Eine Niere für die gute Arbeit
Posted by flatter under Journalismus , Politik[28] Comments
03. Sep 2010 1:16
Journalisten haben wohl ein striktes Verbot, sich selbst und veröffentlichte Umfragen für bescheuert zu erklären. Hätte es noch eines Belegs bedurft, daß die rücksichtslos Umgefragten nicht kapieren, was man von ihnen will, heute hätten wir wieder mal eine.
Der “Deutschlandtrend“, abgenudelt vom Experten für sinnlosen Zahlenquark Jörg Schönenborn, hat festgestellt, daß die Befragten Steinmeiers “Arbeit” so gut bewerten wie nie seit ach egal. Zwar werden wir radikal über den Umstand aufgeklärt,
“Steinmeier hatte für Schlagzeilen gesorgt, als er seiner Ehefrau eine Niere spendete. Das dürfte ein wichtiger Grund für seine gewachsene Popularität sein”,
das ficht den Demagoskopen aber nicht an, völlig blödsinnige Trendanalysen daran zu knüpfen.
Dabei hätte ein Blick in “Statistik für Doofe” genügt, um dem Papierkorb zu geben, was des Papierkorbs ist:
“Eine Messung ist dann valide, wenn sie das Merkmal misst, welches sie messen soll oder welches sie zu messen scheint.”
Sich schon am zweiten Tag den Titel “Depp des Monats” abzuholen, ist immerhin auch eine Leistung. Herzlichen Glückwunsch!
September 3rd, 2010 at 02:11
Demagoskopen Ups, das Wort ist neu. Muss ich mir merken. Klasse. Danke @flatter. (Muss ich ein Copyright berücksichtigen?)
September 3rd, 2010 at 07:47
ich werde das wort ebenfalls übernehmen. nur schreibe ich etwas über umfragen.
September 3rd, 2010 at 08:53
Wow – und wenn Steinmeier zwei Nieren gespendet hätte, dann wäre er glatt an Guttenberg vorbeigezogen und bei drei Nieren wäre er Bundeskanzler geworden.
Prima fand ich auch die repräsentative Befragung von 1000 zufällig ausgewählten Atomkraftbefürwortern, die zu 83% für die Laufzeiterlängerung der AKWs sind, wenn ein noch näher zu bestimmender Teil der Gewinne in regenerative Techniken gesteckt wird. Nach meinen Berechnungen (Kaffesatz x Bauchgefühl) haben 98% der Bundesbürger nichts dagegen, wenn der in den nächsten 20 Jahren anfallende Atommüll unter dem Kanzleramt gelagert wird.
September 3rd, 2010 at 09:37
Das Erinnerungsvermögen des dank ThiloSa-Forte verblödeten Durchschnittsdeutschen hat nun mal eine Halbwertzeit von wenigen Wochen.
Und so mancher, temporär auf Null gebongter Hartz-IV-Bezieher würde dagegen vielleicht gezwungenermassen eine Niere verkaufen, um zu überleben.
September 3rd, 2010 at 09:45
…naja…Stonies Hirn in Spiritus, im Museum für klassische Anatomie Basel, als Devotionalie für den abgeklärten Sozialdemokraten…aber lassen wir das;-)
September 3rd, 2010 at 09:51
Ja, das Wort “valide” ist ein ganz wichtiges. Das kommt zwar aus der Wissenschaft (wichtig dort für die Glaubwürdigkeit eines Experiment: Validität und Reliabilität) und wirkt zunächst ein wenig abstrakt, aber man sollte es in unserer Mediengesellschaft den Leuten für die öffentliche Diskussion einbleuen.
Mindestens 95 Prozent aller Talkshow-Statements, feuilletonistischer Ergüsse, Umfragen, Sarrazin-Klopper und Nutzwertanalysen a la Bertelsmann (Rankings) kann man mit der Frage vernichten:
“Ist das überhaupt valide, was Sie da behaupten?”
