Thomas Fricke zerlegt einmal mehr den “Sachverstand” des großen Krisenbändigers Peer Sparbrück, dessen selbstverliebtes Gewurschtel nicht nur jeder Fachkompetenz Hohn spricht, sondern auch die Hoffnung auf ein wenig Verstand sehnsüchtig vermissen läßt. Obendrein wird die Selbstinszenierung des Finanzminis immer peinlicher. Nachdem er viel zu lange alles als “Krisengerede” abgetan hatte, was klügere Köpfe rechtzeitig erkannt haben und sich dann zum großen Manager aufschwang, bekämpft er nunmehr eine Inflation, auf die die Welt nur hoffen könnte.
Noch im September letzten Jahres wußte der Weltökonom:
Nur auf Basis eines einzigen Quartals mit einem leichten Rückgang des Wirtschaftswachstums ist es komplett verantwortungslos von einigen Pessimisten zu behaupten, dass das Schreckgespenst der Rezession umhergeht“.

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Die paar Pessimisten waren eben Optimisten, die nachgedacht hatten. Sie dachten auch nicht bloß von Quartal zu Quartal oder einer Landtagswahl zur nächsten. Mehr ist Steinbrück zwar nicht zuzumuten, aber es gab eben gute Gründe, den Riß im System zu sehen. Zum Beispiel Augen im Kopf und ein Hirn, das die aufgenommenen Sinneseindrücke zu verarbeiten weiß. Die “Finanzpolitik” deutscher Regierungen und Zentralbänker bestand in den letzten Jahrzehnten in einer paranoiden Inflationsbeschwörung, ihre Wirtschaftspolitik in tief gläubiger Wettbewerbs- und Standortreligion, purer neoliberaler Kostensenkungsideologie. Diese senkt Kosten freilich im unteren Einkommensbereich und bei den anderen. Wer gut organisiert ist und laut zetert, dem wird noch immer reichlich gegeben.

Die geistig beweglichen unter den Ökonomen zeichnen sich meist durch eine gewisse Bescheidenheit aus, was ihre Prognosen und Ratschläge anbetrifft. Vieles ist unwägbar, zumal wenn man sich bemüht, alle relevanten Faktoren einzubeziehen. Umso überzeugter geben sich diejenigen, denen an seriöser Ökonomie nichts liegt. Hier stehen Hand in Hand solche Genies wie Peer Steinbrück und Hans-Werner Sinn ganz oben auf dem Sockel und blicken mit fest geschlossenen Augen in die Ferne. Sie wissen nichts von ihrem Versagen von gestern. Dafür bilden sie die Sätze von heute mit den Worten von gestern, hie und da wird ein Prädikat ausgetauscht oder ein Objekt, die Aussage ins Gegenteil verkehrt und flugs noch einmal zurück. Aber immer schön mit “Augenmaß”, um “kommende Generationen nicht über Gebühr zu belasten”, die von heute aber auch nicht, um sich “nicht totzusparen”, im Sinne des ewigen “Aufschwungs”, der gerade auch als Rezession einer ist.
Man darf Haus und Hof aufs Spiel setzen, daß Steinbrück schon sehr bald vor der Deflation warnen wird, die er heute als Kämpfer gegen die Inflation mit verursacht. Deflation kennt er nicht, darum hat er auch keine Angst davor. So, wie es keine Rezession geben konnte, kann es auch keine Deflation geben. Irgendwann wird sein Büroleiter hereinschneien oder Hans-Werner Sinn anrufen oder Michael Rogowski und ihm sagen: “Peer, wir haben eine Deflation”. Dann wird auch er schon immer gewußt haben, daß darin die größte Gefahr besteht und sie sofort vehement bekämpfen. Es wird wie immer zu spät sein.

Die Konkurrenz im eigenen Haus sorgt derweil dafür, daß der Mann fest im Sattel bleibt. Mit Gänsfleisch zu Guttenberg hat er nunmehr einen kongenialen Partner im Wirtschaftsministerium, der es genau so gut kann. Ich wünsche mir beinahe Michel Glos zurück, von dessen Qualitäten man niemanden überzeugen mußte. Sein Nachfolger ist vom selben Schlage eines gelackten Lautsprechers wie er, der Peer. Die Poser aus dem Elferrat des Kabinetts Merkel machen einen tollen Eindruck, die Nation liegt ihnen zu Füßen. “Die tun was” ist das Motto, und man kann nur hinzufügen: Um Himmels Willen, bitte nicht!
Genau darin liegt die Stärke der beliebtesten Kanzerlin aller Zeiten, daß sie eben nichts tut. Sie läßt jede Pfeife nach Herzenlust trillern, seien es Plitsch und Plumps, die fabulöse Ullalala oder Roll over Grundgesetz-Wolfgang. Die Richtlinie ihrer Kompetenz ist das Wirtschaftswachstum – schaut euch nur die schöne Kurve an!

Was wir jetzt brauchen, ist Vertrauen. Vertrauen in die Regierung und in die Wirtschaft. Wer wüßte das besser als die Kanzlerin:
Der Staat hilft vielmehr mit seiner eigenen Glaubwürdigkeit den Finanzinstituten, wieder Vertrauen in die Sicherheit des Finanzkreislaufs zu fassen [...]
Ich weiß, dass wir am heutigen Tag umfassende, weitreichende und auch einschneidende Maßnahmen beschlossen haben. Sie haben ein Ziel: Sie sollen helfen, dass neues Vertrauen entsteht ‑ Vertrauen zwischen den Banken, Vertrauen in der Wirtschaft, Vertrauen der Bürger. Denn Vertrauen ist genau die Währung, in der bezahlt wird
.”
Dem großen Journalisten Christoph Seils sei eine abschließende Beurteilung überlassen, den “Macher am Rande des Abgrunds” betreffend:
In der Tat ist der Finanzminister alles andere als ein Idiot, der sich von der Krise treiben lässt“.
Das nenne ich “Vertrauen”!