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Juni 2010


Zum Abschluß also die Frage nach der Hoffnung auf Besserung der geschilderten Zustände. In den Kommentaren wurden einige Ursachen für Depression und Apathie genannt. Auch diese Liste ist nicht vollständig, aber wenn man genau genug hinschaut, wird man irgendwann begreifen, warum die Dinge sind wie sie sind. Weil ich aber der Überzeugung bin, daß es immer Alternativen gibt, gilt es zu beleuchten, worin solche bestehen.

Zunächst noch einmal kurz zur ultima ratio, die keine ist: Revolution. Ein Volk, das nicht einmal die Zähne auseinander kriegt, wird nicht auf die Barrikaden gehen. Menschen, die “links” noch immer mit “Kommunismus”, “Mauer und Stacheldraht” verbinden, schon gar nicht. Allein der Gedanke ist albern. Ein Beispiel, das nachgerade das total Falsche repräsentiert, ist der Glaube, “die richtigen Parolen” führten zum Sieg des Guten. Macht euch auch bitte klar, wovon ihr sprecht: Revolution ist die Stunde der Bluthunde, der brutalen Geradeaus-Marschierer und Nihilisten, denen Leichen nichts ausmachen, weil sie halt “Feinde” waren. Solche Leute können die Verhältnisse ändern. Ich bin dann mal weg.

Revolution? Hier?

Wer mir die Proteste der DDR-Bürger als “Revolution” verkaufen will, hat sich hingegen nicht mit den Hintergründen beschäftigt. Das Politbüro war ein Haufen inkompetenter Greise, die sich anmaßten, ein Land zu beherrschen. Gegen einen solchen Gegner kann man gewinnen, zumal wenn man von Freunden umzingelt ist. Ich will die Beharrlichkeit und den Mut der Montagsdemonstrierer nicht herabsetzen, aber die Geschichte der DDR hat mit der heutigen Lage im Kapitalismus nichts gemein.

Hinzu kommt ja, daß es widersinnig ist, hier derart zu revoltieren. Gingen auch nur annähernd so viele Menschen in der BRD auf die Straße, weil sie die korrupten Eliten loswerden wollten, könnten sie eine Durchsetzung der grundgesetzlich versprochenen Demokratie innerhalb des Rechtssystems erwirken. Das Problem ist aber wie gesagt, daß sie nicht einmal ihren Unmut artikulieren, geschweige denn ihr Recht durchsetzen. Sollte es je zu Massenprotesten kommen, bin ich gern bereit, mich zu revidieren.

Wege des Unmuts

Wenn daher der erste Schritt getan werden soll, stellt sich mir die Frage, wie der Unmut sich Bahn brechen kann. Dieses Blog und viele andere sind eine Möglichkeit. Eine, von der noch viel mehr Menschen Gebrauch machen sollten. Dies wird freilich ein Tropfen auf dem heißen Stein bleiben.
Eine Möglichkeit, die auch in den Kommentaren aufgezeigt wurde, ist der Kontakt zum Abgeordneten des Wahlkreises. Das Ergebnis dieser Anfrage muß dann aktuell veröffentlicht werden. Das kann man ggf. an Zeitungen oder Blogs weiter leiten. Wie der Fall Köhler gezeigt hat, muß man die Herren nur zum Sprechen bringen, wenn man die Wahrheit hören will. Das darf nicht in den Hinterzimmern bleiben, weil Journalisten glauben, sie seien Geheimnisträger.

Es muß neue Organisationsformen geben. der Vorschlag, Arbeitslosen entsprechend ihres Anteils an der Bevölkerung Stimmen im Rundfunkrat zu reservieren, ist nicht nur witzig. Arbeitslosen-Inititativen müssen sich mehr Gehör verschaffen und etwa dafür sorgen, daß sie in den Gewerkschaften entsprechend vertreten sind. Die werden sich dagegen wehren, aber auch das wäre wieder Bewegung, hier muß sich jemand rechtfertigen oder weichen. Überhaupt sollten Gewerkschaftsfunktionäre, die dafür in Frage kommen, schnellst möglich ins gegnerische Lager wechseln. Man sollte ihnen Angebote machen und sehen, wie sie darauf reagieren.