Also Leute, verwendet das Wort, wo ihr könnt.
September 3rd, 2010 at 10:23
Als wenn es noch eines Beweise bedürfte, dass alles irgendwie geheimnisvoll mit allem verwoben…
September 3rd, 2010 at 11:00
@Peinhart
Danke für den Tip. Florian Rötzer ist eh Klasse, und Studien und ihre Auswirkungen scheint sein Spezialgebiet. Ich denke, früher oder später werden wir eine Studie zur Auswirkung von Studien benötigen?
September 3rd, 2010 at 12:20
Bei mir ist die Statistik-Vorlesung schon 20 Jahre her, aber daß ihr Euch immer noch diese ‘Zwei-Minuten-Haß-Sendung’ anseht – Hut ab!
Ich sehe dort Dinge wie Stichprobenumfang=1006 und frage mich dabei, warum sie bei den knappen Ergebnissen den Leuten nicht das Konfidenzintervall mitteilen. Da ist es im Rahmen der Umfrage nämlich möglich, daß der Steinmeier sogar den Guttenberg überflügelt. Immer diese schwachsinnigen Mittelwertangaben.
Jetzt muß ich mal den den Televisor lauter stellen.
“Achtung! Achtung! Soeben ist eine Sondermeldung von der Malabar-Front eingetroffen. Unsere
Streitkräfte in Süd-Indien haben einen glänzenden Sieg erfochten. Ich bin zu der Durchsage ermächtigt, daß die kriegerische Operation, von der wir gleich berichten werden, das Kriegsende in errechenbare Nähe
rücken dürfte. Es folgt jetzt die Sondermeldung.”
Das bedeutet nichts Gutes, dachte Winston. Und tatsächlich, nach einer blutrünstigen Schilderung der
vollständigen Vernichtung einer eurasischen Armee, bei der riesige Zahlen von Toten und Gefangenen
genannt wurden, kam die Ankündigung, daß ab nächster Woche die Schokoladeration von dreißig auf
zwanzig Gramm herabgesetzt werden sollte.
(George Orwell, 1984)
Aus der Umfrage entnehme ich:
..Zustimmung zum Energiekonzept der Bundesregierung am Ende stark davon abhängen wird, wie die Rahmenbedingungen aussehen. Wenn etwa ein wesentlicher Teil der zusätzlichen Gewinne der Stromkonzerne für den Ausbau erneuerbarer Energien eingesetzt würde, wären nicht 37 sondern 73 Prozent mit einer Laufzeitverlängerung einverstanden.
Hey Röttgen – Du alter Schwede – Du schaffst das!
Aus der Umfrage entnehme ich des weiteren:
- Es ist richtig, daß die spd die Rente mit 67 aussetzen will (69%)
- Regierungsentscheidungen zurückzunehmen ist unglaubwürdig (67%)
Alleine diese beiden Aussagen untereinander zu präsentieren, sagt uns doch nur, daß wir komplett blöde sind, und uns schamgebeugt in unsere neuralen Endlosschleifen zurückbegeben sollen.
Demagoskopen gefällt mir auch. Wie wäre Manipulogen?
“Smith!” schrie die giftige Stimme aus dem Televisor. “6079 Smith W.! Ja, Sie meine ich! Tiefer bücken,
wenn ich bitten darf! Sie bringen mehr fertig, als was Sie da zeigen. Sie geben sich keine Mühe. Tie-fer, bitte!
So ist es schon besser, Genosse. Rühren, der ganze Verein, und alle mal herschauen!”
Ihr seht ja, ich muß weitermachen. Der goße Bruder liebt Euch.
September 3rd, 2010 at 15:37
Meinungsumfragen sind ein Spin-Off der Ventilator-Industrie, werden aber gern vom Subliminal Service (SS) mißbraucht.
