Das ganz große Berliner Theater sondert in der Sommerpause Plattitüden ab, wo eine vernünftige Diskussion dringend vonnöten wäre. Die Frage wäre: Ist es sinnvoll, daß der Staat ein Konnjukturprogramm auflegt, um die drohende Wirtschaftskrise abzufedern? Der Oeffinger Freidenker weist auf zwei Artikel in der FR hin, die ein Ende des Sparwahns fordern. Es gibt offensichtlich gute Argumente dafür.
Michel Glos denkt laut darüber nach, Steinbrück und Merkel stehen auf der Bremse.
Was Glos im einzlenen vorschlägt, ist nicht das Gelbe vom Ei, aber selbst das Nachdenken möchte Steinbrück ihm gern verbieten.
“Krisengerede” wirft er dem Kollegen vor, das nur “verstärkt” werde, wenn man die Krise nicht ignoriert. Daß hohe Zinsen und Steuern bei steigenden Preisen und mieser Kauflaune selbst die Krise herbeiführen können, paßt nicht ins neoliberale Kampfkonzept. Niedrige Steuern gefallen den Herren nur in bezug auf Unternehmen. Die Bürger erholen sich derweil nicht von der höheren Mehrwertsteuer und ächzen unter explodierenden Energiepreisen. Was vom Monat übrigbleibt am Ende des Geldes, ist erbärmlich – ein gewaltiger Hemmschuh für den Binnenmarkt.
Die Wirkungen von Konjunkturprogrammen, höheren Investitionen des Staates, sind höchst umstritten und äußerst komplex. Daß von Neoliberalen allerdings behauptet wird, sie sie hätten bessere Mittel zur Beherrschung einer Konsumflaute, ist ein Witz.
Die Kernidee der Konjunkturprogramme oder Nachfragestimulierung ist eine sich selbst tragende Konsumbelebung. Wenn es funktioniert, wovon immer mehr unabhängige Ökonomen ausgehen, würden die steigenden Staatsausgaben durch mehr Konsum und entsprechenden Geldfluß die höheren Schulden kompensieren. Es wäre wichtig, diese Diskussion intelligent zu führen. Kluge Investitionen sind gefragt, solche, die eben den Markt beleben und das fatale Angstsparen beenden. Darüberhinaus können Investitionen, die arbeitsintensiven Betrieben nützen, verhindern, daß die Spirale aus Konsumverzicht und Entlassungen wieder in Gang kommt.
Das Thema kann hier nicht erschöpfend behandelt werden. Daher möchte ich auf einen Umstand aufmerksam machen, der den Bundesfinanzminister ins rechte Licht rückt. Daß er sich in die Riege der Finanzgenies von Waigel bis Eichel nahtlos einreiht, ist nur ein Aspekt seiner Eindimensionalität. Hochzinspolitik in Kombination mit Sparwahn hat uns die schönsten Reformen der Arbeitsmarktstatistiken beschert und immer wieder hohe Arbeitslosigkeit sowie niedrige Löhne. Das Lambsdorff-Papier war der neoliberale Sündenfall. Seitdem betätigt sich jeder Finanzminister als Hohepriester dieser Religion. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn auch Steinbrück keinen Jota vom Credo abrückt. Im Gegenteil: Er betätigt sich als Tugendwächter der Wirtschaftspolitik und verhindert jede Debatte über Alternativen.
Die Ironie in bezug auf die Diskussion über eine mögliche Nachfragestimulierung besteht nun darin, daß er ein wichtiges Argument gegen ein Konjunkturprogramm ebenfalls verhindert. Es ist ein Gedanke, der darauf hinweist, daß klassische Konjunkturprogramme nicht ausreichen. Das Problem besteht nämlich darin, daß eine einfache Nachfragestimulierung deshalb verpuffen muß, weil das Geld in einer Sackgasse landet. Wenn die bessere Konsumlaune dazu führt, daß nur wieder die Großkonzerne davon profitieren, kann man die Euros auch gleich verbrennen. Die “Geiz ist Geil” – Mentalität hat längst zu einem Konsumverhalten geführt, das ebendies befürchten ließe.
Es ist müßig, Herrn Steinbrück mit solchen oder überhaupt mit Argumenten zu kommen. Er ist der falsche Ansprechpartner. Man darf jetzt aber nicht den Fehler machen, einfach lautstark Konjunkturprogramme zu fordern. Der Neoliberalismus ist am Ende, um ihn zu überwinden, bedarf es allerdings mehr, als nur in eine andere Richtung zu marschieren.