Kultur


Noch so ein Artikel, den die Welt nicht braucht über ein weiteres Experiment, das keines ist: In der ZEIT versucht Joachim Marschall zu erklären, warum das Hirn des Menschen ihn zum asozialen Automaten macht, dessen Steuerung nur über Druck und Strafe zu bewerkstelligen sei. Es ist schon putzig, wie immer wieder das Weltgeschehen im allgemeinen und soziale Phänomene im besonderen als quasi schicksalhaft verkauft werden. Die Gene, das Hirn, Veranlagung oder Gottes Wille machen uns zu dem, was wir sind.
Es ist zum Erbarmen: Da weden höchst komplexe Systeme auf ein paar Parameter reduziert, da laufen ein paar Wichtigtuer in weißen Kitteln hin und her, da zeigen Maschinen, möglichst groß und teuer, einige bunte Bilder und da – sehen Sie! – sieht man’s. Das, war schon vorher so klar war, wie das Ja und Amen im Hörsaal. Das, was man genau so sehen wollte.
Im beschriebenen Experiment (ach, lest doch bitte den verlinkten Artikel!) geht es um die Frage, inwieweit sich eine mögliche Sanktion auf die Fairness beim Verteilen von Geld auswirkt. Festgestellt wurde erhöhte Aktivität in Bereichen des Hirns, mit denen einerseits die “Unterdrückung spontaner Impulse in Verbindung gebracht” wird und andererseits “der Ort [...], an dem wir Werte speichern, also unser Wissen darüber, was richtig und falsch ist” vermutet wird. Letzteres ist schon rührend naiv, aber nehmen wir das getrost einmal ernst. Was hieße das?
Es hieße, daß spontane Impulse unterdrückt werden, wenn soziale Widerstände zu erwarten sind. Wow! Das ist ganz großer Forschergeist!
Daraus zu folgern, der Mensch sei quasi auf Strafe angewiesen, um sozial zu funktionieren, ist mutig:
Die Studie zeige, »warum es wichtig ist, Regelverstöße zu ahnden“; “Erwachsen sein heißt, den Knast zu fürchten”. Das schließen die “Forscher” vor allem daraus, daß die Probanden sich besonders unfair verhielten, wenn ihnen daraus kein Nachteil erwuchs, obwohl sie selbst ihr Verhalten als unfair einstufen mußten. Die simple Frage, inwiefern dieses Verhalten durch eine Sozialisation bedingt sein könnte, die den Probanden den persönlichen Vorteil als Religion vermittelt hat, wird nicht erörtert. Was soll ein Tomograph dazu auch sagen? Anstatt die auffälligsten Aspekte millieubedingten Handelns auch nur warzunhemen, wird eine Typologie aus der hohlen Hand geschüttelt, die jeder Grundlage entbehrt und von “machiavellistischer” “Persönlichkeit” geschwafelt, die einem sicher auch in die Wiege gelegt ist – oder eben nicht.
Wenn das Wissenschaft ist, schlage ich ein weiteres Experiment vor: Den Probanden werden Schmerzen zugefügt, und der Tomograph zeigt an, ob diese als Reaktion im Hirn sichtbar gemacht werden können. Sollte sich dieses verifizieren lassen, wäre bewiesen, daß nicht die Folter für den Schmerz verantwortlich ist, sondern das Hirn. Der Mensch ist eben so veranlagt, daß er Schmerzen empfindet. Daher ist es unvermeidlich, ihm welche zuzufügen. Im Zusammenhang mit der Notwenidgkeit von Strafe ist das ein besonders gewichtiger Aspekt. Wer schnell die Wahrheit sagt, hat früher frei, und die terroristsichen Lügner müssen nachsitzen. Hei, die Wissenschaft ist doch ein fröhliches Geschäft!