Tropfen auf dem Stein

Die immer betroffenen und übergangenen Bevölkerungsgruppen müssen sich mehr wehren: Rentner, Arbeitslose, Alleinerziehende, Studierende etc.. In dieser Hinsicht tut sich einiges, das wird häufig übersehen: Es wird fleißig geklagt und oft gewonnen. Das kann gar nicht oft genug versucht werden. Neben der unmittelbaren Wirkung der Urteile ist da ein gewaltiger Image-Schaden für die Verlierer. Mit jeder weiteren Klage wird deutlich, wer hier die Demokraten sind.

Dies sind nur kleine Beispiele für Möglichkeiten, die Minderheiten nutzen könnten, um Diskussionen in Gang zu bringen. Sogar Einzelne können damit Steine ins Rollen bringen. Man muß dafür nicht in eine Partei eintreten, deren Führung eh wurscht ist, was die Basis will. Man muß auch keine gründen, um dann festzustellen, daß man Einigkeit immer nur auf wenigen Feldern herstellen kann.
Die Ziele müssen nicht einmal formuliert werden, sie sind hundertfach aufgeschrieben und ausgesprochen. Warum werden sie nicht verfolgt? Offenbar muß täglich laut an die Versprechungen erinnert werden, die uns längst gegeben wurden. Erfüllt sie endlich!

Die Diskussion ist also eröffnet: Wie kommt der Unmut auf die Agenda? Was kann man tun, um die Apathie zu überwinden? Ist die Sache ohnehin hoffnungslos? Oder rottet ihr euch schon massenhaft zusammen, zum letzten Kampf gegen die Bourgeoisie?

Ausgehend vom gestrigen Artikel stellt sich die Frage, wie es aussieht, das Versprechen der Demokratie im Jahr 2010. Vordergründig gar nicht schlecht. Artikel 1 GG hat nach wie vor ‘ewige’ Gültigkeit, alle Staatsgewalt geht vom Volke aus (Art. 20), das nach demselben Paragraphen gar ein Recht auf Widerstand hat. Man glaubt es kaum, auch Art. 14 ist noch in Kraft und besagt: “Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“.

Diese Rahmenbedingungen und weitere gute und richtige Festlegungen im Grundgesetz umgrenzen ein Gemeinwesen, dem ich mich jederzeit verschreiben kann. Die Demokratie, die hier skizziert ist, ist der Staat, in dem ich gern leben will. Einen besseren brauche ich nicht.
Wie kommt es nur zu dem Mißverständnis, daß das tatsächlich die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland ist und ich in der wirklich echten Wirklichkeit kaum etwas davon wiederfinde?

Grundgesetz? Was ist das denn?

Die ‘Sozialbindung des Eigentums’ muß ich nicht lange kommentieren. Aus dem Wort “soll” wird traditionell “kann”, also “muß nicht”, ergo “bloß nicht” interpretiert. Spätestens seit der sogenannten “Bankenrettung” wissen wir, daß die Allgemeinheit dem Eigentum dient. Es ist, als existiere Art. 14 (2) GG überhaupt nicht.

Aus Artikel 1 leiten sich vor allem die Rechte auf körperliche Unversehrtheit, Leben und Freiheit der Person ab. Immerhin gibt es keine Todesstrafe, rechtliche Regelungen zum Umgang mit Gefangenen, die Folter u.ä. verbieten und grundsätzliche Freizügigkeit. Der Lack blättert allerdings gewaltig, wenn man den Kreis etwas weiter zieht. Aus dem Verbot von Angriffskriegen in Kombination mit der Beschränkung des Einsatzes der Bundeswehr auf den Verteidigungsfall etwa wird die Legitimation zu einem Krieg im Afghanistan abgeleitet – unter quasi rotierenden Begründungen.

