brembecksHier und da wird gewählt, und man muss nicht einmal ein großer Skeptiker sein, um das mit einem Schulterzucken abzutun. Meet the new boss. Same as the old boss. Dass die FDP in Bremen ihren derzeitigen Trend bestätigt bekommt, dass die schwarzgelbe Bundesregierung wieder in einem Land abgestraft wird, das wird sie nicht beirren. Die Steuersenkunsgpartei ist keine Steuersenkungspartei mehr, darum verspricht sie im Schulterschluss mit dem Koalitionspartner eine Steuersenkung. Damit auch niemand auf die Idee kommt, es würden plötzlich die niedrigen Einkommen entlastet, soll der “Soli” gesenkt werden. Das kommt dann Arbeitslosen und Geringverdienern auch gar nicht zugute, umso mehr aber den Beziehern hoher Einkommen. Chapeau!

Weil die Union mit einfachen Parolen und haarsträubenden Ideen zur Innenpolitik bislang immer gescheitert ist – spätestens in Karlsruhe -, haben sie dem neuen Innenminister einen neuen Aktenschrank geschenkt. Vor den kann er jetzt täglich flitzen, und zwar mit Anlauf. Gesagt, getan: Er will und will und will die Bundeswehr im Inneren einsetzen. Rumms! Das macht nicht einmal die FDP mit, sagt die FDP. Hätte man Herrn Friedrich Intelligenz zu unterstellen, man könnte glauben, er tue dies zur Rettung der Scheinliberalen. Hat man aber nicht, das belegt sein zweiter Sprung vors Mobiliar: Er warnt vor “virtuellen Bomben“. No shit, Folks!

Omma Meier wird sich jetzt fragen, warum man die Kinderschänder aus dem Internet nicht mit diesen Bomben bekämpft. Die Union und die ihr angeschlossen Hard- und Murderliner werden dem zustimmen und den Einsatz der Bundeswehr auch im Internet fordern. Das Niveau, auf dem sich das Berliner Politiksurrogat inzwischen befindet, kettet den Wähler daher konsequent an Flasche und Grill. Noch gut die Hälfte der Berechtigten sind in Bremen zur Wahl gegangen. Man kann ja doch nichts machen.

Veränderungen oder auch nur die Wahrnehmung der Interessen von Wählern scheinen tatsächlich nur noch möglich zu sein, wenn die Massen auf die Straßen gehen oder sich vollkommen unmögliche Katastrophen ereignen. Im Normalbetrieb ist die organisierte Ignoranz sonst so sicher wie die nächste Diätenerhöhung. Alternativen zur Alternativlosigkeit sind in der Geschichte der Bundesrepublik stets außerhalb des Parlaments entstanden. Belege dafür werde ich in einigen Tagen nachreichen.

almDominique Strauss-Kahn hat andeuten lassen, es habe sich bei seiner Annäherung an eine Hotelbedienstete um ein Missverständnis gehandelt. Er habe gedacht, die Dame sei im Auftrag der Ergo-Versicherungsgruppe unterwegs, und sie hätte ein weißes Bändchen getragen. Für ihn hieße das vereinbarungsgemäß: “Alle haptischen Nummern – französisch, von hinten und ins Knie”. Da er die Sprache der jungen Frau nicht verstehen konnte, sei ihm nicht aufgefallen, dass sie Einwände gegen sein Vordringen gehabt hätte. Die Gesamtsituation habe eine verbale Kommunikation erheblich erschwert.

Widersprüchliche Angaben machen derweil die Partylöwen der deutschen Versicherungsbranche. Einmal heißt es, die Boni in Naturalien auszuzahlen, sei “nicht üblich”. Andere interne Quellen verweisen hingegen darauf, dass diese Praxis keineswegs die einmalige Ausnahme war.

