weiseversaAus der aktuellen Arbeitsmarktstatistik:

Arbeitslose: 2.945.000, davon
- 909.000 ALG I
- 2.037.000 ALG II (Hartz IV);
5.507.000 Hartz IV-Empfänger,
davon
- 690.500 in einer “arbeitsmarktpolitischen Maßnahme”
- 1.830.000 nicht Erwerbsfähige;
1.480.000 Menschen in “arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen”,
40,9 Millionen Beschäftigte
Davon 28 Millionen sozialversicherungspflichtig
4,8 Millionen “ausschließlich geringfügig entlohnt Beschäftigte” (in der Regel 400 Euro-Jobber)
Gemeldete Stellen: 401.000

Als erstes fällt auf, daß zu den offiziell gezählten knapp 3 Millionen Arbeitslosen noch einmal 3,5 Millionen Menschen kommen, die von Hartz IV abhängig sind und weitere 800.000, die in Maßnahmen gesteckt werden, um aus der Statistik zu fallen. (Es sind knapp 1,5 Millionen in solchen Maßnahmen, aber 700.000 wurden hier schon unter ‘Hartz IV’ erfasst). Selbst wenn man nun von den 5,5 Millionen Hartzern die nicht erwerbsfähigen (hauptsächlich Kinder) abzieht, kommt man insgesamt auf mindestens 6,5 Millionen faktisch Arbeitslose. Auf diese Summe kommt man, wenn man zu den offiziell Arbeitslosen noch die “erwerbsfähigen” Hartz IV-Empfänger zählt.

Schöngerechnet

Daß diese zum großen Teil nicht als arbeitslos gelten, liegt unter anderem an der absurd hohen Zahl von Minijobbern. Wie viele von den – das muß man sich einmal vor Augen halten – fast fünf Millionen Minijobbern kein ALG II beziehen, obwohl sie dazu berechtigt wären, ist natürlich nicht in der Statistik erfasst. Man kommt also, selbst wenn man der Definition “erwerbsfähig” folgt, auf eine nur sehr vage erfassbare Masse von Menschen, die schlicht arm sind. Die meisten von ihnen, obwohl sie arbeiten gehen.

Die Aufbereitung der Zahlen ist kompliziert, weil die einzelnen Angaben Überschneidungen enthalten. Wenn Hartz IV-Empfänger Kinder sind, kann man ja nicht von Arbeitslosen sprechen. Minijobber können ggf. über die Runden kommen, wenn sie mehrere Minijobs haben.
Will man erfassen, wie viele Menschen arm sind, muss man wiederum diejenigen hinausrechnen, die trotz Arbeitslosigkeit ein ausreichendes Einkommen haben. Dies dürften freilich nicht allzu viele sein.

Geschätzt können es zehn Millionen sein, die von ihrer Arbeit nicht mehr als das Existenzminimum haben oder arbeitslos sind. Man käme also auf eine Quote nicht ausreichend Beschäftigter von über 20%. Alles eine Frage der Perspektive bzw. der Kategorien, die man zugrunde legt.

Das Minijobwunder

aawasteDas neue Jobwunder, dies ist der erste Schluss, zu dem man kommen darf, ist angesichts der künstlich schmal gehaltenen Zahlenbasis reichlich aufgebläht. Für die allermeisten ändert sich gar nichts, und wer glaubt, das bißchen Zuwachs könne schon einen Binnenmarkt beleben, wird sich noch wundern. Es ist zwar richtig, dass in allen Bereichen derzeit positive Tendenzen zu verzeichnen sind. Allerdings macht auch niemand einen Hehl daraus, worauf dieser “Erfolg” beruht. Er beruht auf derselben Strategie, die Deutschland zuletzt den tiefen Sturz beschert hat. Und er beruht auf derselben Strategie, die schon Griechenland in die Pleite gestürzt hat: Die wütende deutsche Exportfixierung.

Dies wird sich doppelt rächen, denn die Krise wird umso schneller wieder aufflammen und Deutschland umso heftiger treffen. Grund zum Optimismus geben die bejubelten Zahlen keineswegs. Das Ganze macht die Armen kein bißchen weniger Arm und die Lage noch instabiler als viele befürchtet hatten. Im Grunde ist die aktuelle Entwicklung ein Fanal.

Grundregeln des Wirtschaftens

Beschäftigt man sich mit den Zusammenhängen und dem Gesamtbild, fragt man sich aber vor allem, wie es möglich ist, eine Scheindiskussion über Sozialschmarotzer zu führen, wenn selbst in den besseren Zeiten das Verhältnis von offenen Stellen zu Unterbeschäftigten derart deprimierend ist. Und kaum empfindet die Lobby der Arbeitgeber ein Problem bei der Besetzung vakanter Stellen, ist das Thema sofort vom Tisch. Dann wird vollkommen klar, daß es gar keine Stellen gibt für die angeblich Faulen, daß es für die allermeisten Langzeitarbeitslosen niemals eine Stelle geben wird. Ein Millionenheer von Geringverdienern und Arbeitslosen steht einem äußerst überschaubaren Bedarf an hoch spezialisierten Fachkräften gegenüber, für den nicht ausgebildet wurde.

So sieht es aus, wenn alles einer Marktstrategie untergeordnet wird, die den Interessen Einzelner folgt. Die Menschen verarmen, und der Markt ist in keiner Weise fähig, die Bedingungen für seinen eigenen Bestand zu erfüllen. Wie wäre es also, in Zukunft die Grundregeln des Wirtschaftens wieder an soziale Kategorien und langfristige Stabilität zu binden? Bis zur nächsten Krise kann ja einmal darüber nachgedacht werden.