Wirtschaft


5mackZuerst dachte ich, Marc Beise sei gefeuert worden oder ein anderes Wunder hätte sich bei der Sueddeutschen ereignet, als ich diesen Artikel zu lesen begann, der eingangs so etwas wie soziale Ungerechtigkeit im System Marktwirtschaft beschreibt. Zu beschreiben schien, muss ich korrigieren, denn das Schicksal der Bürger Irlands, vor allem der armen, dient nur als Illustration für die größere Ungerechtigkeit, die nämlich Deutschland widerfährt. Menschen, die ihre Wohnungen verlieren und sich das Nötigste nicht mehr leisten können, gelten als Kollateralschaden.

“Unfaire Steuern” und einen “unfairen Wettbewerb” beweint Alexander Hagelüken. Irland ist unfair gegenüber den Wettbewerbern, weil die Steuern zu niedrig seien und “weil es seinen Finanzsektor aufgeblasen” hat! Darunter leide u.a. Deutschland.

Faule Griechen, unfaire Iren

Oh my God, wo soll man da anfangen? Die Wirtschaftsredaktion der Sueddeutschen, eine Speerspitze der neoliberalen Journaille, hatte stets “weniger” Staat gefordert und bejubelt, war immer für “mehr Wettbewerb”, niedrige Löhne und niedrige Steuern. Ob das fair ist gegenüber den Beschäftigten in Deutschland, Europa und dem Rest der Welt war nie ein Thema, ebenso wenig wie die Frage, ob das wohl alles gut gehen könne. Wenn dann ein Musterschüler wie Irland damit auf die Nase fällt, war trotzdem alles richtig, die waren bloß unfair? Das sind also die ökonomischen Kategorien dieser Experten: Die Griechen sind faul und haben getrickst, die Iren sind unfair.

Die gnadenlose Förderung der deutschen Exporte durch sämtliche Bundesregierungen, die die Wirtschaften aller Euro-Partner enorm belasten, wird selbstverständlich nicht erwähnt, in diesem Punkt spielt ‘Fairness’ keine Rolle, denn Exporte sind ja etwas Gutes. Alle sollten mehr exportieren als sie importieren, so wie Deutschland halt. Ich fürchte, das denken sie da in der Redaktion wirklich.

5sinnAbsolut grotesk ist die Vorstellung von “Fairness” und “Gerechtigkeit” im “Wettbewerb” – allein diese Kombination von Begriffen ist schon eimerwürdig. Dass der Begriff der sozialen Gerechtigkeit durch die neoliberale Säuberung der Semantik aus dem Diskurs verschwunden ist, bedaure ich seit Langem. Er wurde ja zur “Ergebnisgerechtigkeit” degradiert, die nicht sein darf, weil sich dann die ganze Mühe der Arbeit nicht mehr lohnt. Dass eben solche Ergebnisgerechtigkeit aber jetzt im “Steuerwettbewerb” gepredigt wird, weil jemand – in diesen Fall ein Land – die Heilslehre ernstgenommen hat und damit vor die Wand gefahren ist, weht einem die Wolle von der Fontanelle. Unfair, dass die Iren regierten, wie es alle gepredigt haben. Unfair, dass man “sie” rettet, weil “sie” den “Finanzsektor aufgeblasen” haben?

Wer bläst die Blasen auf?

So ein Finanzsektor, werter Herr Hagelüken, wird immer noch durch Finanzen aufgebläht. Der irische Staatshaushalt beläuft sich auf 53 Milliarden Euro (71 Milliarden Dollar). Deutsche Banken haben nach aktuellen Berichten 138 Milliarden Dollar auf der Insel “investiert”. Die Deutsche Bank gibt an, von ihr seien dort nur 400 Millionen . Vielleicht erlaubt sich die SZ deshalb so zu tun, als gelte es, ein ‘unfaires Land’ zu retten.
Dass jetzt wie immer Sozialleistungen gekürzt, Familien, Mittellose und zukünftig Mittellose bestraft werden, das gilt freilich nicht als “unfair”, das ist ja immer so. Schließlich haben wir gelernt: “Eine Lohnerhöhung ist eine Gewinnsenkung” (Hans-Werner Sinn), deshalb geht das in Ordnung.