Ursprung der Aktion war dabei die Zusage der “uneingeschränkten Solidarität” mit einem Land, das aus demselben Anlaß gefoltert und gemordet sowie Angriffskriege geführt hat. Hier purzeln die grundgesetzlichen Vorgaben wie die Dominosteine.

Was interessiert mich unser Programm?

Man kann das beinahe beliebig fortsetzen. Das Brechen der Versprechungen, die in Form verbindlicher Verfassungsgrundsätze noch viel mehr sind als solche, wird flankiert von einer Erosion programmatischer Grundsatztreue bei den Parteien, insbesondere derjenigen, von denen einmal Widerspruch zu erwarten war. Die CDU ist noch ganz in ihrem Element, wenn sie Oberschichtspolitik macht. Die guten Christen kriegen als protestantische ohnehin, was sie verdienen und richten als katholische ihren Blick ganz konsequent auf ein Leben nach der letzten Wahl. Die FDP ist Klientelpartei und macht alles richtig – bis der Ast halt durchgesägt ist.

Genug wurde hier bereits über Grüne und “Sozialdemokraten” gesagt. Die basisdemokratischen Pazifisten folgen stets den Kriegsaufrufen der Fraktionsvorsitzenden. Einmütig mit der SPD haben sie für den komplettesten Sozialabbau in der Geschichte der BRD gesorgt und sind nach wie vor der Ansicht, dieser Weg sei der richtige. Ein Irrenhaus.

Die eizige Partei, die keine marktradikal-konservative Politik macht, heißt “Linke”. Obwohl sie seit der “Wiedervereinigung” dem Dauerfeuer der bürgerlich-antikommunistischen Propaganda ausgesetzt ist (ohne auch nur im zartesten Ansatz kommunistisch zu sein) und sich in weiten Bereichen dilettantisch bis desaströs verhält, wächst der Zuspruch bei den Wählern immens.

Wieso, weshalb, warum?

Was ist hier los? Dazu möchte ich nur einen winzigen Ausschnitt besprechen, der sich eben mit den Versprechungen der ‘Politik’ befaßt. Denen, die gemacht werden und denen, die sich die Menschen machen. Ganz offenbar ist der Umgang mit den Glaubensfragen in einer Phase stiller, aber verheerender Desorientierung. Rapide sinkende Wahlbeteilungen, Wählerwanderung im Überschallgeschwindigkeit (siehe FDP) und ein beinahe totaler Vertrauensverlust in die Eliten sind die Symptome. Davon ausgenommen sind nur Bataillone von Rentern, deren Unflexibilität noch Stabilität suggeriert.
Das Verhältnis der Bevölkerung zu den Eliten ist nicht mehr nur schlecht. Es existiert beiderseits nicht mehr. Ein Bezug politischer Entscheidungen zu den Lebenswelten der Bürger und umgekehrt findet nicht statt.

Die Abgehobenheit der Entscheider und deren Motive sind in diesem Blog regelmäßig Thema. Da ist vorläufig keine Änderung zu erwarten, bevor der Laden nicht für jedermann sichtbar zusammenbricht. Was aber ist mit der Unzufriedenheit, der Angst und dem Druck, den die große Mehrheit der Bevölkerung empfindet? Warum ist Depression die einzige spürbare Reaktion? Warum verweigern sich die Massen diesem Unfug nicht und fordern nicht einmal die Erfüllung der zentralen Versprechen in Form der Einhaltung grundgesetzlich festgeschriebener Rechte und Pflichten ein?

Warum wird nicht einmal öffentlich diskutiert und hinterfragt, wie es dazu kommen konnte? Welche Möglichkeiten gibt es, diese Diskussion endlich zu führen und damit Politik überhaupt wieder möglich zu machen? Vor allem: Wo ist die Hoffnung auf eine Änderung in dem Sinne, daß die konstitutiven Versprechungen dieses ursprünglich als Demokratie angelegten Staatswesens sich erfüllen? Dies werde ich im abschließenden dritten Artikel anreißen.

