Journalismus


 
speichelDer Moslem ist nicht immer Kinderschänder, aber wenn er keiner ist, macht er zumindest mit. “Muslime, die von Angehörigen missbraucht werden, leiden meist still“, weiß die Boulevard-Postille für christlichen Kulturkampf. Sie erzählen die Geschichte des Missbrauchsopfers Laila und erklären:
Laila hat ihren Onkel angezeigt. Aus der Sicht ihrer Familie hat sie die Ehre verletzt“. Da ist er wieder, der Moslem, für den jedes Verbrechen an Frauen ein Kavaliersdelikt ist und dessen Kinderschänder-Ehre von allen gedeckt wird.

Der Pakistani als solcher schaut fern und vergewaltigt Kinder:
Zu Hause ist es wie in Pakistan. Nonstop läuft pakistanisches Fernsehen, aus dem Radio dudelt pakistanische Musik, es gibt pakistanisches Essen, an den Wänden hängen Fotos aus Pakistan. In ihrem Zimmer vergeht sich der Onkel an Laila. Sie beginnt, Pakistan zu hassen.”

“Sie beginnt, Pakistan zu hassen.”

Nein, das ist kein Witz, kein Fake, keine Satire. Das steht wortwörtlich im Artikel. Der schließt übrigens mit dem Beleg der These, dass der Moslem immer frei kommt:
Drei Jahre lang kämpft sie für ihr Recht, [...] Sie fühlt sich immer wieder retraumatisiert, sagt sie. Jetzt wurde das Verfahren eingestellt.”

Warum, das erfährt man nicht. Auch erfährt der Leser nicht, warum die Redaktion es für erwiesen hält, dass Lailas Onkel schuldig sind, wenn sie nicht verurteilt wurden. Von ihnen erfahren wir im übrigen, dass sie “nach Deutschland kommen, sich einnisten und langweilen.” Anders kommt der Qualitätsjournalismus dem Moslem wohl nicht bei. Und schon gar nicht dem heiklen Phänomen des Missbrauchs, das hier ausgeschlachtet wird, um haarsträubende Journaille der untersten Schublade zu betreiben.

Ein vergleichender Blick auf die durch christliche Nächstenliebe und Offenheit geprägte Kultur und deren Umgang mit Kindesmissbrauch erkennt nicht bloß eine schon traditionelle Regelhaftigkeit der Kindesmisshandlung in christlichen Einrichtungen und ebensolche Vorfälle an nicht religiösen Internaten. Hier sind das “Verfehlungen”, ggf. “kriminelle Strukturen”, wenn jahrzehntelang geschwiegen wird. Die deutsche Familie ihrerseits kann das auch, des “Spiegels” Pakistan liegt zum Beispiel im tief christlichen Franken. Bekannt wurden Fälle z.b. 2007 und auch aktuell wieder, ohne dass die Mitwisser je eingegriffen hätten. Muss man deshalb jetzt Franken hassen?

Blut, Sperma und fremdrassische Verbrecher

Der ekelhafte Boulevard der Spiegel-Redaktion läuft dem Springer-Verlag allmählich in allen Kategorien den Rang ab. Betroffenheit zwischen Blut, Sperma und fremdrassischen Verbrechern legen gar noch andere Vergleiche nahe. Die Strategie, dabei vermeintlich aus der Perspektive des Opfers zu erzählen, ist infam, zumal der Artikel zu dem Schluss kommt, dass es aussichtslos ist, Täter anzuzeigen. Dem Tenor nach fühlt man sich bewogen zu bedauern, dass ihre Suizidversuche gescheitert sind. Wer Opfern helfen möchte, bietet ihnen andere Perspektiven als die vermeintliche völlige Hoffnungslosigkeit.

Gut ankommen wird so etwas dafür bei denen, die das hören wollen. Seit dem furchtbaren Sozialdemokraten weiß man an der Brandstwiete, dass sich dergleichen hervorragend verkauft. Die aktuelle Diskussion über rechtsradikale Blogs und ihre Klientel macht deutlich, dass es ein breites und dankbares Publikum dafür gibt, vor allem im Internet. Offenbar ist der “Spiegel” endlich dort ankommen, wo dieses bedient wird. Willkommen in der Gosse!

