Politik


 
Umfragen! Wer braucht Umfragen, außer jemand, der auf tumbste Art und Weise manipulieren will – ich meine hier nicht vorrangig durch manipulative Fragetechnik, die Auswahl der Fragen oder eine tendenziöse Auswertung; ich meine durch die schiere Existenz der Umfrage. Klingt komisch? Ist aber so, und zwar ungefähr deswegen:

Man stelle sich vor, jemand zeichnete eine Schatzkarte. Diese Schatzkarte wird über Jahrhunderte kopiert, geht vielleicht einmal verloren, wird rekonstruiert, wieder und wieder kopiert. Es wird aber nie gefragt, ob jemals ein Schatz dort vergraben wurde, wo sie hinführt. Immer wieder wird darüber gefachsimpelt, was die Karte darstellt, welche Gegend aus welcher Richtung, ob sie richtig kopiert wurde, wo Fehler liegen könnten, wer dafür verantwortlich ist … Aber nie kommt jemand auf die Idee, dass man den Schatz nicht findet, weil er nie da war.

So ungefähr ist das auch mit Umfragen und den sogenannten “Meinungen”, die sich nie jemand gebildet hat, die aber ständig vermeintlich eingeholt werden. Es sind ‘Meinungen’ über Meinungen über Meinungen, Vermutungen über das, was andere denken, denen man es gleichtun will, am Ende Umfragen über Umfragen, denn die ‘Ergebnisse’ von Umfragen gehören zu den wichtigsten ‘Informationen’, an denen sich ‘Meinungsbildung’ orientiert. “Was denken die anderen?”, davon will niemand zu weit abweichen.

Das will ich auch denken

Wenn also heute gemeinungsumfragt wird, ob sich jemand “durch die NSA bedroht fühlt”, ist das so unendlich leer, dass es gar nicht interessieren könnte, was dabei herumkam, entstünde nicht genau so die Meinung, der sich anzuschließen die Leserschaft damit aufgefordert wird. Quintessenz: Die NSA bedroht niemanden. Das muss man nur in ein paar Tagen oder Wochen wieder abfragen, und schon ist es wahr.

Wer die NSA eigentlich ist, was sie macht, in welchem Maße, von wem beauftragt, wie kontrolliert, zu welchem Zweck, mit welchem Ziel und welchen Folgen – wie viele der Befragten haben davon auch nur den blassesten Schimmer? Und wenn es klar ist, dass “quasi keiner” die richtige Antwort ist, was soll dann eine solche Umfrage wohl?

Nun ja, das Ganze spielt sich ab in einer Gesellschaft, in der sich die große Mehrheit als “unpolitisch” bezeichnet, schlimmer noch angibt, “nicht viel von Politik” zu verstehen. Es scheint aber, das nämlich ist des Pudels Kern, der Publizistik jener Umfrageritis schon unproblematisch, dass in ihrer “Demokratie” sich niemand für Politik interessiert. Wer in solcher Bewusstlosigkeit Begriffe bildet, kann genauso gut ein paar Zahlen ausmurmeln. Die Ziehung der Lottozahlen trifft bekanntlich auch auf großes allgemeines Interesse.

 
Am 04.11. jährt sich der abschließende Erfolg der Kampagne gegen Andrea Ypsilanti und den “Wortbruch”, eine Lehrstunde über Korruption in Deutschland, in der SPD und den Medien. Eine Zweitverwertung:

Die FR bringt heute einen weiteren Sample über den Korrumpator Koch heraus sowie ein Update zum Steuerfahnder-Skandal. Gleichzeitig erinnert Telepolis an den Wahlsieg Ypsilantis, der ihr von einer wildgewordenen “Öffentlichkeit” und Verrätern aus der eigenen Partei genommen wurde, um eine der widerwärtigsten Figuren der deutschen Politik im Amt zu halten. Zentral war dabei das Wort vom Wortbruch, das in den verlinkten Quellen wieder auf Koch bezogen wird, so wie es ursprünglich auch der Fall war. Schaut man sich die Häufigkeit der Erwähnung von “Ypsilanti + Wortbruch” an, so fallen zwei Peaks auf, Termine, um die herum die gesammelte deutsche Presse diese Kombination ihrer Leserschaft ins Hirn publiziert hat (Klick aufs Bild führt zu Google):

wortbruch

Demnach standen offenbar unmittelbar nach der Wahl bereits alle in den Startlöchern, um Ypsilanti einen “Wortbruch” vorzuwerfen, den sie noch gar nicht begangen hatte. Ebenso wurde um die Nichtwahl der Ministerpräsidentin herum noch einmal kräftig nachgelegt. Vor dieser Kampagne wurde die Kombination dieser Schlagworte auf Kochs gebrochenes Versprechen bezüglich des Flughafenausbaus bezogen.

Was die hessische Opposition also als eher schwache Kritik an einem “unerhört” selbstherrlichen Roland Koch an den Start gebracht hatte, wendete die PR des Sonnenkönigs und seiner Presse gegen Ypsilanti. Dabei tat sich vor allem ein PR-Mann hervor, der die Kampagne völlig unverblümt voran brachte: Alexander Demuth, Berater “für strategische Unternehmenskommunikation”, der mit der Site wortbruch.info die Kampagne auch offen im Netz betrieb. Schaut man sich die Liste der Medien an, die diese Vokabel übernommen haben und willig die Reihen der Kampagneros schlossen, so sieht man eine beinahe vollständige Liste der relevanten deutschen Massenmedien.

