Wirtschaft


Huschhusch zu weißgarnix!

Die ruhige Hand regiert. Das Platzen der Ideologieblase “Neoliberalismus” ist traumatisch, Lethargie das Symptom. Die Therapeuten, selbst ratlos, weil sie die Phase der blinden Euphorie einer kranken Wirtschaftspolitik für pure Gesundheit gehalten haben, moderieren schwerfällig die erste Aufarbeitung der Krise. “Das ist gut, daß Sie etwas tun”, sprechen sie dem Patienten zu, dunkel ahnend, daß sie ihm nicht helfen können.
Die Lethargie des Patienten ist nur das erste Symptom und Heilung nicht in Sicht, weil weder der Kranke noch die Therapeuten annähernd die Ressourcen haben, um Hoffnung gedeihen zu lassen. Der Patient kennt nur die Strategien, die er von seinen Ratgebern übernommen hat. Die Ratgeber selbst haben weder die volle Einsicht in ihr Versagen, noch eine Idee, wie sie ihren Strategiewechsel einem Klienten nahebringen sollen, dessen Ich-Schwäche eklatant ist. Der Patient hat nie selbst gehandelt, sich in die totale Abhängigkeit von seinen Ratgebern begeben und ein völlig eindimensionales Handeln entwickelt.
Daß die politischen Handlanger einer neoliberalen Ideologie ratlos sind, ist verständlich. Daß den gescheiterten Theoretikern immerhin dämmert, daß sie falsch lagen, wäre beinahe löblich. Wenn sie in diesen Zeiten dennoch glauben, sie seien qualifiziert, mit ihrer Behandlung fortzufahren, anstatt endlich abzutreten, zementieren sie die Hoffnungslosigkeit.
Daß dieselben Kostensenkungsapostel und Profitanbeter, die maßgeblich die Krise heraufbeschworen haben, jetzt als Besserwisser in Sachen Konsumförderung auftreten, ist eine geradezu tragische Anmaßung. Wer wirklich Rat sucht, fragt nicht mehr den, der sich als ahnunglos, verbohrt und unverantwortlich erwiesen hat. Dabei reicht es nicht, den dümmsten der Dummen von der Liste der Experten zu streichen, es ist vielmehr an der Zeit, diejenigen um Hilfe zu bitten, die man nie gefragt hat und von denen man eine ehrliche Meinung erwarten kann. Die selbsternannten “Weisen” gehören definitv nicht dazu.

Noch einmal sei daran erinnert, was der dümmste der Dummen noch Anfang 2007 von sich gab:

Konsum ist schädlich für das wirtschaftliche Wachstum und unnötig für die Konjunktur. Der derzeitige Boom der deutschen Wirtschaft ist der beste Beweis dafür, dass es für eine gute Konjunktur auf eine sofortige Erhöhung der Konsumgüternachfrage gar nicht ankommt.

Da helfen keine Pillen.

Was finanziert der sogenannte “Rettungsfonds” eigentlich? Er sollte ein Instrument sein, das Banken ermöglicht, sich gegenseiitig wieder Geld zu leihen, da das Risiko einer Pleite und damit des Verlusts verliehenen Geldes durch staatliche Bürgschaften (und Kredite) verringert wird. Nun war die Commerzbank eine der ersten, die Mittel aus dem Fonds in Anspruch nahm. Danach hat sie nichts Besseres zu tun, als die Dresdner Bank zu kaufen. Man kann darüber schon deshalb dem Kopf schütteln, weil man sich fragt, ob die Steuermittel dazu gedacht waren, Banken zum Shoppen zu schicken. Dem mag dann entgegengehalten werden, die Fusion nütze den Banken und mache sie zukunftssicher, was wiederum die staatlichen Mittel vor Verlust schützen würde. Das Gegenteil ist aber der Fall, die Übernahme der Dresdner ist riskant, und niemand weiß so recht, wie riskant. Das Management der Commerzbank hat also den Schneid, seine Geschäfte durch Steuermittel absichern zu lassen und sogleich wieder Kopf und Kragen zu riskieren:

Ist es nicht ziemlich riskant, ausgerechnet im beginnenden Konjunkturabschwung zwei auf Deutschland konzentrierte Mittelstandsfinanzierer zu fusionieren?

Doch. Bevor die Commerzbank den Antrag auf Staatsgeld gestellt hatte, war die Übernahme der Dresdner Bank in meinen Augen sogar existenzbedrohend. Und zwar nicht nur, weil in den nächsten Jahren die Zahl der Kreditausfälle steigen wird, sondern auch, weil immer noch nicht klar ist, welche Risiken noch in den Büchern der Dresdner Bank schlummern. [...]

Wäre es dann nicht besser gewesen, die Übernahme abzublasen?

Dank der Milliarden aus dem Sonderfonds der Bundesregierung kann die Commerzbank viel gelassener agieren. Mit diesem Geld kann sie die Allianz ja auch gleich ausbezahlen. Und aus Sicht der Allgemeinheit ist es doch wünschenswert, dass durch die Fusion ein neuer Marktführer auf dem deutschen Markt entsteht.”

Dieter Hein (“fairesearch”) hält es für überzeugend, daß ein “Marktführer” entsteht. Das ist was ganz doll Großes und Wichtiges, also Gutes. Ich persönlich habe als Allgemeinheit hingegen nicht das geringste Interesse an einem Marktführer, auf dessen tönerne Füße Lasten gepackt werden, die ich nachher abtragen darf, wenn es schiefgeht. Hein sagt es ganz ungeniert: Existenzbedrohend ist diese Fusion, weil niemand glaubt, daß die beteiligten Banken aus eigener Kraft aus den roten Zahlen kommen. Ein Marktführer am Rande des Zusammenbruchs, gestützt durch Staat und Steuermittel. Und wenn der Laden in fünfzehn Jahren dann doch wieder Gewinne abwirft, was dann? Gibt es dann auf Kosten der neuen Commerzbank eine Steuerbefreiung für die edlen Bürgen, die Bürger?
Ihr habt ja recht: Wovon träume ich nachts?

