Es ist nicht wirklich erstrebenswert, ein Leben lang seine Arbeitskraft zu verkaufen, um vom Erlös das Nötigste für den Alltag zu haben. In den 70er Jahren noch war der gefühlte Wohlstand der Massen in den Industrieländern so groß, daß man sich nahe einer Utopie wähnte, die ein anderes Leben versprach. Weniger Arbeit bei höherer Produktivität, eine logische Folge des technischen Fortschritts, sollte zu einer glücklichen Gesellschaft führen. Diese Rechnung haben die Träumer freilich ohne den Kapitalismus gemacht. Wer glaubte, die bedrückende Konkurrenz würde sich angesichts immensen volkswirtschaftlichen Reichtums verflüchtigen, sieht sich des Gegenteils belehrt.

Es ist gelungen, den Wettbewerb zu einer mythischen Größe zu stilisieren, gleichzeitig Bedrohung und Ideal, Problem und Lösung. ‘Wir’ stehen im ständigen Konkurrenzkampf mit äußeren Mächten, und um diesen zu bestehen, müssen wir uns im Inneren stählen. “Höchste Leistung bei geringsten Kosten” ist die Devise, die nationale Konkurrenz um eine Arbeit, von der man leben kann, sei der Weg, in der internationalen Konkurrenz zu bestehen.

hivDaß dies nicht zu einem freien Fall von Löhnen und Gehältern führt, dafür soll ebenfalls der Markt sorgen. Spätestens an dieser Stelle kratzt man sich den Kopf wund bei dem Versuch, der Logik solchen “Marktes” noch zu folgen.
Daß es in Deutschland Tariflöhne gibt, erweist sich in diesem Zusammenhang schon lange als fatal, denn die Gewerkschaften verhandeln seit Jahrzehnten gegen ihre eigenen Interessen und schließen regelmäßig Verträge ab, die deutlich hinter der Produktivitätsentwicklung und der Preisentwicklung zurück bleiben. Ein Arbeitnehmer, der hier für sich selbst spräche, hätte den Arbeitgebern längst seinen schönsten Finger gezeigt. Die Gewinne steigen und ich soll verzichten? Schönen Dank auch!

Nichts zu verhandeln

Daß es hier zu keiner echten Verhandlung kommt, der Markt außer Kraft gesetzt wird, dafür haben zuletzt zwar schon die Gewerkschaften gesorgt. Dies kann man freilich nicht ihnen allein ankreiden, denn sie verhandeln aus einer Position der Schwäche. Arbeitnehmerrechte wurden seit den 80er Jahren massiv abgebaut, vor allem werden sie unterwandert durch Leiharbeit, befristete Arbeit, Massenarbeitlosigkeit und Arbeitszwang. Gerade die Empfänger niedriger Löhne haben überhaupt keinen Spielraum. An ihrer Stelle warten bereits Massen von ALG II-Empfängern, die jeden Job zu jedem Preis machen müssen. Staatliche Erpressung ergänzt an dieser Stelle private Lohndrückerei. Mit “Markt” hat das nichts zu tun.

Obendrein haben sogenannte “Investoren” durch die irsinnige Deregulierung der Wettmärkte längst Möglichkeiten gefunden, Gewinne zu erzielen, ohne daß noch irgendwer dafür etwas produziert oder eine Dienstleistung erbringt. Einzig diejenigen, die solche Geschäfte abwickeln, sind dazu noch notwendig. Dies sind eine überschaubare Anzahl von Bankmitarbeitern und wenige obszön überbezahlte Experten. Ausgerechnet in einem Sektor, der realwirtschaftlich absolut nichts leistet, werden absurde Gehälter ausgereicht, und zwar vollkommen unabhängig von der Qualität des Schaffens. Machen sie Gewinne, bekommen sie Millionen. Führen sie ihre Firma in die Pleite, bekommen sie Millionen. Wäre dies noch “Markt”, müßte die Nachfrage nach dreisten Dilettanten ganz enorm sein.

Man kann beinahe ansetzen, wo man will, es will so recht nicht Marktwirtschaft sein, wo es um Löhne geht. Man stelle sich nur einmal vor, die Arbeitgeber würden mit Zwangsmaßnahmen wie völliger Enteignung sanktioniert, wenn sie nicht ausreichend Arbeitnehmer zu einem staatlich geforderten Lohn einstellen. In dieser Situiation ist auf der anderen Seite ein Hartz-IV-Empfänger. Was gibt es da noch zu verhandeln?

Wettbewerb, ein lächerliches Argument

Es gibt keinen Arbeitmarkt. Schon gar nicht wird es je wieder Vollbeschäftigung geben. Das kann auch niemand anstreben, der die schlichten Fakten zur Kenntnis nimmt. Die technische Entwicklung macht Arbeit zunehmend unnötig. Es gab seit Jahrzehnten nirgends mehr Vollbeschäftigung. Wir haben Jahrzehnte der Massenarbeitslosigkeit erlebt in der stärksten Exportwirtschaft der Welt. Wettbewerb? Ein lächerliches Argument.

benqDabei wäre Massenarbeitslosigkeit in einer humanen Gesellschaft ein absolut wünschenswerter Zustand. Allein schon um eine Reserve zu haben, die schwankende Nachfrage nach Arbeitskräften unter unterschiedlichen Bedingungen befriedigen kann. Wer gebraucht wird, packt an, wer nicht gebraucht wird, hat eben Muße. Die könnte durchaus produktiv sein oder für die Bildung genutzt werden. Würde man die nur anbieten, anstatt sie künstlich zu verteuern, zu verknappen und planwirtschaftlich auf angebliche Bedürfnisse der Industrie zurichten. Auch hier keine Spur von einem Angebot, das sich einer freien Nachfrage anpassen könnte.

Es soll an dieser Stelle genug sein. Wohin man auch schaut, es findet sich so recht kein “Arbeitsmarkt”. Nicht einmal eine Marktwirtschaft ist in Sicht, wo immer es um die Verteilung des Reichtums und der Gewinne geht. Das wirkliche wirtschaftliche Geschehen folgt offenbar noch ganz anderen Gesetzen.