Der Erfolg, der erst durch diese Verstärker und ihren gnadenlos antilinken Kurs möglich wurde, ist die fortdauernde Herrschaft eines Landesregimes, dessen leidenschaftliche Zerstörung der demokratischen Kultur selbst von der Original-SED nicht übertroffen würde. Zu den täglichen Skandalen, die Koch und sein Mob sich leisten, hört man übrigens nichts von den ach so gewissenhaften “Rebellen” und ihren Seeheimern. Geschweige denn von der Mehrheit der willfährigen Journaille, die dafür mitverantwortlich ist.

p.s.: Alexander Demuth zählt heute neben anderen Großkunden selbstverständlich auch Bilfinger Berger zu seinen Referenzen. Koch ist dort Vorstandsvorsitzender.

 
typstarWollen Sie, dass Kinder vergewaltigt werden, wollen Sie Morde, Raub und Terror zulassen? Ja, das will ich. Das ist nämlich die Essenz des Rechtsstaats, dass er Kriminalität, sei es auch in ihrer fürchterlichsten Form, nicht um jeden Preis verhindern will. Es hat immer Kapitaldelikte gegeben, Mord, Serienmord, Sprengstoffanschläge. Es gibt kein Mittel dagegen, und wer die Verhinderung solcher Verbrechen über die Grundrechte der Menschen stellt, bereitet der Diktatur den Weg.

Das ist keinesfalls neu, aber sehr aus der Mode gekommen. Menschen werden verhaftet und schon einmal von willfährigen Medien vorverurteilt; wenn sie dann noch als Ausländer erkennbar sind, womöglich islamverdächtig, umso besser. Hier arbeitet der Hetzjournalismus Hand in Hand mit den rechten Kameraden der ‘Dienste’. Die Propaganda schert sich nicht um die Wirklichkeit, sie schafft sich eine eigene.

Auch das ist alles noch wenig erhellend, aber es liegt tatsächlich eine Zäsur in der Abhöraffäre um das Handy der Kanzlerin. Hier nämlich ist der unteilbare Beweis für die Lüge von der Terrorabwehr, es sei denn, jemand unterstelle Schröder oder Merkel, sie hätten Anschläge auf die USA geplant.

Das Ende der Erzählung

Nein, es ging niemals um Anschläge, Terror oder Islamismus. Das durchsichtige Totschlagargument hat nicht nur formal den Rechtsstaat überrollt, es ist auch inhaltlich bar jeder Substanz, und das weiß jetzt jeder. Es geht um Überwachung zum Machterhalt. Um den Überwachungsstaat als Vehikel der Machthaber. Es ist nicht weniger als der Beweis für die Existenz autoritärer Herrschaftsstrukturen, wobei völlig unklar ist, wer da in wessen Auftrag handelt. Klar ist nur, dass das alles weder legitimiert noch legal ist. Eine definierbare Verschwörung ist harmlos dagegen.

Im Grunde müsste ein krachendes Gewitter herabgehen in diesen Tagen, die Schlagzeilen müssten voller Selbstanklagen, öffentlicher Zweifel und Abbitten sein. Die uns jahrelang, jahrzehntelang das Lied vom “Kampf gegen den Terror” gesungen haben, die von “Ermittlungspannen” bei der Geheimpolizei erzählt haben, die uns jede Überwachungsmaßnahme als alternativlos im Sinne einer sogenannten “Sicherheit” verkauft haben, sie alle müssten sich jetzt entscheiden, entweder Merkel zur Terroristin zu erklären oder ihr völliges Versagen einzugestehen.

Damit meine ich nicht einmal die ranghöchsten Witzfiguren wie Pofalla oder Friedrich. Damit meine auch nicht Merkel selbst, die schließlich in ihrer kalten Arroganz diese Puppen hat tanzen lassen. Ich meine damit vor allem die Heerscharen abhängiger Journalisten, deren Welt laut krachend einstürzen müsste. Stattdessen sitzen sie da und warten auf den nächsten Schreibbefehl, den nächsten grotesken Unsinn, den sie selbst nicht ernstnehmen können. Wie immer stutzt das Murmeltier: Sind die so dämlich oder tun sie nur so? Sie wissen es selbst nicht mehr.

Wer zwingt wen

Dabei ist das alles nicht alternativlos, im Gegenteil ist ein einfaches deutliches Nein zur rechten Zeit das Mittel der Wahl. Japan hat es vorgemacht (via fefe; Javascript erforderlich). Als die NSA das Abhören der Verbindungskabel nach China verlangte, weigerte sich Japan.

Aber Tokio entschied, dass es dies nicht tun könne, denn unter der gegebenen Gesetzgebung kann es solche Kommunikationen nicht abhören, selbst wenn das Ziel die Verhinderung eines Terroranschlags wäre.