Der Mensch bewegt sich fallend vorwärts. Würde man versuchen, diesen Bewegungsablauf bewußt zu steuern, man würde nicht nur ständig aufs Gesicht klatschen, sondern vermutlich auch wahnsinnig werden. Daher empfiehlt es sich, am Grundsatz nichts zu ändern und mit dem vorhandenen Talent zu arbeiten. Es geht schneller und langsamer, im Laufschritt oder hüpfend. Klug ist, wer seinen Schritt der Gelegenheit anpaßt und dafür sorgt, daß es geht, wenn es muß.

Fallend vorwärts

So ähnlich verhält es sich mit der Politik. Wer Einfluß auf die Richtung nehmen will, muß die Bewegung aufnehmen, in der sie sich befindet. Es ist – grundsätzlich systemunabhängig, in einer Demokratie aber ganz besonders – eine Bewegung von Versprechen zu Versprechen. “Demokratie” selbst ist das Zielversprechen, dessen Einhaltung beinahe unmöglich ist. Wie sähe das überhaupt aus, eine “Volksherrschaft”, womöglich eine unter “Gleichen” und “Freien”? Allein letztere scheinen schon widersprüchliche Kriterien zu sein.

In der Tat, da ist die bürgerliche Gesellschaft durchaus ernst zu nehmen, ist das Spiel eines, das zwischen Gleichheit und Freiheit austariert wird – zumindest auf der Ebene des Versprechens. Während auf der juristischen Basis “Gleichheit” vor dem Gesetz behauptet wird, einklagbar ist und Freiheit(en) zugesichert werden (dies durchaus diskussionswürdig), besteht auf der wirtschaftlichen Ebene ein heftiger Widerstreit zwischen dem, was als “frei” oder “gleich” zu gelten hat. Soziale Marktwirtschaft hat einmal das Versprechen ausgegeben, ein hohes Maß an gesellschaftlicher Gleichheit herstellen zu können. Der Neoliberalismus strebt unter derselben Flagge ein Maximum möglicher Ungleichheit an und erklärt (Ergebnis-)Gleichheit zur Untugend.

Freiheit vs. Gleicheit

Dies kann eine ‘private’ wirtschaftsmächtige Gruppe so tun, es verstößt aber gegen das Gleichheitsprinzip der verfaßten Demokratie und verfestigt ungerechte Verteilungsmuster. Das Versprechen wird gebrochen, und dies läßt sich bei aller Umdeutung der Begriffe nicht dauerhaft verhehlen.
Die Macht der Medien, welche sich im Eigentum der Wirtschaftsmächtigen oder unter der Kontrolle politischer Interessensgruppen (Parteien) befinden, können durch Propaganda und Manipulation großen Einfluß auf die Wahrnehmung des Prozesses in der Öffentlichkeit nehmen. Da werden gebrochene Versprechen als erfüllte dargestellt oder die Nichteinhaltung zum Sachzwang umgedeutet. Was bleibt, ist das gebrochene Versprechen.

Dieses System kann sich verselbständigen und sogar dazu führen, daß Kommunikation, die dem Begriff gerecht wird, kaum mehr stattfindet. Das Vertrauen in diejenigen, die für die Erfüllung der Versprechen und die Strategien zu Erreichung der Ziele verantwortlich sind, kann gegen Null tendieren. Dies dürfte weitgehend die Situation sein, in der sich diese Gesellschaft befindet.

Anspruch und Wirklichkeit

Was also tun? Das ganze System ist korrupt, verlogen, Spielball der Mächtigen etc.. Besonders kluge Kritiker weisen darauf hin, daß die “Demokratie” im Ursprung eine Sklavengesellschaft war.
“Dann haben wir ja Glück gehabt”, kann ich denen nur antworten. Aber lassen wir die Kirche im Dorf: Die attische “Demokratie” war keine bürgerliche, und es hat sich seitdem das eine oder andere getan in der Entwicklung der Zivilisation. Und wenn wir schon die Geschichte bemühen, steht die Frage im Raum: Wo sind denn die Alternativen?

