Journalismus


Die Sueddeutsche schreckt nicht von einer tumben Lüge zurück, um das armselige Gehampel der SPD in Stuttgart mit Gewalt zu beschönigen:

” ‘Da hat es Einmischung von oben gegeben’, sagt Andreas Stoch, der für die SPD im Stuttgarter Landtag sitzt. ‘Entweder vom Innenminister oder von Ministerpräsident Stefan Mappus persönlich’, sagt Stoch. Das will er nachweisen.
Im Landtag hat seine Fraktion einen Untersuchungsausschuss durchgesetzt
.”

Die SPD sah nämlich gar keine Notwendigkeit für einen Untersuchungsausschuss:

Allein können die Grünen einen Untersuchungsausschuss nicht durchsetzen. Die SPD-Fraktion zeigt sich bisher wenig geneigt, den Grünen beizuspringen.

Als es gar nicht mehr anderes ging, haben die Spezialdemokraten vom Neckar dann doch noch zugestimmt, wie immer gegen ihre zuvor behauptete ‘Überzeugung’, und die SZ nennt das also “durchsetzen”.

Vor allem die totgeschwiegene Linke hat von Anfang an in Opposition zu dem Projekt gestanden, dann setzten sich die Grünen an die Spitze der medial wahrgenommenen Gegner – wohl auch, weil die Linke (noch) nicht im Landtag sitzt. Sonst war niemand gegen S21 oder für einen Untersuchungsausschuss. Und man darf davon ausgehen, dass die SPD auch weiterhin gegen eine Befürwortung der Gegnerschaft einer abgelehnten Zustimmung sein wird – eventuell. Zu behaupten, diese Flip Flops hätten irgend etwas “durchgesetzt“, taugt höchstens zur Satire.

Da bekomme ich einen Einlauf, weil ich Texte auch verkaufe, obwohl ich erklärtermaßen darum bemüht bin, selbst dabei gewisse Prinzipien einzuhalten. In diesem Blog verzichte ich auf die durchaus einträgliche Werbung für Waren von Amazon, weil ich Berichte über die dortigen Arbeitsbedingungen nicht ignorieren kann. Und so mancher kritisierte mich auch ob der Werbung für Mode aus Hanf, weil das ja schon kommerziell sei.

Die Welt ist schlecht. Man kann sie ein bißchen weniger schlecht machen oder schlechter, oder man kann alles gleich schlechtmachen, weil man damit auf der sicheren Seite ist. “Ich hab es euch ja gesagt”, heult man dann überlegen und tut, was sonst ein anderer täte. Eine Sünde ist wie die andere, wir sind alle Verbrecher. Am Ende ist kein Unterschied mehr zwischen einer Auftragsarbeit für einen Handwerker (Kapitalist) und der Vorbereitung des nächsten Holocaust.

Wenn man es sich weniger einfach macht, in die Niederungen der Kategorien steigt und die Grenze dessen sucht, was noch geht und was nicht mehr, trifft man auf Zweifelsfälle. Wohl dem, der nicht jedem erliegt und derart Schritt für Schritt den Zweifel mindert, wenn es nur das Einkommen mehrt. Und wehe dem, der es nicht einmal merkt, wenn er sich zum Büttel macht, zum Hofnarren, zur lächerlichen Figur. Allein die Vorstellung, noch von denen verachtet zu werden, die mich bezahlen, wäre mir ein Greuel.

Alle Spiegel abhängen müsste ich freilich, würde ich im Akkord Artikelchen abliefern, die nach Schleichwerbung förmlich stinken und das meinen Lesern als “seriösen Qualitätsjournalismus” unterzujubeln die Stirn hätte. Womit wir endlich beim Thema sind: Zuletzt sah ich mich häufig genötigt, die FAZ zu loben, einfach weil sie ihr Niveau gehalten hat, während fast alle anderen in den letzten Jahren souverän die noch erträglichen Schichten des Niveaus untertunnelt haben. Auch wenn das Blatt immer noch ziemlich weit rechts liegt und Schwurbel-Schirrmacher mich schwindeln macht, war es oft regulär lesbar.

Was aber dort inzwischen Usus ist an Verhökerjournaille, stürmt alle Charts. Allein in den letzten acht Tagen fielen mir drei Machwerke groben Gefälligkeitsgeschmieres auf. Das begann mit der Eloge auf klobige Fertighäuser (“Größer, edler, schöner, sparsamer“), setzte sich fort mit der fetischistischen Schleichwerbebroschüre für ein Auto (“Aufstand gegen die Erdanziehung“) und endet heute in dem “Müsst ihr sofort kaufen”-Geschwafel über das Macbook (“ein Objekt der Begierde, das man einfach haben muss“).
Wer soll ein Blatt noch ernstnehmen, das derart schamlos seine Käuflichkeit zur Schau stellt? Da kann ich ja gleich wieder SpOn lesen.