Eine Regierung, die sich an die eigene Gesetzgebung hält. Dergleichen sollen wir nach gängiger Propaganda inzwischen als sensationell auffassen. So weit ist es gekommen mit dem Niedergang des Rechtsstaats, der Zerstörung demokratischer Gesinnung und der Errichtung einer autoritären Welt aus dem Geiste des Feindstrafrechts.

Damit das nicht in Vergessenheit gerät, sei an dieser Stelle noch einmal betont, dass es nicht die Aufgabe deutscher Institutionen ist, der NSA das Handwerk zu legen. Hierzulande muss der braune Sumpf endlich trockengelegt werden, der sich gegen jede Kontrolle abgeschottet hat. Der sogenannte “Verfassungsschutz” in Bund und Ländern, der Bundesnachrichtendienst und auch der bislang nicht in den Fokus geratene MAD gehören aufgelöst, ihre Machenschaften offengelegt und die Strukturen zerstört. Man kann sich darauf verlassen, dass deren Truppen den Kampf längst aufgenommen haben. Wenn sie ihn gewinnen, brauchen wir uns nicht einmal mehr über sinnlose Wahlkämpfe zu ärgern.

 
merkddrMehrfach hieß es heute im WDR Radio: Die Einbestellung des amerikanischen Botschafters durch den Bundesaußenminister “zeigt, wie ernst es der Bundesregierung mit dieser Angelegenheit ist“.

Nein, zeigt es nicht. Ebenso wenig wie die weinerliche Doppelempörung an der Seite des französischen Staatspräsidenten. Es zeigt das, was sich ständig zeigt in postparlamentarischen Zeiten: Dass man vergeblich nach Antworten sucht, zum Beispiel auf die perennierende Frage, ob Funktionäre und Journalisten so dumm sind oder so dreist.

Wie kann man so dumm sein anzunehmen, dass bei einer Totalüberwachung der elektronischen Medien einzelne Geräte – wie etwa das der Kanzlerin – ausgespart werden könnten? Das ist schon technisch nicht möglich. Glauben Merkel und ihre Hofreporter darüber hinaus ernsthaft, die Geheimdienste täten nicht, wenn sie könnten? Warum überhaupt? Weil sie Königin ist? Und hätte sie selbst dann nicht vergessen, dass der britische Thronfolger vom eigenen Geheimdienst nicht nur abgehört, sondern auch denunziert wurde?

Nächster Punkt: Dass die Völker abgehört werden, alle Daten über jeden Einzelnen gesammelt werden, das war in Ordnung, hat zumindest nicht einmal für einen lauen Wind gereicht. Aber dass die Oberfunktionärin auch dabei ist, das ist dann ein Skandal? Tatsächlich scheint Deutschland mehr Monarchie zu sein als England.

Wir glauben alles

Der Höhepunkt ist allerdings, dass alle Fakten ignoriert werden, die längst öffentlich sind: Es herrscht bekanntermaßen eine enge Zusammenarbeit zwischen den deutschen und amerikanischen ‘Diensten’. Es wurde völlig darauf verzichtet, den eigenen Stall auch nur im Außengelände auszumisten, man ließ das Parlament und den zuständigen Ausschuss nach allen Regeln infantiler Frechheit verkaspern.

Es spielt(e) weder im Wahlkampf noch in den Koalitionsverhandlungen irgendeine Rolle, dass wir einem mafiösen Überwachungsbündnis das Feld überlassen. Es wurde nichts, gar nichts und überhaupt nichts getan, um die eigenen Spitzel unter Kontrolle zu bringen, und jetzt soll irgendwer glauben, dass die Regierung der Affäre plötzlich höchste Priorität einräumt?

Wenn man sich täglich und in lebenswichtigen Belangen die Frage stellen muss: “Sind die so dämlich oder tun die nur so?”, ist ein Niveau erreicht, bei dem man sich eine anständige Diktatur wünscht. Da weiß man wenigstens, wer was gegen wen unternimmt und meist sogar warum. In diesem bizarren Komödienstadel hingegen entfleucht einem noch der schmutzigste Skandal wie ein Stück Seife. Wenn man genauer hinschaut: So dämlich sieht das am Ende gar nicht aus.

 
mump

Der Herr Bundestagspräsident ist der Ansicht, die Opposition aus Grünen und Partei “die Linke” sollten Rechte haben, als seien sie ernstzunehmen. Ihnen steht es aber nach Recht und Gesetz nicht zu, zum Beispiel Untersuchungsausschüsse einzusetzen oder Normenkontrollklagen anzustrengen. Das hat alles seine Gründe, warum gewisse Hürden im Wege stehen, wenn man der Regierung die Arbeit erschweren will.

Man stelle sich das nur vor: Die Grünen als linke Partei, für die es ein normales Mittel der Politik ist, Steuern zu erheben, tun sich zusammen mit jener selbsternannten “Linken”, die nicht nur von solchen Strafen für Leistungsträger begeistert sind, sondern sogar linksextremistische Ideen zulassen. Noch immer kennen mehrere Abgeordnete dieser Partei Wirrköpfe, die sich auf Marx berufen oder ernsthaft einen “Sozialismus” anstreben.