Da es nicht viel Neues gibt im Augenblick, das nicht woanders besser aufgehoben wäre, im folgenden einige Gedanken zur Überlegenheit der bloggenden Spezies. Zuvor allerdings noch der Hinweis, daß die ZEIT sich heute intensiv mit Insi© beschäftigt. Für Blogger nix Neues, aber der Qualitätsjournalismus braucht ja seine Zeit.
Womit wir beim Thema wären: Vielleicht lese ich in der falschen Ecke der Blogsphäre, aber ich bin unzufrieden mit uns. Wenn ich nach politischen Blogs suche, finde ich nach wie vor nicht viele, vor allem nur wenige, die ich für lesbar halte. Streng genommen wären es extrem wenige, aber warum sollte ich Bloggern gegenüber strenger sein als gegenüber den Großen aus Papier, Funk und Fernsehen?
Ein wenig Selbstkritik tut allerdings beizeiten auch not. Was mich anbelangt, so ärgere ich mich oft darüber, wenn ich unnötigerweise zu einem Vokabular greife, das nur im Ausnahmefall zur Anwendung kommen sollte. Beispiel: Wenn ich Ex-Kanzler Schröder als einen “Schleimbeutel (unter Putins Fittichen)” bezeichne, so hat das zwar noch eine gewisse metaphorische Rechtfertigung, aber es trägt nicht zur Qualität des Artikels bei. Im Gegenteil ärgert es mich, weil ich mir einen solchen Jargon anderenorts auch verbitten würde.
Ich will nicht päpstlicher als sein der Papst und billige uns deratriges durchaus zu. Das sollte allerdings nicht dazu führen, daß wir unsere Worte nicht mehr wägen. Es gibt hier nebenan zum Beispiel einen, dem ich fast alles derartige nachsehe. Er zieht eben erklärtermaßen “mit dem Breitschwert” umher. Dennoch hat sein Blog Qualitäten, die ich schätze. Es scheint allerdings inzwischen Adepten zu geben, die es genau so machen, ohne derartige Qualitäten zu haben. Ärgerlich.
Ebenso scheint mir ein gewisser Trend zu radikalen politischen “Lösungen” und Theorien vorzuherrschen, den die Autoren gar nicht nötig haben. Ihre Schlüsse bleiben oft weit unter dem Niveau ihrer Argumentationen.
Schließlich, das hängt auch damit zusammen, machen sich Verschwörungstheorien breit, die im politischen Diskurs eine ganz fatale Wirkung entfalten können. Das Mögliche und das bereits Wirkliche sind unter der Koalition der Paranoiden nämlich schon so weit gediehen, daß dessen Überhöhung nur nach hinten losgehen kann. Wir sollten sehr vorsichtig sein, wenn wir Informationen verarbeiten und Szenarien daraus entwickeln. Da draußen gibt es eine Menge Leute, die uns nur allzugern das Etikett “Irre” aufpappen möchten. Wir sollten es ihnen nicht zu leicht machen.

Sie sind sich für keinen Schwachsinn zu schade: Die UCI erklärt Oscar Pereiro zum Sieger der Tour de France 2006. Sehr witzig. Ähnlich wie Ullrich wurde Pereiro von einer italienischen Zeitung in Verbindung zu dem Dopingmeister Fuentes gebracht. Er drohte der Zeitung daraufhin mit einer Klage und erklärte, er sei zu einer DNA-Probe bereit, würde aber seine Karriere sofort beenden, wenn er eine abgeben müßte. Solcher Unfug reicht in Spanien aus, um reingewaschen zu werden. In Deutschland und der Schweiz führt ein solcher Verdacht zum Ausschluß von allen Wettbewerben – ohne Verfahren, versteht sich.
Wie sehr der Sport durch die großartigen Ideen und Maßnahmen der Funktionäre gewinnt, zeigt sich jetzt daran, daß Pereiro Toursieger wird. Ihn hatte 2006 nämlich niemand ernstgenommen, und man ließ ihm bei einer Etappe eine halbe Stunde Vorsprung vor dem Feld mit den Favoriten. Davon nahm er ganze 32 Sekunden mit nach Paris – sein Vorsprung vor Andreas Klöden. Damit steht jetzt schon einer in der Siegerliste, den man mit Recht als “übriggeblieben” bezeichnen darf.
Aber auch das wird womöglich nicht lange halten, denn Pereiro steht selbst unter Verdacht. Als nächster wäre dann Andreas Klöden Toursieger, während Jan Ullrich womöglich mehr als 10 Jahre nach seinem Toursieg ebenfalls gestrichen wird. Selbst in die Vergangenheit hinein wirkt die Farce: Wer nicht verdächtigt wird, bleibt übrig. Am Ende werden wir einen 58-fachen Toursieger Lance Armstrong feiern, und Scharping läßt sich auch mal eintragen.

Mehr Feynsinn zum Thema gibt es hier.

