Mehr Demokratie wagen
Posted by flatter under Journalismus , Politik[30] Comments
08. Aug 2010 16:12
Das Motto, frei nach Willy Brandt, ziert seit Jahren den Untertitel dieses Blogs. Es verspricht keine großen Utopien und erinnert an einen Politiker, der alles andere als unfehlbar war, sondern bei aller Wertschätzung auch Entscheidungen mitgetragen hat, die seinem eigenen Motto nicht gerecht wurden. Gerade deshalb paßt es mir aber so gut. Ich bin Demokrat, kein Anarchist und auch kein ‘Kommunist’. Gegen Kommunismus habe ich persönlich nichts, wenn er denn eben demokratisch ist. Das geht bestimmt, ist für mich aber auch nicht weiter relevant. Mein Augenmerk ist ein anderes.
Vor allem geht es zunächst einmal um Politik. Das ist alles andere als selbstverständlich, denn was unter diesem Label firmiert, ist bekanntlich aktuell ein mehr oder weniger lästiges Anhängsel der Wirtschaft, mithin der Besitzenden. Auch wer nicht links sein will, wird zu diesem analytischen Urteil kommen. Es muß einem Diksurs auf die Beine geholfen werden, der nicht mehr stattfindet, weil die Medien, unter dem Einfluß von Parteien, Großverlagen und Anzeigenkunden, im Gros nur mehr Zeitgeist verbreiten. Kritisches Denken hat dort keinen Platz mehr, entgegen permanenten Lippenbekenntnissen und absurden Selbstbeweihräucherungen.
Keine große Utopie
Die tragenden Säulen der Demokratie sind eine solche öffentliche Debatte und die Kontrolle des Staates durch seine Bürger. Daß der Staat die Wirtschaft zu kontrollieren hat und nicht umgekehrt, ist aus meiner Sicht nicht einmal Resultat einer demokratischen Gesinnung. Diese Forderung entspringt vielmehr schon dem simpelsten Staatsverständnis. Was braucht es sonst eine Verfassung, wenn man Gesetze auch kaufen kann?
Der Begriff “Demokratie” beinhaltet den Begriff der “Herrschaft”. Es gibt also eine verfasste Bürgerschaft, die legitmiert ist, Regeln aufzustellen und ihre Einhaltung durchzusetzen. Diesem Prinzip stimme ich ausdrücklich zu. Hätte ich diesen Satz vor 25 Jahren gelesen, ich hätte ihn mir um die Ohren gehauen. Aber Anarchie, da wird mich wohl niemand mehr vom Gegenteil überzeugen, ist einfach nicht machbar. Die Logik, daß die Anwendung von Gewalt eingedämmt werden muß, ist nicht von der Hand zu weisen. Es ist das Verdienst der Dynamik einer offenen Gesellschaft unter Beteiligung aller, wenn die Maßnahmen zu dieser Eindämmung so niederschwellig wie möglich ausfallen. Selbstverständlich geht Einsicht vor Kontrolle.
Genau dies aber wäre das demokratische Prinzip. Das Volk, die vielen, müssen eingebunden sein. Beteiligt, weil ihnen etwas liegt an ihrem Staat und beteiligt, weil sie die Ressourcen dazu haben: Bildung, Information, Muße. Man konfrontiere die politische Realität dieser Tage mit diesem Anspruch!
Das muß der Leser nicht wissen
Und man konfrontiere damit den “Qualitätsjournalismus”, der von sich behauptet, er stelle Fragen und kläre auf. Ihre “Aufklärung” besteht quasi flächendeckend darin, immer dieselben “Experten” zu zitieren, deren Komptenz nicht nur von linken (und) Bloggern angezweifelt wird. Außerhalb der Landesgrenzen gelten diese Genies zumeist nämlich als Scharlatane.
Und wo sind sie denn, die Fragen, die da gestellt werden? Welcher Journalist beachtet auch nur die oberste Direktive der Kritik, die Frage “cui bono“? Was man tatsächlich an Informationen erhält über das Geschehen hinter den Kulissen, ist dementsprechend. Längst wurde gar der Offenbarungseid geleistet, Journalisten hätten quasi die Wahl, etwas zu wissen oder darüber zu berichten. Zitat: “Das muß der Leser nicht erfahren“.
Das Bild, das wieder eine Berliner “Republik” prägt, ist das eines Bürgers, der beherrscht wird und sich zu fügen hat. Der nichts weiß und das gut findet. Der oberste Souverän, der sich und den Institutionen die Regeln eigentlich selbst geben soll, wird von den selbsternannten “Aufklärern” zum tumben Stimmvieh degradiert. Dies ist das exakte Gegenteil dessen, was ich unter “mehr Demokratie” verstehe.
