Da bekomme ich einen Einlauf, weil ich Texte auch verkaufe, obwohl ich erklärtermaßen darum bemüht bin, selbst dabei gewisse Prinzipien einzuhalten. In diesem Blog verzichte ich auf die durchaus einträgliche Werbung für Waren von Amazon, weil ich Berichte über die dortigen Arbeitsbedingungen nicht ignorieren kann. Und so mancher kritisierte mich auch ob der Werbung für Mode aus Hanf, weil das ja schon kommerziell sei.
Die Welt ist schlecht. Man kann sie ein bißchen weniger schlecht machen oder schlechter, oder man kann alles gleich schlechtmachen, weil man damit auf der sicheren Seite ist. “Ich hab es euch ja gesagt”, heult man dann überlegen und tut, was sonst ein anderer täte. Eine Sünde ist wie die andere, wir sind alle Verbrecher. Am Ende ist kein Unterschied mehr zwischen einer Auftragsarbeit für einen Handwerker (Kapitalist) und der Vorbereitung des nächsten Holocaust.
Wenn man es sich weniger einfach macht, in die Niederungen der Kategorien steigt und die Grenze dessen sucht, was noch geht und was nicht mehr, trifft man auf Zweifelsfälle. Wohl dem, der nicht jedem erliegt und derart Schritt für Schritt den Zweifel mindert, wenn es nur das Einkommen mehrt. Und wehe dem, der es nicht einmal merkt, wenn er sich zum Büttel macht, zum Hofnarren, zur lächerlichen Figur. Allein die Vorstellung, noch von denen verachtet zu werden, die mich bezahlen, wäre mir ein Greuel.
Alle Spiegel abhängen müsste ich freilich, würde ich im Akkord Artikelchen abliefern, die nach Schleichwerbung förmlich stinken und das meinen Lesern als “seriösen Qualitätsjournalismus” unterzujubeln die Stirn hätte. Womit wir endlich beim Thema sind: Zuletzt sah ich mich häufig genötigt, die FAZ zu loben, einfach weil sie ihr Niveau gehalten hat, während fast alle anderen in den letzten Jahren souverän die noch erträglichen Schichten des Niveaus untertunnelt haben. Auch wenn das Blatt immer noch ziemlich weit rechts liegt und Schwurbel-Schirrmacher mich schwindeln macht, war es oft regulär lesbar.
Was aber dort inzwischen Usus ist an Verhökerjournaille, stürmt alle Charts. Allein in den letzten acht Tagen fielen mir drei Machwerke groben Gefälligkeitsgeschmieres auf. Das begann mit der Eloge auf klobige Fertighäuser (“Größer, edler, schöner, sparsamer“), setzte sich fort mit der fetischistischen Schleichwerbebroschüre für ein Auto (“Aufstand gegen die Erdanziehung“) und endet heute in dem “Müsst ihr sofort kaufen”-Geschwafel über das Macbook (“ein Objekt der Begierde, das man einfach haben muss“).
Wer soll ein Blatt noch ernstnehmen, das derart schamlos seine Käuflichkeit zur Schau stellt? Da kann ich ja gleich wieder SpOn lesen.
November 3rd, 2010 at 19:34
Ich finde man sollte bei Onlinepublikationen einheitlich und gut sichtbar die Tags “Prostitution” und “Schleimerei” einführen. Dann muss der Leser nicht alles anlesen und sich dann nach dem ersten Drittel aufregen, sondern kann direkt sehen, worum es geht und zum nächsten übergehen. Allerdings wohl nicht durchsetzbar, weil es zu viele Publikationen gibt, die erst lange überlegen müssten, ob noch andere Tags vorstellbar sind;-)
Im Ernst: Mitschwimmen zu müssen ohne dabei nass zu werden ist ganz schön kompliziert und wie mir ein Insider berichtet hat ist der Druck auch durchaus spürbar, der von der Anzeigenabteilung ausgeht.
Ich hoffe deine Spiegel hängen auch in einem Jahr noch.
November 3rd, 2010 at 22:18
Ich kann flatter gut verstehen. Mir ging es Mitte der 90ger Jahre so mit der Süddeutschen Zeitung. Nur dort konnte man lesen, daß die angeblichen “tschetschenischen Freiheitskämpfer” gar keine Tschetschenen waren, sondern – zumindest die komplette Führungsriege – wahabitische Saudis. Diese sprachen auch ausschließlich arabisch. Aber dann stützte die “Süddeutsche” auch ab.
Anfang der 90er Jahre hatte ich mich von der taz getrennt, weil sie unerträglich geworden war. Vom Spiegel hatte ich mich Ende der 70er Jahre getrennt. Von der jungen Welt habe ich mich auch vor ein paar Jahren getrennt.