Die sozialen Klassen wurdenin unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich beschrieben, ihnen wurden unterschiedliche Eigenschaften unterstellt oder nachgewiesen. Die gesellschaftliche “Elite”von heute scheint unter anderem eine Haltung auszuzeichnen, die ihr ein Privilieg und einen Vorteil nimmt: Die Ablehnung des Internets, wodurch ihr eine ganze Qualität von Bildung fehlt. Zwar ist es den besser Betuchten bis heute gelungen (sei es gewollt oder nicht), daß ihre Klasse besser gebildet blieb als die unteren, aber sie haben eine mediale Wende verschlafen, die neue Verwerfungen im Wissen und Anwenden mit sich bringt. Nur das Internet bietet, bei kluger Nutzung, Wissensinhalte in Echtzeit und in einer solchen Masse, daß Bildungsprozesse, die früher Jahre dauerten, heute in einigen Tagen zu bewerkstelligen sind. Das hat soziale Konsequenzen, die heute kaum diskutiert werden.
- Ehemals gebildete Schichten bzw. deren Angehörige können sich dem Tempo nicht anpassen, das das Internet mit sich bringt. Ihnen fehlt die Orientierung. Die Filterungsvorgänge, derer es bedarf, um an relevante und zuverlässige Informationen zu kommen, kennen sie nicht. Das Entertainment und der Schacher, der allgegenwärtige Reiz, ist ihnen überdies privat zuwider. Für sie ist das Internet der Vorhof zur Hölle.
- Menschen, die die Gelegenheit hatten, das Internet als Herausforderung und Möglichkeit kennzulernen, bedürfen eines fundierten Bildungshintergrundes, um es effektiv nutzen zu können. Dazu gehört nicht zuletzt eine Gewisse Disziplin, um sich nämlich auf Inhalte zu konzentrieren und sich nicht dauernd den Verlockungen der Unterhaltung hinzugeben. Außerdem müssen sie wissen, was sie suchen und wie sie es finden. Wer das gelernt hat, ist Informationselite. Solche Menschen können sich oft nicht vorstellen, wie jemand dazu kommt, das Medium zu verteufeln. Für ungebildete User haben sie kaum mehr als Verachtung übrig.
- Menschen, die das Internet völlig unbedarft zu nutzen gelernt haben, aber keine Vorbildung oder klare Vorstellungen von der Nutzung des Mediums mitbringen, laufen Gefahr, inmitten eines gigantischen Wissensfundus’ zu verblöden. Selbst, wer etwas wissen will, läuft Gefahr, sich der ersten Information hinzugeben und dann lieber noch ein bißchen zu zocken, als weitere Quellen zu suchen. Wikipedia weiß ja alles. Und wer schon in frühen Jahren das Netz entdeckt und sich keine großen Gedanken macht, findet hier sein second life: Sex, “Freundschaften”, Kommunikation – das findet man in dieser Reihenfolge im Netz und verwechselt es leicht mit einer realen Erfahrung. Die Sinnlichkeit des Internets ist seine große Verlockung, obwohl es doch nur Prothesen bietet. Die Buddies kann man finden und verlieren, schnell wieder vergessen und sich neue Suchen. Kommunikation bedarf keiner Rechtschreibung. Konflikte können rücksichtslos ausgetragen werden, es sieht einen ja niemand. Wer damit regulär aufwächst, ist aus Sicht der Real-Life Mumien sozial behindert.
Hier tun sich völlig unterschiedliche Erfahrungswelten auf, die einander nur schwer zugänglich sind. Und diese Verwerfungen sind schon heute, das ist das Neue, kein echter Generationenkonflikt mehr. Es bilden sich Kommunikationsklassen, deren Sprachen füreinander übersetzt werden müssen.
Das Ganze ist eine Riesenaufgabe, der sich die Kultur stellen muß. Das Allerletzte, was man dazu braucht, sind politische “Eliten”, die keinen Toaster bedienen können und dem Plebs etwas über das böse Internet erzählen.

Alle Netzwelt redet von Datenschutz. Alle Welt? Nein. Hinter den Bergen der Vernunft liegt ein großes unbelecktes Datendorf, das immerhin die öffentliche Intimsphäre unserer Kinder schützt. Vor ihren Eltern! Der “Schutz” wird groß geschrieben, nicht zuletzt der des Betreibers vor seinen Kinderkunden. Ob sie wirklich schon 12 sind, weiß SchülerVZ nicht, aber wenn sie denn 12 sind, was sie online unterschreiben, haften sie selbst für alles. Ob sie überhaupt wissen, was sie da tun, ist den Webkindergärtnern nicht gleichgültig. Nein, sie lassen die Kinder einen Vertrag abschließen, in dem diese erklären müssen, daß sie den Durchblick haben:
Wenn Du also jünger als zwölf (12) Jahre, kein Schüler bzw. keine Schülerin, oder wenn Du mit den Allgemeinen Nutzungsbedingungen nicht einverstanden bist, mußt Du von einer Anmeldung absehen. Das gleiche gilt für den Fall, daß Du die Bedeutung der Erhebung, Verarbeitung und Speicherung der von Dir angegebenen persönlichen Daten nicht in vollem Umfang verstehst.
Damit ist der Fall erledigt. Wer sich einloggt, versteht alles. In vollem Umfang.
Eltern (und Lehrer), die sich ein Bild vom vollen Umfang machen wollen oder weningstens eine vage Vorstellung entwickeln möchten, was dort geschieht, werden vertröstet, beschwichtigt und diskret außen vor gehalten.
Zitat: “Schenken Sie den Jugendlichen Vertrauen und gewähren Sie ihnen die Privatsphäre, die sie sich wünschen.” Selbstverständlich. Aber schenke ich Euch die Privatsphäre meiner Tochter? Vertraue ich einem Webangebot mit “Geschichte”?

StudiVZ: Das Original

SchülerVZ ist ein Klon von StudiVZ, beides gehört zur Holtzbrinck-Gruppe und wurde einer Clique von Freaks abgekauft, denen nicht nur Datenschutz, mit Verlaub, scheißegal ist. Wer die ganze ekelhafte Story lesen will, schaue sich in der Blogbar um. Leider beschränkt sich die Archivsuche dort auf die neueren Artikel. Über Google findet man aber auch leicht die älteren Einträge. Exemplarsich empfehle ich diesen Beitrag. StudiVZ und seine Initiatoren sind ein Musterbeispiel für fehlenden Datenschutz, Aufschneiderei, Lüge, Geschmacklosigkeit und Datenschacher. Die Erfahrung zeigt, daß Studenten massenhaft keinerlei Verantwortungsgefühl zeigen in bezug auf ihre privaten Daten. Aber unsere Kinder sind ja gut aufgehoben. Zwar heißt es: “Jugendliche bewegen sich im Internet meist unbefangen. Sie wissen oft sehr gut, wie man praktisch mit dem Medium umgeht, doch können sie kaum die Konsequenzen ihres Tuns abschätzen“, aber “schülerVZ unterstützt die Medienerziehung durch praktische Sicherheitsangebote, die in der Rubrik ‘Privatsphäre’ zu finden sind.” Eine Lachnummer.