Bereits aus dem VW-Konzern bekannt, erfreuen sich solche Events offenbar Branchen übergreifend einer gewissen Beliebtheit. Dies liegt in der Natur der Sache. Die Zuträger der Leistungsträger sind wie diese selbst darauf angewiesen, eine weitgehende Libertinage walten zu lassen – sowohl in bezug auf ethische Standards als auch in bezug auf Fragen des Selbstwerts. Wer nach Gutmenschenart den halben Tag damit vertrödelt, seine Skrupel zu sortieren, wird sicher niemals einem weißen Bändchen begegnen. Wer nicht weiß, für welchen Gegenwert er sogenannte “Beziehungen” opfert, poliert eben ewig die unteren Sprossen der Karriereleiter.

Nur diie Harten kommen in den Garten der professionellen Lüste. Und machen wir uns doch nichts vor: Wer genötigt ist, sich und andere im Dienste des Umsatzes stets zu verleugnen, muss sich seine Liebe ohnehin kaufen. Wenn der Mutterkonzern sich dann um seine Jungens kümmert, für sie eine gediegene Vorauswahl trifft und ihnen einmal im Jahr den Orga-Kram abnimmt, was soll daran gemein sein? Da kann man Philipp Rösler nur zustimmen: Wir müssen unsere Freiheit auch gegen übertriebenen Feminismus verteidigen und dürfen uns nicht durch Neidkampagnen abkochen lassen.

Sigrid Erfurth (Grüne) kritisierte die Linke dafür, eine Aktuelle Stunde beantragt zu haben. Um den komplexen Fall aufzuarbeiten genüge dieses Instrument nicht, vielmehr müsse der bereits dazu installierte Untersuchungsausschuss den Sachverhalt aufklären“.

Es ist also “nicht genug”, wenn man zusätzlich etwas tut und ein Parlament sich öffentlich mit einem Skandal befassen muss, der auf halber Flamme in einem Malefiz-Ausschuss abgehandelt wird. Ganz wichtig: Die Linken sind schuld. Im Steuerfahnder-Skandal erweisen sich die Grünen einmal mehr als staatstragend. Egal, wie korrupt regiert wird oder wie weit es nach rechtsaußen geht, die Grünen bleiben regierungsfähig – und wissen, wo der Feind steht.

Für die brave Finanzbeamtin Erfurth hat die Vernichtungskampagne gegen die Frankfurter Steuerfahnder übrigens nichts mit Korruption zu tun:
Mit einer vernünftigen Personalführung hätte die Eskalation bis hin zu falschen psychiatrischen Gutachten gegen vier Beamte vermieden werden können“.

Ist das noch naiv, bodenlos dumm oder schon selbst korrupt? Jedenfalls sind die größten Bananen in dieser Republik derzeit grün und zeigen bereits deutliche schwarz-gelbe Flecken. Ihren Geruch mag man sich gar nicht vorstellen.

eurofaschQuasi ans Fernsehen gefesselt, blieb ich gestern an Maischbergers PR-Stuhlkreis für Entscheider hängen. Das begann damit, dass ich mich wieder einmal über die Anwesenheit des BDI-INSM-Gurus Henkel erregte. Wenn die neoliberalen Kampfquatscher schon ständig Gratis-Werbung für ihre kognitiv entkernte Ideologie machen, so denke ich, dann sollen sie das wenigstens bezahlen. Stattdessen kommt die Gebühren-Stasi zu jeder Einweihungsparty und nimmt uns dafür auch noch Geld ab.

Auch Frau Wagenknecht muss ich nicht ständig als Vorzeige-Linke dabei haben, es gibt da sicher noch andere, die auch etwas zu sagen haben. Wie dem auch sei, die Runde aus den Besagten, Wilhelm Hankel, Frank Lehmann und CDU-Mann Frank Steffel verlief anders als ich mir das hätte vorstellen können. Am Ende keimte gar der Verdacht auf, dass der Diskurs den Diskutanten eine Vernunft aufzwingt, die sie eigentlich mit allem Mitteln zu meiden versuchen.