Am Ende geht es nur mehr darum, einen neoliberal-gerechten Steuersatz zu finden, der niedrig genug ist für den “globalen Wettbewerb” und hoch genug, dass er den in Deutschland nicht unterbietet. Das ist dann per definitionem “fairer Wettbewerb”. Denn Deutschland und seine Ökonomen machen alles richtig. Immer.

Die Nachdenkseiten haben einen Vortrag von Heiner Flassbeck online gestellt. Ein wie ich finde 100% überzeugender Auftritt. Im Anschluss daran empfehle ich dann noch einmal meine Kurzform des Ganzen.

Es ist schon putzig, welche Gründe die Sueddeutsche findet, um die Benachteiligung von Frauen in der Arbeitswelt zu erklären. Denkwürdig schon, dass ein Blatt, dessen Wirtschaftsredaktion gern laut das Lied vom Leistungsträger singt, zu erkennen glaubt: “dass Leistung für sich spreche“, sei ein Irrtum. Und dass Frauen das nicht erkennen, ist eben ihr Fehler. Selber schuld sind sie also.

batzMan beachte und genieße übrigens die Abbildung von dem weiblichen Grinsezombie und die Zickenklickstrecke, anhand derer wir erfahren, was die Redaktion wirklich von Weibern hält.
Der Artikel belehrt uns, Frauen seien zu bescheiden und ließen sich nicht auf männliche Machtspielchen ein. Außerdem vernetzten sie sich nicht, im Gegensatz zu den mänllichen Kollegen. Aus diesen Gründen seien sie im Nachteil, wenn es um Beförderung und Gehalt geht.

Nehmen wir an, Frauen verhielten sich wirklich so. Und nehmen wir dann einmal an, sie verhielten sich genau umgekehrt: Forderten bei jeder guten Gelegenheit mehr Gehalt, steckten ständig die Köpfe zusammen und nähmen lustvoll den Fehdehandschuh auf, wenn der Bollo aus der Abteilung sich wieder einmal vor dem Chef offensiv an den Murmeln spielt. Was fiele Beises SZ wohl dazu ein?

Richtig: Es hieße, die stutenbissigen Tussen hockten dauernd aufeinander, anstatt dorthin zu gehen, wo entschieden wird. Zicken dauernd rum, kriegen den Hals nicht voll und spielen sich ständig auf, anstatt sich souverän auf ihr Können zu verlassen – wie die klugen männlichen Kollegen das tun.

Man ist gern unter sich – Frau übrigens auch, das ist ja auch völlig in Ordnung. Nur ist es halt so, dass die einen herrschen und die anderen nicht. Deshalb ist es wie es ist und nicht, weil irgendwer nicht integrationswillig wäre. Was würde es übrigens nützen, wenn die Weiber sich genau so verhielten wie die Kerle? Können Frauen gute Männer sein? Will das irgendwer?

Wenn man natürlich tiefgläubig der Überzeugung ist, der Markt, der Markt, der hat immer Recht und regelt alles zum Besten, dann ist man ständig auf der Suche nach selber Schuldigen, wenn die Wirklichkeit nicht die Versprechen der Ideologie erfüllt. Die Faulpelze, die Ausländer, die Frauen. Immer dieselben, die sich verweigern.

weiseversaAus der aktuellen Arbeitsmarktstatistik:

Arbeitslose: 2.945.000, davon
- 909.000 ALG I
- 2.037.000 ALG II (Hartz IV);
5.507.000 Hartz IV-Empfänger,
davon
- 690.500 in einer “arbeitsmarktpolitischen Maßnahme”
- 1.830.000 nicht Erwerbsfähige;
1.480.000 Menschen in “arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen”,
40,9 Millionen Beschäftigte
Davon 28 Millionen sozialversicherungspflichtig
4,8 Millionen “ausschließlich geringfügig entlohnt Beschäftigte” (in der Regel 400 Euro-Jobber)
Gemeldete Stellen: 401.000