August 8th, 2010 at 16:53
Kommunistisch, das ist doch nur ein “Namensschild” für eine andere Form der Ausbeutung, jedenfall so, wie diese Idee bisher umgesetzt wurde. Da ist der Vergleich mit den Urchristen passend. Das waren meines Erachtens die ersten “Kommunisten”.
Demokratie, sage ich immer wieder, ist nur die Diktatur der Stimmenmehrheit. Gerechtigkeit sieht anders aus. Echte Demokratie auch. Also auch nur ein “Namensschild” für eine Methode der Ausbeitung der Masse. Die aber in dem Glauben lebt, deswegen schlechte Bildung für die Masse, jeder sei seines Glückes Schmied.
Aber die “Schmiede” sorgen schon dafür, dass der Rest der Masse nicht zu schlau wird, dieses Spiel zu durchschauen.
August 8th, 2010 at 17:39
Interessant, die Ausführungen, aber ich persönlich bleib dabei: Wir leben bereits in der Anarchie.
Der Neoliberalismus ist nämlich, für mich persönlich, eine Art reinster Wirtschaftsanarchie, d.h. die “Eliten” dürfen sich alles erlauben, und pfeifen sogar auf geringste moralische Maßstäbe. “Die Anderen” sollen sehen wo die bleiben.
Gruß
Bernie
August 8th, 2010 at 17:41
Wer dies so nicht glauben will, dem empfehle ich einmal das Buch “Die Gangsterwirtschaft” von Jürgen Roth. Wie bereits erwähnt, alle die nicht zur “Elite” gehören leben in einem real totalitär-neoliberalen Gemeinwesen, wo neuerdings sogar wieder “Arbeitspflicht” von unseren unmoralischen Wirtschafts”weisen” gepredigt wird, während die sich jede Freiheit – auch gegen geltende Gesetzgebung – gewähren. Ich denke einmal so etwas geht nur im Lande der obrigkeitshörigen Deutschen, wo anders wäre eine solche Verhaltensweise längst der Grund diese “Eliten” zum Teufel zu jagen…
Gruß
Bernie
August 8th, 2010 at 19:34
Der Bürger möchte ja anscheinend nichts wissen, es sei denn Sportergebnisse, Klatsch und Tratsch aus der Regenbogenpresse. Die Wahlbeteiligungen sprechen für sich, sämtliche Regierungen hier sind real betrachtet doch gar nicht legitimiert. Meiner Ansicht nach werden die Menschen bewusst verdummt, wer sich das gefallen lässt ist selber Schuld. Alle anderen werden ebenfalls untergehen am Tag X…
August 8th, 2010 at 20:08
das wort qualitätsjournalismus ist zu schwach. richtig muss es heißen: exzellenz-journalismus.
August 8th, 2010 at 22:02
Das Video ist ja sehr erhellend. Besonders deprimierend die geleerte Bundespressekonferenz, wo die Journalisten anscheinend aus Gründen der beruflichen Eifersucht (also der Karriereplanung) überhaupt keine Fragen stellen (die Klimakonferenz in Montreal ist dabei auch kein Nebenthema gewesen) und ihrer eigentlichen Aufgabe überhaupt nicht mehr nachgehen: kritische Öffentlichkeit herzustellen, politische Prozesse sichtbar machen und sich nicht zum Hilfsarbeiter für die Eliten zu machen, bloß weil ein paar Lachshäppchen auf dem Weg dahin liegen.
August 8th, 2010 at 23:42
Gesellschaftlicher Frieden kostet Geld. Er erfordert das Vorhandensein angemessen entlohnter Arbeitsplätze quer durch alle Gesellschaftsschichten und bedingt damit höhere Kosten in der Unternehmenswelt. Nach Adam Riese scheißt man jedoch auf die Einnahmen durch die Schichten, die derzeit nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Allenfalls quetscht man deren letzten Spielraum durch noch teurere Kredite aus.
So gewinnt auch das Gerede vom hier kürzlich durch den Kaokao gezogenen Professor Hastig traurige Bewahrheitung. Kaufkraft in der Unterschicht stört und behindert das Wirtschaftswachstum.
Den Rest der Gesellschaft, der noch gut oder halberwegen klarkommt, verblödet man mit Angstgespenstern wie Gewalt, egal ob durch Terrorismus oder dem entfleischten Prekariat. Das macht jeden dazu bereit, sich allen weiteren Einschränkungen, Überwachungen und Entmündigungen zufrieden hinzugeben.
Wir steuern mit voller Kraft voraus auf Big Brother zu. Für eine Revolution wird man uns keine Handbreit Platz geben.
August 9th, 2010 at 00:22
Mal eine ganz saublöde Frage:
Ist der Mensch an sich eher Demokrat oder eher ein Fascho?
