Politik


 
Internetzensur

Heute ist Weltinternetzensurtag. Weltinternetzensur finden wir jetzt 24 Stunden lang doof. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass “das Internet” nach wie vor von allen Seiten mystifiziert wird. Wenn ihr gegen Zensur seid, wieso dann ausdrücklich “im Internet”? Es gibt “das Internet” nicht, ebenso wenig wie “die Telefonwelt” oder die “Sprechwelt”. Es gibt Probleme, die über alle Sphären hinweg wirken, um die sollten wir uns kümmern. Zensur gehört ganz sicher dazu, aber auch Überwachung, und habt ihr euch schon mal klar gemacht, dass beide Techniken – die sich im Grunde konträr zueinander verhalten – demselben Ziel dienen können? So etwas wie Google Glasses zum Beispiel gehört daher dringend zensuriert, d.h. verboten. Anderenfalls werden die Fälle von Körperverletzung und Sachbeschädigung erheblich ansteigen, was natürlich auch eine Lösung ist.

Nicht die Kettensäge

“Bitte nimm doch nicht die Kettensäge, Raylan-Patrick!”, sagte die Kindergärtnerin und konnte Schlimmeres doch nicht verhindern. Ungarn marschiert fröhlich in den Faschismus, der von einer völkisch besoffenen Mehrheit getragen wird. Parlament-arisch einwandfrei durchgezogen, wie dunnemals und im Sinne der Definition absolut “demokratisch”. Das “Bitte nicht” der EU verhallt, was niemanden wundert. Die windelweiche Kritik hie und die gnadenlose Intervention gegen Abweichler des neoliberalen Kurses anderswo wurde verstanden. Jetzt noch die Wirtschaftsflüchtlinge vom Balkan, die sich vorm Arbeiten drücken, alle zurückschicken und ein Streichholz dran halten.

Wo tauchen sie denn?

So lange kümmern sich hier andere darum. Die Polizei sucht “Neonazis im Untergrund“, ja ist es denn zu fassen! Ich sehe es schon vor meinem geistesleeren Auge, wie sie in den Keller laufen und keinen finden. Sie würden die Untergründigen ja gern anrufen, aber die “Dienste”, in denen die Kameraden “untergetaucht” sind, gehen einfach nicht ans Telefon. Da kann man nix machen.

Weltinternetintelligenztag

Ja leck mich fett, die Wissenschaft hat festgestellt, dass “Like”- oder auch “Gefällt mir”-Klickerei Aussagen über die Intelligenz der Klicker zulässt, und zwar mit Algorithmen und 88 Prozent! Nämlich ist, wer facebook nutzt, schon schwer durch die Gaußsche Glocke unterwegs, und wer dann auch noch “Like”-Buttons anklickt, auf der anderen Seite wieder raus. Ich liebe Wissenschaft.

 

Beamte der japanischen Atomsicherheitsbehörde glauben nicht, dass es am Gehäuse des Reaktors Nummer 1 im Kernkraftwerk Fukushima 1 zu ernsten Schäden gekommen ist

Meldung vom 12.03.2011
 
 
“Ich finde an einem solchen Tag darf man nicht einfach sagen unsere Kernkraftwerke wären sicher. Sie sind sicher und trotzdem muss man nachfragen was ist zu lernen aus einem solchen Ereignis ohne das man Anhaltspunkte hat das sie nicht sicher wären und trotzdem können wir immer dazu lernen.”

Angela Merkel, 12.03. 2011
 
 
“Wir können an solch einem Tag nicht sagen, die Kernkraftwerke sind sicher. Ja, die Kernkraftwerke sind sicher. Trotzdem müssen wir fragen, was lernen wir daraus.”

Tanja Gönner, 13.03.2011
 
 
“Wir haben Ihnen dafür ein Energiekonzept vorgelegt. Dieses Energiekonzept beruht seit langer Zeit zum ersten Mal auf klaren Analysen, wie sich die Entwicklung gestalten wird, soweit man dies für 10, 20 oder 30 Jahre vorhersagen kann.
(Sigmar Gabriel [SPD]: Bezahlt von RWE!)
Mit diesem Konzept machen wir deutlich, dass wir drei Dinge zusammenbringen, die für einen modernen Industriestandort ganz wesentlich sind: Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit des Stroms und Umweltverträglichkeit.
Ich glaube, wir alle verfahren richtig, wenn wir sagen, es macht keinen Sinn, wenn wir auch im internationalen Wettbewerb stehen, ideologiegetriebene Energiepolitik zu machen, sondern es macht Sinn, eine rationale, vernünftige Energiepolitik mit einem klaren Ziel zu machen.
Dieses Konzept werden wir am 28. September in der Regierung verabschieden und in der nächsten Sitzungswoche hier debattieren. In diesem Energiekonzept gibt es Brückentechnologien, ja.
Das ist die Kernenergie; das sind die Kohlekraftwerke. Die brauchen wir, und wir tun den Menschen keinen Gefallen, wenn wir so tun, als ob wir das alles nicht mehr brauchen, den Bau jedes modernen Kohlekraftwerks verhindern und aus ideologischen Gründen die Kernkraftwerke abschalten.
Das ist nicht unser Zugang. Wir machen es wirtschaftlich vernünftig, weil das Arbeitsplätze für Deutschland sichert.”

Angela Merkel, 15.09.2010
 
 
“Fukushima wiegt zu schwer, als dass irgendjemand einfach zur Tagesordnung übergehen könnte. [...] Die Katastrophe in Japan heißt allerdings nicht, dass wir die Sicherheit unserer Kernkraftwerke – weder der älteren noch der jüngeren – in Frage stellen. Sie erfüllen alle sicherheitstechnischen Anforderungen und übertreffen sie zum Teil sogar deutlich. Und nirgendwo in der Welt gibt es höhere Standards als bei uns. Dennoch müssen wir nach Fukushima offen über Sicherheitsthemen neu diskutieren. [...] Und wie bleibt Energie für die Industrie und für alle Bürger bezahlbar? Wie erhalten wir Arbeitsplätze und Wohlstand für uns und unsere Kinder? Denn auch auf deren Zukunft kommt es heute an! Darauf brauchen wir Antworten. Und zwar bevor endgültige Entscheidungen über einen schnelleren Ausstieg aus der Kernenergie fallen. Nur so schaffen wir einen tragfähigen Umstieg mit Augenmaß.”