Der Verein kritischer Faschisten sieht das grundgesetzlich garantierte Recht auf Freizügigkeit in Gefahr, wenn sie nicht in Polen einmarschieren dürfen. “Wenn wir von der Oder aus nur noch nach Westen laufen dürfen, ist die Demokratie am Ende”, sagte ein Sprecher.

Mann, schon wieder nicht witzig, was ist das heute für ein Tag?
Der Axel-Springer-Verlag sieht die Pressefreiheit in Gefahr“. Ja nee ist klar, Kollegen!

Ein Abgrund von Landesverrat” war für Bundeskanzler Adenauer und seinen Verteidigungsminister Strauß ein Artikel des “Spiegel” über die Verteidigungsdoktrin und den Zustand der Bundeswehr im Jahr 1962. Die Redaktionsspitze einschließlich des Chefs Rudolf Augstein wurde verhaftet. Diese Konfrontation von freier Presse mit einer bedingt demokratisch gesinnten Regierung war einer der größten Skandale der Bundesrepublik Deutschland, aus der das “Sturmgeschütz der Demokratie”, Augsteins Spiegel, als klarer Sieger hervorging.

Seitdem hat sich die Landschaft enorm verändert, allen voran der “Spiegel”. War dessen Stärke und in der Tat eine Demokratie sichernde Funktion dessen investigativer Journalismus und eine entschieden kritische Haltung gegenüber den Eliten – bis in die späten 80er Jahre hinein – , so hat sich dies inzwischen völlig verkehrt. Spätestens mit dem Chefredakteur Aust und dessen Kampagnen für Angela Merkel war Kritik nicht mehr en vogue und wurde durch Hofberichterstattung ersetzt. Anstatt Skandale aufzudecken, wurden Durchhaltejournalismus für das Volk geboten und Pferdegschichten für die Oberschicht.

Vom Sturmgeschütz zum Pustefix

Der Mangel an investigativem Journalismus, teils aus Kostengründen, teils aus einem devoten Zeitgeist, betrifft freilich nicht nur das ehemalige Nachrichtenmagazin. Es zählt, was sich verkauft, und da setzt man heute auf Entertainment, Glamour und Effekt. Information ist teuer und sperrig, und für die paar Gelegenheiten, bei denen sich Recherche auszahlt, will man nicht dauerhaft investieren und teures Personal beschäftigen.

Man kann ja auch zukaufen und darauf setzen, daß andere den Job machen, zum Beispiel Wikileaks. Besser geht’s eigentlich nicht, denn die liefern Empörungspotential auf allen vermarktbaren Ebenen. Schockierend, was da in diesem Krieg passiert! Schlimm, daß die einfach Geheimnisse verraten! Furchtbar, wie sie das Leben von Soldaten gefährden! Toll, wie die aufklären!

Lieber Blut und Samen

Darum herum tolle Geschichten, von tumben Geheimdienstlern in die Welt gesetzt, aber man nimmt ja, was man kriegt: Ist der Chef von Wikileaks ein Vergewaltiger? Auch der komplette Schwachsinn ist eine Story, wenn Blut und Samen fließen. Ja, und vielleicht findet man den einen oder anderen Protagonisten bald tot auf, unter mysteriösen Umständen. Es bleibt spannend.
Der “Spiegel” fragt derweil bei den Folterern nach, ob ihnen die Enthüllung ihrer Arbeit behagt.

Dem gegenüber jazzt unser Café-Journalismus sich einen Baron zum Superhelden hoch, der übrigens zufällig Verteidigungsminister ist. Was ich inzwischen über die Garderobe des Gelhaar-Beaus weiß, reichte aus für einen Artikel in einem Modemagazin. Was das Volk über seine Amtshandlungen weiß, reicht offenbar nicht einmal für einen Zweizeiler. Die Tanklaster-Affäre, in der Guttenberg von einem Fettnäpfchen ins nächste getreten ist, ist bereits vergessen. Ganz nobel hat er einige Bauern und Offiziere geopfert und ist zum nächsten Photoshoot gejettet.

Der Poser

Schicke Bilder in Panzerweste machen ihm Spaß, ebenso wie semantische Spielchen. Der letzte Hit ist “nicht-internationaler bewaffneter Konflikt” als Sprachregelung für den Krieg in Afghanistan. Zuvor hatte es neue Orden gegeben und Durchhalteparolen. Ein Abzug als “Selbstzweck” komme nicht infrage, das Land werde sich aber “nie absolut stabilisieren lassen“. Eine Haltung, wie er sie in seinem Maßzwirn so gern zur Pose perfektioniert, ist politisch schlicht nicht vorhanden. Ein einziges Blabla, keine Spur von Linie oder Kompetenz.