Als ich mit Windows XP zum ersten Mal in Berührung kam, hatte ich bereits einige Vorurteile parat, obwohl ich selbst Windows-User war. Mit win98 habe ich alles gemacht, was man einem Betriebssystem antun kann, eine hohe zweistellige Zahl von Neuinstallationen inklusive. Dann kam XP.
Es gab schon vorab diverse Warnungen, und es verging kein Tag, an dem nicht neue Sicheheitslücken und Bugs gefunden wurden. Schlimmer noch war das neue Design, daher auch der Name “Ypspe” oder “Windows Teletubbies”. Als es gar nicht mehr anders ging, weil 98 und ME (ebenso 2000) neue Hardware und vor allem Software nicht mehr unterstützte, habe ich dann gewechselt. Es stellte sich heraus, daß XP ein hervorragendes OS war, das mit relativ wenig Aufwand auf das alte Design unzustellen war und nach dem 300. Update und Service-Pack komfortabel und stabil. Selbst das Auswechseln eines Mainboards mit einem völlig neuen Prozessor verkraftete XP ohne Neuinstallation. Hut ab!
Die Vorberichte zu Vista ließen nichts Gutes ahnen – mit den Systemanforderungen, die allein Vista stellt, fährt man unter XP aufwendigste Anwendungen ohne Probleme. Vista ist mit Maschinen neuester Bauart teils so lahmarschig, daß man sich fragt, ob Billie sich im Hintergrund heimlich Filme anguckt, während die Kiste hochfährt. Die unter XP schon ein wenig nervige Art, ständig zu fragen, ob man denn wirklich einen Druckertreiber installieren will, setzt Vista unnachahmlich fort. was vielleicht irgenwann einmal als “komfortabel” gelten sollte, weil es User vor dummen Fehlern bewahrt, ist einfach unnütz und sperrig.
Das Design ist überladen und nervtötend, unübersichtlich und misslungen. Microsoft ist nicht Macinstosh, und wenn ich einen Appel haben will, kaufe ich mir einen.
Das alles kann man vielleicht noch ertragen, aber die Architektur von Windows ist inzwischen eine Frechheit. Im Zuge der Firmenpolitik, die User als zu kontrollierende Deppen betrachtet, strahlt diese auch auf XP aus. Windows hatte bislang den großen Vorteil, daß die Hardware-Hersteller ihre Treiber darauf abgestellt haben und eine einfache Installation ermöglichten. Auch für eienige Software, vor allem Spiele, war Windows eine gute unkomplizierte Plattform. Das allerdings war gestern.
Die 64-bit-Betriebssysteme von Vista und XP können gar nichts mehr fahren. Wer zocken will, braucht ein 32-bit-XP.
Mir ist in den vergangenen Tagen endgültig die Hutschnur geplatzt, als ich Vista auf Wunsch eines Notebook-Besitzers radiert und XP installiert habe. Die Entfernung von Vista gestaltete sich äußerst zäh, hier haben die Vorinstallation und die auf Vista abgestellte Hardware verdammt hohe Hürden aufgebaut. “Pech gehabt”, mag man sagen – wer kauft schon ein Notebook mit Vista und will eigentlich XP? Nun gibt es ja offiziell noch die Möglichkeit, eine Lizenz für Vista gegeneine für XP zu tauschen. Forget it! Die Microsoft-Hotline weiß davon nichts, der Hardwareherstelller sei zuständig, stellt sich aber leider tot. Egal, es gibt andere Möglichkeiten.
XP also installieren, dann die Treiber suchen und installieren.
Aargh! Versucht mal, einen Radeon-Mobility-Chip ans laufen zu bringen! AMD/ATI macht einen ganz beschissenen Job, man muß sich ein Tool aus dem Netz suchen, das den Treiber erst so hackt, daß er funktioniert. Einer der beiden führenden Grafikchip-Hersteller ist nicht mehr Windows-kompatibel.
Noch nerviger ist aber das ganze Gewese um “Windows-Installer”, “.net” und den ganzen Krempel, den man braucht, um einen blöden Treiber zu laden. Das hat mich stark an die übelsten Sessions mit Linux erinnert. Du willst etwas installieren, was die Distribution nicht mitliefert? Dann saugst du ein Paket, das ein weiteres Paket verlangt, welches man sich suchen und installieren muß, was dann ein weiteres Paket erfordert. Prima, das kann Windows jetzt auch. Es mag ja sein, daß ein neu gekauftes und immer aktuell gehaltenes Windows die notwendigen Packs beinhaltet. Das heißt aber dann, daß eine gekaufte Lizenz für die Tonne ist, wenn man das Betriebssystem einige Zeit später neu aufsetzt. Im Grunde muß man immer ein aktuelles Windows kaufen, weil es billiger ist als die Arbeitszeit, ein vorhandenes auf neuer Hardware zu aktualisieren. Ich selbst habe daher mein im Frühjahr erworbenes eigenes Notebook auch mit installiertem XP bestellt – eine weise Entscheidung!
Ich will mir gar nicht vorstellen, wie DAUs sich auf Vista umstellen sollen. Eine Goldgrube für IT-Helferlein und Seminaranbieter, nehme ich an.
Windows stinkt. Bei mir laufen zwei legale und gut gepflegte XP-Versionen, darauf drei Kreuze! Aber ich will kein neues Windows, definitiv. Ich habe außerdem ein schlankes Linux (Kanotix) laufen, das den nächsten Rechner nicht mehr wird fahren können. Ubuntu war auf meiner Hardware eine Katastrophe, die SUSE mochte ich immer gern, aber zuletzt gab es too much Trouble mit den Codecs für Videos, deshalb habe ich es entfernt. Wie ich hörte, ist das inzwischen besser geworden, daher werde ich die SUSE demnächst wieder aufsetzen und davon berichten. Ich gebe die Vision nicht auf, alle Rechner mit Linux zu fahren und halte das für realistisch. Das einzige ungelöste Problem bleiben Anwendungen, die nur unter “DirectX” laufen. Ich habe etwas gelesen von einem Freak, der DirectX für Linux emulieren will, aber daran glaube ich erst, wenn es wirklich funktioniert. Von daher hoffe ich darauf:
Entweder wird es, von Microsoft oder sonstwem, ein schlankes OS für DirectX-Anwendungen geben (Ja, ich rede von Spielen), oder die Welt wird endlich wach und macht sich unabhängig von der Software-Mafia. Es gibt tolle Spiele, die weniger als tausend GB Speicher brauchen und auf ganz verschiedenen Plattformen laufen. Ich muß nicht die Pickel in Gesicht der Figürchen sehen, schon gar nicht mit Schatten. Ich will etwas, das funktioniert, das sich sich nicht alle 6 Monate ändert, mir meine Gewohnheiten nicht ständig madig macht und bezahlbar ist. Microsoft kann das nicht leisten.