Eon-Chef Teyssen, 01.04.2011
 
 
p.s.: Was mich extrem annervt, ist dass Großereignisse und Jahrestage inzwischen Monate vorher publizistisch abgefeiert werden, damit man bloß nicht der Letzte ist. Wie Adventskalender im August halt.

 
Die Zeitung liest der reiche Mann
und schaut sich die Statistik an.
“Keine Armut?”, fragt er bleich -
“seid ihr nicht arm, bin ich nicht reich!”

So schlimm wird es schon nicht kommen. Man muss nur verstehen, was die Bundesregierung und ihr Vizewirtschaftskanzler Rösler unter “Armutsbericht” verstehen. Es ist das Dokument ihrer Armut an Ehrlichkeit, Realitätssinn, ja sogar an Phantasie, wenn’s ums Lügen geht. Da greift halt eins ins andere. Das Skandälchen liegt in der Formulierung “Die Privatvermögen in Deutschland sind sehr ungleich verteilt.” Das will man nicht wissen, was erstaunlich ist, denn die Privatvermögen sind überall ungleich verteilt, wo es Kapitalismus gibt, sehr ungleich sogar. In Deutschland gilt aber die Erzählung, die heilige Mutter Marktwirtschaft sei gütig und eben sozial®. Das verträgt sich nicht mit der Realität, also muss die ausgeblendet werden.

Warum eigentlich? Die Neoliberalen interessiert ihr Geschwätz von gestern doch sonst nicht. Zu Zeiten des Lambsdorff-Papiers wurde eine Arbeitslosigkeit von Dauerhaft zwei Millionen Menschen als Katastrophe bezeichnet. Wir haben heute deutlich mehr allein in Westdeutschland, trotz des Kahlschlags bei Vollzeitjobs, von denen man noch leben kann und trotz aller Statistiktricks.

Uns geht’s gut

Armut beginnt für jene, die sie sich eh nicht vorstellen können, erst beim Hunger. Wer einen Fernseher hat, kann demnach nicht arm sein. Sie haben wirklich nicht die geringste Vorstellung davon, was es heißt, nicht dabei sein zu können bei ganz normalen Aktivitäten. Kein Theater, kein Kino, kein Kneipenbesuch, keine Pizzeria, kein Urlaub. Bei vielen Gelegenheiten muss man sich als “bedürftig” outen, um teilnehmen zu können. Und das Schlimmste: Es darf nie etwas Unvorhergesehenes passieren und man darf nie so dumm sein, zu viel Geld auszugeben – oder es sich von windigen Firmen aus der Tasche ziehen zu lassen. Dann ist nämlich tatsächlich der Kühlschrank leer und bleibt es auch, bis irgendwie wieder Geld reinkommt.

Für Menschen, die es nicht schaffen, das alles völlig abgebrüht durchzuziehen, bedeutet das ein Leben in Angst. Wer das durchhält, wird an den Pranger gestellt und als “Sozialschmarotzer” beschimpft, die anderen in ihrer Depression nicht wahrgenommen oder obendrein auch noch abgeurteilt.

Nichts Neues für die, die so etwas wissen wollen. Neu wäre es für die Röslers und von der Leyens, aber die haben sich abgeschottet. Das Politbüro interessiert sich nicht für die Werktätigen – und noch viel weniger für die nicht Werktätigen. Das Beste nämlich ist der Titel des dilettantisch manipulierten Berichts: “Arbeit schützt am besten vor Armut“. Das ist so bescheuert, dass es die ganzen Beschönigungen lang in den Schatten stellt. Am besten, um das kurz auf den banalen Punkt zu bringen, schützt Reichtum vor Armut, und den erwirbt man nicht durch Arbeit. Jemand hatte das bereits im 19. Jahrhundert ähnlich formuliert. Zweitens ist das immer weniger wahr, denn wenn eines in Deutschland steigt, ist es die Zahl der arbeitenden Armen. Drittens ist das unfassbar zynisch angesichts der katastrophalen Beschäftigungsentwicklung in Europa.

Warum erscheint ein solcher “Armuts- und Reichtumsbericht” überhaupt noch? Meinen diese Clowns ernsthaft, sie könnten dauerhaft die Betroffenen über ihre eigene Lage belügen? Jene Betroffenen, die immer mehr werden?
Nein, die Paranoia der Mittelschicht ist inzwischen zum Narrativ einer Nation geworden: Uns geht’s gut! Es könnte uns zwar besser gehen, gäbe es bloß nicht so viele Faulpelze, aber wer was leistet, dem geht es gut, und wer Arbeit will, findet auch welche. Jeder kriegt, was er verdient.

 
abspd

Die Spezialdemokraten haben eine sehr naheliegende Idee, die ihnen eigentlich schon früher hätte kommen können: Sie fordern ihre mutmaßlichen Wähler auf, sich künftig selbst zu vereimern. Was soll man schon mit dem penetranten Wahlversager und Virtuosen des Fettnäpfchen-Twister anfangen, den sie sich da zum Spitzelkandidaten der Wirtschaftskompetenten erkoren haben? Ein Programm muss her, und zwar eines, das … irgendwie Hoffnung birgt.

Nun muss man als Kenner der Fachexperten für Programmyoga immer wieder mal darauf hinweisen, was das für “Sozialdemokraten” so bedeutet, ein Programm:

“Den Menschen verpflichtet, in der stolzen Tradition des demokratischen Sozialismus, mit Sinn für Realität und mit Tatkraft stellt [sie] sich in der Welt des 21. Jahrhunderts [...] ihren Aufgaben“

“Seit das Ziel der gleichen Freiheit in der Moderne zum Inbegriff der Gerechtigkeit wurde, waren und sind Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität die Grundwerte des freiheitlichen, demokratischen Sozialismus. Sie bleiben unser Kriterium für die Beurteilung der politischen Wirklichkeit, Maßstab für eine bessere Ordnung der Gesellschaft, Orientierung für das Handeln”

“Der demokratische Sozialismus bleibt für uns die Vision einer freien, gerechten und solidarischen Gesellschaft, deren Verwirklichung für uns eine dauernde Aufgabe ist“.