Beachtliches Problembewusstsein

Die traurigste Figur machte daher auch Steffel, der nichts anderes zu bieten hatte als Kanzlerinnen-Funk, Gesundbeterei und alternativloses Beharren darauf, dass nicht gesagt werden dürfe, was nicht wahr sein darf. Es gibt keine Krise. Alles im Griff. Wir haben eine gemeinsame Lösung.

Alle anderen, das schließt ausdrücklich auch Henkel ein, boten zwar äußerst unterschiedliche Lösungsansätze an, zeichneten sich aber durch beachtliches Problembewusstsein aus und waren sich sogar weitgehend einig in den wichtigsten Analysen. Selbst Henkel machte keinen Hehl daraus, dass auch eiserner Sparwille und eine Entschuldung Griechenland nicht in den Stand setzen würde, sich wirtschaftlich zu erholen. Dass in einer gemeinsamen Währung mit Exportmonster Deutschland die Südländer ausgeblutet werden, erkennen inzwischen auch diejenigen an, die sonst glauben machen, man müsse den Staat nur genug verschlanken, dann blühten die Landschaften schon.

Niemand widersprach Sahra Wagenknecht, die erläuterte, dass Griechenland sich derzeit nur tot sparen könne, dass es nicht Ziel sein könne, einen Lohndumping-Wettbewerb loszutreten und dass Deutschlands ‘Erfolge’ bei den Exporten auf Kosten der Konkurrenzfähigkeit anderer Euroländer stattfindet. Sogar ihre Feststellung, dass die Banken als Auslöser der Krise und des großen Schubs der Staatsverschuldung gleichzeitig davon profitieren, stieß eher auf Zustimmung als auf keifenden Gegenwind. Na gut, Arnulf Baring fehlte ja auch unentschuldigt.

Deutschlands Egotrip

Eine Überraschung war der weitgehende Konsens nicht nur darüber, dass Sparen für die Südländer keine Lösung ist, sondern dass eine koordinierte Wirtschaftspolitik der Euroländer die einzige Möglichkeit (gewesen) ist, den Euro zu einer tauglichen Gemeinschaftswährung zu machen. Dass dies nicht der Fall ist, wurde bislang zumeist bejubelt, denn die tollen Exportrekorde Deutschlands sind nichts anderes als der Ausdruck eines gewaltigen Egotrips ausgerechnet der entscheidenden Volkswirtschaft in Euroland. Die neoliberalen Konzepte, die maßgeblich dazu geführt haben, sind gescheitert, bzw. der Euro ist an ihnen gescheitert. Letzteres erkennen alle, egal ob sie wieder Einzelwährungen bevorzugen, einen Nord/Süd-Split des Euros oder eine deutlich höhere Besteuerung von Gewinnen, Vermögen und Höchsteinkommen.

Ganz Gallien? Nein. Ein kleiner unbefestigter Geist in der Runde glaubt immer noch, man könne von einem Rettungsschirm zum nächsten gleiten, Schulden per Gesetz für unmöglich erklären, und dann werde ganz von selbst alles wieder gut. Ob Leuchten wie Frank Steffel allerdings am Ende wirklich entscheiden, wie es weitergeht, daran darf glücklicherweise gezweifelt werden.

Mo hat sich ein wenig umgeschaut, Mrs. Mop hat mich auf folgendes aufmerksam gemacht. Wer mehr Quellen oder Informationen hat zu den Protesten im Südwesten, möge dies in den Kommentaren kundtun.

 
peerstRecht interessant ist die Funktion sogenannter “Referenten-Makler“, die unter anderen Prominenten Rednern natürlich auch Politiker vermitteln. Diese quatschen ihren Quatsch im Auftrag der Maklerei und werden dafür fürstlich entlohnt. Schaut man sich beim “Bundestagsradar” zum Beispiel um, findet man unter den Nebeneinkünften solche, die über derartige Agenturen abgewickelt werden. Damit geht wiederum ein Teil der Transparenz verloren, denn wer den Vortrag bestellt und bezahlt hat, wird so nicht deutlich.

