen so leicht und zahlreich zu erbringen sind. Da der Damm nun gebrochen ist, wird es wohl erlaubt sein zu fragen, worauf das hinaus läuft. War in den letzten Jahren in der Regel ‘Deeskalation’ das Mittel der Wahl, so dreht sich der Wind inzwischen heftig. Das brutale Vorgehen gegen Wehrlose in Stuttgart war der erste Streich, der illegale Einsatz von Söldnern ist jetzt der zweite.

pflasteWie soll die andere Seite darauf reagieren? Es wäre völlig legal gewesen, den vermummten Franzosen eins auf die Mütze zu hauen. Zwar illegal, aber eben Waffengleichheit wäre es, bei künftigen Demos uniformiert aufzumarschieren, mit einem chicen “Police”-Aufnäher, und den überraschten ‘Kollegen’ bei Gelegenheit zu demonstrieren, wie irre komisch so ein Mummenschanz mit anschließendem Prügeleinsatz ist. Nicht wenige werden längst darüber nachdenken.

Niemand wird glauben, es sei nur ein CRS-Beamter dabei gewesen, andernorts kursieren Gerüchte um Bundeswehrsoldaten. Es muss erwartet werden, dass offenbar alle militärischen und paramilitärischen Einsatzkräfte europäischer Staaten ohne viel Aufhebens gegen Demonstranten eingesetzt werden, wenn den zuständigen Behörden das beliebt. Es ist dies eine neue Qualität der Aufrüstung, denn das offen illegale Auftreten der Behörden provoziert eine ‘passende’ Antwort, die ersterem wiederum eine falsche Legitimität verleihen wird. Schon prophylaktisch werden sich Autonome darauf vorbereiten, und sie werden ebenfalls Zulauf haben, da die Illegalität auf der anderen Seite das eigene Handeln noch folgerichtiger erscheinen lässt.

Strategisch ist dies nicht ungeschickt, denn die zuletzt sehr agilen und friedlichen Bürgerkinder, ihre Eltern und Großeltern werden entweder zuhause bleiben oder sich radikalisieren. Ganz gleich welchen Weg sie wählen, sie werden nicht mehr als ‘friedliche Bürger’ wahrgenommen werden, sondern als Gewalttäter. Für die ‘richtige Presse’ wäre wie von selbst gesorgt. Wenn es dann soweit ist, sollte man daran erinnern, wer den ersten Stein geworfen hat.

update: Mich würde einmal sehr interessieren, wer diese eifrigen Kommentatoren sind, die da in der TAZ den Einsatz rechtfertigen und relativieren. Was gäbe ich für die Datensätze!

Dass Propaganda funktoniert, erlebe ich jedesmal, wenn ich auf das Thema “Erbschaftssteuer” zu sprechen komme. Die Zuschauer von Tagesschau und Anne Will haben beinahe alle dieselbe Antwort parat: “Aber wenn ein Betrieb Erbschaftssteuern bezahlen muss, dann geht der doch pleite!”.
Noch niemand hat bei einfachem Nachhaken dieses Argument aufrecht erhalten können. Es entspringt auch sehr offensichtlich nicht dem Denken dieser Menschen, sie haben es vielmehr aufgeschnappt.

dogma

Allein schon sofort auf “Betriebe” zu kommen, ist doch sehr merkwürdig. Wie viele Erben sind Besitzer eines Betriebes? Wie kommt man darauf? Wie viele Betriebe wiederum sind im Besitz von Privatleuten, also keine Aktiengesellschaften oder sonstige Gesellschaften mit mehreren Anteilseignern? Wie viele dieser Betriebe wiederum ließen es nicht zu, dass ein Teil ihres Wertes als Steuer gezahlt werden kann – als Teil eines Privatvermögens, wohlgemerkt? Und wenn es also dann noch Betriebe gibt, die übrigbleiben, wo ist dann das Problem, sie zu verkaufen? Als fände ein profitabler Betrieb keinen Käufer – was im übrigen ja hieße, er sei wertlos, womit wiederum keine Steuer anfiele. Dass man sich schließlich über einzelne (!) Sonderregelungen unterhalten kann, wird ebenfalls unterschlagen.

Die Ausnahme von der Ausnahme der Ausnahme wird herangekarrt, um die Regel zu widerlegen, dass nämlich eine hohe Erbschaftssteuer wirtschaftlich äußerst positive Wirkungen hätte. Und doch haben ‘Argumente’ aus solchen Sphären der Dummheit Hochkonjunktur.
Über eine Vermögenssteuer, die fast überall in der Welt erhoben wird, wird in Deutschland gelogen, das lohne sich nicht. Auch dieses ‘Argument’ kennt fast jeder auswendig.
Eine Finanzmarktsteuer lohne sich nur, wenn sie möglichst weltweit eingeführt werde, heißt es. Das Kapital wandere sonst ab.