Aber die Verlogenheit der Presse ist alles andere als neu. Schon Mark Twain hat was dazu gesagt. Ohne die Presse zu erwähnen trifft G. C. Lichtenberg – und da sind wir Ende des 18. Jahrh. – den Punkt ganz gut: “Vom Wahrsagen läßt sich’s wohl leben in der Welt, aber nicht vom Wahrheitsagen”. Vielleicht findet man sogar bei den alten Römern so was in der Art.
Übrigens: Die Verlogenheit der Vietnamberichterstattung – und vieles mehr – wurde doch schon in den 60-Jahren angegriffen. Konkret wurde auch der Springer-Konzern angegriffen.
Was soll man tun? Ich denke wir sollten es genießen! Nie zuvor – seit es so was wie den Brauch gab, sich einmal am Tag eine Zeitung zu kaufen – ist dieses Gesindel so bedroht wie heute. Der Presse geht es finanziell richtig schlecht. Und wenn sie sich früher einmal verkauften, dann müssen sie das heute zweimal tun, weil ihnen die Leser wegbleiben. Und während ihnen die Leser wegbleiben, werden sie auch noch immer schlechter. Flatters Artikel zeigt das ja.
Ich z. B. informiere mich nur noch über das Internet. Tagesschau/Heute/ntv gucke ich schon lange nicht mehr (weil ich gleich Pickel kriege!) .
Das ist die erste Strafe, daß es ihnen schlecht geht. Das sollten wir genießen.
Die zweite Strafe ist es, daß wir uns die “Täter” heute gut merken können. Z. B. diejenigen die aus Deutschland wieder einen mörderischen Kriegs- und Polizeistaat gemacht haben. Irgendwo habe ich eine Tussi abgespeichert, die sich mehr oder weniger für die Ermordung Milosevic’ im Haag aussprach.
Oder die verfassungsverbrecherischen (“verfassungsfeindlich” reicht einfach nicht!) Bundeswehroffiziere, die im aller Welt Leute ermorden, zu deren Folterung beitragen und deren Völker mit Uran (und anderem) vergiften. Besonders der MAD (“Militärischer Abschirmdienst”) mit seiner ungebrochen-nationalsozialistischen Gesinnung und seinem Frhr. v. Brandis!
Früher hätten wir alles auf einem Zettel aufschreiben müssen – wie lästig! Und wie oft hätten wir diesen verloren. Heute: Ein Klick und die Sache ist auf einer endlos großen Festplatte!
Der vorzügliche Georg Schramm zur verkommenen Gesinnung des deutschen Offizierscorps (wenn nur dieser Kluge nicht immer seine Gesprächspartner kaputtsabbeln würde): https://www.youtube.com/watch?v=a5fX7E7nbTI
November 4th, 2010 at 00:35
Nana, völlig off Topic und dann noch Jutjup. Genial, der Schramm.
November 4th, 2010 at 01:58
bin im zuge des sanftleben-links auf dieses schramm-video gestoßen, man lese sich einmal den top-kommentar (!) durch welcher mit 11 daumen-HOCH bewertet wurde:
https://www.youtube.com/watch?v=0UoAGUW0iPU
mir graut es
November 4th, 2010 at 10:00
@ # 3 flatter
“Nana, völlig off Topic und dann noch Jutjup”
Nee, jetzt! Aber Vielleicht hätte ich das noch genauer erklären sollen:
1.) Die “Tussi” war eine Journalistin.
2.) Und das Abspeichern können – bzw. ein eigenes Archiv führen zu können – geht mit bedruckten Zeitungen nicht wirklich. Bzw. würde man das lassen, weil zuviel Arbeit.
Und Abspeichern betrifft nicht nur konkrete Journalisten, sondern auch politische Akteure. Ja, gut, ich hab mir die Bundeswehr rausgegriffen. Ich hätte auch genauso gut die Banker-Bande, AKW-Lobbyisten oder Polizeistaats-Betreiber raussuchen können.
Mein Punkt sollte nur sein: Mit einer gekauften Zeitung geht das alles (“Archiv”) nicht. Und deshalb sehe ich mit Vergnügen dem sich anbahnenden Untergang der gekauften Schreiberlinge zu. Mark Twain, Tucholsky und anderen blieb dieser Genuß leider vorenthalten. Denn weder das Radio noch der (später auftauchende ) Fernseher waren in der Lage den Sensemann für die Zeitungen zu machen.
Jetzt aber doch mal “off topic”: Mark Twain zur Rolle des journalistischen “Interview”:
https://meedia.de/nc/details-topstory/article/mark-twain—der-erste-medienjournalist_100029025.html