Bildquelle: Peter Schmelzle

Peer Steinbrück etwa ist Großkunde von “London Speaker Bureau”, neben “Celebrity Speakers” eine große Nummer im Business, deren Polit-Talker übrigens auffällige Überschneidungen mit der INSM aufweisen. Schelm, der ich bin, denke ich mir etwas dabei. Dass für solche Vorträge obszön hohe Summen bezahlt werden, versteht sich von selbst. Und wenn sogar Edmund “in den Bahnhof einsteigen” Stoiber noch Geld bekommt für die Strapaze, die er seinem Auditorium unterzieht, kann mir niemand mehr erzählen, das stünde in irgend einem Bezug zur abgelieferten Leistung.

Leider erfahren wir nicht, ob die Zuhörer ebenfalls entschädigt werden. Das wäre vielleicht ein weiteres Modell, um unseren Parlamentariern das Joch allzu großer Unabhängigkeit zu ersparen. Warum nicht gleich das Ganze im Reichstag abfrühstücken? „Diese Sitzung wurde Ihnen präsentiert von der Finanzsturmabteilung Drücker&Berger“.

Wie wir aber wissen, fängt Korruption im Kleinen an. Hier zum Beispiel. Da mein Halbtagsjob mich schon dauernd krank macht, ist mehr nicht drin und ich kann jeden Euro gut brauchen, der hier reinkommt. Vor einigen Monaten hatte ich pillepalle PayPal aus der Sidebar genommen, aus Gründen. Die sind zwar immer noch vorhanden, und sogar flattr hat inzwischen eine Alternative dazu eingerichtet: Moneybookers, der Laden, in dem Thomas Middelhoff Aufsichtsratsvorsitzender ist. Da kommste ja vom Regen in die Traufe.

Da die Spenden zuletzt stark eingebrochen sind, bin ich aber so freidemokratish und mache einen faulen Kompromiss und setze PillePalle wieder ein. Ich werde in der Hölle schmoren, in der Abteilung gleich über der, wo die Affiliate-Partner von Amazon brutzeln. Ach ja, und wer es mit mir und der Welt gut meint, kann mir auch immer noch eine Mail schreiben und nach den Kontodaten fragen.

Selbst eine Parteiendemokratie, die weitgehend auf Alternativlosigkeit gebaut ist, kann einem ganz schön blöd kommen. Niemand kann es besser wissen als die FDP-Funktionäre, dass ihre Klientel allein sie nicht in die Parlamente wählen kann. Das sind einfach zu wenige. Zuletzt scheinen die Wirtschaftsliberalen doch glatt vergessen zu haben, dass Korruption eine Fassade braucht. Eine Pizzeria ohne Tische und Stühle, ach ja, und in der es gar keine Pizza gibt, ist zur Geldwäsche nicht ganz so gut geeignet. Ähnlich verhält es sich mit der FDP: Kein Programm, keine Themen, nicht einmal halbwegs attraktive Lügen sind mehr auf Lager. Wer soll so etwas wählen?

     senke

Wir sind keine Ein-Themen-Partei“, meint der neue Vorturner Rösler. Richtig, Kollege. Hieße es doch “Thema” im Singular, aber selbst das findet sich nicht. Welches Thema denn auch?
Selbst zum Namen seiner Partei, auf den sich Rösler in seiner Verzweiflung beruft, fällt ihm nichts ein. Freiheit, das ist wenn man Fleisch essen darf, ohne dass einem die Vegetarier auf den Keks gehen. Da hat doch einer das Ohr am Puls der Zeit.

Der Mann, der vor einem knappen Jahr noch erklären konnte, wieso höhere Beiträge mehr Nettolohn ergeben – weil gleichzeitig die Steuern wichtiger Klienten gesenkt werden – hat also erkannt, dass Steuersenkungen, die nicht einmal stattfinden, kein Wahlkampfschlager mehr sind. Was er nicht erkannt hat: Die Substanz seiner Partei ist (meist) legale Korruption. Das Programm allein dazu angetan denen zu geben, die schon reichlich haben. Rösler scheint der erste Vorsitzende zu sein, der das tatsächlich nicht weiß.