 
Frank Schirrmacher hat mich überrascht. Nicht dass ich seinen viel diskutierten Artikel für journalistisch herausragend halte, aber Schirrmacher schließt sich als mächtiger Vertreter seiner Zunft einem grundlegenden Zweifel an, den ich ihm nicht zugetraut hätte. Es ist genau das, was guten Journalismus alter Schule immer ausgemacht hat: Der radikale Zweifel. Auch deshalb gehörte die FAZ nie zu meinen Favoriten, weil Konservative gemeinhin die letzten sind, die zweifeln. Dennoch wurde sie zunehmend lesbar, weil die anderen der routinierten Zustimmung zum Tun der Eliten längst verfallen waren – ohne dem eine Qualität hinzuzufügen wie konservative Gediegenheit.

allewetterSchirrmacher ist also der letzte, der zweifelt. Und er zweifelt doch. Im Schulterschluss mit Charles Moore umarmt er die Linke, die vielleicht doch recht hatte. Moore lobt eine “Analyse der Linken”, die erkannt hat, dass der Neoliberalismus sich nicht nur jeglicher materieller Ressourcen, sondern auch der Sprache hemmungslos bedient und diese beschädigt. Insbesondere die der Konservativen. Und dann die schreckliche Erkenntnis, die Schirrmacher und Moore nicht länger reflexhaft abwehren wollen: “Das politische System dient nur den Reichen” könnte ein wahrer Satz sein.

Und er zweifelt doch

Dem Zweifel jede gebührende Ehre, aber es sind nicht “die Linken”, die da recht haben. Um mal einen zu nennen: Hatte Marx recht? Dann geht das Problem sehr viel tiefer als dass der Kapitalismus nur den Reichen dient. Ich schätze, so weit will Schirrmacher nicht mitgehen.
Zählt er hingegen zu den “Linken” auch ‘linke’ Sozialdemokraten, nehmen wir einmal den von ihm erwähnten Albrecht Müller, so liegt der Fall völlig anders. Müller ist keiner, der quasi von Anfang an wusste, dass das System nur den Reichen dient. Er formuliert keine grundlegende Kritik am Kapitalismus, sondern nur an der Marschrichtung, die seit Reagan, Thatcher und Lambsdorff eingeschlagen wird. Er bleibt dabei freilich nicht dem Ökonomischen verhaftet, sondern kritisiert die moralische, politische und mediale Verkommenheit, die mit dieser Entwicklung einhergeht.

Zu widerprechen ist Schirrmacher, wo er glaubt:
Es war ja nicht so, dass der Neoliberalismus wie eine Gehirnwäsche über die Gesellschaft kam.”
Doch, genau so war es. Es steht schon im Lambsdorff-Papier, dass über Wirtschaft auschließlich positiv zu sprechen sei, und die Think Tanks und Propagandisten der Neoliberalen, insbesondere die INSM, sind das lebendige Beispiel dafür. Der Terminus “Neusprech” oder “Zwiesprech” ist nicht zufällig Standard unter deren Kritikern. Allerdings bedient sich diese Dauerbeschallung der “liberal-konservativen” Erzählung über die “soziale Marktwirtschaft”. Die Konnotation ‘Marktwirtschaft-Freiheit-Demokratie’ war schon immer falsch. Umso leichter ist es für den Neoliberalismus, die ohnehin darin liegenden Widersprüche mit rosa Schaum auszukleiden, wo immer sie hervortreten.

Anfang oder Ende

Willige Helfer haben sie dabei in allen Redaktionsstuben der großen Medienhäuser, allen voran beim “Spiegel”, der sich gar nicht tief genug im Schlamm der Affirmation suhlen kann. Augsteins Erbe wurde in diesem Morast versenkt, und so recht wollte das kaum jemanden erschrecken. Im Gegenteil wähnte man sich als große Familie, man gehörte dazu, anstatt distanziert und kritisch zu denken – nämlich zu zweifeln.

Es ist nicht an mir, jemanden zurückzuweisen, der seinen Zweifel hoffentlich (wieder)entdeckt hat. Als ein Linker, der sich angesprochen fühlt, scheue ich allerdings vor einer allzu herzlichen Umarmung zurück. Ich hoffe auf mehr von diesem Zweifel, da geht noch eine ganze Menge. Das täte nicht nur dem Diskurs gut, es ist auch das, was ich an besseren Tagen von Journalisten erwarte. Frank Schirrmacher ist zu danken, dass er damit angefangen hat – wenn er damit nicht schon wieder am Ende ist.