Zeigt her Eure Daten, ihr habt nichts zu verbergen!

Die Erziehung zur totalen Offenlegung aller Daten exekutiert SchülerVZ gar vorzüglich. Die Standardeinstellungen sehen nicht nur vor, daß die Schüler und Schülerinnen möglichst viel preisgeben, sie werden suggestiv dazu aufgefordert. Der Duktus ist aggressiv und kommt ganz salopp daher:

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Das sind also die Standardeinstellungen: Jeder darf alles sehen, “klar”! Als sei es etwas Sinistres, sich nicht jedem feilzubieten, sondern selbst kontrollieren zu wollen, wer was sehen darf. Und nicht einmal für das Echo im hohlen Schädel sind sich die VZler zu schade: “Ich habe nichts zu verbergen“! Den Kindern wird suggeriert, wer seine Daten nicht freigibt, sei ein Schurke. Hier spricht die Datenkrake ihres Vetrauens.

Dr. Sommer, die Einladefunktion und die dummen Eltern

Ich kam mir ziemlich verkaspert vor, als ich die Elternabfertigungserklärungen von SchülerVZ gelesen hatte. Meine Frage war ganz einfach: Was passiert dort? Was kann ich tun, um mich zu informieren? Und warum kommt man in SchülerVZ nur hinein, wenn man eigeladen wird?
Dazu muß man wissen: SchülerVZ ist ein esoterischer Zirkel. Es gibt keinen freien Zugang, sondern Schüler kommen dort hinein, indem sie von anderen Schülern per Mail eingeladen werden. Einen anderen Zugang gibt es nicht. Wie nun die Henne, das Ei und vor allem die ersten Nutzer zu SchülerVZ kamen, das ist geheim. Warum das so ist, ist nicht geheim: Es sei ein Schutz gegen “Unbefugte” und “unseriöse Nutzer”. Dies teilte mir Sascha Neurohr mit, das sozialpädagogische Feigenblatt, das blöde Fragen nicht beantwortet. Zwar antwortet der Herr oder das Team, das unter diesem Namen firmiert, derzeit noch recht prompt auf Mails, aber es redet fröhlich an den vorgebrachten Argumenten vorbei und wird schnell kurzatmig. Ich nahm die Meldung des Stern zum Anlaß der Aufforderung, mir einen Einblick in SchülerVZ zu gewähren, da ich meiner Sorgepflicht gern nachkäme. Bekannt geworden waren pornographische und rechtsradikale Inhalte bei SchülerVZ. Ich mochte den Holtzbrincklern daher nicht länger allein die Aufsicht über meine Tochter überlassen. Herr Neurohr klärte mich darüber auf, wie sicher das alles sei und daß man sich um all dies kümmere, wenngleich nicht immer und nicht sofort. Aber im großen und ganzen wird alles gut. Zweifel kommen da dennoch auf, denn
Eine Liste mit Gruppennamen können wir Ihnen leider nicht zusenden, da es inzwischen über 566 000 Gruppen im schülerVZ gibt“, so Herr Neurohr. Aber sonst haben sie alles im Griff, denn”LKA und jugendschutz.net” seien auch an Bord. Na gottseidank!

Wer dreimal lügt

Nun hatte ja schon StudiVZ alles Mögliche erklärt, was nachher zur Lachnummer wurde. Die Nummer mit dem Chaos-Computer-Club, der vergeblich versucht habe, sich dort einzuhacken, war wirklich großes Kino. Ich vermute daher, daß derlei Beschwichtigungen nicht nur schlechte Argumente sind, sondern obendrein gelogen. Und ich erlaubte mir, darauf in einer zweiten Mail hinzuweisen. Mein Vertrauen hält sich in Grenzen, und ich erklärte Dr. Sommer, daß ein fehlender Gastzugang für Eltern mehr Probleme erzeugt als löst. Es ist kein Problem, an einen Zugang zu kommen, wenn man Böses im Schilde führt. Es ist aber unmöglich, die Elterliche Sorge wahrzunehmen, ohne sich (illegal?) einen Account zu besorgen. Obendrein trägt dieses Vorgehen unlösbare Konflikte in Familien. Ich formulierte diesen Umstand so:
“Dieses Gegenteil von Transparenz und Öffentlichkeit schafft nicht gerade Vetrauen. Gerade Eltern, die ihren Kindern den Zugang zum Netz ermöglichen wollen, kommen hier in die Zwickmühle: Sie können den Zugang nur verbieten oder blind darauf vertrauen, daß es “schon schiefgehen” wird. Dieser Konflikt kann nicht ans BKA oder freundliche Sozialpädagogen delegiert werden, er wird in den Familien ausgetragen. Die Jugendlichen können dann mit Recht sagen: “Du hast ja gar keine Ahnung, was ich da mache”. Und genau dafür sorgt SchülerVZ.[...] Bitte teilen Sie mir also mit, ob ein Zugang zu StudiVZ zum Zwecke der Gewährleistung der elterlichen Sorgepflicht möglich ist oder in absehbarer Zeit ermöglicht werden kann oder Eltern, die ihre Kinder auch im Internet beaufsichtigen wollen, nur die Möglichkeit bleibt, den Zugang zu SchülerVZ zu verbieten.”
Dazu Herr Neurohr:
Der Gastzugang ist für uns schlicht gesagt zu riskant. Über eine solche Funktion könnten ja schließlich Pädophile sehr einfach sich die Profile der Nutzer ansehen, ohne dass sie kontrolliert werden können. Wir würden in einem solchen Falle einen Voyeurismus bedienen, wie ihn Pädophile ja klassischerweise vorrangig praktizieren. Das wollen wir nicht. Daher kommt der Gastzugang für uns nicht in Frage. [...] In unseren Gesprächen mit klicksafe.de und jugendschutz.net fühlen wir uns in unserer Einladefunktion als Schutzmaßnahme bestätigt.
Dieser groteske Blödsinn geht an allen Argumenten vorbei. Ich bin gespannt, wann die ersten Pädophilen auffliegen. Ich wette, in SchülerVZ tummeln sich mehr solche als Eltern. Man fühlt sich “in Gesprächen bestätigt”. Alles sicher in den 566000 Gruppen? Daß der Hansel sich an der Frage nach der Möglichkeit eines Gastzugangs festbeißt, zeigt: Ihm und den Seinen fehlt jede Idee und Motivation, Eltern in die Nutzung einzubeziehen.

