Journalismus: Pfeifen in Wald
Posted by flatter under KulturKommentare deaktiviert
12. Aug 2007 13:05
Das Pfeifen wird allmählich unerträglich, und auch die Sueddeutsche stimmt mit ein: Blogs sind keine “Alternative zu etablierten Medien“, darf Johannes Boie dort sagen. Dieser Qualitätsjournalist muß es wissen, ist er doch Blog-und Netzexperte, d.h. er schreibt immer wieder denselben Artikel, zitiert den “Soziologen Schmidt” und weiß, daß es wenige A-Blogger gibt, wie er schon in seinem intensivst elaborierten Bericht über die “re-publica” niederschrieb. Was Boie an “Wissen” über die Blogosphäre anbietet, ist so erbärmlich, daß man in zehn Minuten Eigenrecherche ungleich mehr über Blogs erfährt, als in seinen “Artikeln”. Die strotzen nur so vor Stereotypen und sonstigem Zeitungsmufti-Tinnef.
Beispiel: “Hinzu kommt, dass sich der Teil der deutsche Bloggerszene, der überhaupt wahrgenommen wird – intern spricht man stolz von “Blogosphäre” – in dauerhaftem Clinch befindet.”
“Intern”, das sind, ob Blogsphere oder Blogosphäre, einige Millionen Weblogs. Die sind alle “stolz”? Woher weiß er das? Wie äußert sich das? Rhetorische Fragen, denn es geht ja nur darum, Blogger als Clique von Freaks darzustellen, eine Art Jugendgang mit Clubemblem.
Daß alle Blogger zur Blogosphäre gehören und eben nicht nur die, “die wahrgenommen werden”, sprich: Die denen bekannt sind, von denen Boie abgeschrieben hat, weiß er natürlich nicht. Setzen, sechs!
Weiter:
“Rund 100 000 weitere Weblogs sind bestenfalls öffentlich einsehbare und dennoch private geführte Tagebücher, denen jede gesellschaftliche Relevanz fehlt.” 100 000? Woher diese Zahl? Was ist mit den anderen? Und hätte er sich doch nur, sagen wir einmal, zehn dieser Blogs angeschaut, er hätte es besser gewußt oder wenigstens geschwiegen. “private Tagebücher?” Mich beschleicht die Ahnung, er hat bei Blogg.de drei Links angeklickt und sich derart umfassend informiert. Eine Blogroll wird er nicht heimgesucht haben.
Hinzu kommt auch bei Boie, wie bei allen anderen Halbhirnen zuvor, das Grundmißverständnis, Blogs seien Zeitungen. Das sind sie aber nicht, sondern, merkt es Euch zur Hölle endlich, ein NETZWERK! Jedes kleine Blog kann jederzeit mit einem Flügelschlag für Aufruhr sorgen, die große Welle in Gang setzen. Schlicht gelogen ist ja auch, es gäbe keine “Initialereignisse”. Im Gegenteil sind die bekannten Blogs oft deshalb bekannt, weil sie solche ausgelöst haben.
Keine “gesellschaftliche Relevanz”? Was heißt das? Daß nicht jedes Katzenblog die Meinungsführerschaft über Deutschland beansprucht oder massiv die breite Öffentlichkeit belügen kann wie ein Großteil der Journaille? Blogs sind die Gesellschaft, ein bedeutender Ausschnitt derselben und ganz sicher zukunftsweisender als irgend etwas, das der Blätterwald derzeit anzubieten hat.
Die SZ ist ja noch immer mein Lieblingsblatt, aber Pfeifen wie Boie, der sich übrigens bei SpOn schon hervorgetan hat, indem er besonders furchtbare Verbrechen entdeckte, die nur durch das böse Internet möglich sind, haben in dem Stall nichts zu suchen. Peinlicher als das, was er sich da zusammenschmiert, geht es nämlich nicht mehr.
[edit:] Ohwei, und den Schmidt hat er auch nicht verstanden…
August 15th, 2007 at 09:21
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