Hans-Werner Sinn hält sich noch immer für berufen, dem Volk und der Welt zu erklären, was es zu denken habe. Es gibt keinen Bereich des öffentlichen Lebens, in den er sich nicht einmischt. Daß er als Hobbyhistoriker ein antisemitischer Propagandist ist, ist eine Sache. Daß er als Ökonom ein Totalausfall ist, eine andere. Jetzt geriert er sich auch noch als Umweltpolitiker.

Die “Prinzipien”, nach denen er vorgeht, sind recht einfach: Er spricht grundsätzlich aus Sicht eines neoliberalen Lobbyisten und biegt sich die Wirklichkeit so zurecht, wie sie ihm paßt. So will ausgerechnet er schon immer gewußt haben, wie gefährlich die “Öffnung der Finanzmärkte” war. Zwei Gründe nennt er dafür:

Schon 1977(!) habe er in seiner Dissertation “die Analyse der überhöhten Risikobereitschaft, die durch zu geringes Eigenkapital verursacht wird” geleistet. Damit war dann wohl alles gesagt, wir hätten nur vor, sagen wir, zehn Jahren, seine Arbeit lesen und die richtigen Schlüsse daraus ziehen müssen. Im Gegensatz zu ihm.
Der zweite Beleg für seine Allwissenheit ist sein Schweigen. Er hat immer alles gewußt, nur nichts verraten:

Gedacht schon, aber keiner wollte die Krise herbeireden. Ich selbst bin seit langem überzeugt, dass die Regulierung zu lasch ist.

Wenn Sinn immer von dem schweigt, was er eigentlich denkt und dann das Gegenteil sagt, wird mir einiges klarer. Der Kampf gegen Windräder ist sein jüngstes und duchaus passendes Projekt. Kernkraft ist besser. Natürlich denkt er heute bereits an die unmögliche Endlagerung und die Risiken, sowie das nackte Grauen eines möglichen GAUs. Das wird er dann souverän offenlegen, wenn es dazu kommt.

Auch die Krise, die durch die Monopolisierung der Stromwirtschaft vorangetrieben wird, ist ihm völlig gewahr. Er weiß, daß nur die Großen der Branche AKWs betreiben können. Sein Setzen auf dieses tote Gleis der Energiegewinnung ist in Wirklichkeit die weise Einsicht, daß man aussteigen sollte. Dies teilt er dann mit, wenn keiner mehr seine Stromrechnung bezahlen kann.

Ganz auf der Höhe des verzweifelten Agendasettings der kapitalistischen Lohndrücker weiß er sich mit Karl Lauterbach in einem Boot: “Autos kaufen Autos”, wissen die beiden, und sind vermutlich schon bei der Mofaprüfung vor die Ampel gefahren. Da Sinn nicht links sein muß, kann er noch haltloser daherschwätzen:

Doch leider ist das Kaufkraftargument schon aus logischen Gründen falsch: Eine Lohnerhöhung ist eine Gewinnsenkung, und so wie Lohnerhöhungen die Kaufkraft der Arbeitnehmer erhöhen, senken sie jene der Arbeitgeber. Die bestehende Kaufkraft wird also nur anders verteilt. Zwar steigt der Konsum der Arbeitnehmer, wenn bei gegebener Beschäftigung mehr Lohn gezahlt wird. Doch nimmt die Investitionsneigung ab, weil die Lohnerhöhung viele potenzielle Investitionsprojekte unter die Rentabilitätsschwelle drückt, und das verringert die Nachfrage.”

- “Eine Lohnerhöhung ist eine Gewinnsenkung.”
Wer sich solcher Sätze erblödet, mag in einer Talkshow gern gesehen sein. Sich dann aber “Ökonom” zu nennen, zeugt von einer ungeheuren Chuzpe. Dieser Satz ist nur dann richtig, wenn man ihn so doof wie möglich interpretiert, im Sinne von “Was ich ausgebe, ist weg”. Jede andere Sichtweise, jede noch so kleine Differenzierung, führt zu anderen Schlüssen. Etwa zu dem, daß es auch noch ein Folgequartal gibt, in dem die Produktivität von der Qualität der Arbeit abhängt. Etwa von der Möglichkeit, Produkte nicht nur herzustellen, sondern sie auch abzusetzen.

Das folgende Lamento bezüglich “Konsum” versus “Investition” ist blanker Nonsens, Gefasel im Luftleeren Raum. Um letztendlich zu bestimmen, ob Lohnerhöhungen Investitionen verhindern, muß man Zahlen haben. Das ist allgemein nicht in gültiger Weise zu formulieren.
Man kann höchstens spekulieren, wogegen ich nichts habe. Dann aber kann man feststellen, daß Lohnerhöhungen auf breiter Basis, vor allem im unteren bis mittleren Einkommensbereich, unmittelbar zu höherem Konsum führen, der wiederum äußerst willkommen ist in einem ewig schwächelnden Binnenmarkt.