Als erstes fällt auf, daß zu den offiziell gezählten knapp 3 Millionen Arbeitslosen noch einmal 3,5 Millionen Menschen kommen, die von Hartz IV abhängig sind und weitere 800.000, die in Maßnahmen gesteckt werden, um aus der Statistik zu fallen. (Es sind knapp 1,5 Millionen in solchen Maßnahmen, aber 700.000 wurden hier schon unter ‘Hartz IV’ erfasst). Selbst wenn man nun von den 5,5 Millionen Hartzern die nicht erwerbsfähigen (hauptsächlich Kinder) abzieht, kommt man insgesamt auf mindestens 6,5 Millionen faktisch Arbeitslose. Auf diese Summe kommt man, wenn man zu den offiziell Arbeitslosen noch die “erwerbsfähigen” Hartz IV-Empfänger zählt.

Schöngerechnet

Daß diese zum großen Teil nicht als arbeitslos gelten, liegt unter anderem an der absurd hohen Zahl von Minijobbern. Wie viele von den – das muß man sich einmal vor Augen halten – fast fünf Millionen Minijobbern kein ALG II beziehen, obwohl sie dazu berechtigt wären, ist natürlich nicht in der Statistik erfasst. Man kommt also, selbst wenn man der Definition “erwerbsfähig” folgt, auf eine nur sehr vage erfassbare Masse von Menschen, die schlicht arm sind. Die meisten von ihnen, obwohl sie arbeiten gehen.

Die Aufbereitung der Zahlen ist kompliziert, weil die einzelnen Angaben Überschneidungen enthalten. Wenn Hartz IV-Empfänger Kinder sind, kann man ja nicht von Arbeitslosen sprechen. Minijobber können ggf. über die Runden kommen, wenn sie mehrere Minijobs haben.
Will man erfassen, wie viele Menschen arm sind, muss man wiederum diejenigen hinausrechnen, die trotz Arbeitslosigkeit ein ausreichendes Einkommen haben. Dies dürften freilich nicht allzu viele sein.

Geschätzt können es zehn Millionen sein, die von ihrer Arbeit nicht mehr als das Existenzminimum haben oder arbeitslos sind. Man käme also auf eine Quote nicht ausreichend Beschäftigter von über 20%. Alles eine Frage der Perspektive bzw. der Kategorien, die man zugrunde legt.

Das Minijobwunder

aawasteDas neue Jobwunder, dies ist der erste Schluss, zu dem man kommen darf, ist angesichts der künstlich schmal gehaltenen Zahlenbasis reichlich aufgebläht. Für die allermeisten ändert sich gar nichts, und wer glaubt, das bißchen Zuwachs könne schon einen Binnenmarkt beleben, wird sich noch wundern. Es ist zwar richtig, dass in allen Bereichen derzeit positive Tendenzen zu verzeichnen sind. Allerdings macht auch niemand einen Hehl daraus, worauf dieser “Erfolg” beruht. Er beruht auf derselben Strategie, die Deutschland zuletzt den tiefen Sturz beschert hat. Und er beruht auf derselben Strategie, die schon Griechenland in die Pleite gestürzt hat: Die wütende deutsche Exportfixierung.

Dies wird sich doppelt rächen, denn die Krise wird umso schneller wieder aufflammen und Deutschland umso heftiger treffen. Grund zum Optimismus geben die bejubelten Zahlen keineswegs. Das Ganze macht die Armen kein bißchen weniger Arm und die Lage noch instabiler als viele befürchtet hatten. Im Grunde ist die aktuelle Entwicklung ein Fanal.