Jekami zu LMA

So, nur zur Erinnerung: Das ist immer noch nicht die Agenda von Gysis Gurkentruppe, den demokratischen Sozialen links von den sozialen Demokraten. Das ist das Hamburger Programm der original echten “SPD”, das ist offiziell gültig. Heute. Jetzt. Hier. Peer Steinbrück ist demnach der oberste Sozialist bei denen. Zusammengefasst, kann man also ein paar Blümchen auf das Papier malen und sich damit in schweren Zeiten (die es ja immer sind für die Partei und ihre Opfer) hintenrum reinigen. Ich habe das bis heute nicht kapiert, was sie damit bezwecken. Ob sie wohl meinen: “Leute, wenn ihr Demokratie wollt, müsst ihr unbedingt mal Sozialismus ausprobieren. Haben wir aber derzeit nicht im Angebot, es ist leider gerade Marktwirtschaft®. Geht uns also bitte nicht mit ‘Demokratie’ auf den Wecker!“? Man weiß es nicht.

Jetzt sollen also die Wähler das Wahlprogramm mitgestalten. Da können sie dann alles reinschreiben, was sie wollen, und der Peer macht nachher sowieso was anderes. Kennt man schon von ihm, der hört ja nicht einmal auf den eigenen Vorstand. Von “Basis” oder “Wählern” wollen wir aus Gesundheitsgründen gar nicht erst anfangen. So könnte es also gelingen, ein erzdemokratisches Programm zu erarbeiten, das obendrein keine Wünsche offen lässt. Doch ehrlich, es kann das beste Wahlprogramm aller Zeiten werden. Nach der Wahl winken wir ihm dann mit Tränen der Rührung nach, wenn es im nächsten tiefen Abgrund® verschwindet. Bis zum nächsten Mal bei der nächsten Wahl.

 
skullAch ja, einen hätte ich dann doch noch nach dem gestrigen Kurzbericht: Wenn knapp einhundert Nazis aufmarschieren, um gegen die Greuel der alliierten Besetzung zu demonstrieren, stellt die Staatsmacht gern Rekorde auf (in Form von 1600 Polizisten), um diese Bürger in der Wahrnehmung ihrer demokratischen Rechte zu schützen. Dazu gehört ganz routiniert auch die Bildung eines sogenannten “Kessels” um die Antidemokraten, welche Gegendemonstrationen bilden. Das macht bei Minusgraden besonders viel Spaß. Hervorgehoben werden muss bei dieser Gelegenheit die Rolle der sogenannten “Sozialdemokraten” – ihr wisst schon: Die Antifaschisten mit dem Hang zu Rassismus, Antikommunismus und Hass auf arbeitsscheues Gesindel.

Deren Pforzheimer Bürgermeister Hager stellt sich nämlich gegen die Nazis, während Genosse Gall (Innenminister) das Bild zurechtrückt und schwadroniert: “Es darf nicht sein, dass Extreme, ob rechts oder links, diesen Gedenktag an die fürchterlichen Folgen des Angriffskrieges der Nazis für ihre Zwecke missbrauchen.” Gedenktage sind nämlich für die Mitte® reserviert, und diese Mitte® wiederum will einmal darüber reden dürfen:

Sozialdemokratische Volks- und Rassekunde

Es muss erstaunen, dass eine so hoch entwickelte Stadt wie Bremen ihre Liebe zu Roma und Sinti entdeckt, die, sozial und intellektuell, noch im Mittelalter leben, in einer uralten patriarchalischen Gesellschaft. (…) Es ist ein Patriarchat, dessen Männer keine Hemmungen haben, die Kinder zum Anschaffen statt zur Schule zu schicken, ihren Frauen die Zähne auszuschlagen und sich selber Stahlzähne zu gönnen. Viele der jungen Männer schmelzen sich mit Klebstoffdünsten das Gehirn weg.”

Der Abgeordnete der Bremer Bürgerschaft, der seine Homepage mit solchen Expertisen derzeit stillgelegt hat, gehört nicht der NPD an. Er ist vielmehr ein Mann der Mitte®, ein “Sozialdemokrat”. Wie es sich gehört, erhält er für seine ‘Thesen’ großen Zuspruch aus dem Volkskörper, sogar von Frauen, die er wiederum einteilt in gute Weibchen und “Luxusweibchen”. Dies, liebe Kinder, ist also das, was die “SPD” unter “Widerstand® versteht. Diesmal widerstehen sie der Verblödung durch Fremdrassen, der Verweichlichung durch Verweiblichung und natürlich Mauer und Stacheldraht®.

Neulich sagte mir einer, beim Lesen meines Blogs bekomme man schlechte Laune. Ich nehme mir das nicht nur zu Herzen, es geht mir selbst gar nicht anders. Aber Schnauze halten is nich, Leute, und an Tagen, an denen ich tief genug schießen kann, werde ich mich auch gern wieder ums Entertainment bemühen. Bis dahin überlasse ich das überlegenen Journalisten wie Lanz und Jauch. Letzterer stellt immerhin gelegentlich die richtige Frage.

Es ist wie es ist, es kommt wie es kommt und das mit Sicherheit. Amüsant, dass die Architekten der Inneren Sicherheit® tatsächlich zu glauben scheinen, willfährige Milizen könnten einen Zustand aufrecht erhalten, der im Einsatzfall längst keiner mehr ist. Gar nicht amüsant, dass das auf eine Infrastruktur trifft, die von braunen Uniformträgern* und Niedriglohnsklaven geprägt ist.

*Da lernt man gerade das Wichtigste: Amazons Ex-Nazitruppe mit dem unauffälligen Namen “Hess” wird künftig auf Kleidung umsteigen, die nicht für jeden Deppen erkennbar die Gesinnung des Trägers offenbart. Baseballschläger mit Blümchenmustern haben Konjunktur. “Negerklatschen” heißt fortan “Aufhellung der demographischen Struktur”.

 
rose

Finde den Fehler im Bild! Ja gehört das Fahrrad denn da hin?! Für meinen Geschmack kann das jetzt mal wieder tun, wozu es eigentlich geschaffen wurde. Meine verklingende Röchelhustverschnupfung mit Bleiknochensyndrom hat sich strategisch sehr schön in die Jahreszeit eingefügt, wozu ich ihr und dem Rotzgör, das mir seine Bazillen lizenzkostenfrei zur Vermehrung übereignete, herzlich gratuliere. Die Zeit, in der man so schlapp, fett und träge ist wie in keiner sonst und in der sich der Schönwetterspochtler auf die zehn Monate freut, in denen er sich das wieder abtrainieren darf, was binnen sechs Wochen nach Ende der letzten Saison zu drei Vierteln schon wieder heimtückisch die Hosen enger genäht hat.