Selten so geärgert. Es gab ein Interview mit Peer Steinbrück, der sich befragen ließ von Thomas Strobl, Frank Lübberding und Jochen Venus (den ich nicht kenne). Aus dem Hintergrund konnte Schirrmacher schießen.

peerstDas Interview ist eine Analyse wert, die es an Länge übertrifft, da ich aber hier keine Wissenschaft betreibe, beschränke ich mich auf eine grobe Einschätzung und ein Detail.
Es wäre eines der besten Interviews gewesen, die ich seit langem gelesen habe, was vor allem den Fragen Lübberdings zu verdanken ist. Auch Strobl war zumindest so wach, den Begriff “Neoliberalismus” einzuwerfen und dessen Errungenschaften in einem Halbsatz zu würdigen. Es wurde also an der Oberfläche deutlich mehr Kritik in die Diskussion gebracht als man üblicherweise erwarten darf.

Lübberding fasste sogar einmal nach, als es darum ging, Steinbrück anzukreiden, dass er mit dem Begriff “Vollkaskomentalität” bestimmte “Bevölkerungsschichten” anspräche. Den Schönredner dann aber im entscheidenden Augenblick von der Kette und sich heraus lavieren zu lassen, ist ein unverzeihlicher Fehler. Das ist ebenso ärgerlich wie das eitle Blabla rund um einen Neoliberalismus, der nur genannt und nicht diskutiert wurde. Was aber ist Steinbrück, wenn nicht ein Sturmgeschütz jener Ideologie?

Halbherziges Nachfassen

In den Kommentaren bei weissgarnix kommt das zur Sprache:

schau mal luebberding wenn ich sowas lese:

” Ich wende mich gerade gegen eine weitere Liberalisierung des Arbeitsmarktes, weil ich den Eindruck habe, dass sich die Gesellschaft darüber immer weiter aufspaltet und die prekäre Beschäftigung weiter zunimmt. Die Bürger verlieren Sicherheit, sie sind desorientiert und umso empfänglicher für sehr einfache Parolen. Aber mit der Vorstellung, dass der Arbeitsmarkt nicht weiter liberalisiert werden sollte, ist man im politischen und medialen Umfeld der reputierlichen Marktwirtschaft ziemlich alleine.”

Weisst du, da bekomme ich Gänsehaut. Meine Fußnägel wissen nicht wohin sie sich rollen sollen. Wer hat denn die Agenda 2010 eingeläutet? Wer hat denn bei dem ganzen Spiel alles abgenickt? Und nun kommt ein vollversorgter Parteifunktionär und rettet die Welt? Will Bundeskanzler werden? @ Merkel meine Stimme hast du 2013 ich gehe wählen.

Lübberdings Antwort:

“Wer hat denn die Agenda 2010 eingeläutet? Wer hat denn bei dem ganzen Spiel alles abgenickt?”

Wird deshalb seine Aussage falsch? Was stört Dich jetzt?

Das ist der traurige Höhepunkt, dass er es tatsächlich nicht begreifen will: Die Aussage ist nicht nur falsch, sie ist eine Lüge, und zwar eine, die in die Zukunft hinein wirkt. Was muss man nehmen, um Steinbrück zu glauben, dass er sich Sorgen macht, “dass sich die Gesellschaft darüber immer weiter aufspaltet und die prekäre Beschäftigung weiter zunimmt”? Das exakt ist sein Werk, seines und das seiner Genossen.

Ist eine Lüge eine falsche Aussage?

War die Agenda 2010 falsch? Iwo! Sind “einfache Parolen” falsch? Zum Beispiel von arbeitslosen Eltern, die ihre Stütze nur in “Pils und Zigaretten” investieren? Beides, die Aufspaltung der Gesellschaft, die Verarmung der Unterschicht einerseits und das losgelassene Pöbeln über jedwede Opfer neoliberaler Politik andererseits, sind Steinbrücks originäres Handwerkszeug. Es ist seine tiefste Überzeugung, dass dies genau so richtig ist. Die weitere Zunahme prekärer Beschäftigung scheitert schon daran, dass sich kaum mehr wer findet, den man auch noch dort hinein zwingen kann. Und wenn doch – schert’s den Peer?

So gelingt es dem aktuell größten Blender und Populisten tatsächlich, sich als Heilsbringer und Menschenfreund darzustellen, dessen Authentizität noch das kritischste Interview übersteht. Sogar eines mit “Bloggern”.

Werden deshalb seine Aussagen falsch? Was stört mich jetzt? Nein, ein Lügner war der Mann schon immer, seine Feuertaufe die Mehrwertsteuererhöhung. Seine seit Jahren gepflegte kalte Herabwürdigung der Verlierer des “Wettbewerbs” ein Markenzeichen.
Mich stört, dass der Mann nicht so gefeiert wird wie es ihm gebührt: Mit einem Hagel von Schuhen.