Ernsthaft.
August 9th, 2010 at 00:47
Fascho ist der falsche Terminus, weil zurecht negativ belegt. Jeder wird sofort Nein sagen. Faschist, also Rutenbündel, liegt in seiner Natur. Eine Bestie, die nur satt friedlich ist. Intelligenz bestimmt dabei nur die Wahl der Waffen, aber nicht das ob.
August 9th, 2010 at 00:52
Demokrat ist er “an sich” sicher nicht. Es gibt einen wunderbaren Aufsatz von Freud: “Das Unbehagen in der Kultur”. Kann ich zur Reflexion über diese Frage sehr empfehlen. Daß auch und gerade Freud kritisch gelesen werden muß, versteht sich. Kreativ gelesen, steckt in seinen Schriften ein wahrer Schatz. Leider ist auch die Psychoanalyse durch Sektenbildung degeneriert.
August 9th, 2010 at 06:09
Angesichts der herrschenden Zustände von “mehr Demokratie” zu reden, ist dem Szenario vergleichbar, in dem der Blinde eine opulentere Lightshow wünscht.
Wer in den letzten Jahren eine Redaktionskonferenz einer deutschen Tageszeitung miterleben durfte, dem treibt die gepostete (wichtige!) Doku nur ein müdes Weinen ins Gesicht. Die Zustände sind nicht neu, nicht geheim und in keiner Weise einer positiven Veränderung ausgesetzt.
Journalismus bedeutet heute (wie schon seit einigen Jahren) eine durch wenige Feigenblätter kaum verhüllte Prostitution der angestellten oder freien Journalisten, im Sinne ihrer Auftraggeber zu handeln. Wer das nicht (mehr) mitmacht, fliegt raus.
Der Zug ist abgefahren – von diesem Exzellenz-Journalismus, wie Herr Baum richtig bemerkt, ist nichts zu erhoffen oder zu erwarten. Gerade die wenigen Feigenblätter, die das Scheinbild der “demokratischen Kontrolle” aufrecht erhalten sollen, sind doch in Wahrheit deren Sargnägel.
Und wir stehen staunend und mit offenem Mund am Bahnsteig, schauen den entschwindenden Rücklichtern hinterher und spüren nur allzu deutlich die Gewehrläufe, die sich uns wieder in den Rücken bohren.
August 9th, 2010 at 09:37
“Noch die schönste Herrschaftsform hat ihre Hässlichkeit daran, dass in ihr wer beherrscht wird. Als die Volksherrschaft („Demokratie“) im alten Griechenland erfunden wurde, waren die Beherrschten Lebewesen, die man nicht lange mit Zeitverträgen, Kirchensteuer, Hartz IV und Social Networks verwirrte, sondern lieber gleich als Sklaven hielt und in vornehmer antiker Deutlichkeit auch gar nicht anders nannte.”
Dietmar Dath, Das große Plebiszittern, konkret 08/2010 S.9
August 9th, 2010 at 12:58
In einem Land, wo knapp 10% der Bevölkerung über 60% des gesamten Bargeldbermögens verfügen, weitere 40% der Bevölkerung über gar kein relevantes Bargeldververmögen, in dem praktisch die gesamte Politik, die gesamte Wissenschaft, fast alle großen Medien gekauft wurden als Knechte, Diener und Hofschranzen eben jener superreichen Elite dienen, wie kann man da zu “mehr Demokratie” gelangen, praktisch mit LEEREN Händen, d.h. völlig machtlos?
“Massenhaft auf die Strasse gehen”? Na und? Wen interessiert das überhaupt?
Gibt es bisher auch nur eine einzige relevante Partei, auch nur eine einzige relevante Gewerkschaft, welche ernsthaft die heutige Zustände überwinden möchte, so dass wir tatsächlich zu mehr Demokratie für ALLE BÜRGER kommen könnten?
Ich sehe keine.
Politik, “Wissenschaftsbetrieb”, Gewerkschaften und fast alle Medien spielen Tag für Tag in diesem Land jene Musik, welche von obigen 10% des reichsten Teils der Bevölkerung bestellt und bezahlt wurde. Der Rest der hiesigen Bevölkerung(Deutsche und “Migranten”) tanzt mehr oder weniger freiwillig dazu, eine gewisse “Mitte”, d.h. unser “staatstragendes” Spießbürgertum(darunter die Masse der CDU/CSU/SPD/FDP/Grünen Wähler!) grunzt und rülpst vorerst noch dazu satt-zufrieden dazu.