Ich habe mir erlaubt, der Gerät abzubilden, ohne dafür eine Genehmigung einzuholen oder auch nur Werbeeinnahmen zu generieren, obwohl die Marke deutlich sichtbar ist und Experten sogar das Modell erkennen. Zu den Lizenzgebühren nämlich fiel mir ein, dass da noch eine ganze Menge geht. Das unentdeckte Land lässt ganz wunderbare Wertschöpfungskellen entstehen, die man jedem geben kann, der sich noch irgendwie öffentlich äußert. Der Plan ist folgender: Wer ein Produkt in Bild oder Ton darstellt oder es eindeutig identifizierbar auch nur erwähnt, hat dafür entweder einen Vertrag mit dem Produzenten i.e. dem Urheber im Sinne des Verwertungsrechtes abzuschließen. Entweder – die Zuckerbrotvariante – er erhält einen Werbevertrag; dann wird die Darstellung oder Erwähnung des Produkts je mit einem gewissen Obolus entgolten.

Marke ist Person, Person ist Marke

Oder eben nicht, dann wird alles gnadenlos abgemahnt und eingeklagt, was das Produkt in unbefugter Weise berührt. Das wäre dann die Peitschenvariante. Diese ist bereits hinlänglich bekannt, ihre Anwendung ist allerdings beschränkt auf das Kopieren von Produkten oder die missbräuchliche Nutzung einer Marke. Wozu diese Beschränkung? Natürlich ist es ein Verbrechen, ein Foto zu zeigen, an dem man keine Rechte hält. Was aber ist mit dem darauf Abgebildeten? Hat der Autohersteller nicht ein Recht auf die Kontrolle darüber, in welchem Zusammenhang seine Erfindungen dargestellt werden? Es ist höchste Zeit, dass lizenzierte Produkte den vollen Schutz der Persönlichkeitsrechte genießen. Es werden diesbezügliche Abwägungen ohnehin meist zugunsten der Wertschöpfung entschieden. Wenn man also endlich Urheber- Patent- und Persönlichkeitsrecht gleichberechtigt nebeneinander stellt, ist Demokratie® und Rechtssicherheit damit nur gedient.

Man muss die Wertschöpfungskette schützen, gerade in solch schweren Zeiten, in denen anderswo das Recht bereits auf breiter Fläche generell in Zweifel gezogen wird, wo Regierungen gestürzt werden, weil sogenanntes “Volk” zum Beispiel glaubt, die Strompreise diktieren zu können. Wie man hört, glauben immer mehr der dort Aufgestachelten, sie hätten gar eine Art Urheberrecht an ihrer Arbeit – so sieht es nämlich aus, das Urheberrecht ohne Verwertungsgesellschaften und rechtsstaatliche® Regelung: Der völlige Zusammenbruch der Wertschöpfung, an dessen Ende Mauer und Stacheldraht stehen. Es geht um nicht weniger als den Erhalt der Zivilisation gegen die kommunistische Umsonstgesellschaft.

 
schuep2

Wenn das Höchstmaß an Ausbeutung erreicht ist, wenn die aus dem Ausland angeheuerten kasernierten Lohnsklaven obendrein von Nazis eines sogenannten “Sicherheitsdienstes” bewacht werden – das ruft natürlich die Gewerkschaft auf den Plan. Und was sagt die Gewerkschaft dann angesichts solcher Zustände, die selbst in China kritische Erwähnung finden?
Amazon schafft Arbeitsplätze“ und
Amazon ist in der Lage, gute Arbeitsplätze zu schaffen.” (Zitat “ver.di”).

Es ist der gelebte Albtraum einer kapitalistischen Welt, die es sich gefallen lassen muss, ein neuer Faschismus genannt zu werden, denn der fängt nicht bei Konzentrationslagern an, dort endet er nur. Nein, es wütet auch hierzulande nicht die stählerne Diktatur, der keiner entgeht, der nicht mitmarschieren will. Es ist nur die Maschinerie, die genügend Menschen so arm hält, dass sie sich gezwungen fühlen, das alles zu erdulden. Die Angst vor dem blanken Hunger haben, im Jahr 2013, inmitten einer unfassbar effizienten Infrastruktur und ebensolchem Reichtum. Reichtum, der für die Massen ausreicht, sie aber abschneidet, unterteilt und den Bodensatz ausbeutet wie seit jeher, im finsteren Mittelalter, der Vor- oder Nachkriegszeit oder sonstigen Zeiten, in denen man sich noch leidlich mit der Not hätte rausreden können.

Des Tigers Recht im Zoo

Die Nazis mussten die Gewerkschaften noch verbieten. Diese sind inzwischen von korrupten Funktionären geführte Truppen von Helfershelfern für das Kapital, denen das Schicksal der arbeitenden Menschen so eiskalt egal ist, dass sie angesichts übelster Mißstände immer noch die Phrasen der Propaganda nachplappern – der Propaganda des Kapitals wohlgemerkt. Die Gewerkschaften sind im Klassenkampf angekommen. Sie helfen extrem wirksam dabei, die Arbeiterschaft zu knechten.

Beizeiten kommt es noch vor, im Rahmen eines bizarren Rituals, dass sie sogar “streiken”. Am Rande sogenannter “Tarifverhandlungen”, bei denen sie seit Jahrzehnten für Lohnsenkungen einstehen, dürfen sie auf der Straße ein wenig auf- und ablaufen wie ein Tiger im Käfig. Dabei kommt es manchmal zu gewissen Produktionsausfällen, weil die zum Trillern abgestellten Mitarbeiter nicht gleichzeitig Mehrwert schaffen können. Früher haben die Fabrikbesitzer dann Streikbrecher gekauft, damals die schlimmsten Feinde der Streikenden. Heute läuft das anders ab. Da diese Praxis im Streikezoo nämlich illegal ist, besorgen die “Gewerkschaften” gleich selber die Streikbrecher. Das können sie, weil sie selbst Lohnsklaven halten. Glaubt ihr nicht? Dann lest das hier!

Man könnte hysterisch lachen, wenn man sich deutlich macht, dass einmal Leute gestorben sind für das Recht der Arbeiter, sich in Gewerkschaften zu organisieren. Wer aber braucht solches “Recht”, wenn es einzig darauf hinausläuft, dass sich eine Truppe von Verrätern an die Spitze stellt, um im Sinne derer, die es besser haben wollen, den Klassenkampf von oben zu organisieren? Das ist es, was legal zu haben ist in dieser “Demokratie”. Wer wirklich etwas erreichen wollte, müsste sich illegal organisieren. Man würde das vermutlich eine “kriminelle Vereinigung” nennen. Schließlich ist das Deutschland hier, und Deutschland ist ein Rechtsstaat®.