Ausgerechnet dieser Poser, den das Töten und Sterben im Nirgendwo nur als Folie für seine Selbstdarstellung interessiert und der sich gar nicht erst die Mühe macht, einen Bezug zur entsetzlichen Wirklichkeit herzustellen, ist der Liebling der hiesigen Medien.

Um den Dreck und die unfassbar brutalen Machenschaften, die uns noch wahlweise als “Verteidigung” der Demokratie oder “Aufbau” eines Landes verkauft werden, kümmern sich derweil andere. Die Freaks aus dem Internet, deren lebensgefährliche Arbeit man jederzeit ausbeuten oder für illegitim erklären kann. Wikileaks wäre unnötig, gäbe es noch verantwortungsbewußten Journalismus. Und es ist vermutlich wirkungslos, weil es eben keinen gibt.

Einer der unfähigsten deutschen ‘Journalisten’, die neoliberale Gebetsmühle Marc Beise, weist heute den Bundeswirtschaftsminister zurecht, der solle gefälligst auch weiterhin das Mantra aufsagen – und sonst nichts. Ich verstehe ja auch nicht, was den Brüderle reitet, aber wenn der schon mal etwas halbwegs Logisches sagt, muss dann gleich dieser Wadelnbeißer daherkommen und lautstark das gewohnte Maß an Blödheit einfordern? Wenn man keine Ahnung hat …

Was Hans Peter Schütz da schon wieder schreibt, gehört sich nicht für einen deutschen Journalisten. Wenn dieser Nestbeschmutzer so weitermacht, werde ich ihn adoptieren.

Das Niveau in Deutschland ist erbärmlich, zumal sich ehemals ernstzunehmende Verlage inzwischen um den Spitzenplatz in der untersten Schublade tummeln.
Die Hetzer mit den Großbuchstaben nenne ich hier nicht beim Namen und ignoriere sie gemeinhin vollständig. Wenn aber inzwischen geklaute persönliche Daten zum Gegenstand eines papiernen Feldzugs zur Vernichtung einer Politiker-Karriere genutzt werden, dann ist ein Maß erreicht, das ich nur noch “kriminell” nennen kann. Und weil das ja nicht ausreicht, sich davon zu bedienen, setzt man einen Haufen zusammenspekulierter Scheiße obendrauf. Jeder, der seine Groschen für diesen Dreck ausgibt oder ihn an seinem Kiosk auslegt, macht sich mit diesem Schweinejournalismus gemein. Es ist Zeit, daß auch weniger begabte Leser einmal für einen Moment ihr Gehirn einschalten.

Wie ich heute lese, ist jeder achte “Migrant” “unwillig zur Integration“. Das ist sehr wichtig zu wissen, darum wird es ja auch verbreitet. Immerhin hat der Bundesinnenminister persönlich das gesagt. Jetzt kann man natürlich erst einmal diskutieren. Wieso denn nur jeder achte? Das glaube ich nicht. Das müssen doch viel mehr sein. Und selbst wenn es doch jeder achte ist oder es nur ein paar mehr sind, dann sind das ja trotzdem Tausende. Hunderttausende, die sich nicht integrieren wollen. Da haben wir ja jede Menge zu tun. Die haben hier nämlich nichts zu suchen. Bis wir die alle abgeschoben haben, das wird ein hartes Stück Arbeit.

So oder ähnlich wird das in die tabufreie Diskussion gehen. Was bedeutet aber eigentlich in diesem Zusammenhang “Migrant”? Was “Integration” und was “unwillig”? Das muß man nicht so genau wissen, oder? Hauptsache, wir haben soundso viele. Die unsere Gastfreundschaft nicht wert sind. Eine Meldung ohne Inhalt, die aber anhand einer Zahl, die womöglich keiner Überprüfung standhält, quasi als unzweifelhaft zu erkennen ist. Jeder achte ist integrationsunwillig. Und zwei von drei Frauen haben das Gefühl, nach Benutzung der Kräme weniger Mimikfältchen zu haben. Bis zu 43% weniger Mimikfältchen.

Wie stellt man so etwas wohl fest? In einem narrativen Interview?

Ey, Ali, du bist doch Migrant, oder?

Was willst du? Ich hab zu tun.

Sachmal, willst du dich nicht mal integrieren?

Wir wissen nicht, was der unbekannte Ali geantwortet hat, aber jeder achte ist unwillig. Wem das jetzt unsachlich erscheint, hat das schon mal ganz richtig erkannt. Die Tatsachenbehauptung hingegen darf als ‘sachlich’ gelten, schließlich ist sie aus den Nachrichten. Wie solche Sachlichkeit allerdings in Gedankengut umgemünzt wird, das läßt nicht unbedingt erwarten, daß es dabei sachlich zur Sache geht.