Auch dort, in jener “Mitte” gelüstet es praktisch niemanden nach “mehr Demokratie” – allein schon aus Angst, mit dem “Pöbel” in den unteren Bereichen der Gesellschaft am Ende teilen zu müssen, sozial “abzusteigen” zu Gunsten anderer, von denen man sich doch so klar und deutlich wie möglich abgrenzen möchte.(siehe nur deren absolut feindliche Haltung zu einer auch nur ansatzweise demokratischen besseren Bildungspolitik!)
Unsere ökonomisch ungeheuer mächtigen Eliten und dass sich ihnen ekelhaft anschmiegende, ihnen allseits gern dienende Spießbürgertum sind der tatsächliche Feind, das tatsächliche mächtige gesellschaftliche Hindernis einer jeden wirklichen Demokratisierung in Deutschland.
Dieser demokratiefeindliche reaktionäre Block der Schmarotzenden und Beharrenden, satt-zufrieden Rülpsenden könnte nur geknackt, aufgebrochen werden duch die Organisierung einer wahrhaft demokratischen Alternative von Unten, in welche sich diese Millionen Menschen von Unten, ob Arbeitende UND Arbeitslose, Rentner und Schüler/Studenten(aus eifachen Verhältnissen kommend!) zu GEMEINSAMEN politischen UND ökonomischen Kämpfen verbinden, ohne jeglichen Opportunismus, mit einem, sagen wir es ganz offen: Klaren Feindbild! DIE oder WIR, dass sollte dann schon klar sein!
Wem das zu “radikal” ist, nun, der soll sich eben auf die “andere Seite” begeben, ganz offen und ehrlich, ohne verlogene Ausflüchte.
Jedes feiges, verlogenes “menschelndes” Geschwätz ohne klare Positionen hilf nur weiter, den heutigen Status Quo zu zementieren.
August 9th, 2010 at 13:34
@Bakunin: Ich halte es für groben Unsinn, Freund-Feind-Schemata anzulegen. Ein Extremismus der Methoden birgt keinen relevanten Vorteil, im Gegenteil. Das Prinzip “die oder wir” kann sich nur jemand leisten, der weiß, daß er am längeren Hebel sitzt. Schorsch Kabeljau Bush war so einer. Das Prinzip ist völlig fatal und exakt das “revolutionäre” Gebaren, das sich auf die Auslöschung der Konterrevolutionäre fokussierte. Das Ziel dessen ist die Macht, und es würde kein Halten geben, wenn die einmal erreicht ist. Das Prinzip ist dikatorisch, und wer nicht gelernt hat, daß die des “Proletariats” nicht besser und am Ende immer gelogen ist, hat nicht viel kapiert. Stalinismus ist keine Erfindung der Reaktion, den gab und gibt es wirklich.
Eine Welt von Parteigängern ist das, was wir haben, das muß niemand zuspitzen. Es geht nicht darum, wofür oder wogegen wer ist. Es geht darum, miteinander das best mögliche zu erreichen. Die Konnkurrenzgesellschaft durch eine totale Spaltung überwinden zu wollen, ist völlig absurd.
August 9th, 2010 at 14:38
Hallo flatter, schade, dass du dir keine DEMOKRATISCHEN Organisationen der großen Masse der Lohnabhängigen, Arbeitslosen, Rentner u.v.a. “kleiner Leute”(in dieser Klassengesellschaft) vorstellen kannst, die dennoch sehr genau wissen, unterscheiden(müssten), wer auf ihrer Seite und wer auf der anderen steht.
Was den so genannten “Stalinismus” angeht, so kann sich jeder sehr leicht selbst darüber informieren, inwiefern er vor allem ein Produkt der damaligen historischen Umstände war, wie sehr sein Zustandekommen auch den Verrätern, Überläufern und gekauften Halunken = KONTERREVOLUTIONÄREN so vieler ehemals “Sozialistischer Arbeiterparteien” der II Internationale zu verdanken ist, dem Verrat und Überlaufen dieses Gesindels 1914, ihrem Schmierestehen für die 1918/19 noch immer an der Macht befindlichen imperialistischen Kriegsverbrecher aller damals “führenden Nationen”.
Merke: Ohne die deutschen und übrigen “interantionalen” “Noskes” , “Scheidemanns”, “Kautskis” und “Eberts” von 1914/18/19 keine Hitlers, Mussolinis, Frankos UND STALINS!
Und dass die einstige SU, ihre späteren Verbündeten(darunter auch und gerade die DDR) in Osteuropa einem gnadenlosen Kalten Krieg, einem erbarmlosen Tot -u.Wettrüsten ausgesetzt waren, welches diesen Gesellschaften gewaltige materielle Mittel entzog, warum verschweigst du das bei deiner “Angst” vor der “Diktatur des Proletariats”?
Dass diese Herrschaften darüber hinaus auch eine Menge vermeidbaren Mist gebaut haben werden viele Kenner der Materie nicht bestreiten.