Ist ja egal, ob jemand weiß, ob die Umfragen tatsächlich stattgefunden haben, oder wie akurat sie durchgeführt wurden. Dem gemeinen Untertant jedenfalls wird aber durch die braune Hintertür der Zweifel eingetrichtert: Man überdenke die voreilige Einstellung gegen Laufzeitverlängerungen. Es winkt nämlich entweder Geld, wenn die Laufzeit wächst. Damit das nicht so auffälig ist, noch schnell hinterher: Oder man handelt gar höchst moralisch, das Erneuerbare ließe sich schaffen. Ein Kauf mit angeschlossenem Alibi! Irgendwie steckt nämlich doch ein Nutzen in der Laufzeitverlängerung. Das zeigt die Tele-Aufklärung doch ganz deutlich.
Der Aufklärung zum Dank deshalb ab jetzt für alle die Formel: Unsere tägliche subliminale Botschaft gib uns heute. Auf daß wir im Sinne des Mainstreams geformt werden.
—————————
Ein Studium ist solide, wenn es den Stoff studiert, den es studieren soll oder den es zu studieren scheint.
Wenn Studenten mit solchen von der Tafel zurückgestrahlten Satzstrukturen in eine Materie eingeführt werden, dann ist es kein Wunder, daß die Reihen der Geisteswissenschaftler angefüllt sind mit Kreationären, die noch unter einer aufgeklebten Briefmarke vom Hundertmeterturm in ein Betonbecken springen. Generation Pisa-Bologna, (f)ick hör dir trapsen.
September 3rd, 2010 at 15:42
-> Blog Roaming (10)
Both thumps up!
September 3rd, 2010 at 20:03
Klingt alles recht kompatibel, finde ich.
September 3rd, 2010 at 22:42
Wie immer ist Ihr Sinn im Grunde richtig. Aber die schriftliche Umsetzung gleitet (wie immer) in’s Eckendasein ab. Stellenweise ganz informativ und auch witzig aber alles in Allem nicht objektiv.
Gut dass Sie einen Link auf Jens Berger’s und Ad Sinistram Seite(n) haben :-)
September 3rd, 2010 at 23:32
Niedlich… @ 13.: da hat aber jemand noch mal so richtig nachgetreten. Von hinten in die Niere, sozusagen. ^^
Mangelnde Objektivität? Oha. Subjektiv betrachtet, also durch das blutunterlaufene Auge während dem Wadenbiss gesehen, mag das durchaus so erscheinen.
Allerdings gebe ich zu bedenken:
Bei Stellen an denen der Jens manchmal zu zahm oder bereits indoktriniert und/oder der Roberto zu gestelzt daherkommen (an beide hier ein sorry), hat der flatter-man doch immer den richtigen Biss. Allerdings, aus meiner subjektiven Sicht betrachtet, sind seine Beiträge selten einmal von mangelnder Objektivität.
(Und nein, ich bin nicht sein Anwalt oder Schirmhalter)
Sehr schade, Milady, wenn man auch nur einen der drei Musketiere nicht ab kann. Noch dazu aus niederen persönlichen Beweggründen… ;-)
Das nimmt der Sache nämlich den Pfiff und der Geschichte des Herrn Dumas die Facetten der Dramaturgie, werte Madame.
Zum Thema der “objektiven” Demoskopiemanipulationsstatistikanalysialdestrukturiatsdemagolyten (und selbst auf Dianas Kommentar anwendbar):
“Ich mach mir die Welt, widde widde, wie sie mir gefällt.” sprach dazu eine sehr kluge, kleine Lady.
September 4th, 2010 at 08:42
Vorschlag zur Grammatik: ‘…auf die Seiten von Jens Berger und ad sinistram’. So vermeidet man auch gleich das Deppenapostroph… :)
Und zur Objektivität: wozu? Braucht’s nicht. :D
September 4th, 2010 at 13:43
-> Diana (13)
Nur so gedacht: Warum schaust Du nicht in einem Psycho-Forum rein und schreibst jemandem, der über seine Depressionen klagt, warum er nicht einfach mal was fröhliches mache?