Exporte sichern

Nun behaupten boshafte Wort- und Tatsachenverdreher, im Parteiprogramm der SPD stünde auch ein Kapitel zum “demokratischen Sozialismus”, der dort ausdrücklich befürwortet werde. Desweiteren habe auch die SPD jahrzehntelang Auslandseinsätze deutscher Soldaten ausgeschlossen, ja, sie sei 1989 gar ausdrücklich für die Auflösung der NATO gewesen. Infam!

Natürlich steht das im Programm der Partei, aber das hat doch mit ihrer Politik nichts zu tun! Jeder weiß, dass die Sozen staatstragend sind und noch für jeden Kriegskredit artig die Hände erhoben haben, dafür musste man ihnen nicht einmal eine Waffe vor die Brust halten. Wir sehen doch gerade, wie von der inneren Führung über die Delegierten auf die Basis eingewirkt wird, dass die sich wie immer gegen das eigene Programm stellt. Schließlich steht die Regierungsfähigkeit® auf dem Spiel, da kneift der Sozi nicht.

Die SPD muss schon allein deshalb mitregieren, damit niemand auf die Idee kommt, einen Untersuchungsausschuss zur Machtergreifung der Geheimdienste einzurichten. Es könnte überdies wer fragen, ob sich die Abwehr der Boat-People im Mittelmeer mit dem Grundgesetz vereinbaren lässt oder die Beihilfe zum Mord per Drohne. Wie stehen wir da, wenn die Friedens®nobelpreisträger EU und Obama aus einem deutschen Parlament in Zweifel gezogen werden? Was soll aus unseren Exporten werden? Das ist den Radikalinskis nämlich egal. Darum wäre es töricht, ihnen auch noch das Recht dazu einzuräumen.

 
Es gibt große Unterschiede zwischen großen Koalitionen. Schon die letzte konnte fröhlich durchregieren; die Grünen waren bereits auf NATO und Hartz IV unterwegs, “die Linke” am Rand und ohne Einfluss, die FDP eh einverstanden mit der neoliberalen Regierungspolitik. Diesmal wird es aber schöner als je zuvor.

Die sogenannte “Opposition” im Bundestag ist so winzig, dass sie selbst bei Einigkeit keine Untersuchungsausschüsse einsetzen kann und keine Normenkontrollklagen führen. Sie besteht aus den “Grünen”, die aus dem Scheitern ihres neoliberalen Kurses den Schluss gezogen haben, dass sie wirtschaftsfreundlicher werden müssten und der “Linken”, die inzwischen ebenfalls ausdrücklich “marktwirtschaftlich” sein will.

Im Untergrund dürfen Geheimdienste immer noch die Morde ihrer V-Leute vertuschen, vielleicht neue planen, die totale Überwachung einrichten und sich jedenfalls jedweder Kontrolle entziehen. Hinter einer Regierung also, die durch niemanden kontrolliert wird, droht eine Geheimpolizei zu erstarken, die jüngst erfahren hat, dass sie machen kann, was sie will.

Kritische Masse

So viel Horror müsste den ganzen Rest der Republik auf die Beine bringen. Nicht ganz zufällig entstand die APO der 60er Jahre im Schatten einer großen Koalition, unter dem am 01.12.1966 vereidigten Kanzler Kiesinger, ein ehemaliges NSDAP-Mitglied wie viele andere in seiner Partei. Angesichts der fehlenden parlamentarischen Opposition, der ungebrochenen Karrieren von Altnazis und der Bedrohung durch den Kalten Krieg waren es vor allem Studenten, die auf den Straßen revoltierten und eine andere Republik forderten.

Ich möchte mich heute nur kurz zu diesem Detail äußern. Angesichts des erschreckenden Erstarkens antidemokratischer Kräfte, teils manifest faschistisch, teils infolge der Krise des Kapitals ökonomisch motiviert, müssten wie gesagt heute erst recht die Proteste durch die Republik wallen. Was sie bräuchten wäre allerdings eine kritische Masse (im Doppelsinne) aus Menschen, die den Zustand zur Kenntnis nehmen, Schlüsse daraus ziehen und sich dagegen organisieren.

Genau hier erweist sich das Desaster des “Bologna-Prozesses” als Glücksgriff, der Umbau der Universitäten zu Durchlauferhitzern für Halbbildung. Die nur 3-Jährige Regelstudienzeit in verschultem Dauerstress lässt die akademische Jugend weder ihr Studium als Lebensphase annehmen, noch lässt sie ihnen die Luft für ein Engagement nebenher. Politische Betätigung kommt noch weniger infrage als in den ohnehin schon ruhigen Zeiten vor 1999. Die Entsolidarisierung ist durchschlagend ebenso wie die Verödung der Bildung, die selbst im Fachbereich oft gerade zum Nötigsten taugt. Auf dieser Flanke droht kein Angriff mehr.

Ich bin noch nicht ganz in der Form, wieder zusammenhängende Gedanken in längere Texte zu fassen. Daher hole ich noch einmal einen Artikel hoch über ein Highlight des neoliberalen Irrsinns, die Hymne “Wirtschaft ohne Konsum”. Interessant finde ich im Rückblick auch, dass Sinns Selbstbeweihräucherung und seine schalen Ausreden wie immer mit der falschen Analyse einhergehen. In dem unten verlinkten Artikel in der FAZ redet er die Krise klein und sieht selbstverständlich weder eine Eurokrise aufziehen noch eine sogenannte “Staatsschuldenkrise”, die unmittelbar bevorstand.