DIESE Fehler müssen ganz selbstverständlich untersuct werden um eine eventuelle Wiederholng zu vermeiden.
Aber zurück zur Gegenwart: Wir leben in einer Diktatur des Kapitals, der “Bourgeoisie”, vorerst noch in einer “sanften” mit “zivilen” Anstrich, aber auch nur so lange, wie wir uns alle diese weiter murr- und klaglos, vor allem aber widerstandslos gefallen lassen.
Seltsam: Von Oben findet seit Jahren brutalster Klassenkampf statt, mit klaren “Feindbildern” unserer GEGNER, klaren Verständnis bei IHNEN von “uns”, “wir” und – “denen”(WIR!) dort “unten”.
Und die, GEGEN welche diese Veranstaltung seit Jahren zu deren ungeheueren Nachteilen betrieben wird, sollen kein Feindbild haben, nicht UNTERSCHEIDEN zwischen sich als den Getretenen, Ausgebeuteten, Ausgenutzten, oftmals sogar ganz “offiziell” Verachteten und jenen, welche sie ausbeuten, treten, verachten?
Sehr seltsam, dein “Demokratieverständnis”!
Bei SO einem wird wohl am Ende alles bleiben wie es ist…..
August 9th, 2010 at 16:11
@Bakunin: Welche Möglichkeiten der Unterhaltung und Zerstreuung sieht eigentlich dein gesellschaftliches Konzept vor (ausser Hinrichtungen natürlich)? Nimmst du mir meine XBox weg?
August 9th, 2010 at 16:18
Auch ich sehe in den Besitzverhältnissen vielleicht das größte Hindernis ‘wirklicher’ Demokratie. Und setze ebenso am ehesten auf eine ‘Graswurzelbewegung’, die vor allem dadurch politisch wäre, dass sie eine ‘neue Ökonomie’ erprobte.
Was das ‘Feindbild’ angeht, bin ich aber ebenfalls skeptisch. Nicht wegen drohender ‘Totalität’, sondern weil es wie in der Revolutionslyrik, die wohl ua noch von DKP und anderen gepflegt wird, irgendwie darauf hinauszulaufen scheint, das Proletariat zur herrrschenden Klasse zu erheben, wo es doch eigentlich um die Beseitigung der Klassengesellschaft gehen sollte. Es besteht beim gepflegten Feindbild die große Gefahr, dass die ganze Choose wieder nur im Klassenkampf, in der ‘Politik’, stecken bleibt.
Der Aufbau von etwas Neuem, während das Alte langsam dysfunktional wird, erfordert das mE auch gar nicht in dem Maße (und könnte als Aufgabe vielleicht auch schon schneller anstehen, als uns vielleicht lieb wäre, siehe Vorgeschmack in zB Argentinien). Ich würde da auch nicht mit ‘bist du nicht für uns, bist du gegen uns’ operieren, sondern ‘nur’ mit ‘machst du mit oder nicht?’.
August 9th, 2010 at 16:20
Man sollte es doch nochmal lesen vor’m Posten: “Nicht nur wegen drohender ‘Totalität’” sollte es natürlich heissen…
August 9th, 2010 at 18:38
@Bakunin:
“Bei SO einem wird wohl am Ende alles bleiben wie es ist….”
Wenn ich König bin, nicht. Und die Auserwählten für deine Revolution, das wird noch das größere Problem sein, zählen keine hundert. Ob’s auch ein wenig am Konzept liegt?
August 9th, 2010 at 18:48
Andreas F. meint:
August 9th, 2010 at 16:11
@Bakunin: “Welche Möglichkeiten der Unterhaltung und Zerstreuung sieht eigentlich dein gesellschaftliches Konzept vor (ausser Hinrichtungen natürlich)? Nimmst du mir meine XBox weg?”
Hallo Andreas, solche kleinen “lustigen” Beiträge sind leider nicht geeignet, nach ernsthaften Alternativem für die heutigen zunehmend barbarischen Zustände zu fahnden.
Wo stand eigentlich etWAS vom “Erschießen” von Feinden? Reicht es nicht völlig aus, ihnen ihre ungeheuere gesellschaftliche, d.h. vor allem ökonomische Macht zu enteißen, sie auf das “Niveau” normaler Bürger zurechtzustutzen?
Sprach ich nicht überhaupt von DEMOKRATISCHEN ORGANISATIONEN?
Es geht um wirkliche Freiheit für alle, Demokratie für alle, möglichst große Gleicheit für alle, aber nicht um eine neue Diktatur, unter welchen Namen auch immer?
Oder siehst du in den heutigen Ausbeutern, Parasiten, Abstaubern und deren medialen und politischen Lakaien und Hofschranzen etwa “Kameraden”, gute nur “leider” … “verirrte” Zeitgenossen?