Need some Weed?

Ich habe ein sehr vertrauensvolles Verhältnis zu meiner Tochter, und nachdem ich ihr erklärt hatte, was mein Vorhaben war, gewährte sie mir Einblick in SchülerVZ. Lustige Gruppen gibt es dort. Sucht man zum Beispiel in den Gruppen nach “weed”, kommt man zu Clubs, die sich für die Legalisierung von Cannabis einsetzen. Vertretbar, aber ist das ein passendes Thema für 12-Jährige? Ich habe mich nicht lange mit den Gruppen im schülerVZ beschäftigt, aber wie nicht anders zu erwarten, findet sich dort schlicht alles, das als jugendgefährdend betrachtet werden kann. Dabei habe ich aus Gründen des guten Geschmacks den Bereich, der mit Sex und Spielchen zu tun hat, ausgelassen. Drogen, Alkohol, indizierte Spiele – es ist alles dabei. Nun bin ich nicht vor den Schrank gelaufen und wundere mich nicht im geringsten darüber. Es ist auch zu befürworten, daß Kinder und Jugendliche über die Dinge kommunizieren, mit denen sie sich beschäftigen. Es ist allerdings Anlaß zur Sorge, wenn sie dies in einem Medium tun, in dem alles erlaubt und vorhanden ist – außer Erwachsenen, respektive Eltern, die davon etwas mitbekommen. Hier können sich die Kids in seliger Abgeschiedenheit in etwas hinein steigern, aus dem sie womöglich nicht wieder heraus finden.

Fazit: Im Zweifelsfall verbieten

So lange der Kontakt zu den eigenen Kinden besteht, Eltern mit ihnen reden können und man sich grundsätzlich akzeptiert, wird auch SchülerVZ vermutlich keine größeren Schäden anrichten. Wenn es aber zu dem nicht seltenen Phänomen kommt, daß sich der Nachwuchs zurückzieht, mehr im Netz lebt als draußen und sich nicht mehr mitteilt, ist SchülerVZ eines der Angebote, die sich systematisch der Kontrolle entziehen. Es gibt da für Eltern nur die zwei Möglichkeiten: Erlauben oder verbieten. Das Traurige daran ist, daß diese Situation vom Betreiber forciert wird. Die Schüler sollen sich dort eine Intimsphäre aufbauen, die den Eltern verschlossen bleibt. Gleichzeitig schaffen sie aber eine Datenöfflichkeit, die den Mißbrauch nicht erst heraufbeschwören muß. Voyeurismus und Exhibitionismus sind eine wichtige Säule von StudiVZ und SchülerVZ. Das geht weit über das bloß “Sexuelle” hinaus.
Wenn jetzt Eltern vor Gericht gehen, können die Betreiber sich warm anziehen. Denn für die Sicherheit und Integrität der Schüler sowie Jugend- und Datenschutz ist allein SchülerVZ verantwortlich. Aus einer Kneipe können Eltern ihre Kinder wenigstens noch rausholen. Bei SchülerVZ haben sie keinen Zutritt.

Ein raffinierter Kerl, dieser Joachim “Kardinal” Meisner. Er mag das neue Fenster des Kölner Doms nicht, und er hat gottverdammt gute Gründe dafür:
- Es ist von Gerhard Richter, einem Künstler, dessen Werk nicht gerade als gottgefällig gilt. Vor allem deshalb nicht, weil Meisner jedes Verständnis dafür abgeht.
- Es ist ein Geschenk, und Meisner hat von Köln nur eines gelernt: Wat nix kost, is och nix.
- Es ist kein Bild darauf zu erkennen. Keine Pieta, kein Gemarterter, nicht einmal ein leeres Kreuz oder eine Eiserne Jungfrau. Es ist abstrakt, nachgerade zufällig!

  meisner

Wir sind keine Moschee. Wir sind der Dom!