Bildquelle: Peter Schmelzle

Was die FAZ Georg Paul Hefty anlässlich der arisch-christlichen Tat faseln lässt, zieht einem die Schuhe aus. Zuerst natürlich ist der Täter für ihn ein “Irrer” – das hätte ich gern einmal gelesen, wenn so getan wurde, als sei Terror muslimische Folklore. Täter aus dem Kulturkreis galten bis dato eher als Vollstrecker einer finsteren Rationalität des Bösen.

Dann wirft Hefty dem „Irren“ vor, dass der sich nicht selbst getötet hat. WTF? Weil der Schreiberling sich dann nicht weiterhin anhören muss, was er selbst verbreitet? Weil die Bösen ausradiert gehören? Nein, weil der arme Irre sonst unerträgliche Gewissensbisse hätte! Da ruft der empathische Journalist nach Do-it-yourself-Euthanasie.

Als nächstes wird die Ideologie entschuldigt, in deren Namen der Hass sich freien Lauf verschafft hat. Was hat “Mein Kampf” mit den Nazis zu tun, das ist doch nur ein Buch. Wohlwissend werden nur vermeintlich harmlose Quellen wiedergegeben, auch die FAZ verschweigt den Bezug auf Rechtspopulisten von Wilders bis Broder. Und selbst wenn die wirklich missbraucht worden wären, bliebe die Frage, warum sie denn zitiert wurden.

Wir waren’s nicht

Nicht das geringste Bemühen, nach Spuren zu suchen, die in einer Kultur und ihrer aktuellen Entwicklung liegen. Einer Kultur, die Hass befördert, sogenannte “Notwendigkeiten” oder Sachzwänge über die Würde der Menschen stellt und für die ganze Bevölkerungsgruppen als minderwertig gelten.
Und dann die Konklusion, die nicht fehlen darf, das krönende Stereotyp für den verblödeten Leser, die einfache Lösung, die schon vorher richtig war:

Eine wesentlich ausgebreitete Beobachtung des Internets, das offenbar zum Ankündigungs- und in gewisser Weise sogar zum Übungsfeld von zum Massenmord entschlossenen Wahnsinnigen geworden ist“, ist das gebot der Stunde.
Da kommt das, was ich schon gestern als Karikatur der sprichwörtlich reaktionären Reflexjournaille gezeichnet habe: Kinderpornographie und Massenmord als Krankheit, mit der man im Internet infiziert wird. Das meint dieser Hanswurst ernst.

Die anderen waren’s

Allein die windelweiche Floskel „in gewisser Weise“ deutet schon darauf hin, dass einer nicht so verstanden werden will wie er schwadroniert. Das wird halt irgendwie passend gemacht. Hinter dem schlechten Stil steckt aber mehr: Ein heillos dämliches Weltbild, das sich selbst durch Bomben nicht erschüttern lässt. „Es waren die anderen“, ist stets die Diagnose. Die Therapie ist dann deren Überwachung und Bestrafung. Was anders ist, muss weg. Und jetzt merke er bloß nicht auf, denn genau das ist die Welt des “Manifests”, das ganz zufällig am laufenden Band „konservative“ Quellen zitiert.

Ich ließe mich derzeit nicht mit der FAZ in der Öffentlichkeit blicken. Man würde sich einer zu großen Gefahr aussetzen, für einen Schwachkopf gehalten zu werden.

 
spiegintra 
Transparenz ist ein “ungeheuerlicher und krimineller Vorgang” für den “Spiegel”. Austs drittes Pferd , der ganze Koks für die Chefetage, die Weiber – da muss man halt an allem sparen. Das ist noch lange kein Grund für die Neider im Fußvolk, die Geringschreiber und Drehtürnutzer, in den Privatangelegenheiten der Herrschaft herum zu schnüffeln.

Immerhin hat der Spiegel sofort reagiert und einen Aufmacher aus dem Akt krimineller Majestätsbeleidigung gemacht. Gewarnt wird jetzt nicht mehr bloß vor den Säuglingsvergewaltigern da draußen, sondern vor allem vor den Feinden im Intranet.

Obwohl mehr als 80 % der Hartz-IV-Empfänder das Bildungspaket nutzen oder sich dafür interessieren, will Ministerin Ursula von der Leyen Druck auf arbeitslose und gering verdienende Eltern ausüben, um auch die restlichen 19% dazu zu bewegen.”