Der gescheiterte Sozialismus/Kommunismus etwa ist in der Art, wie er sich historisch formiert hat, definitv keine. Was spricht überhaupt für ihn? Allein das Versprechen jener Gleichheit oder Ausgeglichenheit, das im Westen die seltsame Karriere hin zum Schimpfbegriff gemacht hat. Das aber, liebe Freunde fröhlicher Dialektik, ist auch nur ein Versprechen. Es käme darauf an, es zu erfüllen. Kaum etwas wäre allerdings blöder als der Versuch einer sozialistischen Revolution, weil die bürgerliche Gesellschaft ihr Versprechen nicht eingelöst hat.

Immer dasselbe: Macht

Das Substrat ist immer dasselbe, es sind Menschen, es sind Organisationsformen, es ist Macht. Letztere muß, wenn eine Gesellschaft nicht an ihrer Konstitution zerbrechen will, verteilt und ausbalanciert sein. Die Kunst, eine Gesellschaft zu gestalten, steht und fällt mit der Balance zwischen den Macht- und Interessensgruppen. Wo diese fehlt, wird ‘Stabilität’ durch Unterdrückung hergestellt.

Grundsätzlich ist menschliches Zusammenleben ohne Unterdrückung, Unfreiheit und Ungerechtigkeit nicht zu bewerkstelligen. Dennoch sind alle ernstzunehmenden Gesellschaftsentwürfe von der gegenteiligen Utopie beseelt. Wo nicht einmal um die Ideale gerungen wird, die solche Utopien ausmachen, darf man mit Recht von rückständigen, wenn nicht diktatorischen Verhältnissen sprechen. Die Machtkartelle gleich welcher Ideologien behaupten dabei stets, das Paradies sei bereits Realität oder äußere Zwänge ließen keine Veränderungen zu. Gern wird beides gleichzeitig zur Rechtfertigung des Status quo herangezogen. Wie der in diesen Zeiten hierzulande aussieht, werde ich im Folgerartikel beschreiben.

Mir wurde jüngst vorgeworfen, ich hätte die Contenance verloren in der Auseinandersetzung mit einem Leser. Nicht die Kritik selbst war dabei Anlaß der Beschwerde, sondern vielmehr die Form, in der ich diese vorbrachte. Dies wurde mir deutlich gemacht auch von solchen Kommentatoren, die offenbar gewillt waren, mir inhaltlich zuzustimmen. Ich bitte gnädigst um Vergebung.

Und fühle mich durchaus geehrt, bedeutet solche Kritik doch auch, daß man sich hier gemeinhin gut behandelt fühlt und selbst bei kritischen Äußerungen von Gentleman zu Lady gesprochen wird. Daß es nun jemanden erwischt hat, dem ich anriet, mir nicht weiter mit seiner “Dauererleuchtung … auf die Eier” zu gehen, ist nicht einmal einer besonderen Kritikwürdigkeit geschuldet. Es gab schon deutlich Schlimmere, die einfach mehr Glück hatten.

Wir sind ja nicht bei Don Alphonso, dessen unerhörte Publikums- und Bürgerbeschimpfung sich regelmäßig aufs Unflätigste entlädt. Dabei sind dessen Kommentatoren nicht besser oder schlechter als meine. Na sicher habe auch ich meine Erfahrungen mit Awareness-Huren, Linkstrichern und anderem Gossengesocks, das versucht, hier für ein paar Euros sein degeneriertes Genom zu verspritzen. Auch ich kenne alle Sorten von Spinnern, Bombenbastlern und pangalaktischen Revolutionären, die sich von Mama die Bütterkes schmieren lassen. Aber ist das ein Grund für rüde Leserschelte?

