Es ist nicht einfach, als Deutscher zum Nahostkonflikt Stellung zu nehmen. Es ist hingegen sehr einfach, sich dabei zum Deppen zu machen. Am einfachsten ist es freilich, Leute zu finden, die sich zum Deppen machen und ihnen “Antisemitismus” vorzuwerfen. Das kann man wohlfeil ausnützen, und derzeit wird, womöglich mangels Talent zur politischen Auseinandersetzung, mit der Linken dieses Spiel getrieben.

Ich halte mich hier mit Äußerungen zu Israel zurück, aus guten Gründen. Vor allem Prinzipielles habe ich nicht dazu zu sagen. Als Europäer kann man sich die Haare raufen, wenn man sich anschaut, was die fehlende Trennung von Staat und Religion an Konflikten hervorruft. Als friedliebender Mensch kann sich an den Kopf fassen angesichts der Außen- und Sicherheitspolitik von Leuten wie Scharon oder Netanjahu. Religiöser Fundamentalismus und Gnadenlosigkeit auf allen Seiten, Waffennarren und Falken, das kennt man auch aus anderen Konflikten, die eben darum keine Lösung und kein Ende finden.

Deutsch Nahost?

Im Fall Israels steht im Mittelpunkt des Konflikts dessen Existenzrecht. Die Araber erkennen dieses auf breiter Front nicht an. Israel definiert seine Politik weitgehend über die Sicherung dieser Existenz, wobei man durchaus der Ansicht sein darf, dass die konkrete Politik eher das Gegenteil befördert.
Bei der Frage um das Existenzrecht des Staates, der als unmittelbare Folge des Holocaust entstanden ist, kann man als Deutscher nur den Rand halten. Niemand braucht die Meinung der Deutschen zu diesem Thema. Es gibt noch 190 andere Staaten in der UNO, deren Bürger das diskutieren können.

Das bedeutet keineswegs, dass man sich nicht zur Politik Israels äußern darf. Wenn man sich aber dazu gedrängt fühlt, sollte man sich auf konkrete Ereignisse und das Handeln konkreter Personen beziehen. Ist Netanjahu ein Kriegstreiber? Kann man fallweise diskutieren. Die Mauer von Gaza ein Schandmal? Ein naheliegender Gedanke. Das ändert nichts daran, dass die Bürger Israels sich nicht dafür rechtfertigen müssen, dass sie dort leben. Man muss Israel nicht unterstützen, wenn es das Völkerrecht verletzt oder Unsinn veranstaltet. Man kann das auch kritisieren. Viel dürfte das allerdings nicht bringen. Der Bundesregierung sei angeraten, Israel zu unterstützen, ohne den Palästinensern zu schaden. Schwierig genug und kein Thema für den Stammtisch.

Manche kapieren das nicht, zumal solche, deren Gerechtigkeitsempfinden mangels geschichtlicher Orientierung auf Alarm getrimmt ist. Diese findet man durchaus im linken Spektrum. Und selbstverständlich gibt es auch unter denen Lautsprecher, Provokateure und Trolle. Darüber mag sich der Zentralrat der Juden echauffieren, wenngleich das schon nicht besonders klug ist.
Wenn aber die Medien und die bürgerlichen Restparteien das ausnützen, um eine dümmliche Kampagne zu fahren, ist das etwas anderes. So wie sich das gestaltet, hat es die Grenzen der Infamie überschritten.

Wem nützt es?

Es gibt zwei mehr oder weniger empörungsfähige Details, die seit Wochen immer wieder erwähnt werden, so als seien alle Linken verkappte Judenfeinde. Vor allem ist da natürlich dieses schwachmatische Machwerk, das grafisch den Davidstern mit dem Hakenkreuz verbindet. Die Vollidioten, die dafür verantwortlich sind, mit der Linken zu identifizieren, ist nicht nur verlogen und dumm, sondern auch absurd. Wäre die Partei so blöd, dergleichen zu befürworten oder auch nur zu dulden, wäre sie kein Gegner mehr für irgendwen. Wieder einmal aber tut sich u.a. “Spiegel Online” damit hervor, diesem Getrolle zum Erfolg zu verhelfen.

Die Ironie dieser Propaganda liegt vor allem darin, dass der unzweifelhaft antisemitische Urheber mithilfe der antilinken Propagandisten ein Zeichen setzen konnte: Wenn der Judenhass sich nur obszön genug äußert, ist er es wert, verbreitet zu werden. Und da man solche Äußerungen nur zu gern opportunistisch auf Gruppen zurückführt, anstatt sie den verantwortlichen Personen zuzuordnen, findet sich auch garantiert jemand, dem an Kollektivbeschuldigungen liegt. Das sorgt dann auch gleich für eine tolle “Debatte”. Das perverse Spiel mit der Öffentlichkeit folgt dabei nicht zuletzt den Regeln, denen fast alles folgt: Antisemitismus ist ein Geschäft. Am Montag am Kiosk.