Vom Bock zum Gärtner und zurück

Westerwelle hat es sich zu einfach gemacht und zu bequem. Der letzte und größte Erfolg ein Paradoxon im Geld/Politik-Kontinuum: Die Finanzkrise hat den Bock ein letztes Mal zum Gärtner gemacht. Ausnahmsweise waren es aber einmal offenbar die Wähler, die den Politikern eine Falle gestellt haben. Der Bock wird geschlachtet, nachdem ihm – sogar zurecht – die Schuld auferlegt wurde für das ganze Desaster. In dessen kopflosem Kadaver sucht der Veterinär wider Willen jetzt nach Material, das noch irgendwie brauchbar aussieht. Ob Klonen hilft?

Die FDP hat geschafft, was zuvor der SPD schon gelungen war: Sie weiß nicht mehr, wer sie noch wählen könnte und wer die Geschichten erzählen soll, die da draußen noch wer glaubt. Auf Stein gebaut haben diese Experten schon lange nicht mehr, und zuletzt fliegen ihnen auch noch die billigen Kulissen um die Ohren.

Dazu gehört übrigens auch das Märchenschloss von den “Bürgerrechten”. Die sind alles andere als ein “Alleinstellungsmerkmal”, der eh nur so genannten “Liberalen”. Im Gegenteil, da sei nur an Ingo Wolfs Verfassungsschutzgesetz in NRW erinnert oder an all die rechten Scharfmacher, mit denen sie schon koaliert haben. Nein, die “Freiheit” der FDP ist allein die des Privateigentums. Irgendwer hat das ausgeplaudert. Das ist ihr Problem.

jesterEigentlich wollte ich immer Kabarett machen. Oder wenigstens Satire. Mit fiel aber schon bald nichts mehr ein, das ich als solche noch hätte verkaufen können. Der Fehler lag vor allem darin zu denken, Satire hätte etwas mit Überhöhung zu tun. Als könnte man quasi, nachdem man erkannt hat, was ist, das Ganze ein wenig überspitzt darstellen und damit zugleich kritisch und komisch wirken. Sehr schnell musste ich zugeben, dass eine satirische Überhöhung der meisten relevanten Vorgänge in Politik und Gesellschaft gar nicht möglich ist. 1982 hätte man noch denken können, ein Witz über den Tölpel Helmut Kohl könnte komisch sein. 1998 habe ich dann eine Art Requiem geschrieben mit dem Titel “politisches Gedicht”, das nur aus den Jahreszahlen der Ära Kohl bestand.

Am Ende landet man oft bei Nazivergleichen. Wenn man schlecht ist , freiwillig; wenn man gut ist, unfreiwillig. Ich ließ mir dann eine Parodie auf alles gleichzeitig einfallen: Ein Typ, der sich als kritischer Historiker versteht und eigentlich ein glühender Nazi ist, ohne das selbst zu bemerken. Grandiose Satire, dachte ich, bis die Figur zum Leben erwachte und unter dem Namen “Guido Knopp” diverse Fernsehpreise und das Bundesverdienstkreuz einheimste.

“Völlig absurd”

Ich ließ mir die irrsten Sachen einfallen. Zum Beispiel das Ende der Kohl-Ära durch den Sieg der Sozialdemokraten. Habe ich mir einen Quatsch zusammen phantasiert: Einen Sozen-Kanzler, der Arbeitslose schikaniert bis aufs Blut. Lässt Gesetze von einem Industriemanager machen, der seinen Betriebsrat korrumpiert, indem er ihn in den Puff mitnimmt. Einen SPD-Vorsitzenden, der unter dem Beifall seiner Genossen ausruft: “Wer nicht arbeitet, muss auch nicht essen”. Einen SPD-Sozialexperten, der eine neue Rassentheorie auflegt und dabei von Ausländern schwafelt, die Erbgutschäden in die Gesellschaft tragen. Das wurde alles abgelehnt, die Verlage meinten, das sei “völlig absurd” oder “fanatisch übertrieben”.

