Was man über das Internet weiß
Posted by flatter under KulturKommentare deaktiviert
19. Sep 2007 0:10
Die sozialen Klassen wurdenin unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich beschrieben, ihnen wurden unterschiedliche Eigenschaften unterstellt oder nachgewiesen. Die gesellschaftliche “Elite”von heute scheint unter anderem eine Haltung auszuzeichnen, die ihr ein Privilieg und einen Vorteil nimmt: Die Ablehnung des Internets, wodurch ihr eine ganze Qualität von Bildung fehlt. Zwar ist es den besser Betuchten bis heute gelungen (sei es gewollt oder nicht), daß ihre Klasse besser gebildet blieb als die unteren, aber sie haben eine mediale Wende verschlafen, die neue Verwerfungen im Wissen und Anwenden mit sich bringt. Nur das Internet bietet, bei kluger Nutzung, Wissensinhalte in Echtzeit und in einer solchen Masse, daß Bildungsprozesse, die früher Jahre dauerten, heute in einigen Tagen zu bewerkstelligen sind. Das hat soziale Konsequenzen, die heute kaum diskutiert werden.
- Ehemals gebildete Schichten bzw. deren Angehörige können sich dem Tempo nicht anpassen, das das Internet mit sich bringt. Ihnen fehlt die Orientierung. Die Filterungsvorgänge, derer es bedarf, um an relevante und zuverlässige Informationen zu kommen, kennen sie nicht. Das Entertainment und der Schacher, der allgegenwärtige Reiz, ist ihnen überdies privat zuwider. Für sie ist das Internet der Vorhof zur Hölle.
- Menschen, die die Gelegenheit hatten, das Internet als Herausforderung und Möglichkeit kennzulernen, bedürfen eines fundierten Bildungshintergrundes, um es effektiv nutzen zu können. Dazu gehört nicht zuletzt eine Gewisse Disziplin, um sich nämlich auf Inhalte zu konzentrieren und sich nicht dauernd den Verlockungen der Unterhaltung hinzugeben. Außerdem müssen sie wissen, was sie suchen und wie sie es finden. Wer das gelernt hat, ist Informationselite. Solche Menschen können sich oft nicht vorstellen, wie jemand dazu kommt, das Medium zu verteufeln. Für ungebildete User haben sie kaum mehr als Verachtung übrig.
- Menschen, die das Internet völlig unbedarft zu nutzen gelernt haben, aber keine Vorbildung oder klare Vorstellungen von der Nutzung des Mediums mitbringen, laufen Gefahr, inmitten eines gigantischen Wissensfundus’ zu verblöden. Selbst, wer etwas wissen will, läuft Gefahr, sich der ersten Information hinzugeben und dann lieber noch ein bißchen zu zocken, als weitere Quellen zu suchen. Wikipedia weiß ja alles. Und wer schon in frühen Jahren das Netz entdeckt und sich keine großen Gedanken macht, findet hier sein second life: Sex, “Freundschaften”, Kommunikation – das findet man in dieser Reihenfolge im Netz und verwechselt es leicht mit einer realen Erfahrung. Die Sinnlichkeit des Internets ist seine große Verlockung, obwohl es doch nur Prothesen bietet. Die Buddies kann man finden und verlieren, schnell wieder vergessen und sich neue Suchen. Kommunikation bedarf keiner Rechtschreibung. Konflikte können rücksichtslos ausgetragen werden, es sieht einen ja niemand. Wer damit regulär aufwächst, ist aus Sicht der Real-Life Mumien sozial behindert.
Hier tun sich völlig unterschiedliche Erfahrungswelten auf, die einander nur schwer zugänglich sind. Und diese Verwerfungen sind schon heute, das ist das Neue, kein echter Generationenkonflikt mehr. Es bilden sich Kommunikationsklassen, deren Sprachen füreinander übersetzt werden müssen.
Das Ganze ist eine Riesenaufgabe, der sich die Kultur stellen muß. Das Allerletzte, was man dazu braucht, sind politische “Eliten”, die keinen Toaster bedienen können und dem Plebs etwas über das böse Internet erzählen.
September 19th, 2007 at 01:18
Ein paar Anmerkungen…
“Für sie ist das Internet der Vorhof zur Hölle.”
Meine Erfahrung ist da eine andere, wenn auch nicht gegensätzliche: sie sind neugierig, aber vorsichtig und skeptisch. Eher vertrauen sie dem Gedrucktem. Trotzdem nutzen sie das Internet, aber halt nicht so sehr das www, was Du in Deinem Artikel wohl als Internet bezeichnest. Die Skepsis und der Zweifel am Nutzen des Hypes Internet, man denke nur an web2.0 ist ja nicht wirklich unberechtigt.