Hans-Werner Sinn hält sich noch immer für berufen, dem Volk und der Welt zu erklären, was es zu denken habe. Es gibt keinen Bereich des öffentlichen Lebens, in den er sich nicht einmischt. dass er als Hobbyhistoriker ein antisemitischer Propagandist ist, ist eine Sache. dass er als Ökonom ein Totalausfall ist, eine andere. Jetzt geriert er sich auch noch als Umweltpolitiker.

Die “Prinzipien”, nach denen er vorgeht, sind recht einfach: Er spricht grundsätzlich aus Sicht eines neoliberalen Lobbyisten und biegt sich die Wirklichkeit so zurecht, wie sie ihm paßt. So will ausgerechnet er schon immer gewusst haben, wie gefährlich die “Öffnung der Finanzmärkte” war. Zwei Gründe nennt er dafür:

Schon 1977(!) habe er in seiner Dissertation “die Analyse der überhöhten Risikobereitschaft, die durch zu geringes Eigenkapital verursacht wird” geleistet. Damit war dann wohl alles gesagt, wir hätten nur vor, sagen wir, zehn Jahren, seine Arbeit lesen und die richtigen Schlüsse daraus ziehen müssen. Im Gegensatz zu ihm.
Der zweite Beleg für seine Allwissenheit ist sein Schweigen. Er hat immer alles gewußt, nur nichts verraten:

Alles gewusst, nur nichts verraten

Gedacht schon, aber keiner wollte die Krise herbeireden. Ich selbst bin seit langem überzeugt, dass die Regulierung zu lasch ist.

Wenn Sinn immer von dem schweigt, was er eigentlich denkt und dann das Gegenteil sagt, wird mir einiges klarer. Der Kampf gegen Windräder ist sein jüngstes und durchaus passendes Projekt. Kernkraft ist besser. Natürlich denkt er heute bereits an die unmögliche Endlagerung und die Risiken, sowie das nackte Grauen eines möglichen GAUs. Das wird er dann souverän offenlegen, wenn es dazu kommt.

Auch die Krise, die durch die Monopolisierung der Stromwirtschaft vorangetrieben wird, ist ihm völlig gewahr. Er weiß, dass nur die Großen der Branche AKWs betreiben können. Sein Setzen auf dieses tote Gleis der Energiegewinnung ist in Wirklichkeit die weise Einsicht, dass man aussteigen sollte. Dies teilt er dann mit, wenn keiner mehr seine Stromrechnung bezahlen kann.

Ganz auf der Höhe des verzweifelten Agendasettings der kapitalistischen Lohndrücker weiß er sich mit Karl Lauterbach in einem Boot: “Autos kaufen Autos”, wissen die beiden, und sind vermutlich schon bei der Mofaprüfung vor die Ampel gefahren. Da Sinn nicht links sein muß, kann er noch haltloser daherschwätzen:

Doch leider ist das Kaufkraftargument schon aus logischen Gründen falsch: Eine Lohnerhöhung ist eine Gewinnsenkung, und so wie Lohnerhöhungen die Kaufkraft der Arbeitnehmer erhöhen, senken sie jene der Arbeitgeber. Die bestehende Kaufkraft wird also nur anders verteilt. Zwar steigt der Konsum der Arbeitnehmer, wenn bei gegebener Beschäftigung mehr Lohn gezahlt wird. Doch nimmt die Investitionsneigung ab, weil die Lohnerhöhung viele potenzielle Investitionsprojekte unter die Rentabilitätsschwelle drückt, und das verringert die Nachfrage.”

“Eine Lohnerhöhung ist eine Gewinnsenkung.”

Wer sich solcher Sätze erblödet, mag in einer Talkshow gern gesehen sein. Sich dann aber “Ökonom” zu nennen, zeugt von einer ungeheuren Chuzpe. Dieser Satz ist nur dann richtig, wenn man ihn so doof wie möglich interpretiert, im Sinne von “Was ich ausgebe, ist weg”. Jede andere Sichtweise, jede noch so kleine Differenzierung, führt zu anderen Schlüssen. Etwa zu dem, dass es auch noch ein Folgequartal gibt, in dem die Produktivität von der Qualität der Arbeit abhängt. Etwa von der Möglichkeit, Produkte nicht nur herzustellen, sondern sie auch abzusetzen.

Das folgende Lamento bezüglich “Konsum” versus “Investition” ist blanker Nonsens, Gefasel im Luftleeren Raum. Um letztendlich zu bestimmen, ob Lohnerhöhungen Investitionen verhindern, muss man Zahlen haben. Das ist allgemein nicht in gültiger Weise zu formulieren.
Man kann höchstens spekulieren, wogegen ich nichts habe. Dann aber kann man feststellen, dass Lohnerhöhungen auf breiter Basis, vor allem im unteren bis mittleren Einkommensbereich, unmittelbar zu höherem Konsum führen, der wiederum äußerst willkommen ist in einem ewig schwächelnden Binnenmarkt.