Selbst erzdebile Pimpfe, deren Schädelschwämme es kaum mit den winzigen Stockflecken in meinem Badezimmer aufnehmen können, treten hier gern mit einer martialischen Überheblichkeit auf, denen die best geschliffenen Spitzen meiner schönsten Arroganz nicht beikommt. So etwas wird von mir tonlos nach /dev/null geroutet. Ich lasse mich doch nicht provozieren.

Vertrottelte Trolle, die mir erst literweise Gülle aus ihren aufgeblasenen Dumpfbacken entgegen eimern, um dann faulige Tränen über “Zensur” in den Spamfilter zu rotzen, gibt es reichlich, aber kann der souveräne Betreiber eines durch seine nachgerade engelhafte Liebe zu allen Lesern bekannten Blogs dies zum Anlaß nehmen, selbst ausfallend zu werden?

Niemals! Selbst wenn es soweit kommen sollte, daß ich mir meinen ganz selbstverständlichen Einsatz für den Lohn der Ehre durch ein paar Brosamen versüßen lasse, die ich am Rande aufsammeln darf, muß es dabei bleiben, daß eherne Geduld mit den Verköstigern der von mir laienhaft angerührten Suppe den obersten Grundsatz meiner Bemühungen bildet. Nennt mich “Himbeertoni”, aber von den paar Dutzend Arschgeigen, die mir wöchentlich eine reinmeiern, lasse ich mich nicht mehr zu unbeherrschten Repliken gegenüber beinahe Unschuldigen hinreißen.
Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort!

Die Bundeskanzlerin entscheidet also darüber, wer Bundespräsident wird. Angela Putin hat ihren Medwedew benannt. Was Wulff für den Job qualifizert, ist sein Parteibuch. Sonst nichts. Es hätte durchaus schlimmer kommen können, aber es ist einfach lächerlich, wie in dieser Gurkenrepublik politische Ämter besetzt werden.

merkddrGetoppt wird die Entscheidung der Bundesführerin allerdings noch durch die Kandidatenkür der Mitmach-Opposition von Blassrötlich-Grün. Joachim Gauck spaltet den Rest jenseits von Schwarzgelb noch einmal. Der PdL ständig ihre ‘Stasi-Vergangenheit’ vorzuwerfen und dann Gauck ins Rennen zu schicken, ist ein starkes Signal für den Verzicht auf jede Machtoption und gleichzeitig die Ausgrenzung der Linken. Ich habe nichts gegen Gauck persönlich, aber sollte ein Bundespräsident nicht einer sein, der die politische Spaltung wenigstens nicht verkörpert? Ist mit der Kandidatur womöglich noch die Farce verbunden, der Linken einen Strick zu drehen, wenn sie Gauck nicht wählen will?

Daß sich solche Fragen aufdrängen, belegt einmal mehr das Niveau, auf dem die hiesige politische Kaste durch die Landschaft rutscht. Kann man sich vorstellen, es fände sich eine, auch nur eine einzige politische Persönlichkeit, die für integer gehalten würde und die Menschen begeistern könnte? Oder wenigstens überzeugen? Ich weiß, ich verlange wie immer zuviel.

Einige der Großmedien haben den Anstand darauf aufmerksam zu machen, daß Blogger eine wichtige Rolle spielten in der Causa Köhler. Das ist nicht immer sauber recherchiert, aber das sind wir so gewöhnt. Besonders interessant ist ja, daß es nicht gereicht hat, Köhlers Äußerungen zu bergen und zu dokumentieren, sondern dann noch einer hingehen und die Verlage anrufen mußte, damit dort jemand wach wurde.

Recht peinlich für alle, zumal die FR zunächst mein Blog erwähnte, um dann den Artikel zu ‘korrigieren’ und sich darüber auszuschweigen, woher sie die Informationen hatte.

Das Ärgerlichiste an der Nachbereitung ist aber die kampagnenhafte Behauptung sogenannter “Journalisten”, es seien “Verschwörungstheoretiker” gewesen, die da einen bewußten Eingriff vermuteten, womöglich auf Veranlassung des Bundespräsidialamtes. Die mitgelieferte Erklärung für das Gegenteil ist einfach nur dummdreist: Was der DLF da ins Netz gestellt hatte, sei eben die Abschrift der gesendeten Version. So einfach ist das.