Welches deutsche Medium schreibt das? Richtig: Keines. Dafür ist bei sämtlichen Ablegern von Print und TV zu lesen, dass “ein Fünftel” der Betroffenen “selbst auf Nachfrage kein Interesse” zeigt, in der FR wie bei vielen anderen unter dem Titel “Desinteresse am Bildungspaket” (877 Google-Treffer für diese Überschrift). Dieser Kampagnenjournalismus bedarf längst keiner Absprache mehr, es handelt sich keineswegs um eine Verschwörung.

Ruinenlandschaft

scherkopfDie Selektion in diesem ehemals ehrenwerten Berufsstand hat nur mehr Ruinen hinterlassen. In den Verlegerzimmern und Chefredaktionen herrscht ein ökonomisches Kalkül vor, in dem die Vorstellung von Lesern, denen Qualität, Kontext und Charakter zu bieten wäre, nicht mehr vorkommt. Wer überhaupt noch kauft, der kauft alles, scheint man dort zu denken. Die Rücksicht auf potente Anzeigenkunden hingegen ist stets inklusive. Denen darf gemeinhin betriebswirtschaftliches Denken in allen Bereichen des Lebens unterstellt werden. Folglich haben die Berichte und Kommentare sich am Neoliberalismus zu orientieren.

Dessen Werteschema und die Rolle des Prekariats darin wurde in diesem Blog mehr als hinreichend erläutert. Jetzt ist also ein weiterer Beleg gefunden: Selber schuld! Die Sozialschmarotzer und Einkommensversager wollen gar keine Bildung, schon gar nicht für ihre Kinder. Zwingen wir sie halt ein bisschen mehr. Das wird zwar auch nichts ändern, aber der “Chancengerechtigkeit” ist damit Genüge getan. Man muss sich das immer wieder deutlich machen: Diese Nachricht transportiert nicht die INSM oder die FDP, sondern die versammelte deutsche Medienmacht.

Dass es auch anders geht, zeigt zweimal mehr Al Jazeera. Deren Bericht über die Berichterstattung der Medien zur Krise in Griechenland ist vorbildhaft. Es wird deutlich gemacht, wer wie berichtet, es werden dazu Hintergrundinformationen geliefert und es kommen auch diejenigen zu Wort, die sonst nicht gehört werden. Auch das ist keine neutrale Berichterstattung, denn jede Redaktion trifft eine Auswahl, es wird immer entschieden, was veröffentlicht wird und was nicht.

Was den Unterschied ausmacht

Der Unterschied: Al Jazeera legt Widersprüche offen, die woanders verschleiert werden. Diese Art zu berichten ist eine Aufforderung zur Meinungsbildung unter Verwendung unterschiedlicher Quellen. Die deutsche Journaille hingegen verkündet und überrumpelt dabei Leser und Hörer. “Sie wollen nicht” ist die Nachricht im oben genannten Zusammenhang, obwohl auf beinahe alle Betroffenen das Gegenteil zutrifft. Ein Zweifel findet nicht statt.

Ein weiterer Beitrag von Al Jazeera sei den Freunden bissigen Humors empfohlen. Humor kann die Kunst sein, zwei Perpesktiven in einer Aussage zu verdichten. Gibt es Humor in deutschen Medien?
Einige kurze Sätze, die auch mit nicht gar so tiefen Kenntnissen der englischen Sprache zu verstehen sind: Das Wörterbuch der Mainstream-Medien, Buchstabe C.

 
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Wann immer im TV etwas geplant ist, bei dem es ums Internet geht, fängt das in der Redaktion vermutlich so an: “Internet? Da gibt es doch den mit dem roten Kamm auf der Glatze. Den laden wir mal ein!”
Das nervt. Es gibt für jedes Thema, zu dem Lobo bislang gesprochen hat (wenn er einmal nicht von Lobo sprach) Leute, denen ich mehr Kompetenz zutraue. Insofern ist es vielleicht wieder konsequent, wenn Journalisten keinen anderen kennen – oder bestenfalls dann die drei anderen seit 1990 üblichen Verdächtigen.

Gestern hat er sich öffentlich mit Ingo Lenßen gezankt, dem Darsteller von Ingo Lenßen. Dessen Frisur ist leidlich chicer als die von Lobo, dafür hat er einen preisgekrönten Kleiderbügel an der Stelle, wo Lobo den einfachen Pornobalken trägt. Was Lenßen zum Thema “Das Internet ist böse” zu sagen hat, ist irrelevanter Blödsinn, dagegen macht Lobo eine relativ gute Figur. Relativ, denn Herrn Lenßen hätte man dessen Inkompetenz kühl und beharrlich so lange in die Goschn stopfen können, bis der sich freiwillig (üb)ergeben hätte. Sei’s drum. Das ist alles kein Anlass zur Stellungnahme. Schlimmer noch macht es aber die FR in ihrem bedauernswerten Artikel dazu.