Wenn sich Linksradikale, Rechtsradikale und Islamisten in einem Punkt einig sind, dann in ihrer Ablehnung der USA, wenngleich aus unterschiedlichen Motiven.

Come in here, dear boy, have a cigar. You’re gonna go far.

 
Es ist ein Abtasten; wir haben versucht, uns aufs Wesentliche zu konzentrieren und viel Wichtiges am Rande liegen lassen. Vielleicht liegt in den “Nebenkriegsschauplätzen” erst der wahre Reiz, aber der Text ist auch so mehr als lang genug geraten. Mir hat es Spaß gemacht und Lust auf mehr – in diesem oder einem anderen Medium. Das Experiment wird heute auch beim Spiegelfechter gepostet. Leider haben wir technisch nicht die Möglichkeit, die Diskussionen zusammenzufassen und machen halt zwei daraus. Mal sehen, was wir dabei lernen.

flatter: Zur Terminologie vorab: Ich nenne Kapitalismus beim Namen. Die Bezeichnung „Marktwirtschaft“ meint dasselbe. Sollte es zu einer sinnvollen Unterscheidung der Begriffe kommen, können wir diese noch nachreichen. Wo beide synonym sind, verwende ich den deutlicheren.
Die Grundfrage, die ich diskutieren möchte, ist: „kann Kapitalismus funktionieren?“. Ich bin der Überzeugung, dass dies nicht der Fall ist und verstehe dich so, dass du anderer Meinung bist. Am Ende wird meine Frage an dich daher sein: „Wie soll Kapitalismus funktionieren“?
Eines meiner Hauptargumente ist dabei folgendes:
- Kapitalismus gerät zwangsläufig in eine Phase, in der er sich nicht mehr regulieren lässt. Sobald die Profite unter ein bestimmtes Maß sinken – bei dem behauptet werden kann, es lohne sich nicht mehr zu investieren – durchbricht er die gegebenen Grenzen. Die Deregulierungen, die von Kritikern des Neoliberalismus beklagt werden, waren also tatsächlich alternativlos. Sie sind kein Ausdruck von Gier, sondern systembedingt und unvermeidlich.

Spiegelfechter: Eingangs sollten wir uns darauf verständigen, was mit dem Begriff “Kapitalismus” gemeint ist. Ich würde den Begriff ungern als Kampfbegriff benutzen, sondern ihn als Synonym für den trennschärferen Begriff “Marktwirtschaft” verwenden. Dagegen hast Du ja offenbar keine Einwände.
Deine Eingangsthese nehme ich zwar offen zur Kenntnis, kann sie aber nicht teilen. Warum sollte der Kapitalismus nicht regulierbar sein? Steht der Kapitalismus über dem Gesetz? Gar über der Verfassung? Gibt es denn überhaupt starre Grenzen oder sind diese nicht vielmehr dynamisch? Und warum sollte es “systemimmanent” problematisch sein, wenn die Profite unter ein gewisses Maß fallen? Daher würde ich vorschlagen, dass Du diese Thesen eingangs einmal kurz erläuterst. In die Details können wir danach einsteigen.

flatter:Kapitalismus lässt sich nicht regulieren, weil das Kapital sich nicht juristische Gesetze vorschreiben lässt. Wo es sich nicht „lohnt“ zu investieren, wird nicht investiert. In den Phasen, in denen also viel Kapital auf wenig Möglichkeiten zur Vermehrung trifft, fordert es neue Einsatzgebiete. Lassen sich in der Realwirtschaft keine finden, müssen „Finanzmärkte“ her. Die Eigentümer haben die ökonomische Macht und können daher Druck auf den Gesetzgeber ausüben, dem Kapital entsprechende ‘Freiheiten’ zu bieten. Und selbst wenn der stur bleibt, stellt sich die Frage, was aus Kapital wird, das keine ausreichenden Profite mehr erzielen kann. Marx hat das in dem Theorem des „tendenziellen Falls der Profitrate“ beschrieben; ich will das aber nicht ‘marxistisch’ diskutieren, sondern zunächst auf das skizzierte Problem begrenzen.

Spiegelfechter: Da muss man sich jedoch zunächst die Frage stellen, was “Kapital” eigentlich ist. Sowohl bei den Soziologen als auch bei den Volkswirten marxistischer Schule schwingen da natürlich immer ideologische Konnotationen mit. Können wir uns darauf einigen, “Kapital” als Synonym für “Vermögen” zu verwenden? Aber selbst dann haben wir noch begriffliche Klippen zu umschiffen. Es gibt Anlage- und Umlaufvermögen, das Rein- und das Geldvermögen. Letzteres dürfte für unsere Diskussion am interessantesten sein und hier sollte man den Blick dann auch auf das Nettogeldvermögen richten. Natürlich gibt es da die betriebswirtschaftliche Logik, nach der das Nettogeldvermögen möglichst rentabel eingesetzt werden soll und ich akzeptiere auch die These, dass es da eine gewisse Sättigung gibt, die tendenziell dazu führt, dass die Renditen, die in der Realwirtschaft erzielt werden können, sinken. Das ist jedoch kein fundamentales Problem. Der Kapitalismus hatte viele Perioden, in denen Vermögen nicht oder nur in sehr geringem Maße vermehrt werden konnte. Es gab auch Perioden, in denen sehr viel Vermögen vernichtet wurde. Die Finanzmärkte sind jedoch ein denkbar schlechtes Substitut für realwirtschaftliche Investitionen. Reine Finanzspekulationen sind Nullsummenspiele, bei denen die Vermögen (also hier die Geldeinsätze) “nur” unter den Teilnehmern umverteilt werden. Dadurch wird in der Gesamtheit jedoch keine Rendite erzeugt. Freilich gibt es jedoch Wechselwirkungen. Die Finanzspekulationen rund ums Rohöl haben beispielsweise eine indirekte Wirkung auf den Ölpreis – es “schwappt” jedoch kein Geld aus dem Realgütermarkt in den geschlossenen Markt für Derivate u.ä. über. Geld arbeitet nicht!
Was Du über die Machtverhältnisse schreibst, ist sicher richtig. Ich sehe hier jedoch keinen systemischen Zwang. Waren die Machtverhältnisse in den USA zu Zeiten des New Deal etwa anders? Dennoch fand damals eine politisch gewollte Umverteilung von oben nach unten statt. Das skandinavische Modell funktionierte so und auch in unserer Sozialen Marktwirtschaft wurde trotz ungleicher Machtverhältnisse kein “Klassenkampf von oben” geführt – auch wenn die 68er dies manchmal anders sahen. Unterschätze die Macht der Straße nicht! Sicher, momentan spürt man diese Macht nicht, aber es ist noch nicht aller Tage Abend. Deine Thesen würden in einer radikal-liberalen Welt sicher zutreffen – also in einer Welt, in der die Märkte tatsächlich der oberste Souverän sind und der Staat sich auflöst. Auch wenn wir auf einem sehr bedrohlichen Weg in eine solche Welt sind, so haben wir doch immer noch eine Verfassung, die nicht libertär, sondern sozialstaatlich ist. Man muss die Verfassung nur endlich wieder ernst nehmen und dem “Druck der Eigentümer” Paroli bieten.