“Menschen, die die Gelegenheit hatten, das Internet als Herausforderung und Möglichkeit kennzulernen, bedürfen eines fundierten Bildungshintergrundes, um es effektiv nutzen zu können.”
Da sind vor allem die Bildungseinrichtungen gefragt (ich meine auch die Schulen…), allerdings stellen sich gerade die Lehrer auch als völlig inkompetent bzgl. des Internets (Innenminister sind ja auch so) dar. Bildungshintergrund meint also nicht nur eine Allgemeinbildung, sondern auch eine Kompetenz, diese in Bezug auf das Internet zu vermitteln.
“Das Ganze ist eine Riesenaufgabe, der sich die Kultur stellen muß.”
Läuft…
Mathes
September 19th, 2007 at 01:18
Ein paar Anmerkungen…
“Für sie ist das Internet der Vorhof zur Hölle.”
Meine Erfahrung ist da eine andere, wenn auch nicht gegensätzliche: sie sind neugierig, aber vorsichtig und skeptisch. Eher vertrauen sie dem Gedrucktem. Trotzdem nutzen sie das Internet, aber halt nicht so sehr das www, was Du in Deinem Artikel wohl als Internet bezeichnest. Die Skepsis und der Zweifel am Nutzen des Hypes Internet, man denke nur an web2.0 ist ja nicht wirklich unberechtigt.
“Menschen, die die Gelegenheit hatten, das Internet als Herausforderung und Möglichkeit kennzulernen, bedürfen eines fundierten Bildungshintergrundes, um es effektiv nutzen zu können.”
Da sind vor allem die Bildungseinrichtungen gefragt (ich meine auch die Schulen…), allerdings stellen sich gerade die Lehrer auch als völlig inkompetent bzgl. des Internets (Innenminister sind ja auch so) dar. Bildungshintergrund meint also nicht nur eine Allgemeinbildung, sondern auch eine Kompetenz, diese in Bezug auf das Internet zu vermitteln.
“Das Ganze ist eine Riesenaufgabe, der sich die Kultur stellen muß.”
Läuft…
Mathes
September 19th, 2007 at 01:42
Nun, mein Artikel könnte differenzierter sein. Aber er könnnte auch mehrere Seiten lang sein. Daher hast Du natürlich recht, es gibt auch bei den konservativen Mediennutzern andere Ansätze. Allerdings sehe ich deren Vorbehalte als ein so großes Hemmnis,daß sich ihnen gemeinhin das Medium Internet nicht erschließen wird.
Und die Sache mit Schulen und Lehrern läßt mich tief seufzen.
“Läuft…” verstehe ich diesem Zusammenhang allerdings nicht. Es kommt ja kaum im Rollstuhl vorwärts.
September 19th, 2007 at 01:42
Nun, mein Artikel könnte differenzierter sein. Aber er könnnte auch mehrere Seiten lang sein. Daher hast Du natürlich recht, es gibt auch bei den konservativen Mediennutzern andere Ansätze. Allerdings sehe ich deren Vorbehalte als ein so großes Hemmnis,daß sich ihnen gemeinhin das Medium Internet nicht erschließen wird.
Und die Sache mit Schulen und Lehrern läßt mich tief seufzen.
“Läuft…” verstehe ich diesem Zusammenhang allerdings nicht. Es kommt ja kaum im Rollstuhl vorwärts.
September 19th, 2007 at 17:19
Dieses unzulässige Zusammenwerfen von Lehrern und Innenministern verbitte ich mir! ;-)
Es ist doch auch eine Generationensache. Wir sind mit Computern und ihrer Funktionsweise groß geworden; dass Deutschlehrer Lempel aus Wanne-Eickel, der sein Leben lang schwere Romane, Duden und Brockhäuser gewälzt hat, von heute auf morgen Wikipedia für sich entdeckt und irgendwo einen Apache-Server aufsetzt, halte ich für unrealistisch und dessen Skepsis durchaus für verständlich.
Dazu kommt, dass man in der Praxis selten Gelegenheit hat, mit seinen Schülern den Computer effektiv zu nutzen, geschweige denn “das Internet” reflektiert zu thematisieren. Und trotzdem findet das Internet seinen Platz im Unterricht, sei es als Rechercheinstrument oder Publikationsmittel, ja, sogar Blogs werden im Unterricht eingesetzt und man kommuniziert untereinander per E-Mail, wobei die internetaffine Bildungselite auch gerne übersieht, dass es eine Menge Familien gibt, die noch gar keinen Internetanschluss haben.