Erziehung ist illiberal

Der entscheidende Absatz:
Lenßen sagt, aus dem Internet dringen Straftaten in den privaten Raum. Eltern könnten nicht jede Sekunde auf ihre Kinder achten. Lobo glaubt hingegen an die Vernunft der Jugendlichen und nimmt immer wieder die Eltern in die Pflicht. Sieh an: Gerade der liberale Lobo, der vermutlich auch nicht dagegen ist, dass beide Eltern arbeiten gehen, fordert, dass diese Eltern immer neben ihren Kinder stehen und sie schützen, wenn die im Netz sind.”

Und jetzt? Gab es eine Meinung dazu? Vor allem: Hat die FR eine? Hätte ich gern gewusst, aber schon die Kategorien dieser rührenden Zusammenfassung sind ein einziger Kopfschmerz. “Aus dem Internet dringen Straftaten”. Genau. So wie sonst nur aus Häusern, Messern, Kiosken und Briefen. Wie dumm muss man eigentlich sein – zumal als Journalist – wenn man im Jahr 2011 immer noch nicht gerafft hat, dass “das Internet” kein Ort ist, kein Sumpf oder Wald, in dem die Räuber lauern? Und allein schon die Bezeichnung “Internetnutzer und Informatikstudent” wäre ein Brüller, verursachte er nicht diese grausame Pein rund um die Hirnrinde.

Und – na klar, die Jugend ist gefährdet. So wie schon im Mittelalter durch die Schriften des Aristoteles. Sie begeht Selbstmord wegen Mobbing im Internet und wird mit neun Jahren schon durch aufpoppenden Porno in ihrer Entwicklung geschädigt. Argh! Das Internet hat noch nie jemanden gemobbt. Das sind Menschen. Das sind dieselben Arschkrampen, die einem in der Schule zusetzen. Das entfaltet erst Wirkung, wenn man sie kennt. Ein Schulwechsel ist da ein probates Mittel, ein neuer Router hilft hingegen nicht wirklich.

Zwischen Kindermord und Aufpoppen

Wo Lobo recht hat, hat er dann wieder recht: Ein Neunjähriger soll allein surfen? Eine blöde Idee. Ich lasse einen Neunjährigen auch nicht allein sein Fernsehprogramm wählen. Wenn beide Eltern arbeiten gehen und das Kind allein lassen, sind sie unverantwortliche Deppen – und brauchen sich über “Internet” wahrlich keine Gedanken mehr zu machen. Was soll der Blödsinn? Ist Lobo jetzt ein Überwachungsfreak? Weil er für Erziehung ist? Nehmt endlich die Nadeln aus meinem Schädel!

Dieselbe Fraktion, die es zuletzt nicht ohne das hysterische Beschreien vergewaltigter Säuglinge und Morde “im Internet” getan haben, schickt jetzt einen vor, dem Erziehung zwar zu anstrengend ist, der aber glaubt, wenn Kinder für einige Sekunden Bilder von Genitalien sehen, sei ihre Entwicklung unwiderruflich gestört. Die FR assistiert diesem Hirnporno auch noch, indem sie jede Logik massakriert und jemanden als illiberal oder inkonsequent darstellt, der sich eventuell arbeitende Eltern vorstellen kann, ohne dafür Kinder im Grundschulalter schon unbeaufsichtigt lassen zu wollen.

Das sind sie also, die Internetkritiker. Sie befinden sich auf einem Niveau mit Islamkritikern und Wetterkritikern. So lange derart der kognitive Kahlschlag regiert, wo Holzmedien und Moralchristen den Doppelklick üben, kann man froh sein, wenn Sascha Lobo sich um diese Leute kümmert. Einem weniger promiskuitiven Internetpromi würde man das nicht zumuten wollen.

Es ist nicht einfach, als Deutscher zum Nahostkonflikt Stellung zu nehmen. Es ist hingegen sehr einfach, sich dabei zum Deppen zu machen. Am einfachsten ist es freilich, Leute zu finden, die sich zum Deppen machen und ihnen “Antisemitismus” vorzuwerfen. Das kann man wohlfeil ausnützen, und derzeit wird, womöglich mangels Talent zur politischen Auseinandersetzung, mit der Linken dieses Spiel getrieben.