Letzteres ist natürlich das Schlimmste, denn damit erfüllt das Motiv ja “das Bildverbot des Islam”, und “wir sind keine Moschee”. Übrigens auch keine Synagoge, denn für das Judentum gilt an dieser Stelle dasselbe wie für dem Islam. Nein, wir sind der Dom! Meisner hat, genau wie seine Gesinnungsgenossen, erkannt, daß der deutsche Antisemitismus in der Islamophobie und dem flexiblen Ressentiment überwintert. Daher bläst er tapfer die Trompete gegen den Muslim und andere fremde Bedrohungen. Bildverbot, Islam, Terrorismus, Judentum, Frauenarbeit, Sodom, Gomorrha und Love Parade kommen ihm nicht ins Haus. Er war von Anfang an gegen “der moderne Driss”, konnte ihn aber nicht verhindern. Und nicht einmal sein Gegenentwurf (siehe Bild oben) wollte die Kölner Ketzer überzeugen. Aber so ist die Domstadt: Schwul, libertär und islamisch unterwandert. Da kann Gott froh sein, daß er wenigstens noch den Meisner hat.

Das Pfeifen wird allmählich unerträglich, und auch die Sueddeutsche stimmt mit ein: Blogs sind keine “Alternative zu etablierten Medien“, darf Johannes Boie dort sagen. Dieser Qualitätsjournalist muß es wissen, ist er doch Blog-und Netzexperte, d.h. er schreibt immer wieder denselben Artikel, zitiert den “Soziologen Schmidt” und weiß, daß es wenige A-Blogger gibt, wie er schon in seinem intensivst elaborierten Bericht über die “re-publica” niederschrieb. Was Boie an “Wissen” über die Blogosphäre anbietet, ist so erbärmlich, daß man in zehn Minuten Eigenrecherche ungleich mehr über Blogs erfährt, als in seinen “Artikeln”. Die strotzen nur so vor Stereotypen und sonstigem Zeitungsmufti-Tinnef.
Beispiel: “Hinzu kommt, dass sich der Teil der deutsche Bloggerszene, der überhaupt wahrgenommen wird – intern spricht man stolz von “Blogosphäre” – in dauerhaftem Clinch befindet.
“Intern”, das sind, ob Blogsphere oder Blogosphäre, einige Millionen Weblogs. Die sind alle “stolz”? Woher weiß er das? Wie äußert sich das? Rhetorische Fragen, denn es geht ja nur darum, Blogger als Clique von Freaks darzustellen, eine Art Jugendgang mit Clubemblem.
Daß alle Blogger zur Blogosphäre gehören und eben nicht nur die, “die wahrgenommen werden”, sprich: Die denen bekannt sind, von denen Boie abgeschrieben hat, weiß er natürlich nicht. Setzen, sechs!
Weiter:
Rund 100 000 weitere Weblogs sind bestenfalls öffentlich einsehbare und dennoch private geführte Tagebücher, denen jede gesellschaftliche Relevanz fehlt.” 100 000? Woher diese Zahl? Was ist mit den anderen? Und hätte er sich doch nur, sagen wir einmal, zehn dieser Blogs angeschaut, er hätte es besser gewußt oder wenigstens geschwiegen. “private Tagebücher?” Mich beschleicht die Ahnung, er hat bei Blogg.de drei Links angeklickt und sich derart umfassend informiert. Eine Blogroll wird er nicht heimgesucht haben.
Hinzu kommt auch bei Boie, wie bei allen anderen Halbhirnen zuvor, das Grundmißverständnis, Blogs seien Zeitungen. Das sind sie aber nicht, sondern, merkt es Euch zur Hölle endlich, ein NETZWERK! Jedes kleine Blog kann jederzeit mit einem Flügelschlag für Aufruhr sorgen, die große Welle in Gang setzen. Schlicht gelogen ist ja auch, es gäbe keine “Initialereignisse”. Im Gegenteil sind die bekannten Blogs oft deshalb bekannt, weil sie solche ausgelöst haben.
Keine “gesellschaftliche Relevanz”? Was heißt das? Daß nicht jedes Katzenblog die Meinungsführerschaft über Deutschland beansprucht oder massiv die breite Öffentlichkeit belügen kann wie ein Großteil der Journaille? Blogs sind die Gesellschaft, ein bedeutender Ausschnitt derselben und ganz sicher zukunftsweisender als irgend etwas, das der Blätterwald derzeit anzubieten hat.
Die SZ ist ja noch immer mein Lieblingsblatt, aber Pfeifen wie Boie, der sich übrigens bei SpOn schon hervorgetan hat, indem er besonders furchtbare Verbrechen entdeckte, die nur durch das böse Internet möglich sind, haben in dem Stall nichts zu suchen. Peinlicher als das, was er sich da zusammenschmiert, geht es nämlich nicht mehr.