flatter:Jetzt wird es recht komplex, ich will mich aber in diesem Rahmen bemühen, das Ganze zu vereinfachen. Ich kann mich nicht wirklich damit anfreunden, “Kapital” und “Vermögen” synonym zu verwenden, aber versuchen wir, zunächst anhand des Begriffs “Vermögen” das Problem zu erfassen. Dazu ist es hier sinnvoll, Vermögen als etwas zu betrachten, das sich eben vergrößern soll. Das ist nicht direkt betriebswirtschaftliches Denken, sondern lediglich eines, das nicht Konsum anstrebt. Sehr vereinfacht wäre also Kapital Vermögen, das „investiert“ wird. Was allen solchen Vermögensarten gemein ist, ist das schiere Streben nach mehr. Echter “Mehrwert” entsteht zwar nur durch Arbeit, das kann aber dem Vermögenden, der als “Investor” auftritt, egal sein. Die Währung ist letztlich ja dasselbe wert, egal ob der Gewinn an der Börse oder im Kiosk gemacht wird.
Wir stehen jetzt schon an der Kreuzung des grundsätzlichen Funktionierens von Kapitalismus und der aktuellen Situation. Es mag sein, dass es ähnliche Situationen historisch gab. Ich sehe allerdings einige entscheidende Veränderungen. Abgesehen davon nämlich, dass die Krise in den 20er/30er Jahren nicht überall so blendend überwunden wurde wie in den USA, man also ohnehin nicht behaupten kann, Kapitalismus habe funktioniert, ist die Situation heute noch dramatischer:
Die Möglichkeit, neue Märkte zu erschließen, ist ungleich geringer und wird keinesfalls das Kapital auffangen können, das nach Rendite strebt. Wir haben ein Maß an Produktivität, das ebenfalls keine sinnvollen Steigerungen mehr zulässt, sondern bereits natürliche Ressourcen sprengt. Von daher ist hinreichender Raum für Wachstum nicht mehr vorhanden; das war in früheren Jahrzehnten anders. Durch den neoliberalen Umbruch seit Anfang der 80er wurden die Renditen in der Realwirtschaft optimiert, auf denen die Finanzmärkte letztlich aufsetzen. Würde man jetzt versuchen, mehr Konsum anzufachen, ginge das nicht nur wieder zu Lasten dieser Renditen – mit entsprechenden Folgen, sondern würde auch nicht lange vorhalten, da realer Konsum das notwendige Wachstum nicht erzeugen kann. Wo ist da noch Rettung?
Der Druck auf die politischen Systeme schließlich ist ein Thema für sich. Ich wollte zunächst darauf hinweisen, dass Alternativen zum bestehenden System enormen Gegendrucks bedürften, den ich wahrlich nirgends sehe in den politischen Institutionen. Ich teile weder deinen Optimismus bezüglich der “Straße” noch der Verfassung. Ich sehe aber vor allem aufgrund der Einigkeit von Kapitalinteressen und politischen Institutionen nirgends einen wirklichen Willen zur Veränderung und bin auch deshalb überzeugt, dass es zwecklos ist, solche innerhalb der “Marktwirtschaft” zu erwarten. Vielmehr wird versucht, alles zur Ware zu machen, was einen Abnehmer finden kann, bis der Kollaps dann doch erfolgen wird. Man kann dann noch darüber diskutieren, welche Möglichkeiten ein unvermeidlicher Reset birgt.

