Hatte ich noch vor zwei Tagen behauptet, die Hetze gegen “faules Pack” sei derzeit nicht en vogue, hält der “Spiegel” dagegen. Für gewöhnlich kommentiere ich das dümmliche Geschwätz des Herrn Broder nicht, weil es immer dasselbe ist. Diesmal aber hat er knallhart recherchiert und das “Prekariat” für sich entdeckt. Er ist fürwahr ein großer Hetzer und zieht mit seinem Tiraden sogar das Niveau von SpOn noch herab. Für jemanden, der die Zeiten unter Augstein noch erlebt hat, ein unfaßbarer Niedergang.
Broder nimmt eine Fernsehsendung, “ARD Exklusiv”, zum Anlaß, primitivste Stereotypen zu pflegen. Dort hat er sie entdeckt, die Familie, die sich von Sozial-und Jugendhilfe den Arsch nachtragen läßt, “drei Kühlschränke” hat, sich für 3500 Euro die Bude renovieren läßt und “rauchend und aus sicherer Distanz zu[schaut].” Dort sind sie am Werk, die blöden Sozialfuzzis, “sympathische und empathische Menschen. Sie treffen sich regelmäßig, um den Fall der Familie zu besprechen. Sie haben für alles Verständnis und bieten für jedes Problem eine Lösung an“.
Broder gibt uns aber den finalen Fingerzeig: “da ist auch eine Gesellschaft, in der die Idee von “Verantwortung” durch Begriffe wie “Maßnahmen” und “Fürsorge” ersetzt wurde. Eine Gesellschaft, in der die Vorstellung, dass Wohlstand etwas mit Arbeit und Leistung zu tun hat, als reaktionär und “sozial unverträglich“.
Soviel zu den Fakten, Fakten, Fakten, die Henrik recherchiert hat. “Recherche”, das ist, wenn man Fernsehen guckt. Journalismus bedeutet, keine Zeile an die Frage zu verschwenden, wo der Unterschied ist zwischen dem, das da über den Bildschirm flimmert und dem echten Leben. Wer, wie Broder, wirklich weiß, was dieser Gesellschaft hilft, begibt sich nicht in die Niederungen, wo einem der verwöhnte Mob die Ohren vollheult. Nein, dazu bedarf es der kühlen Distanz, aus der man sich nicht von empathischen Gutmenschen einlullen läßt.
Broders Herrenmenschen-Zymismus geht so weit, daß er in einem unverzeihlichen Fauxpas sogar den Widerspruch benennt, der eigentlich Aufhänger sein müßte, wenn man den von ihm geschilderten Beitrag besprechen wollte.
Der Mann vom Landratsamt sagt dazu“, so erzählt Broder nämlich: “Unser Ziel ist, dass die Familie ohne Ämter und Behörden leben kann. Das bedeutet regelmäßige Arbeit.” Hier hätte er sich fein an dem Problem abarbeiten können, wie man Menschen aus gelernter Hilflosigkeit führen kann und erläutern dürfen, warum er das auch alles besser weiß.
In der nächsten Stunde nehmen wir ihn dann einmal mit an die Front, wo er erleben darf, wie die Kinder von der Jugendhilfe verwöhnt werden. Den ganzen Spaß von Mißbrauch, Sucht, Vernachlässigung, Überbehütung, Krankheit und Orientierungslosigkeit darf er dann einmal ganz empathisch miterleben. Und wenn er sich schickt, lernt “bitte” und “danke” zu sagen und aufhört, seinen Dreck über Menschen auszukippen, von deren Leben er keine Ahnung hat, dann lassen wir ihn von den großzügigen Mitteln aus Hartz IV Schulbücher für drei Kinder kaufen. Spätestens dann wird er sich seinen konstruierten Sozialneid dahin stecken, wo er ihm herausgekrochen ist.