Investitionshemmend wirken sich höhere Löhne hingegen dann aus, wenn der Gewinn zu gering ist, um noch investieren zu können. In weiten Bereichen der deutschen Wirtschaft kann davon nicht die Rede sein. Die Kassen sind voll. Allerdings sind es meist die der Shareholder, die gar nicht investieren wollen. Ein wirkliches Investitionshemmnis besteht in den irrsinnigen Renditeversprechen der letzte Jahre. Wer so abkassieren will, ist an keiner Zukunft interessiert. “Investition” bedeutet dann nur das Abgrasen der nächsten Wiese. Es läuft aber immer auf dasselbe hinaus: Löhne runter, damit hier genau so große Gewinne möglich sind wie Ausland. Löhne runter, damit investiert werden kann. Gewinne nicht schmälern.

Eine Gesellschaft, die im Verhältnis zu ihrer gesamtwirtschaftlichen Produktivität niedrige Löhne hat und die dementsprechend dauerhaft einen höheren Prozentsatz ihres Sozialprodukts investiert und einen kleineren Prozentsatz konsumiert, baut ihre Produktionskapazität schneller auf und wächst deshalb schneller.”
Auch das ist blanker Unsinn, weil es den einbrechenden Absatz nicht berücksicht, ebensowenig wie die Tatsache, daß Gewinne eben nicht zu stabilen Investitionen geführt haben.

Einen noch, mir ist selbst schon schlecht:
Konsum ist schädlich für das wirtschaftliche Wachstum und unnötig für die Konjunktur. Der derzeitige Boom der deutschen Wirtschaft ist der beste Beweis dafür, dass es für eine gute Konjunktur auf eine sofortige Erhöhung der Konsumgüternachfrage gar nicht ankommt.

Dieser unfassbare Schwachsinn stammt von einem deutschen Wirtschaftsprofessor. Schon die Behauptung ist so abseitig, daß jeder Hirninhaber innegehalten hätte, anstatt dafür auch noch Gründe zu suchen. Sinn hingegen gelingt es, so zu argumentieren. Er glaubt tatsächlich, es gebe Konjunktur ohne Konsum. Der Gartenzwerg, der uns ewig das Lied der “Globalisierung” gesungen hat, damit hier die Löhne gesenkt werden, kapiert nicht, daß der Konsum im Ausland auch einer ist. Er kapiert nicht, daß sich diese Schuld just zu rächen beginnt. Ich bin inzwischen davon überzeugt, daß dieser Mann gar nicht der sinistre Ideologe ist, für den ihn viele halten. Er ist vielmehr von erschreckend schlichtem Gemüt.