Spiegelfechter: Dann gehe ich mal zunächst auf den umstrittenen Vermögensbegriff ein, der für mich dann doch zentral scheint. Nehmen wir mal einen Privathaushalt, der ja die Basis allen Wirtschaftens ist, jedes Unternehmen gehört letzten Endes auch den Privathaushalten. Du wirst mir sicherlich zustimmen, wenn ich sage, dass bestimmte Teile des Haushaltsvermögens eben nicht darauf angelegt sind, dass sie sich “vermehren”. Das kann das Haus samt Grundstück sein, auf dem man lebt (dies ist in der Vermögensbilanz der Privathaushalte wohl der größte Aktivposten), oder auch das Auto und persönliche Wertgegenstände wie Schmuck oder Möbel. Es kann zwar sein, dass diese Dinge an Wert gewinnen, primäres Ziel ist dies jedoch bei der Anschaffung nicht. Anders sieht es beim Geldvermögen aus, zu dem bei Privathaushalten auch Ansprüche aus Versicherungen und der privaten Altersvorsorge zählen. Es ist richtig, dass diese Vermögen sich vermehren sollen. Wenn wir jetzt nicht in die Zinskritik, die ich ja bekanntlich ablehne, abgleiten wollen, ist das per se auch kein Problem.
Kommen wir zum nächsten Punkt: Was ist Mehrwert? Ein typisches Konsumprodukt, nehmen wir mal das iPhone, generiert seinen Tauschwert nicht nur aus dem Material-, dem Produktions- und Distributionspreis, sondern auch und vor allem aus imaginären “Werten” wie dem Markenimage. So etwas fällt auch nicht vom Himmel, sondern wird durch Arbeit erzeugt – Arbeit im Dienstleistungsbereich. Und hier kommen wir zu einem “Feature” des Kapitalismus, das Du wahrscheinlich eher als “Bug” ansehen wirst. Die Sättigung wird dadurch außer Kraft gesetzt, dass stetig Wünsche geweckt werden. Der Konsument will – aus welchen Gründen auch immer – ein neues Handy und ein neues Auto, auch wenn das vorhandene Modell rein rational seinen Dienst noch erfüllt. Dies ist die irrationale Seite des Kapitalismus, die ihm nie die Luft ausgehen lässt. Nur wer dies akzeptiert, versteht den Kapitalismus, wobei “verstehen” nicht mit “verteidigen” gleichzusetzen ist.
Die These, nach der weiteres Wachstum nur durch eine wachsende Ausbeutung von Ressourcen erreicht werden kann, ist ebenfalls – sagen wir es freundlich – umstritten. Es gibt zig Produktbereiche, auf die ich jetzt nicht näher eingehen will, bei denen die verbrauchten nicht regenerativen Ressourcen in jedem neuen Produktionszyklus nicht mehr sondern weniger werden. Und hier kommen wir zu einem weiteren “Feature” der Marktwirtschaft. Sobald eine Ressource knapp wird, wird sie teuer und wenn sie (zu) teuer wird, schaut man sich nach Substituten um.
Eine weitere These von Dir erschreckt mich ehrlich gesagt sogar. Wenn Du suggerierst, dass “wir” die Grenzen der Produktivität und des Wachstums erreicht haben, klingt das gefällig postmaterialistisch. Erzähle das doch mal einem Russen, Brasilianer, Inder, Chinesen oder gar einem Afrikaner. Klar, für “uns” geht es nicht darum, dass wir unser erstes Auto, unser erstes Telefon, unseren ersten Zugang zu einer Dialysestation bekommen oder das erste Mal zwei Wochen Urlaub zu machen. Das sieht für den Großteil der Menschheit aber ein wenig anders aus. Erst wenn jeder Äthiopier auf “unserem” Lebensstandard ist, lasse ich dieses Argument gelten. Und ich glaube nicht, dass dies zu unseren Lebzeiten passieren wird. Und auch im vergleichsweise gesättigten Westen ist einiges im Argen, das förmlich nach mehr Arbeit schreit. Ich nenne da mal die Kranken- und Altenversorgung, die Bildung und Ausbildung aber auch die Arbeit im Umweltsektor. Diese Tätigkeiten rentieren sich finanziell nicht, das ist klar. Aber eben darum muss der Kapitalismus ja auch gezähmt werden und wenn das nicht reicht, muss man ihn hinter Gitter sperren. Es gibt sehr viel sinnvolle Arbeit, die nur durch Umverteilung und stärkeres Engagement des Staates, der keinem Renditezwang unterliegt, finanziert werden kann. Aber auch im Bereich der klassischen Produktion kann ich Deine These nicht akzeptieren. Hast Du Dich mal mit Menschen unterhalten, die im Produktionssektor tätig sind? Geht denen die Arbeit durch Rationalisierung aus? Mitnichten, die Überstundenkonten quellen über, die Arbeitszeitverdichtung ist so dramatisch, dass die Gesundheit darunter leidet. Was hier fehlt, sind sinnvolle Gesetze. Und nein, es gibt keinen systemimmanenten Grund, warum der Souverän, das Volk, diese Gesetze gegen die Interessen “des Kapitals” nicht durchsetzen können sollte.
Verfalle bitte nicht der Fehlannahme, dass an der Börse Gewinne gemacht werden. Ein Gewinn ist erst dann ein Gewinn, wenn er verwirklicht wird. Wenn der Börsenkurs steigt, steigt zwar der imaginäre Wert des betreffenden Unternehmens, ein Gewinn entsteht jedoch nur dann, wenn der Aktionär seinen Anteil zu einem höheren Preis verkauft, als er ihn gekauft hat. Der steigende Wert der Aktiengesellschaften resultiert wiederum aus realwirtschaftlichen Geschäften. Auch der Finanzsektor kann echte Gewinne machen – jedoch nur dann, wenn das grundlegende Geschäft in der Realwirtschaft stattfindet. Auf Details gehe ich an dieser Stelle (noch) nicht ein. Ebenfalls spare ich das Thema “politische Gestaltung” einstweilen erst mal aus. Dazu können wir gerne später kommen.

flatter: Eine recht ausführliche Replik. Zu den „Vermögen“ hatte ich ja vorgeschlagen, nur solche Vermögen zu betrachten, die vermehrt werden sollen, da es mir um Kapital geht. Ich wollte die Sache vereinfachen, nicht die ums Kapital auf die ums „Vermögen“ verschieben.
Dass dem Kapitalismus „nie die Luft ausgeht“, halte ich für illusorisch. Dass aus dem (irrationalen) Streben nach mehr Konsum auch die Möglichkeit dazu erwächst, wird niemand behaupten können. Im Gegenteil ist ein Problem des Kapitalismus, dass er nicht gleichzeitig ausreichend Konsum und ausreichend Profit ermöglicht. Dies geht nur durch ein Wachstum, an dessen Grenzen wir längst gestoßen sind. Trotz idiotischer Tricks wie „geplanter Obsoleszenz“ schrumpfen die Umsätze. Warum übrigens soll man einem System zustimmen, das dem Selbsterhalt jede Rationalität opfert?
Das ist es auch, was ich mit Grenzen des Wachstums meine: Selbst künstliches Wachstum reicht nicht aus; anstatt neue Absatzmärkte zu finden, brechen die alten zusammen. Oder soll ich annehmen, dass wir bald Neuwagen in den Sudan exportieren? Dorthin z.B. wurden so viele Waffen verkauft (war gut fürs Wachstum), dass in Jahrzehnten keine Ordnung zustande kommen wird, die ‘Wachstum’ zulässt. Das ist kein Nebeneffekt, das muss man einpreisen. Es gibt einige weitere Grenzen, die sich m.E. nicht erweitern lassen.
Zu deinem wichtigsten Satz:
„Diese Tätigkeiten rentieren sich finanziell nicht, das ist klar. Aber eben darum muss der Kapitalismus ja auch gezähmt werden und wenn das nicht reicht, muss man ihn hinter Gitter sperren.“
Letzteres ist richtig. Wozu dann aber Kapitalismus? Ich halte die Vorstellung von einem, der sich dahingehend zähmen lässt, unrentable Arbeiten wie diese mit den entsprechenden Ressourcen auszustatten, für absurd. Reden wir dann doch gleich von etwas anderem, auch wenn „Sozialismus“ von der herrschenden Verdummung mit „Mauer und Schießbefehl“ identifiziert wird.
Ich kenne gleich zwei Gründe, warum das Volk keine „Gesetze gegen die Interessen des Kapitals” durchsetzen kann. Alle historische Erfahrung und die Tatsache, dass es definitiv umgekehrt läuft. Eigentumsrechte werden doch längst über alle anderen, vor allem die Bürgerrechte, gestellt, jedenfalls in dem Land, in dem ich lebe und seinen „Partnern“.
Dass an der Börse „keine Gewinne gemacht“ werden, ist bedingt richtig, man müsste aber schon z.B. die Warenbörsen auslassen. Das spielt aber keine große Rolle in bezug auf mein Argument, dass die Börsen Kapital binden (so meinte ich das jedenfalls). Dieses Kapital, da es realwirtschaftlich nicht mit Profitaussicht investiert werden kann, würde meiner Ansicht nach verheerende Wirkung zeitigen, wenn es diese Spielplätze nicht mehr hätte. Daher bin ich ebenfalls äußerst skeptisch, was die „Regulierung“ dieser Bereiche anbetrifft. Wenn also, wie gern gefordert, „die Casinos geschlossen“ würden, was geschähe deiner Ansicht nach mit dem Kapital, das dort zwangsläufig abgezogen würde?