Investitionshemmend wirken sich höhere Löhne hingegen dann aus, wenn der Gewinn zu gering ist, um noch investieren zu können. In weiten Bereichen der deutschen Wirtschaft kann davon nicht die Rede sein. Die Kassen sind voll. Allerdings sind es meist die der Shareholder, die gar nicht investieren wollen. Ein wirkliches Investitionshemmnis besteht in den irrsinnigen Renditeversprechen der letzte Jahre. Wer so abkassieren will, ist an keiner Zukunft interessiert. “Investition” bedeutet dann nur das Abgrasen der nächsten Wiese. Es läuft aber immer auf dasselbe hinaus: Löhne runter, damit hier genau so große Gewinne möglich sind wie Ausland. Löhne runter, damit investiert werden kann. Gewinne nicht schmälern.

“Konsum ist schädlich”

Eine Gesellschaft, die im Verhältnis zu ihrer gesamtwirtschaftlichen Produktivität niedrige Löhne hat und die dementsprechend dauerhaft einen höheren Prozentsatz ihres Sozialprodukts investiert und einen kleineren Prozentsatz konsumiert, baut ihre Produktionskapazität schneller auf und wächst deshalb schneller.”
Auch das ist blanker Unsinn, weil es den einbrechenden Absatz nicht berücksichtigt, ebenso wenig wie die Tatsache, dass Gewinne eben nicht zu stabilen Investitionen geführt haben.

Einen noch, mir ist selbst schon schlecht:
Konsum ist schädlich für das wirtschaftliche Wachstum und unnötig für die Konjunktur. Der derzeitige Boom der deutschen Wirtschaft ist der beste Beweis dafür, dass es für eine gute Konjunktur auf eine sofortige Erhöhung der Konsumgüternachfrage gar nicht ankommt.

Dieser unfassbare Schwachsinn stammt von einem deutschen Wirtschaftsprofessor. Schon die Behauptung ist so abseitig, dass jeder Hirninhaber innegehalten hätte, anstatt dafür auch noch Gründe zu suchen. Sinn hingegen gelingt es, so zu argumentieren. Er glaubt tatsächlich, es gebe Konjunktur ohne Konsum. Der Gartenzwerg, der uns ewig das Lied der “Globalisierung” gesungen hat, damit hier die Löhne gesenkt werden, kapiert nicht, dass der Konsum im Ausland auch einer ist. Er kapiert nicht, dass sich diese Schuld just zu rächen beginnt. Ich bin inzwischen davon überzeugt, dass dieser Mann gar nicht der sinistre Ideologe ist, für den ihn viele halten. Er ist vielmehr von erschreckend schlichtem Gemüt.

 
ausbwelt.jpgDie sogenannte “Zeitung” “die Welt”, äußerste jüngst die Ansicht, der Lohnempfänger müsse “länger arbeiten, weniger Rente beziehen“. Dies ist nur die Krone einer Entwicklung, die Lohnabhängigen nicht einmal mehr den Status von Sklaven zubilligt. Die mussten nämlich zumindest durchgefüttert werden, während der immer mehr für immer weniger arbeitende “Angestellte” nur einen Lohn mitnimmt, der dazu ggf. nicht einmal ausreicht.

Dass es soweit kommt, dass sie sich das trauen, ist nicht allein durch sogenannte “Krisen” zu erklären oder die Macht des Kapitals. Das muss man sich erst mal bieten lassen – massenhaft und ohne auch nur den Verdacht zu erwecken, man könnte sich gegen solche Ungerechtigkeit auflehnen. Es ist auch nicht allein durch korrupte Gewerkschaften zu erklären, die Teil eines Systems sind, in dem die Mehrheit der Menschen eher um Demütigung zu betteln scheint als sich zu wehren.

Faul, unwert, zu teuer

Lassen wir einmal die Zahlen beiseite, die Produktivitätsentwicklung, die dazu geführt hat, dass heute von einer Handvoll Arbeiter mehr geschafft wird als früher von ganzen Brigaden. Sparen wir uns sogar noch die Diskussion darüber, warum alles, was da mehr geschafft wird, bei Aktionären und Eigentümern hängen bleibt und seit Jahrzehnten praktisch nichts davon bei den Lohnempfängern ankommt. Fokussieren wir also nur darauf, was die Arbeiterschaft davon in der öffentlichen Wahrnehmung hat.

Da sind zunächst einmal diejenigen zu nennen, die nicht mehr dabei sind, die aus dem Prozess herausfallen, weil sie nicht (mehr) gebraucht werden. Selbst in Deutschland, der Insel der Glückseligen, sind das seit Jahrzehnten Millionen. Die gelten per se als faul, schuldig, unwert. In Südeuropa sind das inzwischen die Hälfte aller Menschen und zwei Drittel der unter 30 Jährigen. Man wirft ihnen selbst verschuldete Nutzlosigkeit vor; als könnten sie sich “Arbeitsplätze” durch reine Willenskraft erschaffen.

Schauen wir uns dann diejenigen an, die schaffen; und zwar Wert und zwar hauptsächlich für andere (sogenannte “Arbeitgeber”): Was haben die davon, dass sie immer schneller immer mehr für immer weniger Geld produzieren? Dankt man es ihnen? Sind das diejenigen, die als “Leistungsträger” hochgeschätzt und hofiert werden? Nein. “Leistungsträger”, das ist die offizielle Folgeversion von “Besserverdiener” als Label für die FDP und ihre Klientel. Das sind die, die nach dem Motto “Jeder kriegt, was er verdient” eben die Sonnenseite erwischt haben.