Grundregeln des Wirtschaftens

Beschäftigt man sich mit den Zusammenhängen und dem Gesamtbild, fragt man sich aber vor allem, wie es möglich ist, eine Scheindiskussion über Sozialschmarotzer zu führen, wenn selbst in den besseren Zeiten das Verhältnis von offenen Stellen zu Unterbeschäftigten derart deprimierend ist. Und kaum empfindet die Lobby der Arbeitgeber ein Problem bei der Besetzung vakanter Stellen, ist das Thema sofort vom Tisch. Dann wird vollkommen klar, daß es gar keine Stellen gibt für die angeblich Faulen, daß es für die allermeisten Langzeitarbeitslosen niemals eine Stelle geben wird. Ein Millionenheer von Geringverdienern und Arbeitslosen steht einem äußerst überschaubaren Bedarf an hoch spezialisierten Fachkräften gegenüber, für den nicht ausgebildet wurde.

So sieht es aus, wenn alles einer Marktstrategie untergeordnet wird, die den Interessen Einzelner folgt. Die Menschen verarmen, und der Markt ist in keiner Weise fähig, die Bedingungen für seinen eigenen Bestand zu erfüllen. Wie wäre es also, in Zukunft die Grundregeln des Wirtschaftens wieder an soziale Kategorien und langfristige Stabilität zu binden? Bis zur nächsten Krise kann ja einmal darüber nachgedacht werden.

Es ist nicht wirklich erstrebenswert, ein Leben lang seine Arbeitskraft zu verkaufen, um vom Erlös das Nötigste für den Alltag zu haben. In den 70er Jahren noch war der gefühlte Wohlstand der Massen in den Industrieländern so groß, daß man sich nahe einer Utopie wähnte, die ein anderes Leben versprach. Weniger Arbeit bei höherer Produktivität, eine logische Folge des technischen Fortschritts, sollte zu einer glücklichen Gesellschaft führen. Diese Rechnung haben die Träumer freilich ohne den Kapitalismus gemacht. Wer glaubte, die bedrückende Konkurrenz würde sich angesichts immensen volkswirtschaftlichen Reichtums verflüchtigen, sieht sich des Gegenteils belehrt.

Es ist gelungen, den Wettbewerb zu einer mythischen Größe zu stilisieren, gleichzeitig Bedrohung und Ideal, Problem und Lösung. ‘Wir’ stehen im ständigen Konkurrenzkampf mit äußeren Mächten, und um diesen zu bestehen, müssen wir uns im Inneren stählen. “Höchste Leistung bei geringsten Kosten” ist die Devise, die nationale Konkurrenz um eine Arbeit, von der man leben kann, sei der Weg, in der internationalen Konkurrenz zu bestehen.

hivDaß dies nicht zu einem freien Fall von Löhnen und Gehältern führt, dafür soll ebenfalls der Markt sorgen. Spätestens an dieser Stelle kratzt man sich den Kopf wund bei dem Versuch, der Logik solchen “Marktes” noch zu folgen.
Daß es in Deutschland Tariflöhne gibt, erweist sich in diesem Zusammenhang schon lange als fatal, denn die Gewerkschaften verhandeln seit Jahrzehnten gegen ihre eigenen Interessen und schließen regelmäßig Verträge ab, die deutlich hinter der Produktivitätsentwicklung und der Preisentwicklung zurück bleiben. Ein Arbeitnehmer, der hier für sich selbst spräche, hätte den Arbeitgebern längst seinen schönsten Finger gezeigt. Die Gewinne steigen und ich soll verzichten? Schönen Dank auch!

Nichts zu verhandeln

Daß es hier zu keiner echten Verhandlung kommt, der Markt außer Kraft gesetzt wird, dafür haben zuletzt zwar schon die Gewerkschaften gesorgt. Dies kann man freilich nicht ihnen allein ankreiden, denn sie verhandeln aus einer Position der Schwäche. Arbeitnehmerrechte wurden seit den 80er Jahren massiv abgebaut, vor allem werden sie unterwandert durch Leiharbeit, befristete Arbeit, Massenarbeitlosigkeit und Arbeitszwang. Gerade die Empfänger niedriger Löhne haben überhaupt keinen Spielraum. An ihrer Stelle warten bereits Massen von ALG II-Empfängern, die jeden Job zu jedem Preis machen müssen. Staatliche Erpressung ergänzt an dieser Stelle private Lohndrückerei. Mit “Markt” hat das nichts zu tun.