September 5th, 2010 at 03:45
Hm, den Titel gelesen – Eine Niere für die gute Arbeit – bedeutet doch, wenn ich gute Arbeit leiste, bekomme ich eine neue Niere? Wo kann ich die nun beantragen. Gute Arbeit habe ich viele Jahre geleistet.
Naja, ich schrub (wie das Neudeutsch inzwischen wohl üblich ist) das nur mal eben so hier hin.
Mein Deutschlehrer würde sicher im Grab rotieren, wenn er die Rechtschreibschwäche der “jetzigen Generation” betrachten könnte.
September 5th, 2010 at 04:38
@17
Für die Arbeit, die Du meinst, gibts ‘ne Leber! Sowas weiß ein Kumpel von der Pro-sit Kampagne doch wohl?
September 5th, 2010 at 10:29
@ “unbequemer” (Dialysepatient No.17)
>>kleiner Tipp: entsprechendes Gekröse gibt ´s billig in Indien!
September 5th, 2010 at 14:02
Es war nur ein “dezenter Hinweis” auf die “neue deutsche Sprache”, die in manchen Blogs benutzt wird.
Da ich aus Überzeugung Drogen generell ablehne und nicht konsumiere, somit Antialkoholiker bin und immer war, ebenso Nichtraucher, sind meine Organe gesund.
Der Postillon ist da bei Hinweisen seiner Leserschaft weiser – dort werden Fehler berichtigt. Und die Redaktion bedankt sich sogar.
September 5th, 2010 at 15:34
ich schrubb jetzt meinen küchenboden.
September 5th, 2010 at 17:30
Die ganz korrekt korrekte Schreibweise ist übrigens immer noch “schrob”.
September 5th, 2010 at 18:30
Ach ja?
Seit wann ist “schreiben” ein unregelmäßiges Verb wie “schießen”.
Bei mir heißt das immer noch “schrieb”, aber eben auch “schoß”
… ok, letzteres nach neuer Rechtschreibung meinetwegen auch “schoss”
Vielleicht hatte ich auch nur wieder vergessen, zum Lachen in den Keller zu gehen, sorry^^
Schönen Rest-Sonntag @all
September 5th, 2010 at 19:13
werde jetzt dann aufhöhren die komentare zu lesen, lauter nette menschen hir, gar keine anderen interesen als die scheis rechtschreibung und obiektivität, gelle;
September 5th, 2010 at 19:22
@unbequemer: Ich schrub schon häufig “schrub”, weil ich auch völlig sinnlos mit Sprache spiele, ohne mir die Genehmigung von der Rechtsschreibbehörde zu holen.
“… für die gute Arbeit” bedeutet in diesem Fall, daß die Niere aus der Arbeit eine gute machte. Über Belehrungen betreffs Sprachgebrauch bin ich jederzeit dankbar und amüsiert.
September 5th, 2010 at 19:49
@21
Frivolitäten nützen doch auch nix.
September 5th, 2010 at 21:50
@ flatter
Vermutlich bin ich durch meine Ausbildung geprägt. Da ich auch noch eine Stadteilzeitung erstelle, bemühe ich mich eben immer um “richtiges Deutsch”.
So ist auch der Begriff UNKOSTEN, der immer wieder benutzt wird, ein “Unding”. dafür gabs in der Berufsschule einen Kreidewurf des Lehrers. Er pflegte dann zu sagen, es gibt die Kostenträger, Kostenarten, aber nicht UN-Kosten.
Irgenwie erinnert mich das an den “Woge-Witz”.
Schau mal Mutti, eine Woge. Das ist eine Waage. Darf ich mich mal waagen? Wiegen, nicht waagen. So Mutti, ich habe mich gewiegt. Nein du hast dich gewogen. Dann ist das ja doch eine Woge.
September 6th, 2010 at 09:12
Verein zur Verunregelmäßigung der deutschen Sprache.