Anfang Oktober habe ich in Aussicht gestellt, einen Artikel über die größte Schrödersche Sünde zu verfassen: Daß es keine Aufstiegsmöglichkeiten mehr gibt. Wohlan!
“HartzIV” bedeutet nicht nur Gängelung für diejenigen, denen es nicht gelingt, einen Job zu finden. Es bedeutet überdies ein großes Hemmnis für gerade diejenigen, die angeblich davon profitieren sollen: Die Fleißigen, Zielstrebigen – die Sorte Mensch, die will, daß es “ihren Kindern einmal besser gehen” soll. Um den sozialen Aufstieg zu schaffen, bedarf es einer passenden Berufswahl, der Wahl einer passenden Arbeitsstelle, an der man seine Stärken nutzen kann. WIe kommt man an eine solche? Man bewirbt sich, wählt aus, probiert aus, schaut sich das eigene Fortkommen an und entscheidet sich eventuell, etwas anderes oder einfach dasselbe woanders auszuprobieren. In den fünfziger bis siebziger Jahren war die Phase des Probierens in der Regel recht kurz, bis man einen Betrieb fand, in dem man viele Jahre, oft ein ganzes Leben lang, beschäftigt war.
Heute ist die Situation anders. Mehr Fluktuation ist die Regel, dazu wird mehr Flexibilität gefordert. Diese Belastung der Arbeitnehmerschaft birgt viele Probleme, etwa die Schwierigkeit, Familien zu gründen oder die generelle Unsicherheit von Jobs.
Auf der anderen Seite birgt ein solcher Arbeitsmarkt die Möglichkeit, sich in unterschiedlichen Beschäftigungen zu versuchen und den Arbeitgeber häufiger zu wechseln. Hier aber schlägt die aktuelle Gesetzgebung gnadenlos zu. Die Flexibilität, die von den Arbeitnehmern verlangt wird, ist dem Gesetz und seinen ausführenden Agenturen selbst völlig fremd. Will sich jemand verbessern und kündigt deshalb eine Stelle, wird ihm das Arbeitslosengeld zumindest gekürzt. In der Regel bedeutet das für Empfänger eines Gehalts, von dem man leben kann, daß sie drei Monate vom Ersparten leben müssen. Dies hat zwar nur am Rande mit “HartzIV” zu tun, hat aber für die tatsächliche “Flexibilität am Arbeitsmarkt” fatale Folgen. Der Druck, eine Stelle zu behalten, weil man sich eine Kündigung nicht leisten kann und eben nicht die Gelegenheit hat, sich halbwegs in Ruhe eine andere Stelle zu suchen, ist eine psychologische Totalblockade. Allein die Aussicht, durch die Ablehnung von Stellen von heute auf morgen arm zu werden, verhindert durchaus berechtigte Versuche, sich zu verändern.
Und selbst, wenn man eine Stelle in Aussicht hat, während man noch beschäftigt ist, wird es äußerst schwierig. Man muß ja die Kündigungsfrist abwarten. So viel Zeit hat der potentielle neue Arbeitgeber aber oft nicht. Es ist also ein Glücksfall, wenn es Menschen noch gelingt, eine bessere Beschäftigung zu finden. Wer kündigt, gilt als Arbeitsflüchtling und wird so behandelt. Selbst wenn der Job unerträglich wird, weil man mit den Kollegen, dem Chef oder den Arbeitsbedingungen nicht zurecht kommt, ist dem so, denn wer kann dies schon nachweisen? Kündigt man nicht, wird man sich einigeln, die Leistung nachlassen und das Beschäftigungsverhältnis für alle Beteiligten zur Qual. Arbeitgeberverbände und neoliberale Politiker rufen gern und laut nach einem “gelockerten Kündigungsrecht”. Hier könnte man lockern – wenn man Arbeitnehmern eine sinnvolle Kündigung ermöglichen würde.
Flankiert wird diese Blockade durch den organisierten Abstieg von ehemaligen Angestellten durch “HartzIV”. Auch und gerade diejenigen, die sich auf ein Leben am Existenzminimum einlassen, dürfen diese Investition in ihre Laufbahn nicht tätigen. Ihre Aussicht besteht darin, in ausbeuterische Beschäftigungen vermittelt zu werden oder sogar ihr Existenzminimum zu verspielen. Sie werden gezwungen und herumgereicht, ihnen wird nicht gestattet, sich auf Angebote zu konzentrieren, die ihren Fähigkeiten und Vorstellungen von einem guten Job entsprechen. Mindestens ebenso hart trifft sie der Status als “Sozialschmarotzer” und der Verlust kultureller Teilhabe. Gerade, wer seinen eigenen Weg gehen will und wirklich das leisten will, was er kann, ist ja selbst schuld – er hätte doch Arbeit haben können. Wer soll unter solchen Bedingungen beruflich vorankommen?
Es gibt so viele Hintergründe, die völlig unberücksichtigt bleiben, was die Entwicklung der Menschen in ihrem Berufsleben massiv behindert.
Zur Illustration: Ich selbst befinde mich aktuell in dieser Situation. Nach elf Jahren in einem Beruf, für den ich qausi nebenbei qualifiziert bin, weil ich als promovierter Geisteswissenschaftler auch im (sozial-)pädagogischen Bereich tätig sein darf, habe ich ziemlich fertig. Ich leite ein Team von derzeit vier Mitarbeiter/innen an der Front, die diese Gesellschaft durch ihre sprichwörtliche Kinderliebe geschaffen hat. Ich stelle fest, daß ich meinen Job nicht mehr als sinnvoll betrachte. Nicht, weil die ganze Branche überflüssig wäre, sondern, weil mein konkretes Aufgabengebiet letztendlich ein Feigenblatt ist. Was Schule, einzelne soziale Hintergründe und die Realität meines Klientels kaputt machen, ist durch die von mir verantwortlich durchgeführten Maßnahmen oft nicht einmal mehr zu reparieren. Ich glaube, wir machen einen geilen Job, aber das ist einfach nicht ausreichend. Wie gehe ich damit um? Ich werde ordentlich bezahlt (wenngleich die 80km zur Arbeitsstelle eine Menge meines Gehaltes auffressen), und es ist durchaus erträglich, da, wo ich bin. Soll ich aber tumb meinen Streifen durchziehen, darauf warten, daß meine Motivation völlig aufgebraucht ist und meine Kollegen irgendwann mit einer “Null-Bock”-Haltung infizieren? Es gibt noch einige Gründe mehr, “nein” zu sagen, aber diese gehören nicht hierher.
Ich habe mich also entschlossen, etwas anderes zu suchen. Mein Ausstieg steht quasi fest, er könnte allerdings daran scheitern, daß ich nicht bereit sein werde, selbst zu kündigen. Die Folgen dieses Details werden unter Umständen zu einem absurden Theater führen.
Nun sind die allermeisten Arbeitnehmer nicht so entschlossen, das Richtige zu tun, und sie haben meist auch deutlich schlechtere Aussichten, damit nicht im totalen Absturz zu enden. Ihnen ist jede Aussicht genommen: Zu einer Betriebsgemeinschaft zu gehören, in der man sich einrichten kann, wie in einer funktionierenden Ehe, ist Schnee von gestern. Freude am Beruf und der Tätigkeit gilt nichts im Angesicht von Hartz. Auf Veränderung steht die Höchsttrafe. In diesem Land ist der Versuch verboten, sich einen Beruf zu suchen. Eine Tätigkeit, die als Teil des eigenen Lebens angenommen werden kann, die der Gemeinschaft, den eigenen Interessen und einem bißchen Wohlstand dient, ist von Gesetztes wegen irrelevant. Man hat dem Profit zu dienen – entweder dem eigenen oder dem der anderen. Dieser Zustand ist sogenannten “Sozialdemokraten” zu verdanken, die inzwischen nur noch eines können: So zu tun, als könnten sie mit Geld umgehen. Menschen und ihre Lebenswelt kommen in ihrem Wirken nicht mehr vor. Die Ironie besteht darin, daß diese Menschenverachtung just in ein nachhaltiges wirtschaftliches Desaster führt.

Ich habe in den letzten Monaten versucht zu verstehen, was sich hinter der Subprime-Krise, Bankenkrise, Finanzmarktkrise verbirgt. Schon seit Jahren schüttele ich den Kopf über Derivate, Termingeschäfte und den ganzen sinnlosen Hokuspokus, der ursprünglich auf Warengeschäften aufesetzte und sich längst zu einem Casino entwickelt hatte, in dem die Jetons minütlich andere Werte anzeigen.
Nun ist mir so weit deutlich, was war und wie es lief, und was ich von neoliberalem Sozialismus halte, habe ich neulich erläutert. Die neueste Entwicklung zum Aufschub des Untergangs macht mich allerdings stutzen. Wenn sich die Bushleute anschicken, mit Billionen (oder erst einmal einer halben) Dollars unnützes Zeugs zu kaufen, ist das zwar Irrsinn, aber eine interessante Variante. Wenn nämlich der Staat eingreift, um das Schlimmste zu verhindern und einen Hopplasozialismus in den Martk implementiert, könnte das sogar eine gute Idee sein. Ich weiß ja nicht, was da nun genau ablaufen soll (und ich fürchte, das weiß niemand), vermute aber, daß so sinnlos wie möglich die wertlosesten Kreditpäckchen “gekauft” werden sollen, um die dümmsten Zocker zu begünstigen und damit zu sichern, daß niemand sicher sein kann, sein Geld zu verlieren. Dies wiederum führt zu einem kranken Vertrauen in die toten Gleise des Marktes, womit verhindert wird, daß massenhaft Geld abgezogen wird. So weit richtig?
Ein selektiver Kauf von eben den Krediten, mit denen Immoblilien finanziert wurden, deren Besitzer sich das gar nicht leisten können, hätte hingegen durchaus Charme. Der Staat könnte damit diejenigen alimentieren, die wirklich darunter leiden und ihnen eine Zukunft als Mensch und Konsument sichern. Da die Sache ohnehin ein gigantisches Verlustgeschäft für den Staat ist, könnte er doch die alten Kredite den alten Kreditnehmern zu humanen Bedingungen, d.h. niedrigen Zinsen, wieder gewähren und ihre Immobilien als Sicherheit akzeptieren, auch wenn deren Wert nicht dem Kreditvolumen entspricht. Darüber hinaus könnte sogar dauerhaft ein solcher Mechanismus greifen, der in Not geratene Kreditnehmer unterstützt – und nicht die Zocker, die von den Krediten profitieren.
Es dürfte für die meisten zu spät sein – worin der Skandal besteht. Anstatt von vornherein diejenigen zu unterstützen, deren Existenz ruiniert ist, werden nunmehr die “Märkte” gestützt, nachdem die Konsumenten
bis auf den letzten Tropfen ausgelutscht sind.
So stellt sich Lieschen Flatter die Welt vor. Finanzexperten, klärt mich auf!