Dem unbekannten Journalisten empfehlen wir bei dieser Gelegenheit, nicht wie üblich “Egal” aus seiner Pillenpackung zu fummeln und es sich reichlich einzuwerfen, sondern ab und an den Sinn solcher Meldungen zu hinterfragen. Sollte er keinen finden, wäre das eine gute Gelegenheit, welchen herzustellen – oder auf die Veröffentlichung zu verzichten.

Journalisten haben wohl ein striktes Verbot, sich selbst und veröffentlichte Umfragen für bescheuert zu erklären. Hätte es noch eines Belegs bedurft, daß die rücksichtslos Umgefragten nicht kapieren, was man von ihnen will, heute hätten wir wieder mal eine.

Der “Deutschlandtrend“, abgenudelt vom Experten für sinnlosen Zahlenquark Jörg Schönenborn, hat festgestellt, daß die Befragten Steinmeiers “Arbeit” so gut bewerten wie nie seit ach egal. Zwar werden wir radikal über den Umstand aufgeklärt,
“Steinmeier hatte für Schlagzeilen gesorgt, als er seiner Ehefrau eine Niere spendete. Das dürfte ein wichtiger Grund für seine gewachsene Popularität sein”,
das ficht den Demagoskopen aber nicht an, völlig blödsinnige Trendanalysen daran zu knüpfen.

Dabei hätte ein Blick in “Statistik für Doofe” genügt, um dem Papierkorb zu geben, was des Papierkorbs ist:

Eine Messung ist dann valide, wenn sie das Merkmal misst, welches sie messen soll oder welches sie zu messen scheint.

Sich schon am zweiten Tag den Titel “Depp des Monats” abzuholen, ist immerhin auch eine Leistung. Herzlichen Glückwunsch!

Aus mir wird nichts. Das war quasi schon immer so geplant, spätestens seit der Entscheidung, Geisteswissenschaften zu studieren und nicht einmal Lehrer werden zu wollen.
Dieser elende Hang zur Fundamentalopposition wird meinen Hungertod bedeuten. “Bricht mir das Genick”, heißt das ja eigentlich, aber der Vorgang, den das beschreiben soll, hat absolut nichts von der schnellen Endgültigkeit eines Genickbruchs. Im Gegenteil.

Nun publiziere ich hier so vor mich hin und weiß eigentlich auch, wie das geht. Ja, warum tut er’s denn dann nicht? Alle anderen tun’s doch auch. Empörungsthemen ziehen Fliegen an wie die Leute, bescheren hunderte Kommentare, man wird geflattert wie geschnitten Brot, und wenn man ein gutes Wolfsgeheul beherrscht, stimmen alle ein und zu.

Die schiefe Fratze von diesem Gossengenetiker versaut mir seit Tagen die Laune, auf allen Kanälen, in Blogs, Funk und Fernsehen ein großes Blabla um ein Thema, das hier schon dreimal rum ist. Alles, was mir dazu einfällt, ist die Schwierigkeit, das noch zu ignorieren. Ich versuche es trotzdem tapfer weiter. Ist doch auch gar nicht schlecht, wenn der Mob nach Monaten endlich einsieht, was ich damals schon schrub. Vielleicht hat der Gabriel meine Mail ja doch noch gelesen. Jetzt dackeln sie ihm hinterher, dieselben Kriechkröten, denen das vorher alles recht und billig war. Na, wenn ein Führer seine Meinung ändert, ist das natürlich etwas Neues.

Seit Tagen ein nebulöses Blabla über Laufzeiten von AKWs, auch schon fünfmal abgefrüchstückt in den Blogs, bloß daß da Petitessen wie das Absaufen der Asse nicht brüllend verschwiegen wurden. Zahlensalat, erfunden, geschönt und an die Börse getragen, zehnfuffzehnzwanzich Jahre, zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten. Am Ende hat das Schnellmerkel sich selbst eine grundgesetzwidrige Entscheidung gegen ihren erbitterten Widerstand abgerungen, den sie für die Atomlobby unerhört geschickt ausgehandelt hat: Das Unmögliche schaffen, indem man das Unvorstellbare fordert.

Im Fernsehtalk, den ich mir immer noch nicht zumute, gab es heute “Killerkeime im Krankenhaus”, winziste Kleinstbabies als unschuldige Opfer, das macht doch was her. Wo bleibt nur die Pandemie, wenn man eine braucht? Die Toten sind schon gezählt, da muß man fix aufspringen, ehe sie kalt werden.
Business as usual eben an der Resterampe des Sommerlochs. Halten wir uns wenigstens dabei an ungeschönte Fakten: Wann Sommer ist, bestimmt der Kalender. Zum runden Anschluß keine weiteren Bemerkungen zum Wetter.

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