Obendrein haben sogenannte “Investoren” durch die irsinnige Deregulierung der Wettmärkte längst Möglichkeiten gefunden, Gewinne zu erzielen, ohne daß noch irgendwer dafür etwas produziert oder eine Dienstleistung erbringt. Einzig diejenigen, die solche Geschäfte abwickeln, sind dazu noch notwendig. Dies sind eine überschaubare Anzahl von Bankmitarbeitern und wenige obszön überbezahlte Experten. Ausgerechnet in einem Sektor, der realwirtschaftlich absolut nichts leistet, werden absurde Gehälter ausgereicht, und zwar vollkommen unabhängig von der Qualität des Schaffens. Machen sie Gewinne, bekommen sie Millionen. Führen sie ihre Firma in die Pleite, bekommen sie Millionen. Wäre dies noch “Markt”, müßte die Nachfrage nach dreisten Dilettanten ganz enorm sein.

Man kann beinahe ansetzen, wo man will, es will so recht nicht Marktwirtschaft sein, wo es um Löhne geht. Man stelle sich nur einmal vor, die Arbeitgeber würden mit Zwangsmaßnahmen wie völliger Enteignung sanktioniert, wenn sie nicht ausreichend Arbeitnehmer zu einem staatlich geforderten Lohn einstellen. In dieser Situiation ist auf der anderen Seite ein Hartz-IV-Empfänger. Was gibt es da noch zu verhandeln?

Wettbewerb, ein lächerliches Argument

Es gibt keinen Arbeitmarkt. Schon gar nicht wird es je wieder Vollbeschäftigung geben. Das kann auch niemand anstreben, der die schlichten Fakten zur Kenntnis nimmt. Die technische Entwicklung macht Arbeit zunehmend unnötig. Es gab seit Jahrzehnten nirgends mehr Vollbeschäftigung. Wir haben Jahrzehnte der Massenarbeitslosigkeit erlebt in der stärksten Exportwirtschaft der Welt. Wettbewerb? Ein lächerliches Argument.

benqDabei wäre Massenarbeitslosigkeit in einer humanen Gesellschaft ein absolut wünschenswerter Zustand. Allein schon um eine Reserve zu haben, die schwankende Nachfrage nach Arbeitskräften unter unterschiedlichen Bedingungen befriedigen kann. Wer gebraucht wird, packt an, wer nicht gebraucht wird, hat eben Muße. Die könnte durchaus produktiv sein oder für die Bildung genutzt werden. Würde man die nur anbieten, anstatt sie künstlich zu verteuern, zu verknappen und planwirtschaftlich auf angebliche Bedürfnisse der Industrie zurichten. Auch hier keine Spur von einem Angebot, das sich einer freien Nachfrage anpassen könnte.

Es soll an dieser Stelle genug sein. Wohin man auch schaut, es findet sich so recht kein “Arbeitsmarkt”. Nicht einmal eine Marktwirtschaft ist in Sicht, wo immer es um die Verteilung des Reichtums und der Gewinne geht. Das wirkliche wirtschaftliche Geschehen folgt offenbar noch ganz anderen Gesetzen.

Eine herzerfrischend provokative Analyse des großen Bankirrtums zu unseren Ungunsten liefert der Wiener Wirtschaftsprofessor Franz Hörmann. Ob die von ihm vorausgesagte Ereigniskarte wirklich innerhalb der nächsten drei Jahre am Monopoly-Tisch gezogen werden wird, da sind Zweifel angebracht. Dennoch ist es sehr erfreulich, einmal etwas ganz anderes zu lesen als den neurotischen Optimismus unserer “klügsten” Professoren.

