Obwohl mehr als 80 % der Hartz-IV-Empfänder das Bildungspaket nutzen oder sich dafür interessieren, will Ministerin Ursula von der Leyen Druck auf arbeitslose und gering verdienende Eltern ausüben, um auch die restlichen 19% dazu zu bewegen.”

Welches deutsche Medium schreibt das? Richtig: Keines. Dafür ist bei sämtlichen Ablegern von Print und TV zu lesen, dass “ein Fünftel” der Betroffenen “selbst auf Nachfrage kein Interesse” zeigt, in der FR wie bei vielen anderen unter dem Titel “Desinteresse am Bildungspaket” (877 Google-Treffer für diese Überschrift). Dieser Kampagnenjournalismus bedarf längst keiner Absprache mehr, es handelt sich keineswegs um eine Verschwörung.

Ruinenlandschaft

scherkopfDie Selektion in diesem ehemals ehrenwerten Berufsstand hat nur mehr Ruinen hinterlassen. In den Verlegerzimmern und Chefredaktionen herrscht ein ökonomisches Kalkül vor, in dem die Vorstellung von Lesern, denen Qualität, Kontext und Charakter zu bieten wäre, nicht mehr vorkommt. Wer überhaupt noch kauft, der kauft alles, scheint man dort zu denken. Die Rücksicht auf potente Anzeigenkunden hingegen ist stets inklusive. Denen darf gemeinhin betriebswirtschaftliches Denken in allen Bereichen des Lebens unterstellt werden. Folglich haben die Berichte und Kommentare sich am Neoliberalismus zu orientieren.

Dessen Werteschema und die Rolle des Prekariats darin wurde in diesem Blog mehr als hinreichend erläutert. Jetzt ist also ein weiterer Beleg gefunden: Selber schuld! Die Sozialschmarotzer und Einkommensversager wollen gar keine Bildung, schon gar nicht für ihre Kinder. Zwingen wir sie halt ein bisschen mehr. Das wird zwar auch nichts ändern, aber der “Chancengerechtigkeit” ist damit Genüge getan. Man muss sich das immer wieder deutlich machen: Diese Nachricht transportiert nicht die INSM oder die FDP, sondern die versammelte deutsche Medienmacht.

Dass es auch anders geht, zeigt zweimal mehr Al Jazeera. Deren Bericht über die Berichterstattung der Medien zur Krise in Griechenland ist vorbildhaft. Es wird deutlich gemacht, wer wie berichtet, es werden dazu Hintergrundinformationen geliefert und es kommen auch diejenigen zu Wort, die sonst nicht gehört werden. Auch das ist keine neutrale Berichterstattung, denn jede Redaktion trifft eine Auswahl, es wird immer entschieden, was veröffentlicht wird und was nicht.

Was den Unterschied ausmacht

Der Unterschied: Al Jazeera legt Widersprüche offen, die woanders verschleiert werden. Diese Art zu berichten ist eine Aufforderung zur Meinungsbildung unter Verwendung unterschiedlicher Quellen. Die deutsche Journaille hingegen verkündet und überrumpelt dabei Leser und Hörer. “Sie wollen nicht” ist die Nachricht im oben genannten Zusammenhang, obwohl auf beinahe alle Betroffenen das Gegenteil zutrifft. Ein Zweifel findet nicht statt.

Ein weiterer Beitrag von Al Jazeera sei den Freunden bissigen Humors empfohlen. Humor kann die Kunst sein, zwei Perpesktiven in einer Aussage zu verdichten. Gibt es Humor in deutschen Medien?
Einige kurze Sätze, die auch mit nicht gar so tiefen Kenntnissen der englischen Sprache zu verstehen sind: Das Wörterbuch der Mainstream-Medien, Buchstabe C.