Dann geselle dich auch offen und ehrlich zu ihnen!
In zukunft zuerst Nachdenken, dann posten!
Oder sind wirklich klare Positionen nicht doch SOOO sehr erwünscht???
August 9th, 2010 at 20:11
[...] so viel “Aufklärung” schon zu brutal für den Zuschauer und Leser? Gehört das auch zu dem, was er “nicht erfahren muß” [...]
August 9th, 2010 at 22:49
Wer war zuerst da? Henne oder Ei?:
“Niemand von den Journalisten stellt eine wirklich interessante Frage, um sie anschließend seinen 50 Kollegen sozusagen frei hinzugeben und zur allgemeinen Verbreitung freizugeben. Die wirklich kitzligen Dinge passieren nicht hier in der Bundespressekonferenz, sondern eher dann in Cafés, im Hinterzimmer, wo man Informationen bekommt. Nicht hier.”
Der Journalist der für Stunden klüger sein will als seine Kollegen oder die geheimnisvolle Stimme: “Pst! Wolle Info? Komme mit!”
@ Hans Baum #5
Volltreffer – Das werd ich mir merken: Excellenzjournaille!
@ flatter #
“Wenn ich König bin, nicht.” *freu* ich bin sowieso für die Monarchie!Warum? In einer Monarchie kann ein Schwachsinniger auf den Thron kommen – in der Demokratie ist es wahrscheinlich!” (flatter, Du bist mit dem Schwachsinnigen nich gemeint) Also, alle im Chor: “flatter for Emperor!”
August 9th, 2010 at 23:29
Ich könnte mich rein theoretisch für beide Modelle und Sichten erwärmen, bin aber dennoch etwas belustigt über den festen Glauben der Protagonisten B. und F., da ich so ziemlich gar keinen Rückhalt in der Bevölkerung sehe. Der Deutsche ist von Natur aus ein biedermanngebeutelter Duckmäuser. Es gäbe schon jetzt genügend Anlaß für tausende von Empfängern des Hartz-IV, sich tagtäglich vor den Bundestag zu stellen und zu demonstrieren. Zeit genug wäre auch da. Stattdessen wird der Vollstreckungsgehilfte namens Arbeitsvermittler dichtgeleiert.
Die Bildungspolitik in diesem Land ist destaströs, noch desaströser – wie allgemein in allen Punkten – ist das inhaltliche und praktische Gebahren jener, die sich da Politiker nennen. Wo bleibt das alarmierte Volk?
Wenn sich schon die schlichte Idee des Protestes in einem demokratisch gelabelten Staat der Masse nicht erschließt, wie sollten sich Eure Ansätze erschließen?
Der Deutsche ist ein kleinkarierter Duckmäuser. Ein Radfahrer. Nach oben buckeln, nach unten treten. Biedermeier mit der Pünktlichkeit eines Uhrwerks und feindbilderfahren.
Von Eurer Veränderung wird gar nichts. Dann schon eher eine Art Revolution, wenns dem Deutschen Michel denn schlecht genug geht, als dass man ihm Feindbilder aufschwätzen kann, deren Köpfe rollen sollen.
August 10th, 2010 at 01:00
Herr Liebreiz meint:
August 9th, 2010 at 23:29
“Ich könnte mich rein theoretisch für beide Modelle und Sichten erwärmen, bin aber “…
Dieser “Kulturkritik” an den “Deutschen” könnte auch ich mich ohne nennenswerte Vorbehalt anschließen, aber wo ist da ein Ausweg, wo und wie kann diese verhängnisvolle “Kultur” gebrochen werden?
Bildungspolitik etwa???
August 10th, 2010 at 01:37
@Bakunin: Worauf willst du eigentlich hinaus? Die Lösung aus dem Dilemma, morgen früh und defintiv? Übe dich in Geduld, mein junger Caravan, die Wand ist sträker als dein Kopf.
August 10th, 2010 at 10:25
flatter meint:
August 10th, 2010 at 01:37
@Bakunin: “Worauf willst du eigentlich hinaus?”
Eigentlich darauf, irgendwie daraufhin mitzuwirken, dass die noch immer Millionen(!) von Beharrenden, Verharrenden, zuweilen auch schon Schimpfenden, zur Zeit aber gesellschaftlich total Ohnmächtigen aus ihrer jetzigen politischen Lethargie erwachen, sich für eine bessere und vor allem lebenswertere Zukunft engagieren, auch für ihre oftmals mehr als berechtigten ökonomischen Interessen(siehe Niedriglöhne, Leiharbeit,mehr und mehr Rechtlosigkeit als AN u.v.a.), sich endlich von Lug und Trug, korrupten gekauften Politikern und Parteien abwenden, auch korrupten gekauften Gewerkschaftsführern…, sich gleich und frei und demokratisch organisieren für hoffentklich gemeinsame(!) Ziele.