Kein Ende in Sicht

Die Leistung der Lohnabhängigen unterhalb einer Gehaltshöhe, die kaum mehr wer erreicht, zählt nichts. Gar nichts. Sie können davon kein Eigentum erwerben, keinen Grund, kein Haus, keine Ruhe und immer öfter nicht einmal eine Rente. Und weil sie derart ausgebeutet werden, dichtet man ihnen an, sie seien immer zu teuer, zu schlecht, ein Klotz am Bein im Wettbewerb. Es ist kein Ende in Sicht, es scheint niemals besser zu werden, man muss ewig ackern und wird niemals ernten. Deshalb buckeln sie immer tiefer, hecheln immer schneller und sagen am Ende des Tages noch “Danke” zu ihren Herren. Die Schuld für die Misere suchen sie derweil bei ihresgleichen, denen, die eben nicht mehr “verdienen”.

Wenn ihre Restvertretung, die zahmen Abnicker von den Gewerkschaften, einmal Lohnerhöhungen über dem Inflationsniveau fordert, dann werden sie als “Anspruchsteller” und “Besitzstandwahrer” diffamiert, als seien sie es, die gegen jeden Anstand immer mehr Rendite stehlen. Die Medienkonzerne, selbst Unternehmen, die sich von der Arbeit anderer nähren, kennen keinen Respekt vor der Arbeiterschaft. Und weil sie eben die Meinungen verbreiten und die Stimmung machen, klagt der Arbeiter am Ende sich selbst an, denn er will kein Anspruchsteller sein.

Tatsächlich ist das ein Problem, denn Ansprüche zu stellen hieße zu erkennen, dass man welche hat. Ja, ihr habt Ansprüche. Es ist euer Land, eure Arbeit, euer Leben. Das gehört euch, und zwar alles. Wenn ihr so nobel seid, davon diejenigen, denen es schon gut geht, die meist schon reich geboren wurden, weiter mitzutragen, dann ist das recht selbstlos. Wenn sie euch aber auch noch nehmen, was ihr zum Leben braucht, nachdem ihr ihnen schon alles andere gegeben habt, worauf wartet ihr dann noch? Holt es euch zurück! Denn das, nicht weniger, ist euer Anspruch.

 
Aus aktuellem Anlass eine Zweitverwertung aus 2008:

Wo ist hier bloß der Ausgang? Ein neues lustiges Spiel der willigen Feuerwehr geht so: Man geht mit einem großen Kanister Brandbeschleuniger in ein Gebäude, in dem ein kleiner Schwelbrand ausgebrochen ist. Der Kanister wird vollständig am Brandherd entleert. Das Gebäude darf nicht durch den Eingang verlassen werden. Sodann sucht man nach einem Notausgang. Wenn dieser sich nicht findet, schickt man mehr Leute hinein und berät, wie man sie wieder hinaus bekommt. Für jeden, der das nicht überlebt, werden zwei neue hinein geschickt.

So blöd ist nicht mal die freiwillige Feuerwehr Eifel-Südost morgens um 5 nach der Frühjahrskirmes. Deutsche Strategen und ihre Freunde von der Achse der guten Hoffnung sehr wohl. Während CSU-Ramsauer sich immerhin erfolglos Gedanken macht, steht das außenpolitische Großgenie von Klaeden vor der Tür und sieht zu, dass keiner sich feige aus dem kollabierenden Haus macht:

Von Bagdhad nach Kabul

Die einzige Rückzugsstrategie, die wir haben, ist unser Erfolg in Afghanistan“, sagt er.
Ersetzen Sie “Afghanistan” durch “Stalingrad”, und Sie erkennen die überlegene militärische Haltung, die sich da offenbart.
Aber erst wenn Afghanistan über selbsttragende Stabilität verfügt, können die Truppen abgezogen werden“;
Wenn wir die Menschen in Afghanistan wieder wie nach dem Abzug der Sowjets im Jahr 1989 im Stich lassen, wären die Gefahren für unsere Sicherheit noch weit größer als vor dem 11. September 2001.”

Vergessen wir einen Moment die grammatikalische und historische Verwirrung, die der Mann da stiftet – “Wir” haben nicht mit den Sowjets gekämpft oder jemanden im Stich gelassen, “wir” haben die Mudschahedin unterstützt und gepäppelt. Das Volk war “uns”, dem Westen, wurscht, “wir” wollten um jeden Preis die Sowjets loswerden. Das hat auch prima geklappt.

Was stimmt: Seitdem die Russen abgezogen sind, in den letzten 20 Jahren also, ist Afghanistan instabil. So wie dutzende anderer Staaten und Gebiete anderswo. In Afghanistan soll jetzt Ordnung geschaffen werden. Wie, mit wem, was, das sind Fragen, die “wir” mit einem Achselzucken beantworten. Von Klaeden weiß, dass die Terroristen aus Afghanistan kommen. Sie kommen zu uns und töten uns alle, wie schon am Dooms Day 2001. Das hat ihm der Teufel verraten, und den treibt er uns aus. Wenn nur ein verwirrter bayerischer Parteifreund öffentlich darüber nachdenkt, ob es denn auch ein Ende des Krieges geben darf, liest er ihm die Leviten.

