Noch so ein Artikel, den die Welt nicht braucht über ein weiteres Experiment, das keines ist: In der ZEIT versucht Joachim Marschall zu erklären, warum das Hirn des Menschen ihn zum asozialen Automaten macht, dessen Steuerung nur über Druck und Strafe zu bewerkstelligen sei. Es ist schon putzig, wie immer wieder das Weltgeschehen im allgemeinen und soziale Phänomene im besonderen als quasi schicksalhaft verkauft werden. Die Gene, das Hirn, Veranlagung oder Gottes Wille machen uns zu dem, was wir sind.
Es ist zum Erbarmen: Da weden höchst komplexe Systeme auf ein paar Parameter reduziert, da laufen ein paar Wichtigtuer in weißen Kitteln hin und her, da zeigen Maschinen, möglichst groß und teuer, einige bunte Bilder und da – sehen Sie! – sieht man’s. Das, war schon vorher so klar war, wie das Ja und Amen im Hörsaal. Das, was man genau so sehen wollte.
Im beschriebenen Experiment (ach, lest doch bitte den verlinkten Artikel!) geht es um die Frage, inwieweit sich eine mögliche Sanktion auf die Fairness beim Verteilen von Geld auswirkt. Festgestellt wurde erhöhte Aktivität in Bereichen des Hirns, mit denen einerseits die “Unterdrückung spontaner Impulse in Verbindung gebracht” wird und andererseits “der Ort [...], an dem wir Werte speichern, also unser Wissen darüber, was richtig und falsch ist” vermutet wird. Letzteres ist schon rührend naiv, aber nehmen wir das getrost einmal ernst. Was hieße das?
Es hieße, daß spontane Impulse unterdrückt werden, wenn soziale Widerstände zu erwarten sind. Wow! Das ist ganz großer Forschergeist!
Daraus zu folgern, der Mensch sei quasi auf Strafe angewiesen, um sozial zu funktionieren, ist mutig:
Die Studie zeige, »warum es wichtig ist, Regelverstöße zu ahnden“; “Erwachsen sein heißt, den Knast zu fürchten”. Das schließen die “Forscher” vor allem daraus, daß die Probanden sich besonders unfair verhielten, wenn ihnen daraus kein Nachteil erwuchs, obwohl sie selbst ihr Verhalten als unfair einstufen mußten. Die simple Frage, inwiefern dieses Verhalten durch eine Sozialisation bedingt sein könnte, die den Probanden den persönlichen Vorteil als Religion vermittelt hat, wird nicht erörtert. Was soll ein Tomograph dazu auch sagen? Anstatt die auffälligsten Aspekte millieubedingten Handelns auch nur warzunhemen, wird eine Typologie aus der hohlen Hand geschüttelt, die jeder Grundlage entbehrt und von “machiavellistischer” “Persönlichkeit” geschwafelt, die einem sicher auch in die Wiege gelegt ist – oder eben nicht.
Wenn das Wissenschaft ist, schlage ich ein weiteres Experiment vor: Den Probanden werden Schmerzen zugefügt, und der Tomograph zeigt an, ob diese als Reaktion im Hirn sichtbar gemacht werden können. Sollte sich dieses verifizieren lassen, wäre bewiesen, daß nicht die Folter für den Schmerz verantwortlich ist, sondern das Hirn. Der Mensch ist eben so veranlagt, daß er Schmerzen empfindet. Daher ist es unvermeidlich, ihm welche zuzufügen. Im Zusammenhang mit der Notwenidgkeit von Strafe ist das ein besonders gewichtiger Aspekt. Wer schnell die Wahrheit sagt, hat früher frei, und die terroristsichen Lügner müssen nachsitzen. Hei, die Wissenschaft ist doch ein fröhliches Geschäft!