Es gibt große Unterschiede zwischen großen Koalitionen. Schon die letzte konnte fröhlich durchregieren; die Grünen waren bereits auf NATO und Hartz IV unterwegs, “die Linke” am Rand und ohne Einfluss, die FDP eh einverstanden mit der neoliberalen Regierungspolitik. Diesmal wird es aber schöner als je zuvor.

Die sogenannte “Opposition” im Bundestag ist so winzig, dass sie selbst bei Einigkeit keine Untersuchungsausschüsse einsetzen kann und keine Normenkontrollklagen führen. Sie besteht aus den “Grünen”, die aus dem Scheitern ihres neoliberalen Kurses den Schluss gezogen haben, dass sie wirtschaftsfreundlicher werden müssten und der “Linken”, die inzwischen ebenfalls ausdrücklich “marktwirtschaftlich” sein will.

Im Untergrund dürfen Geheimdienste immer noch die Morde ihrer V-Leute vertuschen, vielleicht neue planen, die totale Überwachung einrichten und sich jedenfalls jedweder Kontrolle entziehen. Hinter einer Regierung also, die durch niemanden kontrolliert wird, droht eine Geheimpolizei zu erstarken, die jüngst erfahren hat, dass sie machen kann, was sie will.

Kritische Masse

So viel Horror müsste den ganzen Rest der Republik auf die Beine bringen. Nicht ganz zufällig entstand die APO der 60er Jahre im Schatten einer großen Koalition, unter dem am 01.12.1966 vereidigten Kanzler Kiesinger, ein ehemaliges NSDAP-Mitglied wie viele andere in seiner Partei. Angesichts der fehlenden parlamentarischen Opposition, der ungebrochenen Karrieren von Altnazis und der Bedrohung durch den Kalten Krieg waren es vor allem Studenten, die auf den Straßen revoltierten und eine andere Republik forderten.

Ich möchte mich heute nur kurz zu diesem Detail äußern. Angesichts des erschreckenden Erstarkens antidemokratischer Kräfte, teils manifest faschistisch, teils infolge der Krise des Kapitals ökonomisch motiviert, müssten wie gesagt heute erst recht die Proteste durch die Republik wallen. Was sie bräuchten wäre allerdings eine kritische Masse (im Doppelsinne) aus Menschen, die den Zustand zur Kenntnis nehmen, Schlüsse daraus ziehen und sich dagegen organisieren.

Genau hier erweist sich das Desaster des “Bologna-Prozesses” als Glücksgriff, der Umbau der Universitäten zu Durchlauferhitzern für Halbbildung. Die nur 3-Jährige Regelstudienzeit in verschultem Dauerstress lässt die akademische Jugend weder ihr Studium als Lebensphase annehmen, noch lässt sie ihnen die Luft für ein Engagement nebenher. Politische Betätigung kommt noch weniger infrage als in den ohnehin schon ruhigen Zeiten vor 1999. Die Entsolidarisierung ist durchschlagend ebenso wie die Verödung der Bildung, die selbst im Fachbereich oft gerade zum Nötigsten taugt. Auf dieser Flanke droht kein Angriff mehr.