Ich könnte jetzt einen aufgeregten Artikel über von der Leyens Hartz V posten, aber ich will erst einmal abwarten, was sie sich genau vorstellt unter einer Sozialhilfe, die sich am Lohnniveau bemißt. Sicher hat sie, oops, vergessen, daß man mit den Hilfen zum Lebensunterhalt diesen auch bestreiten muß. Das Nähere regelt wie immer das Bundesverfassungsgericht. Bis dahin wird man künftig argumentieren, die Löhne dürften nicht zu stark steigen, damit der Staat nicht pleite geht.
Wenn Sparen also angesagt ist, warum nicht lieber an der Software?

Alle Jahre wieder versuche ich mich an Linux und schaue nach, ob das besser wird. Meine Meinung dazu heute: Kommt drauf an, wie man’s sieht. Ich werde demnächst rechnertechnisch einiges umstrukturieren, wobei sich auch wieder die Frage stellt, ob ich auf Linux umsteige. Da man mir so oft so wärmstens (K)Ubuntu ans Herz gelegt hatte, habe ich es einmal mehr probiert, trotz schlechter Erfahrungen. Die haben sich leider bestätigt. Ein Rechner wollte Kubuntu erst gar nicht installieren. Es ist nicht völlig auszuschließen, daß das am DVD-Laufwerk lag, das ansonsten aber durchaus funktioniert.

KDE4Auf dem nächsten ließ es sich mühelos installieren. Dann aber ging praktisch nichts. Kein Ton, kein Bild bei den Videos (keine Codecs?), tote Links auf dem Desktop, nicht einmal der Browser ließ sich öffnen. Alles nur Pech? Ich weiß, bei anderen funktioniert das alles, aber mit Kubuntu habe ich fertig. Wenn vier von vier Installationen nur Müll hervorbringen, ist das einfach überzeugend.

Suse habe ich lange genug ausprobiert, also noch einmal Kanotix, diesmal eine aktualisierte Version. Die erste Reaktion: Begeisterung. Ein Betriebssystem, in wenigen Minuten installiert (es läßt sich übrigens auch von der CD komplett booten, ohne Installation) und für den Normaluser quasi komplett. Sogar die Netzwerk-und Internetverbindung installierte sich automatisch. Das einzige, was noch fehlte, waren der Flashplayer und ein 3-D-fähiger Treiber für die Grafikkarte.

Hier verläßt einen dann sehr schnell die Begeisterung. Mit KDE4 ist ein neuer Fenstermanager am Werk, der halt anders ist. Wieder andere Routinen und Pfade, immer noch die Konsole. Es gibt Schlimmeres, aber wer nicht ständig auf Ballhöhe bleibt, hat jedesmal wieder Forscherarbeit vor sich. Der ATI-Treiber läuft, und mit dem Blitzspieler werde ich sicher auch noch fertig.

Vielversprechend sind die Möglichkeiten, Windows-Anwendungen unter Linux laufen zu lassen. Das ist freilich ein noch viel weiteres Feld. Insbesondere die Anwendungen der Firma Adobe zicken hier mächtig herum, und gerade die sind es, die quasi alternativlos Verwendung finden.
Zum Basteln mit Bildern ist GIMP aber immer noch mehr als tauglich, und wer sich nicht zum Sklaven seiner geklauten oder ruinös teuren Software machen läßt, kann sich damit durchaus bescheiden.

Kurzes persönliches Fazit in 2010: Es besteht Hoffnung. Und es geht nix über Kanotix. Auf XP werde aber ich aber vorläufig nicht verzichten, denn die nächste LAN-Party kommt bestimmt. Der Screenshot oben ist übrigens ganz frisch von meinem Rechner. Wer auf chice Sachen steht (Schuhe, Designs von Arbeitsflächen) ist mit dem Zeug hervorragend beraten. Die Windows-DAUs rufen ja auch dauernd wen an, der sich damit auskennt.