[edit:] Ohwei, und den Schmidt hat er auch nicht verstanden…

Hatte ich noch vor zwei Tagen behauptet, die Hetze gegen “faules Pack” sei derzeit nicht en vogue, hält der “Spiegel” dagegen. Für gewöhnlich kommentiere ich das dümmliche Geschwätz des Herrn Broder nicht, weil es immer dasselbe ist. Diesmal aber hat er knallhart recherchiert und das “Prekariat” für sich entdeckt. Er ist fürwahr ein großer Hetzer und zieht mit seinem Tiraden sogar das Niveau von SpOn noch herab. Für jemanden, der die Zeiten unter Augstein noch erlebt hat, ein unfaßbarer Niedergang.
Broder nimmt eine Fernsehsendung, “ARD Exklusiv”, zum Anlaß, primitivste Stereotypen zu pflegen. Dort hat er sie entdeckt, die Familie, die sich von Sozial-und Jugendhilfe den Arsch nachtragen läßt, “drei Kühlschränke” hat, sich für 3500 Euro die Bude renovieren läßt und “rauchend und aus sicherer Distanz zu[schaut].” Dort sind sie am Werk, die blöden Sozialfuzzis, “sympathische und empathische Menschen. Sie treffen sich regelmäßig, um den Fall der Familie zu besprechen. Sie haben für alles Verständnis und bieten für jedes Problem eine Lösung an“.
Broder gibt uns aber den finalen Fingerzeig: “da ist auch eine Gesellschaft, in der die Idee von “Verantwortung” durch Begriffe wie “Maßnahmen” und “Fürsorge” ersetzt wurde. Eine Gesellschaft, in der die Vorstellung, dass Wohlstand etwas mit Arbeit und Leistung zu tun hat, als reaktionär und “sozial unverträglich“.
Soviel zu den Fakten, Fakten, Fakten, die Henrik recherchiert hat. “Recherche”, das ist, wenn man Fernsehen guckt. Journalismus bedeutet, keine Zeile an die Frage zu verschwenden, wo der Unterschied ist zwischen dem, das da über den Bildschirm flimmert und dem echten Leben. Wer, wie Broder, wirklich weiß, was dieser Gesellschaft hilft, begibt sich nicht in die Niederungen, wo einem der verwöhnte Mob die Ohren vollheult. Nein, dazu bedarf es der kühlen Distanz, aus der man sich nicht von empathischen Gutmenschen einlullen läßt.
Broders Herrenmenschen-Zymismus geht so weit, daß er in einem unverzeihlichen Fauxpas sogar den Widerspruch benennt, der eigentlich Aufhänger sein müßte, wenn man den von ihm geschilderten Beitrag besprechen wollte.
Der Mann vom Landratsamt sagt dazu“, so erzählt Broder nämlich: “Unser Ziel ist, dass die Familie ohne Ämter und Behörden leben kann. Das bedeutet regelmäßige Arbeit.” Hier hätte er sich fein an dem Problem abarbeiten können, wie man Menschen aus gelernter Hilflosigkeit führen kann und erläutern dürfen, warum er das auch alles besser weiß.
In der nächsten Stunde nehmen wir ihn dann einmal mit an die Front, wo er erleben darf, wie die Kinder von der Jugendhilfe verwöhnt werden. Den ganzen Spaß von Mißbrauch, Sucht, Vernachlässigung, Überbehütung, Krankheit und Orientierungslosigkeit darf er dann einmal ganz empathisch miterleben. Und wenn er sich schickt, lernt “bitte” und “danke” zu sagen und aufhört, seinen Dreck über Menschen auszukippen, von deren Leben er keine Ahnung hat, dann lassen wir ihn von den großzügigen Mitteln aus Hartz IV Schulbücher für drei Kinder kaufen. Spätestens dann wird er sich seinen konstruierten Sozialneid dahin stecken, wo er ihm herausgekrochen ist.

Die ZEIT kommentiert das Bestreben der Wirtschaft, selbst quasi-akademische Titel zu verleihen. Ärgerlich, daß wieder einmal ohne Angabe der Quelle “die Wirtschaft” zitiert wird, aber das Thema ist dennoch interessant.
Den “Professional Bachelor” möchte “die Wirtschaft” gern vergeben. Das soll sie nicht, meint Martin Spiewak. Warum eigentlich nicht? Spiewak meint u.a., die Universitäten drohten “ohne das exklusive Promotionsrecht ihr wichtigstes Personal zu verlieren: hochkarätige Professoren und vielversprechende Nachwuchsforscher“. Wo ist da die Logik? Die inkarnierten Pensionsansprüche werden schon nicht scharenweise von den Unis fliehen, um sich den Streß anzutun, für ein paar Dollar mehr die Schnösel der Altmanager durch den privaten Kindergarten zu ziehen. Putzig, diese Denke: Als könnten überhaupt nur Professoren und ihre promovotierten Handlanger den Nachwuchs ausbilden! Wer je eine Uni von innen gesehen hat, weiß, daß das Gegenteil zumeist der Fall ist. In der Tat müßte sich diese verkrustete Bildungsparodie vor der Konkurrenz der Konzerne fürchten. Ausgebildet, in dem Sinne, daß junge Talente etwas fürs Leben lernen, wird eh längst da draußen, im richtigen Leben.
Aber das Thema ist ja völlig verfehlt: Sollte es wirklich diese Bestrebung geben, selbst Titel ausloben zu dürfen, dann geht es dabei überhaupt nicht um systematische Ausbildung. Die ist viel zu teuer und bleibt deshalb auch in staatlicher Hand. Nein, es geht um ein Jodeldiplom, daß der Vetter seinem Neffen zuschanzen darf. Der gedruckte Stallgeruch, geprägt und auf Hochglanz. Warum sollte so etwas verhindert werden? Es wäre doch recht nützlich, wenn man die Idioten, die es trotz allen Eifers an der Uni zu nichts gebracht haben und trotzdem Karriere machen, an einem ganz eigenen Titel erkennt.