Also trat ich die Flucht nach vorn an und setzte noch ein paar drauf. Vier Parteien, die alle von der Finanzindustrie korrumpiert worden waren, unterstützt von der gesamten deutschen Presse. Den “Spiegel”, das Sturmgeschütz der Demokratie, habe ich umgedreht und zum Kampagnenblatt der bürgerlichen Rechten gemacht in meiner großen Posse. Ich habe die komplette Parteienlandschaft weit nach rechts verlagert und ließ in meiner Polemik die Presse das ganze als “Linksruck” verkaufen. Die Verleger nannten dies eine “billige Posse ohne jeden Bezug zur Realität”.

Das Ende ist nah

Ich strickte weiter an meiner lustigen Dystopie, ließ den Vorstand der NPD und überhaupt die ganze Partei durchseuchen vom Verfassungsschutz. Ein Verbortsverfahren scheiterte in meinem Roman daran, dass man nicht mehr wusste, wer V-Mann war und wer einfach nur ein Nazi.
Dann wurde ich international: Ein tumber Alkoholiker als US-Präsident, der die Folter wieder einführte und Lager für Rechtlose einrichten ließ. Sein Nachfolger ein Schwarzer, der mit dem Versprechen die Wahlen gewann, das wieder rückgängig zu machen – und dann selbst weiter foltern und morden ließ.

Ich erfand einen korrupten Mafia-Nazi als Regierungschef in Italien, der mit der Erbin Mussolinis paktierte, rechtsradikale Parteien wie die “echten Finnen”, die “wahren Dänen” und die “ungern umzäunten Ungarn”. Eine Wirtschaftskrise, in deren Folge völkische Parteien die Parlamente dominierten und so weiter, das, was halt inzwischen niemanden mehr überrascht. Und siehe da: Es findet sich ein Verleger, der das alles in Ordnung findet, unter der Bedingung einer winzigen Ergänzung allerdings. In der jüngsten Version verbünden sich die Nationalen mit der Linken und verbieten die Gewerkschaften. Vor dem neuen “Nationalkommunismus” gibt es dann nur noch eine Rettung: Die Front freiheitlicher Demokraten. Die sorgen für die Wiedereinsetzung von Marktwirtschaft und Demokratie. Der neue Kanzler der Einheit ist ein Habsburger. Ich frage mich jetzt zwar, wer das noch komisch finden soll, aber man muss ja auch irgendwann einmal zum Schluss kommen.

Es gibt zwei Möglichkeiten, nach Weisheit im Neoliberalismus zu suchen, nach Wahrheiten, die in seinen Konzepten stecken: Entweder man hat sehr viel Geduld und interpretiert so lange herum, bis etwas Brauchbares herauskommt, oder man erstellt ein Negativ. Wenn man alle Kernaussagen umkehrt, kommt man der Wirklichkeit sehr nahe.

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Zum Beispiel die Forderung nach “Entbürokratisierung”, die Teil des Konzeptes “schlanker Staat” ist. Zur ‘Verschlankung’ – Drücken der ‘Kosten’ und Privatisierung von Staatseigentum – ist an anderer Stelle bereits viel gesagt worden. Was nun die Entbürokratisierung angeht, so mag man ja jedem zustimmen, der gegen Papierkrieg und einen Dschungel sinnarmer Vorschriften ist. Allerdings sind die Segnungen der Bürokratie häufig das Resultat der Arbeit eben jener neoliberalen Lobby, die öffentlich so vehement dagegen spricht. Dazu nur zwei Beispiele:

Dem Amtsschimmel die Sporen geben

Wer sich einmal mit den Sozialgesetzbüchern befasst hat und der daraus resultierenden Praxis für die Antragsteller von Leistungen, wer also die Hartz-Gesetze kennt und den Alltag von Arbeitslosen, kann nur müde kichern, wenn von Entbürokratisierung die Rede ist. Hartz, McKinsey und Roland Berger haben eine Bürokratie in eine kontrollwütige Bürokratie umgewandelt.