Ich halte mich hier mit Äußerungen zu Israel zurück, aus guten Gründen. Vor allem Prinzipielles habe ich nicht dazu zu sagen. Als Europäer kann man sich die Haare raufen, wenn man sich anschaut, was die fehlende Trennung von Staat und Religion an Konflikten hervorruft. Als friedliebender Mensch kann sich an den Kopf fassen angesichts der Außen- und Sicherheitspolitik von Leuten wie Scharon oder Netanjahu. Religiöser Fundamentalismus und Gnadenlosigkeit auf allen Seiten, Waffennarren und Falken, das kennt man auch aus anderen Konflikten, die eben darum keine Lösung und kein Ende finden.

Deutsch Nahost?

Im Fall Israels steht im Mittelpunkt des Konflikts dessen Existenzrecht. Die Araber erkennen dieses auf breiter Front nicht an. Israel definiert seine Politik weitgehend über die Sicherung dieser Existenz, wobei man durchaus der Ansicht sein darf, dass die konkrete Politik eher das Gegenteil befördert.
Bei der Frage um das Existenzrecht des Staates, der als unmittelbare Folge des Holocaust entstanden ist, kann man als Deutscher nur den Rand halten. Niemand braucht die Meinung der Deutschen zu diesem Thema. Es gibt noch 190 andere Staaten in der UNO, deren Bürger das diskutieren können.

Das bedeutet keineswegs, dass man sich nicht zur Politik Israels äußern darf. Wenn man sich aber dazu gedrängt fühlt, sollte man sich auf konkrete Ereignisse und das Handeln konkreter Personen beziehen. Ist Netanjahu ein Kriegstreiber? Kann man fallweise diskutieren. Die Mauer von Gaza ein Schandmal? Ein naheliegender Gedanke. Das ändert nichts daran, dass die Bürger Israels sich nicht dafür rechtfertigen müssen, dass sie dort leben. Man muss Israel nicht unterstützen, wenn es das Völkerrecht verletzt oder Unsinn veranstaltet. Man kann das auch kritisieren. Viel dürfte das allerdings nicht bringen. Der Bundesregierung sei angeraten, Israel zu unterstützen, ohne den Palästinensern zu schaden. Schwierig genug und kein Thema für den Stammtisch.

Manche kapieren das nicht, zumal solche, deren Gerechtigkeitsempfinden mangels geschichtlicher Orientierung auf Alarm getrimmt ist. Diese findet man durchaus im linken Spektrum. Und selbstverständlich gibt es auch unter denen Lautsprecher, Provokateure und Trolle. Darüber mag sich der Zentralrat der Juden echauffieren, wenngleich das schon nicht besonders klug ist.
Wenn aber die Medien und die bürgerlichen Restparteien das ausnützen, um eine dümmliche Kampagne zu fahren, ist das etwas anderes. So wie sich das gestaltet, hat es die Grenzen der Infamie überschritten.

Wem nützt es?

Es gibt zwei mehr oder weniger empörungsfähige Details, die seit Wochen immer wieder erwähnt werden, so als seien alle Linken verkappte Judenfeinde. Vor allem ist da natürlich dieses schwachmatische Machwerk, das grafisch den Davidstern mit dem Hakenkreuz verbindet. Die Vollidioten, die dafür verantwortlich sind, mit der Linken zu identifizieren, ist nicht nur verlogen und dumm, sondern auch absurd. Wäre die Partei so blöd, dergleichen zu befürworten oder auch nur zu dulden, wäre sie kein Gegner mehr für irgendwen. Wieder einmal aber tut sich u.a. “Spiegel Online” damit hervor, diesem Getrolle zum Erfolg zu verhelfen.

Die Ironie dieser Propaganda liegt vor allem darin, dass der unzweifelhaft antisemitische Urheber mithilfe der antilinken Propagandisten ein Zeichen setzen konnte: Wenn der Judenhass sich nur obszön genug äußert, ist er es wert, verbreitet zu werden. Und da man solche Äußerungen nur zu gern opportunistisch auf Gruppen zurückführt, anstatt sie den verantwortlichen Personen zuzuordnen, findet sich auch garantiert jemand, dem an Kollektivbeschuldigungen liegt. Das sorgt dann auch gleich für eine tolle “Debatte”. Das perverse Spiel mit der Öffentlichkeit folgt dabei nicht zuletzt den Regeln, denen fast alles folgt: Antisemitismus ist ein Geschäft. Am Montag am Kiosk.