Spiegelfechter: Ein Großteil dieses “Kapitals” würde sich ganz einfach auflösen, ohne das irgendwer nun reicher oder ärmer wäre. Klingt komisch, ist aber so. Darum habe ich ja auch versucht, den Begriff ein wenig enger zu definieren. Für die Diskussion, die wir führen, ist es nun einmal wichtig, dass Geld nicht gleich Geld ist. Wie Du sicher weißt, wird Geld durch Kredit geschöpft, es kommt aus dem Nichts und verschwindet bei der Tilgung des Kredits auch wieder im Nichts. Darin unterscheidet es sich vom Vermögen, genauer gesagt von Nettovermögen. Was passiert, wenn die Finanzmärkte nicht mehr ausreichend realwirtschaftliche Anlageformen offerieren können, sehen wir ja gerade eben. Die Zinsen purzeln, aber wenn die Wirtschaft nicht brummt, werden nicht genug Kredite nachgefragt und da in schlechten Zeiten das Risiko nicht geringer, sondern größer wird, weiß die “Kapitalseite” nicht so recht wohin mit ihren freien Mitteln. Dann gibt es eine “Asset Bubble” und wenn die Herren Investoren, frei nach den alten Cree, merken, dass man mit Gold eigentlich auch nichts Sinnvolles anstellen kann, platzen diese Bubbles. Ich könnte mir aber ehrlich gesagt weitaus Schlimmeres vorstellen. Du darfst ganz einfach nicht den Fehler machen und der “Rettungslogik” auf den Leim gehen. Lasst sie doch pleite gehen, es handelt sich doch eh nur um Buchgewinne und sogar das Geld ist nie weg, es gehört immer nur anderen. Wichtig ist dabei nur, dass man die Realwirtschaft abschirmt und das ist möglich; vorausgesetzt man will das.
Sicher lassen sich Konsum und Rendite nur dann unter einen Hut bringen, wenn es Wachstum gibt. Da Wachstum aber nichts böses ist, sehe ich dadrin auch kein Problem. Erst wenn wir in einer Welt leben, in der jeder Mensch nach seinen Bedürfnissen lebt, können wir gerne vom qualitativen Wachstum Abschied nehmen und uns mit dem Status-Quo zufrieden geben. Dieses Ziel werden wir aber weder mit dem Kapitalismus noch mit einer anderen Wirtschafts- und Gesellschaftsform erreichen. Also ist der Weg das Ziel und wichtig ist vor allem, dass wir uns als Gesellschaft darüber klar werden, dass es für das Allgemeinwohl am besten ist, wenn wir das Wachstum aktiv steuern und diese elementare Frage nicht (nur) den Märkten überlassen.
Kommen wir aber noch zum eigentlichen Thema. Du bedienst Dich natürlich eines recht raffinierten Tricks, wenn Du hier Kapitalismus und Sozialismus als Gegensätze anführst. Damit haben wir den Zirkelschluss zum Beginn unserer Debatte gezogen und kehren wieder zur Definitionsfrage zurück. Auch Du würdest ja sicher “Sozialismus” nicht mit Planwirtschaft gleichsetzen und ich denke auch nicht im Traum daran, einen ungehemmten und unregulierten “Kapitalismus”, wie ihn Extremisten wie Hans-Hermann Hoppe vertreten, zu verteidigen. Lustigerweise wünschen wir uns anscheinend beide einen Sozialismus, arbeiten uns aber an komplett verschiedenen Begrifflichkeiten dessen, was wir kritisieren, ab. Die – im übrigen sozialistisch geprägte – Band “Manic Street Preachers” nannte eines ihrer Alben “Know your enemy”. Dieses Motto sollte man bei der Diskussion an die erste Stelle stellen.

flatter: „Wichtig ist dabei nur, dass man die Realwirtschaft abschirmt und das ist möglich; vorausgesetzt man will das.“ – das ist ein interessanter Satz, der mich überrascht und auf den wir uns auch einigen können. Ich meinerseits fürchte, dass der Rettungskapitalismus weder die Zocker pleite gehen lässt, noch die Realwirtschaft schützt. Ich rechne vielmehr damit, dass Kapital sich massiv auf die vitalen Märkte stürzt und damit mindestens eine echte Inflation auslöst.
Was nun den Schutz der Realwirtschaft angeht, so sehe ich da eben die Notwendigkeit, diese dem Kapital zu entziehen. Das ist dann kein Kapitalismus mehr, da hilft auch kein Keynes. Meines Erachtens läuft es sogar darauf hinaus, Lohnarbeit und am Ende das Geld abzuschaffen. Ich habe nichts dagegen, das schrittweise zu tun. Die Prioritäten müssen aber definitiv umgekehrt werden.

Spiegelfechter: Einigen wir uns darauf, dass wir die Realwirtschaft vor den Finanzmärkten oder von mir aus auch “dem Finanzkapitalismus” (be)schützen müssen. Du siehst, es sind letzten Endes hauptsächlich die Begrifflichkeiten, bei denen wir komplett über Kreuz liegen. Wenn eine Wirtschafts-/Gesellschaftsform, in der die Finanzmärkte keine Carte Blanche haben für Dich bereits kein Kapitalismus ist, dann sind wir uns ja einig, dass wir (diesen) Kapitalismus abschaffen könnten … und sollten. Und das mit der Inflation lassen wir mal lieber, sonst machen wir nur ein weiteres Schlachtfeld für den Nebenkriegsschauplatz auf.

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