Keiner dieser Aufdecker einer Verschwörungstheorie hat auch nur nachgefragt, warum und von wem ausgerechnet die Passage entfernt wurde, die den ganzen Zündstoff enthielt. Senden die auch Reportagen über Fußballspiele, in denen die Tore nicht erwähnt werden? Und wer dann nach Erklärungen sucht, ist VT?

Nein, die Antwort steht noch aus. Ich werde mir jetzt aber nicht die Mühe machen, dort anzurufen und nachzufragen. Der Fall ist erledigt, und man ahnt ja auch, womit man da abgespeist würde.

vdlbm
Es wird weiterhin würdelos gewurschtelt. Die hektische Kandidatenkür hat begonnen, und schon stellt sich heraus, daß die “Würde des Amtes” ein Mythos ist, dessen inhaltlicher Kern lange vor der Inauguration bereits zertrampelt wird. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn sich berwahrheitete, was eine Binsenweishelt der öffentlichen Vorabmeldungen besagt: Wer zuerst genannt wird, ist aus dem Rennen. Insofern ist zu hoffen, daß Frau von der Leyen nicht wirklich Kandidatin ist, sondern, Verzeihung, die “Sau”, die gerade “durchs Dorf getrieben” wird. Zur Qualifikation der höheren Tochter hat Jens Berger alles Wichtige gesagt.

CDU und FDP, die es für das Recht ihrer Macht halten, den Posten zu besetzen, sind wohl noch vom letzten Wahlgang beleidigt, weil es die SPD wiederum für ihr Recht hielt, eine Gegenkandidatin zu präsentieren. Diese frei von Demokratieverständnis gepflegte Haltung wurde zwar kurzfristig durch einige preiswerte Äußerungen zu einem “parteiübergeifenden Konsens” relativiert. Durch die Benennung von Ursula von der Leyen wäre dieser allerdings unter der Hand wieder aufgekündigt worden. Stockkonservativ, Vetreterin des Establishments, populistische Bürgerrechts-Gegnerin, das sind nur einige Attribute, die der Opposition nicht schmecken können. Auch der inneren übrigens: Sofern es in der FDP noch Bürgerrechtler gibt, sei es auch nur pro forma, dürfen diese sich geohrfeigt fühlen.

Öffentlich hat Volker Kauder bereits dem immer zum kooperativen Kotau bereiten Dieter Wiefelspütz deutlich gemacht, wie die CDU sich einen “Konsens” vorstellt. Bei den Gesprächen über mögliche Kandidaten sei Frank Walter Steinmeier der Ansprechpartner, nicht etwa Sigmar Gabriel. Wiefelspütz, der aus seiner devoten Zuarbeit für Schäubles Innenpolitik zu Zeiten der Großen Koalition offenbar wenig gelernt hat, echauffierte sich daraufhin, es sei nicht die Entscheidung der CDU, wer für die SPD spräche.

Ob das so stimmt oder nicht, ist eine Frage, die schon in den Tiefen der “Würde” taucht, die dem Amt wirklich zugebilligt wird. Es wird eine Lösung gesucht, die dem Volk verhökert wird, als sei sie dessen eigene Wahl, die tatsächlich aber die aktuellen Machtkonstellationen widerspiegelt. Gesprächsbereitschaft wird ebenso bloß simuliert wie anschließend Popularität produziert. Daß die angebliche Beliebtheit Köhlers keiner simplen Nachfrage standhält, daß die Deutschen auch nach seiner Wiederwahl keine Ahnung hatten, wer der Mann eigentlich ist (und was etwa der IWF ist), läßt ahnen, wieviel “Respekt vor dem Amt” inhaltlich besteht. Das Ganze ist eine blasse Show.