Auch und gerade die Gewerkschaften müssten wieder zu neuem Leben erwachen, was ich mir nur basisdemokratisch vorstellen kann.
Wie sonst könnte der Herrschaft und unglaublichen Willkür, der fast schom Allmacht von Kapital und dem diesen hörigen Parteienstaat eine glaubhafte Alternative entgegengestellt werden?
Vernünftige Forderungen müssen immer am Anfang stehen, klar.
Aber müssen nicht auch schlagkräftige Organisationen(Parteien, Gewerkschaften, etc..) her, die diesen Forderungen bei einem Nicht-Entgegenkommen unserer vor so viel Macht schon trunkenen Herrschaften den nötigen Nachdruck verleihen, diese also letztlich ZWINGEN könnten, derartigen vernünftigen, umsatzbaren Forderungen nachzukommen?
Gegenwärtig sitzen unsere Feinde, wie du weiter oben richtig bemerktest, NOCH am “längeren Hebel”, wie wahr.
Aber sollten wir dann nicht bald ans Werk gehen, ihnen diesen “Hebel” nach und nach auf ein weniger bedrohliches Maß zurechtzustutzen?
Mit dem Hochhalten von Plakaten allein wird jedenfalls nichts zum Besseren verändert werden können, ebensowenig mit dem Wählen der immergleichen Parteien mit ihren (fast) immergleichen Polit-Fratzen und deren immergleichen leeren Phrasen und Wahlversprechen, immer gleichen Volksverarschung.
Den “Hauptschlüssel” für wirkliche Veränderungen sehe ich dabei nach wie vor bei der großen Masse der Arbeitnehmer liegen, vorausgesetzt, sie überwinden alle die ihnen aufgezungenen inneren Spaltungen und treten GEMEINSAM auf, längerfristig natürlich auch gemeinsam mit allen anderen interessierten Kräften aus den verschiedensten Schichten der Bevölkerung.
So in etwa stelle ich mir das vor….. oder/aber… ??
August 10th, 2010 at 11:12
Es gibt nicht “den” deutschen Michel … genauso wenig wie “den” HartzIV-Empfänger oder “den” Linken oder “die” Unterschicht als zu mobilisierendes Gefüge.
Man sollte sich da einfach nicht der Realität verweigern. In Bottrop wie in Rostock, in München wie Berlin oder Hamburg gibt es Individuen, da gönnt der Olaf dem Öckan seinen Bierkasten nicht und der Fahdi neidet dem Nguyen seinen Gemüsestand. Der Dieter geht nach Feierabend im zweiten Job noch mal schnell für 3 Stunden neben der Steuer schuften, während die Gabi vor der Glotze hängt und die beiden Kinder (1 und 4 Jahre) in der Küche mit Papas leeren Bierflaschen spielen. Der Marxist pieselt dem Linksparteiwähler ans Bein, weil der demokratisch gestalten will, während dieser den Trotzkisten anzinkt, weil der mal wieder auf der Demo vermummt rumgelaufen ist und dem Piraten-wählenden Bullen Bruno (der wegen seiner 4 Kinder und ´ner kranken Frau mit seiner Kohle grad so über die Runden kommt) ´nen Pflasterstein an die Birne gekloppt hat. Rentner vs. Jugend, Beamte vs. Arbeiter/Angestellte, Frauen vs. Männer, und innerhalb der Gruppen jeder vs. jeden
Dabei wollen sie eigentlich alle nur ein ruhiges, friedliches, erfülltes, sozial abgesichertes und stressfreies Leben für sich und ihre Familien. Und das erreichen alle durch mehr oder minder gestaltete Anpassung an die gesellschaftlichen Vorgaben und Normen sowie Aus- und Abgrenzung von bzw. gegenüber allen und jedem. Alle sind Teil des Systems – sind gekauft, bestochen, korrumpiert, per Lebensdefinition konsumgesteuert.
Es geht uns immer ein bisschen besser als jemandem anderen und genau das wird uns tagtäglich vor Augen geführt. Aber selbst wenn die Mehrheit der Deutschen unter das Existenzminimum rutscht, wird wieder auf das Ausland verwiesen und Statistiken bemüht, die uns im internationalen Vergleich im Mittelfeld verweilen lassen, uns abgrenzen und auf andere verweisen lassen, denen es schlechter geht.
Subtile Indoktrination. Aufgabe der Medien. Wer aber sind “die” Medien? Wer schreibt für die und warum? Wer liest und sieht sowas? Wenn keiner für den Sermon bezahlt, keiner die Seiten klickt und niemand sich mehr für Paris Hiltons Möpse interessiert, wo bleiben dann die heutigen Qualitätsmedien?