Schaut man sich auf der anderen Seite das Marken- Patent- und Urheberrecht an, kann man nur verzweifeln angesichts der völlig unsinnigen Rechts- und Anspruchspraxis, des behördlichen und gerichtlichen Wütens auf Veranlassung durch private Unternehmen. Das Beispiel der Kartoffelsorte Linda ist da nur eines von tausenden. Es sind nicht die Bürger und der Staat, die hier dem Amtsschimmel die Sporen geben, es sind private Interessenvertreter.

Das ist ein weiteres Detail, anhand dessen sich belegen lässt, dass die Konzepte, Behauptungen und Slogans neoliberaler Weltanschauung einer Überprüfung in der Praxis nicht standhalten. Sie entpuppen sich vielmehr als Zerrbilder, als Karikatur einer politisch-wirtschaftlichen Wirklichkeit. Schlimmer wird es allerdings noch, wenn man sich mit den Leitmotiven befasst, vor allem mit der offensiven Lobpreisung sozialer Ungerechtigkeit. Auf die Spitze getrieben hat dies die glühende Antikommuistin und CDU-Politikerin Lengsfeld mit ihrem Motto “Freiheit statt Gerechtigkeit”.

Lob der Ungerechtigkeit

Der Popanz eines “Kommunismus” dient hier der Etablierung angeblicher Alternativlosigkeit: Die oder wir, so oder Schießbefehl. Dabei offenbart sich längst die Notwendigkeit (aus dieser Sicht) sozialistischer Elemente im Staatsgefüge, ohne die eine demokratische Gesellschaft ebenso wenig existieren kann wie eine Wirtschaft, die nicht offen in Sklavenhaltung übergeht. Eine bizarre Ironie, dass der Sozialismus aus den Ruinen des Neoliberalismus aufersteht.

Die vollständige Entsolidarisierung, der totale Wettbewerb, “Freiheit” in Form maximaler Ungleichheit, dieses Konzept ist nicht nur aus sozialer Perspektive eine Katastrophe, sondern ebenso aus wirtschaftlicher. Dass diese Ideologie nicht nur antisozialistisch ist, sondern ebenso anti-bürgerlich, können auch die semantischen Kunststückchen nicht kaschieren, die noch irgendwie von “Gerechtigkeit” oder “Gleichheit” als der von “Chancen” fabulieren. Das gleiche Recht, dem anderen auf den Kopf zu treten, ist nicht mehr gleich, wenn der Ameise ein Elefant gegenüber steht. Die Weigerung, den Wettbewerb als solchen zu beschränken und durch ausgleichende Elemente einzudämmen, ist der Untergang dieser Ideologie.

Chermany – ein fataler Erfolg

Sozial oder sozialistisch sind hingegen Konzepte, die auf solchen Ausgleich bedacht sind. Nur die allerdümmsten denken dabei an eine totale Gleichheit, und von Orwell wissen wir ohnehin, dass dann immer noch manche “gleicher” sind. Sinnvoll ist hingegen ein liberaler Sozialismus, der seinen Bürgern die Freiheit gibt, sich zu engagieren und nach ihrer Fasson zu leben, dabei aber stets eine Balance im Auge hat, die nicht ganze Bevölkerungsschichten oder gar Völker entmachtet. Dabei ist es unerheblich, ob diese Macht militärischer, politischer, wirtschaftlicher oder sonstiger Art ist. Sie gehört eingeschränkt.