Der Lobbyist

Dieser hanebüchene Irrsinn ist für jeden Verstand, der noch ein “Ping” absetzen kann, so unzugänglich, dass mir jede Idee für eine Analyse fehlt. Vielleicht ist von Klaeden ein Gnostiker, der durch ein Wurmloch ins 20. Jahrhundert gekrabbelt ist und dort spontan mit einer Krawatte fusionierte. Der wohl untalentierteste Außenpolitiker seit Carl Ranseyer versucht seit seiner Erweckung, das “Wir” in uns allen als Erlösung aus dem “Ich” virtuos in politische Ahnunglosigkeit zu transformieren. Das gelingt ihm so unnachahmlich, dass er das Zeug zum Guru hat. Muss er aber als Abgeordneter und Funktionär der Politeska wirklich öffentlich zitiert werden? Ich hätte da eine bessere Idee:

Gebt dem Mann eine Insel, auf der er mit Zombies seinesgleichen den Hirntod bei intakten Körperfunktionen zelebrieren kann, lasst ihn teure Nahrungsmittel und saubere Luft verbrauchen, aber verschont mich doch mit seinem unerträglichen Gelalle, BITTE!

Eckart von Klaeden ist im Vorstand der “Atlantikbrücke”, Mitglied im Beirat der “Atlantischen Initiative” und ehemaliges Mitglied im Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages, also in denselben Zirkeln wie die führenden Grünen. Die pastorale Ansprache übernimmt inzwischen der Präsident® Die FR meinte kürzlich, er wechsele “aus dem Zentrum der Macht zu Daimler“, da hat wohl wer etwas verwechselt.

 
notmygauckWas wir einen “Bundespräsidenten” zu nennen uns schämen dürfen, pendelt zwischen den Ruinen einer brachialen Rhetorik, dem Geist des Stahlhelms und den Wirrungen einer manifesten Psychose. Aus seiner aktuellen Rede zitiere ich den letzten Absatz, das geht ab wie Salzwasser:

Wir, zusammen einzigartig, schauen uns an diesem Festtag um. Wir sehen, was uns in schwierigen Zeiten gelungen ist. Und wir sind dankbar für all das, was gewachsen ist. Und eine Verheißung kann uns zur Gewissheit werden: Wir müssen glauben, was wir konnten. Dann werden wir können, woran wir glauben.

Nein, tun wir nicht. Die ersten drei Wörter sind schon eine Zumutung aus schaler Suggestion, desolater Grammatik und völkischem Dung. Das braucht kein Mensch. “Wir” sind gar nichts, und wenn ihm danach ist, für etwas Gewachsenes einen Kollektivdank zu entbieten, dann soll er zum Erntedank in seine gottverdummte Kirche gehen. Vielleicht hat er ja die Reden verwechselt.

Das “Wir” lasse ich dann einmal aus. Ich will kein “Wir” sein mit diesem widerlichen Menschen und seiner Ideologie. “Verheißung zur Gewissheit” – welch ein Pomp, welch billige Sprachbilder riefenstahlscher Dimension, und das verquirlt diese losgelassene Lallbacke mit “glauben, was wir konnten“?! Hä? Etwas, das in der Vergangenheit liegt, kann man wissen und beurteilen. Der Pfaffe aber, der Folgsamkeit und Unwissen sät, ruft stattdessen zum Glauben auf. Den an die Nation übrigens. Woher kenne ich das bloß?

Großmächtiger Einpeitscher

“Dann” wenn wir also glauben, was wir besser wissen sollten, können wir etwas? Nämlich “können, woran wir glauben“? Ist da irgendwo eine Logik, die das “wenn” mit dem “dann” verbindet, die Basiskonstellation aller Logik? Ja wie denn? Fehlanzeige. Dafür ist er nämlich da, der “Glaube”. Der hat übrigens gar nichts am Zettel mit wenn-dann oder Können, er steht ganz im Schatten der völkisch-nationalen “Verheißung”, einer Sprechblase, die mystischen Mumpitz an die Stelle kritischer Reflexion setzt.

Dies ist nur ein Absatz aus einer Rede, in deren Atmosphäre sich wie geölt “Engagement” und “Verantwortung” sagen lässt, wo jeweils “Krieg” gemeint ist. Seinen Neusprech hat der Einpeitscher wie immer großzügig über die Zeilen verteilt.

In den Kommentaren sagte ich heute: Der oberste Pfaffe als polternder Demagoge, genau so habe ich mir das vorgestellt. Als ich mich über die Köhler-Rede geärgert habe, dachte ich nicht, dass der Mann gleich zurücktritt. Als Wulff auf den Sessel gehievt wurde, schickte sich ein gemütlicher, vergleichsweise ungefährlicher Spießer an, den Grüßaugust zu geben. Dann kamen die Grünen mit ihren NATO-Christen und haben uns diese aggressive deutschnationale Variante beschert. Einen schneidigen Pfaffen als Einpeitscher für Großmachtsambitionen – im Rahmen marktkonformer Demokratie, versteht sich.

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