Das Ende des Neoliberalismus wird durch die Banken- bzw. Finanzmarktkrise stark beschleunigt. Es zeigt sich nicht nur endlich, daß die Ideologie unkontrollierter Märkte sogar für die Märkte schädlich ist, sondern es ist auch an der Zeit, die Rolle des Sozialismus im Neoliberalismus zu erläutern. Der Begriff ist übrigens im “Lexikon” der INSM nicht zu finden, was verwundert. Schließlich ist er einer der häufigsten im Sprachgebrauch der Neolibs. Dort stellt er eine Art Negativ des freien Marktes dar, also staaliche Kontrolle, Verteilung der Ressourcen nach anderen als marktwirtschaftlichen Kriterien und Alimentierung der Menschen, die nicht vom Markt profitieren.
Exakt dieser Sozialismus aber, der politisch oder von Staats wegen als verwerflich betrachtet wird, ist hochwillkommen und gefordert, wenn es aus “wirtschaftlichen” Gründen opportun erscheint. In einer Krise, die durch Gier, Fehlspekulation, Betrug, Dilettantismus und Rücksichtslosigkeit ausgelöst wurde, soll der Staat
- als Kontrolleur des Marktes herhalten, weil dieser zur Selbstkontrolle unfähig ist,
- Ressourcen, d.h. letztlich Steuermittel einsetzen, um das System “Markt” zu retten und
- damit diejenigen alimentieren, die in profitablen Zeiten den Gewinn für sich beanspruchen.
Die Einsicht, daß nur “der Staat”, also eine nicht wirtschaftlich legitimierte und nach Rechtsnormen ausgerichtete Instanz, für Ordnung sorgen soll, ist auch und gerade in einer Marktwirtschaft völlig richtig. Der Staat muß dabei unbedingt frei sein von wirtschaftlichen Interessen und darf sich ausschließlich nach Kriterien richten, die dazu geeignet sind, für Ordnung zu sorgen. Dies bedeutet, daß er dabei das wohl aller Bürger berücksichtigen muß. In einer Demokratie, die der Zustimmung der Bürger für die Ordnung bedarf, ist dies wiederum unmittelbar mit einem Bezug auf Gerechtigkeit verbunden.
Dieser fundamentale Unterschied zwischen “Staat” und “Wirtschaft” befähigt den Staat erst dazu, für Ordnung zu sorgen.
Die Einsicht, daß soviel “Sozialismus” unabdingbar ist, resultiert sogar aus der Lehre des Liberalismus und vor allem aus den Fakten, die die Weltwirtschaft aktuell bestimmen. Eine Diskussion um eine dauerhaft funktionierende Wirtschaft ist also ebenso wie das Wohl des Staatswesens eine Frage des richtigen Sozialismus.
Die Tatsache, daß das Chaos der Finanzmärkte letztlich auf die massenhafte Zahlunsunfägigkeit verführter Privatleute zurückgeht, deutet ebenfalls auf dieses Problem hin. Der Markt hat versagt, weil seine Verteilungsmechanismen versagt haben. Eine stabile Basis für eine Wirtschaft ist nur dann gegeben, wenn der Erwerb von Eigentum sich nach Kriterien von Gerechtigkeit richtet. Es müssen mehr Menschen partizipieren, und das wirtschaftliche Wachstum muß auf einer breiten Basis geschaffen werden, wenn es stabil sein soll. Die enorme Spanne zwischen den Einkünften weniger großer Profiteure und der Masse ist fatal, vor allem deshalb, weil auch die Dynamik des Wachstums sich so ungleich verteilt. Letzteres heißt ganz einfach, daß Zuwächse des Einkommens beim Großteil der Bevölkerung nicht mehr stattfinden. Darum ist jeder Ruf nach niedrigen Löhnen und Kosteneinsparungen zu Lasten der “Massenkaufkraft” ökonomisch widersinnig.
In einem politischen Sinne wäre es durchaus diskutabel, die Reichsten zu einem großen Teil zu enteignen, es wäre wirtschaftlich auch alles andere als schädlich. Damit wäre das Pferd aber falsch herum aufgezäumt. Es brächte nämlich gar nichts, wenn sich an der Dynamik des Wachstuns und der Verteilung der Einkommen strukturell nichts ändern würde. Im Gegenteil kann man den Reichen getrost ihren Reichtum lassen. Unabdingbar für eine stabile Wirtschaft ist aber die Beteiligung der Massen am Wachstum. Es ist blanker Unsinn, zu behaupten, eine breitere Verteilung verhindere Wachstum. Was verhindert würde, wäre lediglich ein rein mathematisch vorhandenes Wachstum bzw. dessen Größe. Wenn eine nationale Wirtschaft etwa um 1% wächst anstatt um 3%, davon aber nicht wenige, sondern möglichst viele profitieren, ist das Wachstum stabiler und langfristig sogar größer. Allein eine Wirtschaft, die auf Tagesgewinne aus ist, immer auf den größten Haufen scheißt und kein Morgen kennt, hat dabei das Nachsehen.
Es gibt also zwei Wege des Sozialismus in der Marktwirtschaft, um die es zu streiten gilt: Den einen, der die große Mistschaufel bedeutet, die immer dann von allen bedient wird, wenn wenige den Karren in den Dreck gefahren haben, und den anderen, der das politische Moment von vornherein in die Wirtschaft einbringt. Nur Gerechtigkeit sorgt dauerhaft für Wachstum. Es sei denn, man fände alles so gut, wie es derzeit ist und sorgte dafür, daß das Volk das mitmacht und nicht aufbegehrt. Dazu müße man ihm freilich mit Gewalt das Maul stopfen.