Was hingegen geschieht, wenn Wettbewerb unausgeglichen stattfindet, zeigen nicht bloß Einkommenspyramiden oder Machtverhältnisse, in denen verschwindende Minderheiten auf Kosten der Mehrheiten leben. Gerade die ganz unskandalösen und vordergründig als ‘Erfolg’ betrachteten Phänomene zeigen deutlich auf, dass die Idee vom Guten des Wettbewerbs grandioser Unfug ist.

Was China und Deutschland sich erlauben, wird zunehmend selbst von erzkapitalistischen Wettbewerbsanhängern als fatal erkannt. Deren Außenhandelsbilanzen sind ein toller Erfolg, das wird ja vor allem uns Deutschen nach wie vor so präsentiert. Ausgerechnet dieser “Erfolg” aber ist ein Sargnagel jenes globalen Wettbewerbs, von dem “Chermany” derzeit so profitiert.
Ich wünschte, ich lebte in dem Jahrhundert, in dem die Menschheit aus solchen Prozessen endlich etwas lernt.

 
brdbanaDer Neoliberalismus ist leiser geworden in den letzten Jahren. Seit der Bankenkrise darf man zaghaft von “Kapitalismus” sprechen, seit der Eurokrise werden Exportrekorde nicht mehr ganz so triumphierend abgefeiert, seitdem in vielen Branchen Mindestlöhne als nationale Selbstverteidigung gelten, wird die Lohndrückerei ein wenig subtiler betrieben. Das ändert allerdings nichts daran, dass die Praxis der Ideologie weiterhin die Lage bestimmt, und zwar wirtschaftlich ebenso wie sprachlich.

Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank frohlockte gestern, die Exporte könnten in 2011 “die Billion knacken”. Nach alter Weisheit helfen die Gewinne der Wirtschaft ja auch den Beschäftigten, nach ebenso alter Wahrheit ist das Gegenteil der Fall. Es kann passieren, was will, die Reallöhne sinken. Wer den Gürtel nicht mehr enger schnallen kann, der möge sich doch bitte ein Armband um die Taille legen.

Zwiesprechexperten

Kein Witz ist übrigens, dass die Bundesregierung Zwiesprechexperten beschäftigt, deren Aufgabe in der Färbung unangenehmer Begrifflichkeit besteht. “Hartz IV” klingt hässlich, nennen wir es doch besser “Chancenförderungsgesetz” oder “Chafög”. Weitere Vorschläge meinerseits: Sanktion bzw. Leistungskürzung heißt ab sofort “Minuserhöhung” und Ein-Euro-Jobs “Lohnhobby”.

Nein, das Pack muss gedrillt werden, aber nach außen hin bleibt der Schein gewahrt, es handele sich hier um reine Menschenfreundschaft. Und während die Existenz immer häufiger das Minimum nicht wert ist und darunter gekürzt wird, werden schamlose Bereicherung und Korruption weiterhin nach Kräften gefördert. Wer ein Beispiel für wirklich eklige Schmiermittel zur Steuerflucht braucht, lese dies hier über Exxon Mobile Spain. Hauptsache, der Hartzer kriegt nichts mehr zu rauchen.

Augen zu, Hand auf

roeslerraEines der größten Probleme dieses unseres Landes ist bekanntlich das völlige Fehlen von Korruption. Da müssen natürlich Anreize her, und der Geschäftsordnungsausschuss des Bundestages hat großartige Ideen dazu. In Tranchen von 9999 Euro zerlegt, kauft man den Abgeordneten danach zukünftig ohne die Gefahr lästiger Nachfragen. Den wirklich wichtigen Amtsträgern schustert man dann auch schon mal ganz unauffällig ein Milliönchen zu. Das geht niemanden etwas an.

Alles wie gehabt: Hand auf, Augen zu und aufgepasst beim Postenschacher. Eigentlich wollte ich noch etwas sagen zu den unqualifizierten Politclowns einer drei-Prozent-Partei. Oder zu der Frage, seit wann der Zahnarzt die Bundesminister einsetzt. Lassen wir das, wir wollen schließlich nicht als unseriös gelten.

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