Dieses Argument ist nur deshalb halbwegs rational, weil es immerhin einen Effekt beschreibt, den es tatsächlich gibt. Allerdings ist es wiederum Teil einer maßlosen und erbarmungswürdigen Verelendungstheorie, mit der kaum eine andere Verschwörungstheorie mithält.
Das hören wir ja ständig, dass der “globalisierte Wettbewerb” Deutschland bedroht. Damit werden noch Niedriglöhne von Friseurinnen begründet, weil die Haare sonst alle nach Rumänien auswandern. Mein Nachbar hat auch schon eine Glatze.

Vom Wettbewerb bedroht

Dass überhaupt der Wettberwerb, dem immer das Wort geredet wird, weil er alles zum Guten regelt, eine Bedrohung darstellt, müsste schon für reichlich Kopfkratzen und Haareraufen sorgen. Und dass ausgerechnet der abonnierte Exportweltmeister ständig von internationalen Wettbewerb bedroht ist, schickt auch die letzte Synapse noch in Urlaub. Man will uns für strunzdoof verkaufen.

Das Gegenteil ist richtig. Deutschlands wirtschaftliche Macht ist erdrückend. So erdrückend, dass die G20 es kaum wagen, nachhaltig gegen die brutalen Außenhandelsüberschüsse der Teutonen zu protestieren. Wenn diese Wirtschaftsmacht vorschlüge, Druck vom Kessel zu nehmen, die Welt würde aufatmen. Konkret wäre schon im Schulterschluss mit den Franzosen, die sicher nichts dagegen hätten, die Einführung einer Finanzmarktsteuer in der EU sicher machbar. Deren Gewicht wiederum würde auch andere überzeugen. Und wer dann partout nur noch in Südostasien handeln will, dem kann man ebenfalls Angebote machen, die er nicht ablehnen kann.

Dazu wäre es allerdings nötig, dass die Staaten sich ab und an räuspern würden, wo die Lobbyisten der Finanzwirtschaft ständig kläffen. Anstatt sich zu unterwerfen, müsste die eigene Macht in die Waagschale geworfen werden. Und genau deshalb ist das Programm der Neoliberalen darauf ausgerichtet, den Staat so weit wie möglich zu schwächen, zurückzudrängen und zu unterminieren. Nicht, weil mehr Staat “der Wirtschaft” schadet, sondern weil er den Gewinnen der privaten Eigentümer im Weg ist. Der Stabilität der Wirtschaft aber schadet genau diese Profitstrategie, und zwar immens.

Es gibt keine Alternative

Man kann die neoliberale Propaganda durch sämtliche Instanzen jagen, sie bricht in sich zusammen, sobald man näher hinschaut. Dass der Staat nicht gut wirtschaften könne, ist längst widerlegt. Sei es durch haarsträubende ‘PPP‘-Projekte, die Kommunen in die Pleite trieben, sei es durch das Versagen privater Banken, sei es das Versagen von Konzernmanagern, die sowohl private als auch öffentliche Betriebe ruiniert haben. Die Posaunen von Jericho haben dann zum vorläufig letzten Akt geblasen, als der Staat die privaten Banken vor dem Untergang retten musste. Nichts ist wahr an der Propaganda. Sie versteigt sich ja noch in die äußerst erfolgreich lancierte Parole “Sozial ist, was Arbeit schafft”. Auch wer ungern an die ‘zwölf Jahre’ erinnert wird, kann nicht leugnen, dass dieser Satz behauptet, Auschwitz sei sozial gewesen. Sehr sozial sogar.

Es sind nicht de Instanzen, es ist nicht die Verfassung, nicht der Staat als solcher und nicht die Gesellschaft, die falsch konstruiert sind. Es ist nicht einmal so, als gäbe es keine Macht, die dem neoliberalen Treiben ein Ende setzen könnte. Es besteht obendrein durch das Ausmaß der wieder verdrängten Krise dringender Handlungsbedarf. Dennoch finden Korrekturen nicht statt, und jede Alternative wird im Diskurs sofort untergepflügt, getreu dem ebenfalls neoliberalen Slogan “Es gibt keine Alternative”. Der status quo ist das Resultat von Ideologie und Propaganda.

Hier ist der Scheideweg. Wenn es nicht gelingt, der Wirklichkeit zum Durchbruch zu verhelfen und die tumbe Manipulation zurückzudrängen, geht die Demokratie mit der Wirtschaftsform unter, der sie stets den Vortritt vor den eigenen Anforderungen lässt. Noch ehe sie sich hat entwickeln können, taumelt sie in den Abgrund. Die Menschen werden sich merken, dass sie nichts taugt – und obendrein womöglich dem nächsten kapitalistischen Experiment verfallen, denn das ist ja alternativlos.

« Vorherige SeiteNächste Seite »