Wenn man gegen geltendes Recht wirtschaftet, braucht man Argumente. Zum Beispiel die einmillionste Erhebung, Studie, Befragung, die besagt, wie viele Arbeitsplätze “vernichtet werden“, wenn man Menschen für ihre Arbeit bezahlt. Daß es der Europäischen Sozialcharta widerspricht, wenn man sie, zumal massenhaft, ausbeutet, muß durch große Zahlen und schauerlichen Grusel übertüncht werden.
“Focus” langweilt mit einer weiteren “Studie” von “Wirtschaftsforschern”, deren Weisheit allein schon qua ihrer Autorität unzweifelhaft ist.
1,2 Millionen Arbeitsplätze vernichten” würde also ein flächendeckender Mindestlohn. Ein “Wirtschaftsforscher”, der von der “Vernichtung” von Arbeitsplätzen spricht, sitzt vermutlich in einer Kneipe und macht Experimente mit seinem zwölften Bier. Von Ökonomie hat er nicht den geringsten Dunst. Ist ein Arbeitsplatz “vernichtet”, wenn ich mit einem Bulldozer über meinen Schreibtisch fahre? Oder wenn ich den Bäcker erdolche? Wenn jemand arbeitslos wird oder eine Firma Konkurs anmeldet?
Ökonomie ist ein äußerst komplexes Geschehen. Vor allem in Deutschland, dem Giganten des Exports, wird ein auf Außenhandel angewiesener Arbeitsplatz, der wegfällt, in der Regel sehr schnell durch einen anderen ersetzt. Ist der Bedarf an Produkten vorhanden, wird produziert. Nirgends effizienter als hierzulande. Selbst das “Abwandern” von Arbeitsplätzen, auch eine mißlungene Metapher neoliberaler Gruselgranden, ist unwahrscheinlich. Billiger konnten andere schon immer, haben aber in der Masse nie so viel Erfolg gehabt wie deutsche Unternehmen. Hausaufgabe für die Wirtschaftforscher: Recherchieren Sie, woran das liegt!
Daß der deutsche Binnenmarkt immer noch dahinsiecht, wird hier in jeder Schwächephase der Weltwirtschaft zum Problem, und es wird immer schlimmer. Bislang ging das noch so gerade eben gut, und was häufig übersehen wird, ist der Einfluß, den der deutsche Binnenmarkt auf die Exportfähigkeit hat. Wenn sich hier niemand mehr die Produkte leisten kann, die er selbst herstellt, wird die Produktion als Ganze darunter leiden. Je größer die Masse derer wird, die von einer realen Teilhabe ausgeschlossen sind, desto ineffizienter wird die Produktion. Das Prekariat verliert völlig den Anschluß an die Arbeitswelt, Bildung erreicht immer weniger Menschen, weil sie keine Zeit, kein Geld und keine Vorbildung haben. Für einen “Wirtschaftsstandort”, dessen Angestellte effizient arbeiten sollen, eine Katastrophe. Niedrige Löhne werden überdies dazu führen, daß Arbeitskräfte aus dem Ausland keinen Grund mehr haben, hier ihr Geld zu verdienen – schon gar nicht solche, von denen wesentlich mehr erwartet wird als “Dienst nach Vorschrift”. Damit sind wir noch immer nicht bei dem Problem, daß deutsche Unternehmen vor allem in den europäischen Binnenmarkt exportieren. Der deutsche gehört dazu, und welche Auswirkungen ein toter deutscher Binnenmarkt aufs Gesamtsystem hat, ist die Hausaufgabe für fortgeschrittene “Forscher”.
Selbst, wenn man es nicht begrüßt, daß ausbeuterische Arbeitsverhältnisse abgebaut werden (und es gibt auch sehr gute ökonomische Gründe dafür), ist das Wort von der “Vernichtung” blanker Unfug. Die meisten Unternehmen müßten ihre Mitarbeiter schlicht besser bezahlen, ihre Gewinne würden lediglich bei gleichem Umsatz schrumpfen. Selbst, wenn man glaubt, daß viele Unternehmen dann nicht überleben würden, ist die Behauptung, die Arbeitsplätze würden wegfallen, also falsch. Sie würden in Unternehmen neu entstehen, die bereit sind, mit weniger Gewinn solide zu wirtschaften. Freilich sind Gewinnmargen von 25% nicht mehr drin, aber mit so etwas rechnet, darf gern auswandern.
Löhne, die in vom Export unabhängigen Branchen gezahlt werden, sind eine noch bessere Investition. Hier wandert niemand ab. Dienstleister und Handwerker, die anständig bezahlt werden, können andere Dienstleister und Produzenten anständig bezahlen. Das rechnet sich doppelt, weil dabei auch noch etwas für die öffentlichen Kassen abfällt und sich ganz nebenbei die gesamte Wirtschaftsleistung steigert.
Wie wissenschaftlich solche “Studien” sind, belegt die Astrologie, die dahinter steht:
Die RWI-Studie stützt sich auf Modellrechnungen. Außerdem wurden 800 Unternehmer aus acht Branchen befragt. Demnach rechnen zum Beispiel in Ostdeutschland 40 Prozent der Betriebe mit Entlassungen, sollte es einen flächendeckenden Mindestlohn geben.”
“Modellrechnungen” bedeutet so etwas wie Pi mal Daumen, streng linear und an einem Nachmittag zusammengeschustert.
Wenn “ein Betrieb” “mit etwas rechnet”, wird es schlicht komisch. Achja, es sind “die Unternehmer”. Wer genau ist das? Aufsichtsratsvorsitzende? Aktionäre? Manager? Pförtner? Und was bedeutet “Entlassungen”? Daß ein paar Leute gehen müssen? Ein Leiharbeitszug nach Hause geschickt wird? Daß der Betrieb dicht macht? Nichts Genaues weiß man nicht, aber auf Basis dieser Rumpelstatistik errechnet sich eins fix drei:
Die öffentlichen Haushalte müssten in diesem Fall Mehrkosten von neun Milliarden Euro im Jahr schultern – unter anderem, weil die Ausgaben für das Arbeitslosengeld steigen und die Einnahmen aus der Unternehmenssteuer sinken würden“.
Man hätte sich auch die Mühe machen können, zu errechnen, was an Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen gewonnen wird, wenn 2-Euro-Jobs durch echte Arbeitsplätze ersetzt würden. Aber das hieße ja, man müßte den ganz großen Rechner anschmeißen, wirklich kluge Köpfe, echte Wissenschaftler damit beschätigen und eine seriöse Arbeit leisten, die Monate oder Jahre in Anspruch nimmt. Doppelt uncool. Es käme dabei wohl nicht heraus, was der politisch-publizistische Komplex hören will, und das Geschäft ist immer in Eile. Heute auf den Schreibtisch gewürfelt, morgen veröffentlicht und immer am Puls der Macht – so wird ein neoliberaler Schuh draus.
Zieht ihn euch selbst an, geht ins Wasser und kommt nicht wieder raus!