Wer sagt uns dann, was gut und was böse ist …. ^^
August 10th, 2010 at 18:08
Ich möchte Dich nicht enttäuschen, aber es gibt sie. Es gibt die Unterschicht. Und sie wächst stetig. Wann habe ich zum ersten Mal das Wort Quartiersmanagement gehört? Vor zwanzig Jahren oder ist es länger her? Es ging um Kreuzberg. Damals war es noch das Phänomen einer wachsenden Mittelschicht, die die Paar mehr verdienten Penunzen zum Anlaß nahm, sofort aus einen vermeintlich “schlechten” Viertel wegzuziehen. Vermeintlich schlecht, weil aufgrund der Mieten Kreuzberg und Neukölln nunmal beliebtes Zuzugsgebiet waren. Selbst Migranten, denen es besser ging, machten schnell den Schuh.
Heute ist es so, dass die Vermieter typischer Butzen in schlechten Lagen, die in den Stadtteilen sich immer weiter ausbreiten, die Buden exakt zum Wert der sog. KdU (Kosten der Unterkuft) anbieten, während sich die “besseren” Stadtteile durch höhere Mieten, “freiwillige” Selbstaufkünfte (Schufa) und Co. vor der Klientel X schützen. Wer Hartz IV bezieht, egal ob als Niedrigverdiener aufstockend oder als vollständige Lebensgrundlage, bekommt keine andere Wohnung als dort wo alle “Empfänger” leben.
Durch das Einzugsprinzip der Schulen sammeln sich dann auch die Kinder der Leistungsempfänger in der Schule.
Wenn Dir das als Kind passiert, bist Du heutzugtage ein Kind von dreissig Kindern, deren Eltern Hartz IV empfangen. Du bist eines von dreissig Verliererkindern. Das prägt Deine Perspektive entscheidend. Selbst wenn Vaddern Arbeit (900.- Euro Netto im Dreischichtbetrieb sind keine Seltenheit) hat, müssen beide auf die ARGE rennen, sich entblößen, sich rechtfertigen und statt mit dem Zuschuß für die Klassenfahrt, kommt Mutti weinend mit Drohnungen der Arbeitsvermittler nach Haus. Da lernt ein Kind als erstere, “wie sehr sich Arbeit doch lohnt”.
So werden die Bürger ganzer Stadtteile entfleischt und verroht. Als Kind spielst Du zwischen Fixern, Säufern, stets sichtbar anwesender Gewalt und lernst Dich zu verteidigen.
Du lernst keine Sozialkompetenz, sondern Du lernst das Mitleid gefährlich ist, bis Du es vergißt, dass es welches gibt oder Du lernst solche Werte gar nicht erst kennen.
Du spielst mit Kindern einer wachsenden Subkultur, deren Wertsetzung Überleben, Tricksen und Gewalt ist. Die nicht wüßte, was Lesen (z.B. diesen Blogs) bringen sollte, die den Wert des Wortes “Chance” nicht kennt, weil dort Chancen anders berechnet werden.
Das ist eine Schicht. Ich hätte auch gerne, dass es allen besser geht. Ich würde auch einiges dafür tun. Und mache das auch. Aber wir verändern nichts, indem wir die Menschen gleich reden, damit es besser klingt.
Zu den restl. zwei Absätzen kann ich ansonsten nur zustimmen.
August 11th, 2010 at 00:09
Von ’84 bis ’90 hatte ich auch’mal das “Vergnügen” Wohnraum zu vermieten, dann war ich die Bude glücklich los. Ich sach’ Dir, da erlebste Sachen …
August 11th, 2010 at 11:25
@ #28 (Herr Liebreiz):
Ich möchte diese “Schicht” nicht wegreden oder ignorieren, sondern wollte darauf hinweisen, dass auch die Betrachtung der “Eingeschichteten” differenziert erfolgen muss.
s. auch mein Post zu den Bloglesern u30 hier bei feynsinn (bezgl. meiner Nichten, ihrerseits Teil dieser Unterschicht)
Dazu muss ich darauf hinweisen, dass erst die Trennung ihrer Eltern zu der traurigen gesellschaftlichen Entwicklung geführt hat, da beide eine sehr wohl behütete und bildungstechnisch ausgereifte Vorentwicklung vorweisen können. Es spielen also so viele Faktoren und Nuancen bei der Drift in den Abgrund eine Rolle, dass man diese Schicht nicht als homogene “Masse im Aufruhr” empfinden darf. Sie haben zumeist nur eins gemein: gesellschaftliche Ausgrenzung und Statusverlust und damit verbunden … Armut und Diffamierung.