troja
Es ist eine merkwürdige Folklore, was in den Massenmedien unter der Rubrik “Wirtschaft” verkauft wird. Zum Beispiel Aktien: Kein Mensch weiß, wie der Wert einer Aktie zustande kommt. Dennoch wird jeden Abend in der Tagesschau der aktuelle Dax durchs Dorf getrieben. Gern mit vorheriger Bespaßelung durch einen “Experten”, der uns den neuesten Klatsch aus Frankfurt und New York auftischt. Was soll das? Wer sich wirklich dafür interessiert, findet keinerlei Information in diesem Gequatsche. Wenn ich wissen will, wie es meinen Aktien geht und wie es ihnen vermutlich morgen gehen wird, bleibe ich up-to-date. Informationen bietet das Internet wirklich aktuell, und für die Hintergründe gibt es die Redaktionen der Fachzeitschriften.
Zwischen den Stühlen gibt es die Wirtschaftsredaktionen der großen Zeitungen und Zeitschriften, so etwa den “Spiegel”, bzw. SpOn. Ein Werk dieses ehemaligen Nachrichtenmagazins gab es auch gestern zu lesen.
Thema: Das Ansehen deutscher Manager bei “Finanzinvestoren”.
Der Artikel ist so eine Art Trojanisches Pferd. Er kommt im Gewande der Hintergrundinformation daher und ist doch pure Propaganda. Ich gehöre bekanntermaßen nicht zu den talentiertesten Verschwörungstheoretikern, weswegen ich nicht behaupte, das Sabine Dembkowski von sinistren Logen gesteuert wird, um für Großkapitalisten die Trommel zu rühren. Nein, es ist das System, dem sich sogenannte “Journalisten” anpassen. Was man so hört, was als Common Sense gilt, was in der Redaktion so geschrieben wird. Früher wurde das auch “verdinglichtes Bewußtsein” genannt.
Sie setzt sogar scheinbar kritisch an, es geht um die schlechte Arbeit deutscher Manager. Wer sagt, daß sie schlecht sind? “Finanzinvestoren”, “Beteiligungsunternehmen”. Die Quelle:“20 [!] qualitative Interviews unter institutionellen Anlegern und Private-Equity-Gesellschaften an den Finanzplätzen London und Frankfurt”. Ein qualitatives Interview ist nichts anderes als eben ein Interview. Man nennt es “qualitativ”, wenn man keine Zahlen hat oder keine erheben will. Das kann durchaus sein Recht haben, aber gerade dann kommt es gewaltig auf die Auswertung an, und 20 Interviews sind eine verdammt magere Grundlage. Es klingt wissenschaftlich, ist es aber nicht.
Was man dennoch alles herauslesen kann, ist erstaunlich:
Die Befragung ergab aber auch, dass die meisten Manager ihren Job in den Augen der Investoren eher schlecht als recht machen.
Die 20 Jungs müssen ja verdammt was auf der Pfanne haben, wenn sie “die meisten Manager” kennen.
Es folgen diverse Kriterien, die “für die Investoren” “entscheidend ist sind“, was ““Die Investoren (vor allem) kritisieren” etcetera etcetera. Die Quelle dieser Weisheiten wird nicht genau benannt, sicher aus gutem Grund. Aber das ist letztendlich auch egal, denn entscheidend ist die Rhetorik: Obwohl völlig klar ist, daß die Quelle derart präzise Aussagen mit dieser Tragweite und in dieser Breite gar nicht zulassen, wird dem Leser suggeriert, er bekäme hier einen tiefen Einblick in die Finanzwelt. Und erklärt wird ihm auch, ganz einfach und verständlich, was das alles bedeutet:
Wenn ein Investor bei einem Deal 120 Prozent Nettokapitalrendite erwirtschaftet hat, steht ein anderes Unternehmen mit 30 Prozent eher mickrig da. Zum anderen stehen auch die Mitarbeiter innerhalb einer Gesellschaft unter Druck, die besten Renditen zu erwirtschaften.
Klingt auch toll, “Nettokapitalrendite” – hier schreibt die Frau vom Fach. Sie heißt Lieschen Müller und prügelt den Dummbatzen, die ihren Aufsatz lesen, ins Hirn: Die Zahlen sind groß und werden immer größer. Nur, wer noch mehr rausquetscht, bleibt dabei. Die anderen sind “mickrig”. Diese naive Darstellung von Wirtschaften entspricht genau der hirnlosen Gier moderner Planwirschaftler, vulgo “Heuschrecken”, die sich keinerlei Gedanken um die Folgen ihres manischen Wettberwerbs machen.
Von gutem Journalismus erwarte ich, daß er Fragen stellt und sich bemüht, diese zu beantworten. Wieder einmal antwortet SpOn, ohne daß sich dort irgendwer irgendetwas gefragt hätte.

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