Das ganz große Berliner Theater sondert in der Sommerpause Plattitüden ab, wo eine vernünftige Diskussion dringend vonnöten wäre. Die Frage wäre: Ist es sinnvoll, daß der Staat ein Konnjukturprogramm auflegt, um die drohende Wirtschaftskrise abzufedern? Der Oeffinger Freidenker weist auf zwei Artikel in der FR hin, die ein Ende des Sparwahns fordern. Es gibt offensichtlich gute Argumente dafür.
Michel Glos denkt laut darüber nach, Steinbrück und Merkel stehen auf der Bremse.
Was Glos im einzlenen vorschlägt, ist nicht das Gelbe vom Ei, aber selbst das Nachdenken möchte Steinbrück ihm gern verbieten.
“Krisengerede” wirft er dem Kollegen vor, das nur “verstärkt” werde, wenn man die Krise nicht ignoriert. Daß hohe Zinsen und Steuern bei steigenden Preisen und mieser Kauflaune selbst die Krise herbeiführen können, paßt nicht ins neoliberale Kampfkonzept. Niedrige Steuern gefallen den Herren nur in bezug auf Unternehmen. Die Bürger erholen sich derweil nicht von der höheren Mehrwertsteuer und ächzen unter explodierenden Energiepreisen. Was vom Monat übrigbleibt am Ende des Geldes, ist erbärmlich – ein gewaltiger Hemmschuh für den Binnenmarkt.
Die Wirkungen von Konjunkturprogrammen, höheren Investitionen des Staates, sind höchst umstritten und äußerst komplex. Daß von Neoliberalen allerdings behauptet wird, sie sie hätten bessere Mittel zur Beherrschung einer Konsumflaute, ist ein Witz.
Die Kernidee der Konjunkturprogramme oder Nachfragestimulierung ist eine sich selbst tragende Konsumbelebung. Wenn es funktioniert, wovon immer mehr unabhängige Ökonomen ausgehen, würden die steigenden Staatsausgaben durch mehr Konsum und entsprechenden Geldfluß die höheren Schulden kompensieren. Es wäre wichtig, diese Diskussion intelligent zu führen. Kluge Investitionen sind gefragt, solche, die eben den Markt beleben und das fatale Angstsparen beenden. Darüberhinaus können Investitionen, die arbeitsintensiven Betrieben nützen, verhindern, daß die Spirale aus Konsumverzicht und Entlassungen wieder in Gang kommt.
Das Thema kann hier nicht erschöpfend behandelt werden. Daher möchte ich auf einen Umstand aufmerksam machen, der den Bundesfinanzminister ins rechte Licht rückt. Daß er sich in die Riege der Finanzgenies von Waigel bis Eichel nahtlos einreiht, ist nur ein Aspekt seiner Eindimensionalität. Hochzinspolitik in Kombination mit Sparwahn hat uns die schönsten Reformen der Arbeitsmarktstatistiken beschert und immer wieder hohe Arbeitslosigkeit sowie niedrige Löhne. Das Lambsdorff-Papier war der neoliberale Sündenfall. Seitdem betätigt sich jeder Finanzminister als Hohepriester dieser Religion. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn auch Steinbrück keinen Jota vom Credo abrückt. Im Gegenteil: Er betätigt sich als Tugendwächter der Wirtschaftspolitik und verhindert jede Debatte über Alternativen.
Die Ironie in bezug auf die Diskussion über eine mögliche Nachfragestimulierung besteht nun darin, daß er ein wichtiges Argument gegen ein Konjunkturprogramm ebenfalls verhindert. Es ist ein Gedanke, der darauf hinweist, daß klassische Konjunkturprogramme nicht ausreichen. Das Problem besteht nämlich darin, daß eine einfache Nachfragestimulierung deshalb verpuffen muß, weil das Geld in einer Sackgasse landet. Wenn die bessere Konsumlaune dazu führt, daß nur wieder die Großkonzerne davon profitieren, kann man die Euros auch gleich verbrennen. Die “Geiz ist Geil” – Mentalität hat längst zu einem Konsumverhalten geführt, das ebendies befürchten ließe.
Es ist müßig, Herrn Steinbrück mit solchen oder überhaupt mit Argumenten zu kommen. Er ist der falsche Ansprechpartner. Man darf jetzt aber nicht den Fehler machen, einfach lautstark Konjunkturprogramme zu fordern. Der Neoliberalismus ist am Ende, um ihn zu überwinden, bedarf es allerdings mehr, als nur in eine andere Richtung zu marschieren.

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