Daß Thomas Fricke sich inzwischen als “Chefökonom” beschimpfen lassen muß, sei es auch nur als der der FTD, erregt mein herzliches Mitleid. Auch seine Forderung nach höheren Löhnen wird ihm nicht mehr als das eintragen bei der Mehrheit derer, die woanders so heißen. Eine Provokation! Satte zweieinhalb Prozent mehr gönnt er den Abhängigen und Lohnkostengeneratoren. Sind wir jetzt bei Keynesens unterm Sofa?

Da muß spätestens morgen eine Klarstellung von Hans-Werner Sinn erfolgen, von Raffelhüschen, Hüther oder Straubhaar. Jetzt muß verhindert werden, daß der zarte Aufschwung durch überzogene Lohnforderungen kaputtgemacht wird. Sonst müssen wir ruckzuck die Exporte anderer kaufen und haben womöglich sogar das Geld dafür. Was erlaube Fricke!

[Update: Die Arbeitgeber haben schon mal vorgelegt: “Nur eine Fortsetzung der moderaten Tarifpolitik sichere Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze.” Sag ich doch!]

bruecke2 Was Eon-Chef Teyssen im Interview mit der FAZ an Riefenstahl-Rhetorik auffährt, um die Geldgier der Stromkonzerne zu kaschieren, verursacht spontanen Rückenmarksschwund. Die Propagandalyrik von der “großen Brücke” verzichtet auf keinen pompösen Tusch, für Inhalt war danach leider kein Platz mehr. Allein der verquaste Anspruch “alte und neue Energiewelten” zu verbinden, ist schon lächerlich. Da gibt es nichts zu verbinden, da gehört etwas schlicht abgeschaltet.

Was “neu” sein soll in Teyssens Wunderwelt der Monumente, beschränkt sich folgerichtig auf “Desertec“, ein Irrsinnsprojekt zur Gewinnung von Sonnenenergie in einer gigantischen Anlage. Er vergißt selbstverständlich zu erwähnen, daß nur die Monopole solche Anlagen bauen können. Und natürlich, daß kleine dezentrale Anlagen alle Vorteile auf ihrer Seite hätten. An denen verdient er bloß nichts.

Mal kurz zum Text:

Bundeskanzlerin Merkel hat als Bild für das neue Energiekonzept die Brücke zwischen alter und neuer Energiewelt benannt. Mich überzeugt dieses Bild. Brücken gehören zu den anspruchsvollsten Ingenieurleistungen, benötigen feste und tragfähige Pfeiler diesseits und jenseits eines Tals. Zudem basieren sie auf klugen und realistischen Berechnungen über ihre Tragfähigkeit und ruhen niemals auf bloßen Visionen oder Hoffnungen.”

Brücken. Anspruchsvolle Ingenieurleistungen. Aha. Und ich dachte, die Dinger werden seit Jahrtausenden gebaut und sind inzwischen nicht mehr ganz so der technische Hype.
Kluge und realistische Berechnung? Was ist “klug” an einer Berechnung? Die ist richtig oder falsch, gelle. Es könnte höchstens passieren, daß aus Kostengründen ein anderes Material verwendet wird als veranschlagt. So etwas soll vorkommen, unter anderem auch in Atomkraftwerken. Daß Mathematik und Physik überdies nicht auf “Visionen oder Hoffnungen” “ruhen” – beruhen wäre wohl das richtige Verb – haut mich jetzt glatt aus den Socken.

Laberlyrik, eine Definition von “Blabla”

Dummes Geschwätz. Für die Energieversorgung brauche ich keine Laberlyrik, sondern genügend Strom. Der ist auch dann da, wenn die AKWs morgen abgeschaltet werden. Die rhetorischen Rauchbomben sind bitter nötig, wenn uns einer weismachen will, es sei richtungweisend, Europa aus afrikanischen Großanlagen mit Strom zu versorgen. Man muß nämlich schon heftig vor den Pfeiler gerannt sein, um diesen Mumpitz zu glauben.
Garniert wird dieses schmackhafte Menü mit Kleister aus der neoliberalen Restetonne:

Schließlich müssen die Kosten der Energieproduktion aus neuen Quellen massiv gesenkt werden, damit der Standort Deutschland auch morgen noch für die deutsche Industrie und unseren Mittelstand wettbewerbsfähig in der Welt bleibt“.