Und am Ende kann ich keinen Schüler zwingen, das Internet als Raum kultureller Entwicklung zu betrachten; ihn nicht nötigen, sich gezielt Informationen zu sammeln und zu prüfen oder verschiedene Perspektiven einzunehmen – so wenig ich ihn zwingen kann, Theodor Fontane dem Realismus zuzuordnen oder den Genitiv ordentlich zu verwenden. Ich kann nur versuchen, es ihm zu vermitteln.
September 19th, 2007 at 17:19
Dieses unzulässige Zusammenwerfen von Lehrern und Innenministern verbitte ich mir! ;-)
Es ist doch auch eine Generationensache. Wir sind mit Computern und ihrer Funktionsweise groß geworden; dass Deutschlehrer Lempel aus Wanne-Eickel, der sein Leben lang schwere Romane, Duden und Brockhäuser gewälzt hat, von heute auf morgen Wikipedia für sich entdeckt und irgendwo einen Apache-Server aufsetzt, halte ich für unrealistisch und dessen Skepsis durchaus für verständlich.
Dazu kommt, dass man in der Praxis selten Gelegenheit hat, mit seinen Schülern den Computer effektiv zu nutzen, geschweige denn “das Internet” reflektiert zu thematisieren. Und trotzdem findet das Internet seinen Platz im Unterricht, sei es als Rechercheinstrument oder Publikationsmittel, ja, sogar Blogs werden im Unterricht eingesetzt und man kommuniziert untereinander per E-Mail, wobei die internetaffine Bildungselite auch gerne übersieht, dass es eine Menge Familien gibt, die noch gar keinen Internetanschluss haben.
Und am Ende kann ich keinen Schüler zwingen, das Internet als Raum kultureller Entwicklung zu betrachten; ihn nicht nötigen, sich gezielt Informationen zu sammeln und zu prüfen oder verschiedene Perspektiven einzunehmen – so wenig ich ihn zwingen kann, Theodor Fontane dem Realismus zuzuordnen oder den Genitiv ordentlich zu verwenden. Ich kann nur versuchen, es ihm zu vermitteln.
September 19th, 2007 at 21:37
“Auch” Generationensache ist es wohl, darum schrieb ich “kein echter Generationenkonflikt”. Die Mischung der notwendigen Kompetenzen ist über die Genearationen unscharf verteilt. Am besten hat es vermutlich noch meine Generation. Ich bin in den frühen 80ern mit Computern konfrontiert worden, die man programmieren mußte, damit sie etwas taten. Für mich ist die Welt der Maschinen quasi zunehmend einfacher geworden.
Für Schüler von heute wird es schwierig sein, die lehrreiche Erfahrung der Paiperrecherche zu machen. Sie können von daher eine Menge von den Alten lernen, wenn es darum geht, den Blick fürs Wesentliche zu schärfen. Ohne diese Fähigkeit wird ihnen etwas fehlen.
In Zukunft wird sich das noch viel mehr vermischen. Es wird keine Generation mehr geben, die ohne Medienmaschinen aufwächst. Und die nächste technikfeindliche Generatiion wird eine sein, die keinen Bock mehr hat, sich von Maschinen den Lebensrhythmus vorgeben zu lassen. Es wird eine junge Generation sein.
September 19th, 2007 at 21:37
“Auch” Generationensache ist es wohl, darum schrieb ich “kein echter Generationenkonflikt”. Die Mischung der notwendigen Kompetenzen ist über die Genearationen unscharf verteilt. Am besten hat es vermutlich noch meine Generation. Ich bin in den frühen 80ern mit Computern konfrontiert worden, die man programmieren mußte, damit sie etwas taten. Für mich ist die Welt der Maschinen quasi zunehmend einfacher geworden.
Für Schüler von heute wird es schwierig sein, die lehrreiche Erfahrung der Paiperrecherche zu machen. Sie können von daher eine Menge von den Alten lernen, wenn es darum geht, den Blick fürs Wesentliche zu schärfen. Ohne diese Fähigkeit wird ihnen etwas fehlen.
In Zukunft wird sich das noch viel mehr vermischen. Es wird keine Generation mehr geben, die ohne Medienmaschinen aufwächst. Und die nächste technikfeindliche Generatiion wird eine sein, die keinen Bock mehr hat, sich von Maschinen den Lebensrhythmus vorgeben zu lassen. Es wird eine junge Generation sein.
September 20th, 2007 at 07:04
Ich denke, der Gedanke ist es echt wert, genauer ausformuliert zu werden! :)
September 20th, 2007 at 07:04
Ich denke, der Gedanke ist es echt wert, genauer ausformuliert zu werden! :)
September 20th, 2007 at 11:13
Tu’s! ;-)
September 20th, 2007 at 11:13
Tu’s! ;-)