Alles eine Frage der Perspektive. Okay, das war der Matussek, aber an der Brandstwiete sitzen nicht nur mehr die reaktionären Alpträumer unter sich, sie geifern jetzt auch noch in die Hand, die ihren Extremismus füttert. Könnte einem glatt egal sein, zehrte dieses Finkenblatt nicht von ganz anderer Substanz. So müssen wir noch ein paar Jahre warten, bis es sich endlich selbst erledigt haben wird.

radioaktivherzDie deutschen Banken, allen voran die Deutsche Bank, sind nicht einfach Geldinstitute oder Gewinnmaximierer. Sie sind eine tragende Säule der Bundesrepublik, sie sind Teil der Gesellschaft, sie arbeiten für die Menschen und mit den Menschen in Deutschland. Und sie wissen sehr genau: Ohne eine grundlegende gesellschaftliche Akzeptanz lässt sich kein Geschäft auf Dauer nachhaltig oder erfolgreich betreiben.

Wir müssen nach der Finanzkrise offen über Sicherheitsthemen neu diskutieren. Darüber, ob die Anforderungen dem entsprechen, was wir als Gesellschaft an verbleibenden restlichen Risiken zu tragen bereit sind.

Wir jedenfalls wollen uns an einem offenen und transparenten Dialog zur Transformation des deutschen Finanzsystems beteiligen.

Ein Teil der Gesellschaft

Wir wollen einen Umbau des Systems mit Augenmaß.
Augenmaß heißt, nicht einfach nur die Frage nach einigen Regulierungen mehr oder weniger zu beantworten. Augenmaß muss vielmehr heißen, die Zeit nutzen, um einen Fahrplan für Deutschlands Zukunft zu entwickeln, der über Parteigrenzen hinweg getragen wird und breite gesellschaftliche Akzeptanz findet.

Einfach wird es sicher nicht. Dafür sind die noch ungelösten Fragen zu komplex.
Wie erhalten wir Arbeitsplätze und Wohlstand für uns und unsere Kinder? Denn auch auf deren Zukunft kommt es heute an! Darauf brauchen wir Antworten. Und zwar bevor endgültige Entscheidungen über einen schnellen Umbau des Finanzsystems fallen. Nur so schaffen wir einen tragfähigen Umstieg mit Augenmaß.

Wer jetzt glaubt, es könne sich dabei nur um einen Aprilscherz handeln, fällt ein bitteres Urteil über die Rhetorik deutscher Manager und die Bereitschaft von Printmedien, deren Blabla abzudrucken. Ausgerechnet die von mir sehr geschätzte Frankfurter Rundschau gibt Eon-Chef Teyssen die Gelegenheit, solchen Sermon abzulassen. Dass sich dessen Phrasen (ich hätte auch den kompletten Text adaptieren können) nahtlos auf eine andere Branche und einen anderen Zusammenhang portieren lassen, macht deutlich, wieviel luftleere Propaganda da mitschwingt.

Friss das!

Energiekonzerne sind “ein Teil der Gesellschaft”, sie sind gar keine Monopole, die rücksichtlos ihre Kunden ausplündern. Sie arbeiten auch nicht für Gewinne und den Shareholder Value, sondern aus Selbstzweck. Sie arbeiten für Arbeitsplätze. (Dass Teyssen versehentlich Kinderarbeit propagiert, lassen wir ihm einmal als Freudschen Versprecher durchgehen.) Sie arbeiten, damit es eine Zukunft hat, die fällt nämlich sonst aus. Ihnen steht auch gerade gar nicht der kalte Schweiß der Panik auf der Stirn, weil ihre Großkraftwerke die Zukunft der Vergangenheit verkörpern. Nein, das sind einfach gute Menschen, die völlig selbstlos unser Bestes wollen!

Auffällig ist nicht zum ersten Mal, dass Regierung und Energiekonzerne wortgleich ‘argumentieren’ und ihre Rhetorik von der Resterampe offenbar koordiniert haben. Von der “Brückentechnologie” zum “Ausstieg mit Augenmaß” in Null Komma nix, so schallt es quasi Stereo auf den Bürger ein. Diese “Friss das!”-Mentalität hat inzwischen nicht nur dem politischen Diskurs ersetzt, sondern die ganze Sprache. Ihre 08/15-Propaganda ist gelebtes Bullshit-Bingo.

Der FR kann man diesen Fauxpas nur deshalb durchgehen lassen, weil das Machwerk an dem einen Tag im Jahr veröffentlicht wurde, an dem derartiges tolerabel ist. Dass ihnen das Wasser offenbar bis zum Hals steht, ist keine akzeptable Begründung. Solches Product Placement beschleunigt nicht nur ihren Untergang, er wäre auch noch ein denkbar unwürdiger. Und wenn es um eine Tageszeitung wirklich schade wäre, dann um die FR.

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