Wer eine Definition von “Blabla” braucht – Voilà!

Eine “gewaltige neue Brücke” braucht er also, der Herr Teyssen, wo andere sich mit kleinen, aber effektiven Kraftwerken begnügen. Im Verhältnis zu dem ganzen “Boah-ey-Riesenbrücke”-Film erweist sich der Teil, bei dem es um den Kern der Sache geht, als bedauernswert mickrig. Lediglich ein Halbsätzchen, eine einzige Randbemerkung fällt dazu, die aber spricht Bände:

keine Stilllegungsdrohung, sondern schlichtes betriebswirtschaftliches Kalkül

sei die Drohung, alle AKWs abzuschalten. Leider kracht die Brücke an dieser Stelle nicht ein und fällt ihrem dilettierenden Architekten auf den Kopf. Ein einziges Schwadronieren um goldene Zeitalter, blühende Welten, kluge Techniker, Verantwortung und dergleichen, wenn es aber um die Moppen geht, ist ganz schnell Schluß mit Triumphbogen.

Ein umfassendes Beispiel von Phrasen-PR

Und als wollte er uns ein umfassendes Beispiel davon geben, wie Phrasen-PR geht, wartet der Propagandachef am Schluß mit einem Klassiker zum Dessert auf, einer Crême d’Air quasi, geschlagen aus purer heißer Luft mit dem eisernen Willen zur Verdummung:

Die jüngsten Gutachten anerkannter Rechtsexperten belegen, dass eine reine Laufzeitverlängerung unabhängig von der Jahreszahl allein Sache des Bundestages ist.”

Jüngste Gutachten – als sei das ein Qualitätsmerkmal. Es handelt sich vermutlich um solche, die noch niemand überprüfen konnte. Vielleicht sind sie ja noch gar nicht fertig?
Anerkannte Rechtsexperten’ heißt was? Daß sie wirklich Jura studiert haben? Daß er mit denen schon mal einen gehoben hat? Haben die auch Namen?

brueckeDaß selbst das Pfeifen im Walde noch im öligen Genäsel des Gebrauchtwagenhändlers daherkommt, würde mich zutiefst beunruhigen, hielte ich Aktien von diesem Verein. Werner Sturbeck, der das Interview geführt hat, scheint hingegen taub zu sein oder sonstwie über Schmerzen erhaben. Wie schafft man es sonst, sich den kompletten Text live anzuhören, ohne jeden Anflug von Widerstand?

“Hilfe von der Politik” wünscht sich der Karstadt-Käufer, weil die Vermieter ihre Forderungen nicht der Realität anpassen wollen. Den Steuerzahler wird der Spaß ohnehin bis zu 650 Millionen kosten. Die Mitarbeiter haben längst auf Lohn verzichtet – wobei ich leider nicht ersehe, ob sie auf der Gläubigerliste stehen, ich denke aber, das ist eher nicht der Fall – und alle anderen Gläubiger haben sich ebenfalls mit gigantischen Verlusten abgefunden.

Ausgerechnet diejenigen, deren völlig überzogene Forderungen die Pleite ausgelöst haben, beharren weiterhin darauf, den letzten Tropfen Blut aus ihrem Opfer zu saugen. Das ganze Unterfangen war von Anfang an durchschaubar und entweder irrsinnig oder kriminell. Es ist höchste Zeit, diese Frage eindeutig zu beantworten und Strafanzeige zu erstatten gegen alle die Künstler, die sich da fett gemacht und den Laden vor die Wand gefahren haben. Den Vermietern sind die Immobilien im großen Stil zugeschanzt worden, jetzt haben sie bloß das Problem, daß ihr Kunde kein solventer Mieter mehr ist. Das Ziel dürfte sein, Karstadt endgültig aus den eigenen Häusern zu vertreiben und Kasse zu machen. Es wäre hilfreich zu wissen, ob das alles so legal ist.

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