Man leistet sich halt ein “Staatsoberhaupt” von Gnaden der politischen Administration. Das Profil des Bundespräsidenten in der aktuellen Stellenbeschreibung sieht daher jemanden vor, der in dieser Administration verankert ist. Er repräsentiert in keiner Weise das Volk und ist schon gar nicht der Chef im Ring. Es soll jemand sein, der weiß, was er zu sagen hat und ein publikumswirksames Auftreten mitbringt. Wer auch immer unter diesen Bedingungen das Amt antritt und sich nicht ganz schnell aus dieser Handlangerrolle befreit, hat jedenfalls einen Grund weniger, im Falle des Falles zurückzutreten. Die “Würde” seines Amtes ist nicht mehr zu beschädigen. Sie wurde bereits vorab entsorgt.

Bildquelle: Michael Panse / Wikimedia

Ich habe eben noch ein wenig durchgezappt und war so übermütig, an einem gefährlichen Ort zu verweilen. Vielmehr war es die Faszination des Schreckens angesichts des aufgelaufenen Personals. Bei Maischberger sitzen Hans-Olaf Henkel, Arnulf Baring, Michel Friedmann, Norbert Blühm und Lisa Fitz. Allein durch diese Besetzung ist Sandra Maischberger endgültig in die Riege der Dompteusen dümmster Demagogen aufgestiegen.

Es ging wohl vordergründig um Köhlers Rücktritt, Henkel nutzte aber die Gelegenheit zu der Verschwörungstheorie, Köhler sei wegen der Staatsverschuldung zurückgetreten. Diese sei natürlich durch zu hohe Sozialkosten entstanden. Und überhaupt vermißte er Friedrich Merz und Roland Koch, die ja neben Köhler die letzten mit “Wirtschaftskompetenz” gewesen seien. Ich mußte unwillkürlich an die sexualtechnische Kompetenz katholischer Bischöfe denken.

Mit Norbert Blüm saß immerhin einer da (auch ein Mitglied der CDU, ebenwo wie Friedmann, während Henkel und Baring der Kirche des INSM verpflichtet sind), dem dabei der Taft aus dem schütteren Haar fiel. Er erlaubte sich darauf aufmerksam zu machen, daß doch wohl die Billionen Staatsgelder für verzockte Banken ausgegeben wurden. Und eben nicht für Sozialausgaben. Daraufhin schrie Baring ihn an: “Ja, wofür denn sonst?” und “Ich habe Sie schon immer für unfähig gehalten!”. An dieser Stelle habe ich ausgeschaltet.

Wer lädt diesen neoliberalen Pöbel eigentlich noch für teure Rundfunkgebühren ins Öffentlich-rechtliche Fernsehen ein? Kann man dagegen klagen? Daß sie ungeniert weiter ihre debilen Lügen verbreiten, ist ja schlimm genug, aber inzwischen muß man ernsthaft fürchten, daß sie selbst handverlesenen harmlosen Gästen in die Goschen hauen, wenn von denen noch zaghafter Widerspruch kommt.

Ich habe mir schon einen Eimer bereitgestellt für die morgige Lektüre der einschlägigen Zweitverwerter, die wieder die grandiose Kompetenz dieser verbalen Fußschweißspritzer loben. Wer tiefer sinken will, hieve Nachmittags-Brüllevents auf die Bühne abendlicher Politfreakshows oder lasse gleich rechtsradikale Schläger auf alles los, was noch bis drei zählen kann. Was dieses Land inzwischen eine politische und journalistische “Kultur” nennt, ist so ekelhaft, daß einem der Atem stockt.

Selbst schuld, wenn man Klickstrecken klickt? Manchmal ist es gut zu wissen, was die Leute da als Häppchenpropaganda serviert bekommen. Heute:

Der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD), gilt als Star der Finanzkrise. Er hat das Land praktisch im Alleingang gerettet.”

Manche Lügen sind so dreist, da stehst du einfach nur mit offenem Mund da und wartest auf den Fisch.

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